9. Von außen ein Schönheitsfehler – Lässt sich die Bertelsmann Stiftung von innen reformieren?

Die Interessenkonflikte werden in der Stiftung durchaus als solche wahrgenommen, wie Reformversuche des Vorstandsvorsitzenden Heribert Meffert zeigen.

Meffert war eine Verlegenheitslösung – und zugleich ein Glücksfall für die Stiftung. Mit ihm hätte die Stiftung die Chance gehabt, sich von innen heraus zu erneuern und das Versprechen der Unabhängigkeit weitgehend einzulösen. Meffert wollte Dinge reformieren, die die Familie Mohn ihrer Stiftung als DNA vererbt hat. Dinge, die von außen betrachtet einen Interessenkonflikt bergen und die die Unabhängigkeit erkennbar beeinträchtigen. Aber von innen – aus Sicht der Familie des Stifters – sieht das alles ganz anders aus, denn gerade diese Dinge ermöglichen der Familie die Kontrolle. Meffert prallte mit seinem vorsichtig geäußerten und diplomatisch gebremsten Reformeifer gegen eine Wand und er verschliss sich. In der Stiftung hieß es, Meffert führe zu wenig. Was ihm als Führungsschwäche ausgelegt wurde, war das geschäftliche Todesurteil im Hause Mohn.

Doch der Reihe nach: Meffert gilt als Marketing-Papst. Im Mai 2002 feierte er seinen 65. Geburtstag und gab im Juli seine Abschiedsvorlesung an der Universität Münster am Institut für Marketing. Über mangelnde Arbeit konnte er sich nicht beklagen. Die Deutsche Post und die Bahnforschungsstelle hatten Aufträge für ihn. Außerdem betätigte er sich als Doktorvater an seiner Universität und wirkte im Vorstand einer Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung, die er selbst gegründet hat. Ein Anruf an einem Sonntag im Juni 2002 machte seine Pläne zunichte. Am Telefon war Liz Mohn mit einem reizvollen Angebot. Die Bertelsmann AG trennte sich von ihrem Vorstandsvorsitzenden Thomas Middelhoff und dessen Abschied setzte weitere Veränderungen in Gang, da der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Gunter Thielen, Middelhoffs Nachfolger wurde.

Meffert war gerade im Allgäu und kam aus einem Orgelkonzert, als ihn der Anruf erreichte. »Das Vertrauen, das mir das Ehepaar Mohn entgegenbringt, erfüllt mich mit Stolz«, wird er später schreiben.1 Er arbeitete bereits seit einigen Monaten für die Mohns und ihre Stiftung. Als er ein Jahr davor im Mai 2001 an der Universität Münster die Laudatio bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Mohn gehalten hatte, hatte dieser sich an Meffert gewendet. Meffert hatte als Professor für Wirtschaftswissenschaften in Münster ein vielbeachtetes Institut für Markenrecht etabliert – das erste in Deutschland. Die 25-Jahrfeier stand bevor und Mohn wollte seine Stiftung reformieren. Er warf die Fragen auf, ob die Ziele der Stiftung noch stimmten und ob sie zeitgemäß arbeitete. Finanzmittel und Mitarbeiterzahlen hatten sich nahezu verfünffacht, wie die Hauszeitschrift Forum betonte. Mohns Forderung lautete: »Die Bertelsmann Stiftung muss sich strategisch neu aufstellen.« Es ging um die Marke Bertelsmann Stiftung. »Die Stiftung als Reform-Marke«, betitelte Meffert einen Aufsatz, in dem er seinen Mitarbeitern sein Programm und Ziel erklärte.

Meffert sollte nicht nur die Inhalte, sondern auch die Strukturen reformieren. Aber Meffert ging noch weiter. Struktur war für ihn mehr als nur die Einteilung und Neuordnung der Bereiche. Meffert wollte die Stiftung als Marke etablieren, die Vertrauen erweckt und die glaubwürdig ist. Die Botschaft, die er vermitteln wollte, lautete: »Wir setzen uns als unabhängige, politisch neutrale, gemeinnützige Organisation für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ein.«

Seit Horst Teltschik war Meffert der erste Mann an der Spitze der Stiftung, der nicht vorher an der Spitze des Unternehmens gestanden hatte. Der erste Mann, der nicht im Aufsichtsrat und in der BVG saß und somit nicht direkt dem Unternehmen verbunden war. Einer, der nicht in jahrelangen Wechselspielchen zwischen Stiftung und Unternehmen die Richtung verloren hatte. Würde er diese Unabhängigkeit in die Stiftung einbringen können?

Als notwendig erachtete Meffert, dass die Stiftung nicht nur von Unabhängigkeit sprach, sondern da, wo sie es nicht war, endlich realiter wurde. Heikel war jedoch, dass Meffert diesbezüglich auch vor einflussreichen Vorstandskollegen nicht Halt machte. Meffert hatte Mohns Ansatz, seine Reden und den Gedanken, den er in seiner Stiftung transportierte, tagelang studiert und er nahm seine Ansichten ernst. So nahm Meffert den Kampf gegen Selbstbedienung auf, was das Gebaren des Vorstandskollegen Werner Weidenfeld betraf.

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik
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