Elmar Brok: »Mr. Bertelsmann in Brüssel«

Das Thema Interessenkonflikte wäre unvollständig ohne den Namen Elmar Brok. Mit ihm ist Bertelsmann in die politische Entscheidungsebene in Brüssel vorgedrungen. Der 64-jährige Christdemokrat Brok, der im Kreis Gütersloh geboren ist, sitzt seit 1980 im Europaparlament. Er gilt als einer der einflussreichsten Politiker in Brüssel. Er war Ansprechpartner für Kanzler Helmut Kohl und er ist es heute für Kohls Nachnachfolgerin Angela Merkel. Das Besondere ist, dass Brok zugleich in Brüssel als »Senior Vice President« des Bereichs Media Development bei der Bertelsmann AG agiert, wie er selbst dem Europäischen Parlament in einer Erklärung vom 8. Juli 2009 angab. Brok gilt in Brüssel als »Mr. Bertelsmann«. Broks Arbeit für Bertelsmann ist keine Nebentätigkeit mit heimlichem Beratervertrag, sondern er ist im Hauptberuf Lobbyist für Bertelsmann – »mit Urlaubsanspruch, Sozialversicherung und Kündigungsfrist«, wie es der Spiegel 1997 formulierte.6 Seine jährlichen Bezüge, die er von Bertelsmann erhält, bezifferte die Gütersloher Lokalzeitung Neue Westfälische 2005 auf rund 180 000 Euro. Mitarbeiter von Bertelsmann bestätigen diese Größenordnung.

Die AG hat mit Brok auf direktem Weg geschaffen, was die Stiftung stets sucht: Nähe zur politischen Macht. Die Stiftung unterhält in Brüssel ein eigenes Büro. Damit verfügt Bertelsmann in Brüssel quasi über einen doppelten Zugang zu den höchsten Etagen der Politik.

Brok beharrt darauf, dass es keinen Interessenkonflikt gebe. Er trenne Abgeordnetenmandat und Berufsinteressen »messerscharf«, wie er dem Spiegel versicherte. Er mag es nicht, dass man ihn als Lobbyist bezeichnet. »Ich arbeite für Bertelsmann, aber ich bin nicht der Vertreter von Bertelsmann«, sagt er.7 Brok klagt, nur weil er vor 18 Jahren eine Presseerklärung über seine Nebentätigkeit abgegeben habe, werde er »jetzt immer wieder« dazu befragt.8 Politik sei für ihn keine Arbeit, sondern ein Hobby, für das er auch Geld bekomme.9 Auf seinen Job bei Bertelsmann werde er auf keinen Fall verzichten, weil er seinen Beruf nicht aufgeben möchte. Dass ein Interessenkonflikt vorliegt, muss ihm klar sein. Denn Brok beteuert: »Ich nehme an Diskussionen und Abstimmungen zur Medienpolitik im Europäischen Parlament und in der Fraktion nicht teil, obwohl es rechtlich nicht vorgeschrieben ist.«

Doch diesem harmlosen Eindruck widersprechen Papiere aus Broks Büro. Ende 1993 kabelte Brok nach Gütersloh: »Wir verhinderten die Einführung eines Rechtes der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung bei Weiterverbreitung ihrer Darbietung über Kabel und Satellit.«10 Ein höchst fragwürdiges Bild der Lobbytätigkeit von Brok ergibt sich auch aus Protokollen einer »Taskforce« von Bertelsmann über eine Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 1998. Sie wollte eine Debatte über die öffentlich-rechtliche Konkurrenz von RTL in Gang bringen, »um damit deren – nach Meinung des Medienkonzerns – ungebührliche Expansion in Europa zu vermindern«, wie die Süddeutsche Zeitung 2005 berichtete. Brok sollte ein Papier der Taskforce an den damaligen EU-Wettbewerbskommissar, Karel van Miert, überreichen. Außerdem berichtete er Gütersloh aus einem »Diskussionspapier der Generaldirektion IV der Kommission«. Damit gab er, wie die SZ schrieb, »sein als Abgeordneter erworbenes Wissen an den Arbeitgeber weiter«. Brok frühstückte mit van Miert und teilte Bertelsmann mit: »Ihm geht es darum, dass die Balance mit den Privaten nicht zerstört wird. Mein Beispiel, dass die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland fast eine Milliarde Mark aus Gebührenüberschüssen als Kriegskasse« anhäuften, sehe der EU-Kommissar als Hinweis auf Missbrauch. »Er benötigt allerdings Beispiele von Missbrauch und bat mich, ein Papier zu erstellen.« Diese Beispiele orderte er bei Bertelsmann in Gütersloh: »Die Taskforce sollte ein solches Papier erstellen.«

Wohlgemerkt: Brok ist vom Unternehmen Bertelsmann, nicht der Stiftung angestellt. Aber dennoch verkörpert er den zentralen Konflikt, um den es in diesem Buch geht: die permanente Vermengung der Interessen. Brok ist Lobbyist, also Vertreter von Einzelinteressen, und zugleich ist er Abgeordneter, also Vertreter des Volkes. Er behauptet, beides sei miteinander vereinbar. Auf besondere Weise konzentriert sich damit in Broks Person der zentrale Konflikt zwischen Einzel- und Gemeininteresse, in dem sich die Stiftung permanent befindet. Bertelsmann akzeptiert und sucht die Vermischung von Interessen zum Nutzen der AG, sofern Gesetze diese Interessenkonflikte nicht verbieten.

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik
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