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Mom geht es nicht gut. Sie ist fahrig, vergesslich und chaotisch. Sie geht mir wirklich auf die Nerven. Ich kann ihr erzählen, was ich will: Sie kriegt nichts mit. Es ist, als würde ich alles in den Wind sprechen. Eins weiß ich: Wenn ich 18 bin, haue ich ab. Ich gehe wieder nach Amerika.
…
Ständig kommen Leute zu uns nach Hause. Dieser Affenschwanz, dieser Kirchler. Und seine blöde Frau, die mir immer Süßes mitbringt. Ich mag nichts Süßes. Ich mag salzige Sachen.
Die Kirchlers hängen fast jeden Abend bei uns herum. Mom kümmert sich um die Bewerbungen für die Landshuter Hochzeit. Ich mache da nicht mit. Kommt nicht in Frage. Ich nicht.
…
Gestern waren wieder die Kirchlers da. Blödes Palaver über die Bewerbungen und das Hochzeitspaar für dieses Jahr. In der Nacht hat Mom im Schlaf geschrien. Sie hat ›Lisa, Lisa!‹ gerufen. Ich bin zu ihr ins Zimmer gerannt und habe sie an der Schulter angefasst, sie geschüttelt und gesagt, ›ich bin hier, ich bin hier‹. Aber sie hat nicht reagiert. Ihre Stirn war ganz heiß. Ich habe Angst gekriegt. Mom war noch nie krank. Nichts haut sie um. Wenn alle Grippe haben, dann kriegt Mom sie bestimmt nicht. Ich habe sie aber nicht wachbekommen. Sie hat irgendwas gemurmelt, sich umgedreht und weitergeschlafen.
…
Sie hat nicht mich gemeint. Irgendwie meint Mom nie mich. Ich habe ihr beim Frühstück gesagt, dass sie in der Nacht nach mir gerufen hat. Dass sie ›Lisa, Lisa‹ geschrien hat, als wäre sie in Panik. Aber sie hat nicht mich gemeint. Sie hat gesagt: ›Das hat nichts mit dir zu tun‹, und dann musste ich in die Schule.