60

Leitner fuhr über die Landstraße. Die Autobahn mochte er nicht. Er rauchte unablässig, warf eine Kippe aus dem Fenster seines Pick-ups und zündete sofort die nächste an. Auf der kurzen Strecke über die schmale Landstraße an der Isar brachte er es auf zehn Zigaretten.

Yoo Lim saß zwischen Leitner und Nero. Nero blickte angestrengt aus dem Fenster. Er wollte keine Konversation. Die Stimmung war angespannt, ohne dass er genau verstand, warum.

Sie hatte eine Frau auf den Mund geküsst. Bedeutete das, dass sie lesbisch war? Und was zum Teufel ging ihn das an? Andererseits – wenn er sich nicht komplett täuschte, hatte sie ihm nicht schöne Augen gemacht? Geradezu mit ihm geflirtet? Oder hatte er, Nero, sich in etwas verrannt, weil er zu lange von Kea getrennt war? Auch innerlich? Hatte er angefangen, sich eine Beziehung zu einer anderen Frau zu erträumen, weil er vermutete, dass Kea eine Affäre mit dem Cary-Grant-Heini hatte? Und wenn das gar nicht zutraf? Wenn ihr Interesse tatsächlich, wie sie behauptete, Kreuzkamps Projekt galt? Warum hatte er sie nicht nach ihrer Meinung zu dem Mord gefragt? Nicht nach ihrem neuen Projekt, nicht nach dem Buch, das dieser Journalist schrieb? Falscher Stolz, dachte Nero zerknirscht. Ich habe gelitten und aus falschem Stolz gehandelt. Und dabei ist alles den Bach runtergegangen.

»Hier muss es sein«, sagte Leitner und lenkte den Pick-up über eine verhutzelte Holzbrücke auf ein verwahrlostes Grundstück im Wald. »Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört. Dass der Hallhuber eine Zukunft als Landschaftspfleger hat, kann ja keiner glauben!«

»Was für eine Bruchbude«, sagte Yoo Lim und rümpfte die Nase. »Wer kauft so eine Absteige! Noch dazu in direkter Nachbarschaft zu …«, sie wies vielsagend auf die Kühltürme des Kraftwerkes.

»Jemand, der seine Ruhe will«, kommentierte Leitner und schwang sich aus dem Wagen. »Wem gehört denn der Alfa hier?«

Nero hatte Keas Auto längst gesehen.

»Ich glaube«, begann er, kam aber nicht weiter. Ein Schuss gellte durch den Wald.

»Verdammt!« Leitner hielt seine Dienstwaffe schon in der Faust. »Deckung!«

»Kea!«, schrie Nero und rannte, seine Heckler & Koch im Anschlag, auf das Haus zu.

»Keller, haben Sie sie nicht mehr alle?«, brüllte Leitner ihm hinterher.

Nero kauerte sich neben die Haustür.

»Verstärkung anfordern!«, bellte Leitner. Ihm fiel ein, dass er für heute Abend über Beziehungen zwei Karten für den ›Nächtlichen Mummenschanz‹ besorgt hatte. Diese Veranstaltung war ihm die liebste der ganzen Landshuter Hochzeit. Elke hatte noch nie miterlebt, wie die Musiker und Tänzer in der Residenz die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Emporkömmlings Herrn Asinus zum Besten gaben. Aber ein satirischer Roman aus dem 14. Jahrhundert passt nicht hierher, dachte Leitner und kniff die Augen zusammen. Yoo Lim, die hinter der dem Haus abgewandten Seite des Pick-ups hockte, hielt sich ihr Handy ans Ohr.

Bisduvergisst
titlepage.xhtml
Bisduvergisst_split_0.html
Bisduvergisst_split_1.html
Bisduvergisst_split_2.html
Bisduvergisst_split_3.html
Bisduvergisst_split_4.html
Bisduvergisst_split_5.html
Bisduvergisst_split_6.html
Bisduvergisst_split_7.html
Bisduvergisst_split_8.html
Bisduvergisst_split_9.html
Bisduvergisst_split_10.html
Bisduvergisst_split_11.html
Bisduvergisst_split_12.html
Bisduvergisst_split_13.html
Bisduvergisst_split_14.html
Bisduvergisst_split_15.html
Bisduvergisst_split_16.html
Bisduvergisst_split_17.html
Bisduvergisst_split_18.html
Bisduvergisst_split_19.html
Bisduvergisst_split_20.html
Bisduvergisst_split_21.html
Bisduvergisst_split_22.html
Bisduvergisst_split_23.html
Bisduvergisst_split_24.html
Bisduvergisst_split_25.html
Bisduvergisst_split_26.html
Bisduvergisst_split_27.html
Bisduvergisst_split_28.html
Bisduvergisst_split_29.html
Bisduvergisst_split_30.html
Bisduvergisst_split_31.html
Bisduvergisst_split_32.html
Bisduvergisst_split_33.html
Bisduvergisst_split_34.html
Bisduvergisst_split_35.html
Bisduvergisst_split_36.html
Bisduvergisst_split_37.html
Bisduvergisst_split_38.html
Bisduvergisst_split_39.html
Bisduvergisst_split_40.html
Bisduvergisst_split_41.html
Bisduvergisst_split_42.html
Bisduvergisst_split_43.html
Bisduvergisst_split_44.html
Bisduvergisst_split_45.html
Bisduvergisst_split_46.html
Bisduvergisst_split_47.html
Bisduvergisst_split_48.html
Bisduvergisst_split_49.html
Bisduvergisst_split_50.html
Bisduvergisst_split_51.html
Bisduvergisst_split_52.html
Bisduvergisst_split_53.html
Bisduvergisst_split_54.html
Bisduvergisst_split_55.html
Bisduvergisst_split_56.html
Bisduvergisst_split_57.html
Bisduvergisst_split_58.html
Bisduvergisst_split_59.html
Bisduvergisst_split_60.html
Bisduvergisst_split_61.html
Bisduvergisst_split_62.html
Bisduvergisst_split_63.html
Bisduvergisst_split_64.html
Bisduvergisst_split_65.html
Bisduvergisst_split_66.html
Bisduvergisst_split_67.html
Bisduvergisst_split_68.html
Bisduvergisst_split_69.html
Bisduvergisst_split_70.html
Bisduvergisst_split_71.html
Bisduvergisst_split_72.html
Bisduvergisst_split_73.html
Bisduvergisst_split_74.html
Bisduvergisst_split_75.html
Bisduvergisst_split_76.html
Bisduvergisst_split_77.html
Bisduvergisst_split_78.html
Bisduvergisst_split_79.html
Bisduvergisst_split_80.html
Bisduvergisst_split_81.html
Bisduvergisst_split_82.html
Bisduvergisst_split_83.html
Bisduvergisst_split_84.html
Bisduvergisst_split_85.html
Bisduvergisst_split_86.html
Bisduvergisst_split_87.html
Bisduvergisst_split_88.html