72
Als ich erwache, liegst du neben mir. Mit dem Gesicht in einer Pfütze. Es ist hell. Ich höre das Dröhnen von Motoren, das das Gefühl von Watte in meinen Ohren verdrängt. Lisa, was ist mit dir? Warum kauerst du so bewegungslos auf der Erde? Wir müssen hier weg, Lisa, da kommen Fahrzeuge, vielleicht sind das die Amerikaner, und lieg mir nicht damit in den Ohren, dass ich immer auf die Amis gewartet habe. Was weiß ich, was die mit uns machen, wenn die uns hier finden, verdreckt und durchnässt. Und wo ist überhaupt der Gustav? Ich richte mich auf. Das Fieber ist gesunken. Ich friere, aber das ist nicht schlimm. Mein Kopf ist seltsam frei, als sei er in den letzten Stunden durchsichtig geworden.
Ich drehe ihn einige Male hin und her. Da knackt es in meinen Ohren, und ich spüre, wie sich etwas löst, ich schlucke, würge, presse die Hände an die Schläfen, und dann sind meine Ohren frei. Ich kann wieder hören. Höre die Jeeps, die die Landstraße entlangkommen. Ich lausche auf das Rauschen der Bäume im Wald, auf den Gesang des Windes, das Piepen von zwei Spatzen, die um uns herumhüpfen. Mein Magen knurrt.
Wo zum Teufel ist der Gustav, dieser Halunke, dieser Feigling? Hat sich davongemacht! Er ist ein Mann, will den Amerikanern aus anderen Gründen als ich nicht in die Hände fallen.
Lisa! Ich rufe dich, schüttele dich, rüttle an deiner Schulter. Aber du liegst nur da. Mit dem Gesicht in der Pfütze. Und schläfst.
Ich presse mein rechtes Ohr auf deinen Rücken. Heiß steigt das Fieber wieder in meinen Kopf, verbrennt meine Stirn, bis sie zu bersten droht.
Du bist weggegangen.
Ich kann dich nicht mehr wecken, so wie im Schlafsaal. Die Zeiten sind vorbei, Lisa, ich richte mich auf, diese Zeiten sind unwiederbringlich vorbei, und für dich wird es keine neuen Zeiten geben. Ich werde meinen Amerikaner finden, und vielleicht werde ich ihn auch lieben, aber es wird keine Schokolade geben für dich, keine langen Briefe aus Chicago oder Philadelphia.
Die Jeeps kommen näher. Ich husche in den Wald.