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Das Mädchen war in einer Pfütze ertrunken.
Mädchen, na ja, dachte Magnus Kreuzkamp und machte sich flugs Notizen. Junge Frau, das passt eher, maximal 20, kostümiert als Spielfrau, blaues Kleid, langärmelig, weiße Manschetten bis über den Handrücken. Blondes, glattes Haar, lang, bis fast zu den Hüften. Buntes Schultertuch.
Kreuzkamp beugte sich über die Leiche. Das Gesicht lag frontal, bis zu den Schläfen im lehmigen Wasser, die Nase war geradezu in den Schlamm am Boden der Pfütze gebohrt worden. Arme und Beine grotesk verrenkt. Das Buchskränzchen trieb im Wasser, noch am Gürtel der jungen Frau befestigt, wie es Brauch war: ein Zeichen der Freundschaft. Neben dem weiß-roten Bändchen waren zwei kleine Rosenknospen eingeflochten.
Die riesige Pfütze hatte sich gebildet, weil die steinerne Rinne, die vor dem Durchgang zur Burg den Boden durchkreuzte, übergelaufen war – vermutlich war der Ablauf verstopft. Die Lache bedeckte fast den gesamten Treppenabsatz.
»Zu viel Regen die letzten Tage«, murmelte der Reporter. ›Wahrscheinlich Mord‹, notierte er und spürte, wie jemand auf seine Schulter tippte.
»Schon gut«, sagte Kreuzkamp. »Eure Kollegen von der grünen Truppe haben mich durchgelassen. Ich habe nichts angefasst, habe sie nicht mal fotografiert, Leitner!«
Hauptkommissar Michel Leitner musterte den Reporter, der ihm bei jeder Begegnung mehr wie ein Cary-Grant-Verschnitt vorkam, und sagte nur: »Passt schon. Aber jetzt schleichst du dich. Jetzt sind wir am Zug.«
Kreuzkamp-Grant hob die Hand und ging davon, schlüpfte unter den Absperrbändern durch und joggte die schmale Treppe hinunter. Endlich eine Story. Eine richtige Story. Nicht nur Landshuter Hochzeit. Nicht nur Ringelstechen, Marktgrafen und Buchskranzln. Er konnte das Wort nicht einmal richtig aussprechen. Sein Rucksack baumelte schwer an seiner linken Schulter. Beschwingt trabte Kreuzkamp in die Redaktion.