Die Grundprinzipien der Stiftung
Die Bertelsmann Stiftung ist ein Produkt der jahrezehntelangen Erfahrungen, die Reinhard Mohn mit seinem Unternehmen machte. Zwei Dinge prägen das Wachstum von Bertelsmann: Mohn kopierte erfolgreiche Ideen und er sparte Steuern, wo es nur ging – um das Kapital für die Expansion des Unternehmens einzusetzen. Die entscheidende Frage, die Mohn sich immerzu stellte, lautete: Wie kann er das Geld, das in Form von Steuern für Staat und Gesellschaft bestimmt ist, im Unternehmen behalten? In den fünfziger Jahren gab er seinen Mitarbeitern den Gewinn. Dadurch konnte Mohn von 1951 bis 1955 den gesamten Gewinn dieser Jahre einbehalten und reinvestieren. Davor musste das Unternehmen 60 Prozent Steuern zahlen. 1955 führte Mohn nach demselben Modell eine Pensionskasse ein, 1970 rückwirkend ab 1969 die Mitarbeiterbeteiligung – auch das, um (neben den sozialen Effekten) Steuern zu sparen und Gewinne im Unternehmen zu halten.
»Mohn hat Steuersparen zur Religion erklärt«, sagt ein ehemaliges Vorstandsmitglied. »Steuerliche Gesichtspunkte haben stets eine große Rolle gespielt«, bestätigt sein ehemaliger Personalvorstand Georg Türnau. Und auch der ehemalige Finanzvorstand Siegfried Luther, der für Mohn 1977 die rechtliche Form der Stiftung ausgearbeitet hat, erklärt, dass solche Gesichtspunkte bei der Gründung der Stiftung und der regelmäßigen Überarbeitung der Papiere »eine wichtige Rolle spielten«.1
Bertelsmann ist gewachsen, weil Mohn Finanzinstrumente erfand, die den Steuersatz »bis an die Grenze des Legalen drückten«, wie es ein ehemals leitender Manager formulierte. »Eines seiner Hobbys heißt: Steuern sparen.« Eine seiner Lieblingsformulierungen im Gespräch mit seinen leitenden Managern lautet: »Gewinne unterpflügen!« Gewinne sollten in expandierenden Tochterunternehmen eingesetzt werden und so aus den Bilanzen verschwinden. Dass Mohn immer wieder Mitarbeiter aus seiner Steuerabteilung an die Spitze des Unternehmens holte, war kein Zufall, sondern Strategie. Seinen Einsatz für die Allgemeinheit sah er in den Arbeitsplätzen, die sein Unternehmen schuf. Dass es nur ein kleiner Teil der Allgemeinheit ist, dem die Steuerersparnis nutzt (nämlich seinen Mitarbeitern), wollte er offenbar nicht sehen.
In den Nachkriegsjahren machte Mohn als Unternehmer eine Erfahrung, die er später immer wieder und wieder vortragen würde, wenn er über das Prinzip seiner Stiftung sprach: Er kopierte erfolgreiche Ideen. So hatte er sich am Anfang seiner Laufbahn den Lesering, der später als Mohns Königsidee gelten wird, von anderen Buchgemeinschaften abgeschaut. Das System des Abo-Buchhandels hat er von der Büchergilde übernommen. Dieses Prinzip des Kopierens wird er später auch seiner Stiftung verordnen. Was sein Unternehmen erfolgreich gemacht hat, das soll die Stiftung auf die Gesellschaft übertragen. Ihm schwebte ein Deutschland vor, das so wie seine Bertelsmann AG wird. Ein Land, geprägt von Ideen hinsichtlich der Führung, die sein Unternehmen erfolgreich machten, und von jenen Ideen, die die Stiftung im Ausland entdeckt und importiert. Beides zusammen soll eine Bertelsmannrepublik Deutschland ergeben. Diesen Begriff verwendete Mohn zwar nicht selbst, aber es ist der Geist, den er predigte.