Eine vorzeitige Vertragslösung

Im April 2005 gab Heribert Meffert der Süddeutschen Zeitung ein Interview.4 Darin sprach er über den Einfluss der Stiftung auf Schröders Agenda 2010 und das Selbstbild der Stiftung als Katalysator. Die Journalisten fragten ihn: »Trotz der schönen neuen Regeln sitzt die Bertelsmann-Eignerin Liz Mohn sowohl im Vorstand als auch im Kuratorium der Stiftung. Wacht sie über sich selbst?« Meffert antwortete: »Dies ist nach dem Stiftungsrecht möglich und soll langfristig nicht perpetuiert werden. Von außen sieht es vielleicht wie ein Schönheitsfehler aus, aber wir haben in den Leitungsorganen eine klare Mehrheit Unabhängiger.« Es ist nur ein Satz. Aber für Mefferts Zukunft als Vorstandsvorsitzender der Stiftung war er entscheidend. Nach diesem Satz war seine Zukunft an der Spitze der Stiftung Vergangenheit.

Natürlich nicht nur wegen dieses einen Satzes. Meffert meinte vermutlich, was er da sagte. Er berief sich aufs Stifterrecht und versicherte, dass er dieses Recht nicht abschaffen wolle. Aber seine Worte machen klar, dass er sich bewusst war, dass die Eigentümerin und Familiensprecherin die Unabhängigkeit gefährdet. Und natürlich wusste er, dass von echter Unabhängigkeit keine Rede sein konnte. Seine Formulierung war ein Appell an die Mohns, unabhängig zu werden. Vielleicht war es ihm recht, dass die Öffentlichkeit dies thematisierte und Meffert bestätigte die Öffentlichkeit – ein bisschen.

Es war diese widersprüchliche Haltung, mit der die Stiftung stets Kritikern entgegnet: Was wollt ihr denn? Das Stiftungsrecht gestattet uns das. Aber das Stiftungsrecht ist schließlich kein Recht, das Unabhängigkeit und Transparenz gewährt, sondern das Gegenteil. Bertelsmann selbst hat dies im Zuge der Stiftungsreform über Jahre in Konferenzen und Debatten diskutiert und sich für Reformen eingesetzt, aber sie konnte darauf vertrauen, dass es nicht zu echten Reformen kommen würde. Zudem widerspricht die Doppelrolle von Liz Mohn den Empfehlungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen.

Meffert erlitt im Winter 2004 einen Infarkt des linken Auges und ein Arzt sagte ihm, dass Aufregung in seinem Zustand nicht förderlich für die Heilung sei.5 Im Juni 2005 löste Meffert seinen Vertrag vorzeitig und trat Ende 2005 zurück, 20 Monate früher als geplant. Das Manager Magazin kommentierte: »Am Ende mochte er sich nicht mehr mit der Reform einer Organisation plagen, die nicht allein den Gesetzen kühler Logik gehorcht, wie Meffert sie schätzt, sondern dem flackernden Hin und Her von Launen und Eitelkeiten.«

Die Süddeutsche Zeitung schrieb: »Der Chef der Bertelsmann Stiftung beugt sich dem internen Druck.« Meffert sei am Ende »nur noch erleichtert« gewesen, als er seinen engeren Mitarbeitern in Gütersloh den Rücktritt zum 1. Januar 2006 ankündigte. »Eigentlich war es mein größter Wunsch, meinen im Juli letzten Jahres verlängerten Vertrag bis Mitte 2007 erfüllen zu können. Daran hindert mich jedoch ein vor kurzem aufgetretenes Augenleiden«, sagte der 68-Jährige. Der Hinweis auf die angeschlagene Gesundheit sei »berechtigt – und doch nicht die ganze Wahrheit«, schrieb der Wirtschaftsjournalist Marc Beise. Er kannte Meffert und schrieb: »Ein wohlwollenderes Umfeld vorausgesetzt, hätte Meffert seinen Vertrag wohl erfüllt.«

Gerd Wixforth, der Mefferts Abgang aus nächster Nähe mitbekommen hat, sagt heute in der Rückschau, dass Meffert in einen ganz schwierigen Prozess geraten war. »Er dachte eigentlich, er könne die Stiftung inhaltlich neu ausrichten, kämpfte aber mit den Strukturen.« Aber er habe das Angebot unter ganz anderen Voraussetzungen angenommen. Er hätte eigentlich inhaltlich arbeiten wollen, aber Thielen hatte eine Umstrukturierung begonnen, der Meffert in die Quere kam und die ihn wiederum von inhaltlicher Arbeit abhielt.6

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik
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