Wie die Stiftung Ergebnisse der Kommission gezielt in die Medien bringt

Am 16. August 2002 überreichte Peter Hartz auf der Bühne des Französischen Doms in der Mitte Berlins Kanzler Gerhard Schröder den 344 Seiten starken Abschlussbericht der nach ihm benannten Kommission. Er handelte von »Ich-AG«, »Job-Floater« und »Bridge-System«; »Kunstwörter, die auf den ersten Blick niemand verstand, die aber modern klangen«, wie der Spiegel schrieb. Die Stiftung überließ die Darstellung in der Öffentlichkeit nicht dem Zufall. Als Hartz seine Konzepte an Schröder übergab, druckte die FAZ einen langen Bericht, in dem nicht Peter Hartz, sondern Frank Frick die Idee der Reformen ausführlich erläuterte – als sei nicht Hartz, sondern die Stiftung der Ideengeber der Reformen. Die Deutschen könnten »von den Briten aus Sicht der Wissenschaftler in der Kundenorientierung etwas dazulernen«, schrieb die FAZ. Wie im PR-Video der Stiftung, so ist auch in der FAZ von den maximal zehn Minuten Wartezeit die Rede. Immerhin gab die FAZ aber einen Hinweis, warum die Vermittlung in anderen Ländern offenbar erfolgreicher ist, und schrieb, in Schweden beispielsweise müsse ein Arbeitsloser auch eine 1 000 Kilometer entfernte Stelle annehmen oder Kürzungen hinnehmen. Unerwähnt blieb einmal mehr, dass in den Niederlanden die Mindestrente die vielen Zeitarbeiter absichert und dass der Vergleich mit Großbritannien fragwürdig ist, da die Marktwirtschaft dort eine andere ist. In den Darstellungen von Frick dagegen klang es, als könnte man die Erfolge mit Jobcentern und Zeitarbeit problemlos übertragen.

Es ist der Traum jedes PR-Manns: Frick und die Stiftung erhielten von der FAZ die Deutungshoheit. Zu Wort kam nur Frick, sonst niemand. Er wird als einzige Quelle genannt. Somit hatte die Stiftung ihre Konzepte nicht nur der Kommission, sondern auch der Öffentlichkeit vermitteln. Bereits zwei Monate zuvor hatte der Spiegel in einer Titelgeschichte über die Konzepte von Hartz berichtet. Auch in diesem Artikel war Frick die einzige Quelle und der Bericht unterschied sich nicht wesentlich von Darstellungen, die Frick und die Stiftung in ihrer eigenen Zeitschrift präsentierten. Es kamen darin keine Stimmen vor, die diese Modelle und ihre Übertragung kritisch hinterfragt hätten, von der Rolle der Stiftung ganz zu schweigen. Vermutlich wären die Berichte in FAZ und Spiegel nicht viel anders ausgefallen, wenn Frick sie selbst geschrieben hätte. So aber verliehen Spiegel und FAZ seiner Schilderung zusätzlich Glaubwürdigkeit und den Eindruck von Unabhängigkeit. So zahlten sich die jahrelangen Kontakte zu Journalisten aus.

Alexander Jung, der im Spiegel berichtete, ist einer der Wirtschaftsjournalisten, den Frick und Empter bereits im September 1995, damals noch für die später eingestellte Zeitung Die Woche, zum Symposium nach Gütersloh eingeladen hatten, als die Stiftung den Carl Bertelsmann-Preis wegen erfolgreicher Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an Portugal vergab. Bei diesem Symposium waren bereits all die Modelle und Länder zur Sprache gekommen, die die Stiftung später der Regierung von Schröder empfahl.

Die Stiftung unterhält ein großes, eng gespanntes Kontaktnetz zu Journalisten. In der Mitte des Netzes befinden sich Verleger und Chefredakteure aller namhaften und einflussreichen Magazine, Zeitungen und Fernsehsender – liberale Zeitungen wie Die Zeit, Der Spiegel und Süddeutsche Zeitung, aber auch konservative Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt. Besonders umwarb die Stiftung die Zeit und das ZDF. Journalisten sind immer dankbar für Kontakte, Material und Orientierung – und natürlich dafür, dass die Bertelsmann Stiftung sie zu Feiern, in Jurys und zu Symposien einlädt. Die Stiftung arbeitet subtil. Sie lässt alle ein und lässt alle zu Wort kommen. Es ist ein Austausch, von dem alle profitieren – zumindest behaupten sie das. Die Stiftung schreibt nichts vor, sie bietet nur an – und zahlt. Es geht um Kontakte, um Zugang in den Kreis einer publizistischen Elite, und auch darum, mögliche künftige Partner auf ihre Eignung hin für Interviews und Gremienmitarbeit hin zu prüfen.

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik
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