Ein gekaufter Titel? Die Promotion Brigitte Mohns
Dass die Mohns die Uni Witten/Herdecke als etwas betrachteten, das ihnen zusteht und zu Diensten ist, und sie die Förderung nicht ganz uneigennützig vornehmen, musste Schily allerdings schon früher aufgefallen sein, als 1993 eines Tages sein Mitarbeiter Josef Maria Häußling, der Wissenschaftliche Direktor, zu ihm kommt und sagt, Brigitte Mohn habe sich für eine Promotion angemeldet. Kurz davor hatte die Universität im sogenannten »Studium fundamentale« das Promotionsrecht eingeführt. Ohne diese Änderung hätte Brigitte Mohn gar nicht wegen einer Promotion anzufragen brauchen, denn sie studierte keines der Fächer, das Witten anbot.
Nun wollte sie als erste Studentin in diesem speziellen Studium generale promovieren. Ausgerechnet an der Universität, wo ihr Vater den Vorsitz des obersten Gremiums führte und welche ihr Vater damals förderte wie kein Zweiter. Im Laufe der Jahre 1986 bis 2004 hat die Universität Witten/Herdecke von der Bertelsmann AG und der Bertelsmann Stiftung 35,1 Millionen Euro erhalten. Darüber hinaus hat die AG 1991 einen Lehrstuhl gestiftet, den sie nach Reinhard Mohn benannt hatte.
Schily konnte sich 1993 denken, dass diese Promotion von Brigitte Mohn von außen nicht als besondere Errungenschaft gewertet wurde. Häußling sagte Schily, Brigitte Mohn habe bereits eine Arbeit, die so gut wie fertig wäre, mitgebracht und einen Zweitgutachter hätte sie auch bereits – ihren Professor aus Augsburg. Es wirkte auf Schily, als sei alles vorbereitet. Schily achtete darauf, dass Brigitte Mohn sich ihre Promotion wie jede andere Studentin erarbeitet. Er wollte nicht, dass sie einfach kommt und eine fertige Arbeit einreicht und das unmittelbar, nachdem sie gerade zum gleichen Thema eine Magisterarbeit fertiggestellt hatte.
Schily wollte, dass sie sich den Doktortitel erarbeitet, was natürlich Zeit in Anspruch nehmen würde. Reinhard Mohn wurde ungeduldig und fragte Schily, was denn los sei und warum es so lange dauern würde. Schily antwortete ihm, dass es keine Vorrechte für seine Tochter gäbe.
Brigitte Mohn wurde 1993 zur Dissertation zugelassen. Studiert hatte sie von 1984 bis 1992 in Bamberg, Münster und Augsburg Publizistik, Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft und im Juni 1992 in Augsburg ihren Magister in Politikwissenschaft abgelegt, wie sie im Lebenslauf ihrer Doktorarbeit schreibt. Direkt im Anschluss daran begann sie nach eigenen Angaben die Arbeit an ihrer Dissertation.
Am 29. Juli 1993 reichte sie die Arbeit Kommunale Jugendhilfe im Übergang. Analyse ausgewählter Bereiche der Implementation des KJHG (KJHG steht für Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz) am Institut für das Studium fundamentale ein und am 26. Oktober 1993 verteidigt sie diese Arbeit. Thema ihrer Magisterarbeit war ebenfalls die kommunale Jugendarbeit. Das ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist, dass sie die Doktorarbeit an der Universität Witten/Herdecke einreichte – einer Universität, die ihrem Vater sehr verbunden ist. Die Uni galt unter Wirtschaftsleuten als Reinhard Mohns Baby, wie die Wirtschaftswoche einmal schrieb.
Die Doktorarbeit umfasste 130 Seiten und viele Seiten Anhang. Es ist eine bessere Magisterarbeit. Aber Brigitte Mohn hatte keine kritischen Prüfer zu fürchten an der Universität, die ihr Vater finanzierte. Ihr Doktorvater und Hauptgutachter war Professor Josef Maria Häußling, der Wissenschaftliche Direktor der Privatuniversität Witten/ Herdecke. Zweitgutachter waren Ulrich van Suntum (der für die Stiftung später zahlreiche Studien durchgeführt hat), außerdem Professor Theo Stammen, bei dem sie in Augsburg ihren Magistertitel erworben hatte. Ulrich van Suntum sagt heute zu seiner Wahl als Zweitgutachter: »Ich wurde gefragt und habe dem zugestimmt.« Das Thema lag zwar nicht wirklich im Fachgebiet des Wirtschaftswissenschaftlers, aber er traute sich eine wissenschaftliche Bewertung der Arbeit dennoch zu. Im Rückblick sagt er: »Die Arbeit von Brigitte Mohn war keine Überfliegerarbeit, aber sie war passabel.« Es reichte, um einen Titel zu vergeben.
Ein gekaufter Titel? Zumindest wird deutlich, dass Brigitte Mohn keine Scheu hatte, einen Titel zu erwerben, bei dem der Verdacht entstehen musste, dass sie von den Zahlungen des Vaters profitierte.