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Leitner fuhr über die Landstraße. Die Autobahn mochte er nicht. Er rauchte unablässig, warf eine Kippe aus dem Fenster seines Pick-ups und zündete sofort die nächste an. Auf der kurzen Strecke über die schmale Landstraße an der Isar brachte er es auf zehn Zigaretten.
Yoo Lim saß zwischen Leitner und Nero. Nero blickte angestrengt aus dem Fenster. Er wollte keine Konversation. Die Stimmung war angespannt, ohne dass er genau verstand, warum.
Sie hatte eine Frau auf den Mund geküsst. Bedeutete das, dass sie lesbisch war? Und was zum Teufel ging ihn das an? Andererseits – wenn er sich nicht komplett täuschte, hatte sie ihm nicht schöne Augen gemacht? Geradezu mit ihm geflirtet? Oder hatte er, Nero, sich in etwas verrannt, weil er zu lange von Kea getrennt war? Auch innerlich? Hatte er angefangen, sich eine Beziehung zu einer anderen Frau zu erträumen, weil er vermutete, dass Kea eine Affäre mit dem Cary-Grant-Heini hatte? Und wenn das gar nicht zutraf? Wenn ihr Interesse tatsächlich, wie sie behauptete, Kreuzkamps Projekt galt? Warum hatte er sie nicht nach ihrer Meinung zu dem Mord gefragt? Nicht nach ihrem neuen Projekt, nicht nach dem Buch, das dieser Journalist schrieb? Falscher Stolz, dachte Nero zerknirscht. Ich habe gelitten und aus falschem Stolz gehandelt. Und dabei ist alles den Bach runtergegangen.
»Hier muss es sein«, sagte Leitner und lenkte den Pick-up über eine verhutzelte Holzbrücke auf ein verwahrlostes Grundstück im Wald. »Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört. Dass der Hallhuber eine Zukunft als Landschaftspfleger hat, kann ja keiner glauben!«
»Was für eine Bruchbude«, sagte Yoo Lim und rümpfte die Nase. »Wer kauft so eine Absteige! Noch dazu in direkter Nachbarschaft zu …«, sie wies vielsagend auf die Kühltürme des Kraftwerkes.
»Jemand, der seine Ruhe will«, kommentierte Leitner und schwang sich aus dem Wagen. »Wem gehört denn der Alfa hier?«
Nero hatte Keas Auto längst gesehen.
»Ich glaube«, begann er, kam aber nicht weiter. Ein Schuss gellte durch den Wald.
»Verdammt!« Leitner hielt seine Dienstwaffe schon in der Faust. »Deckung!«
»Kea!«, schrie Nero und rannte, seine Heckler & Koch im Anschlag, auf das Haus zu.
»Keller, haben Sie sie nicht mehr alle?«, brüllte Leitner ihm hinterher.
Nero kauerte sich neben die Haustür.
»Verstärkung anfordern!«, bellte Leitner. Ihm fiel ein, dass er für heute Abend über Beziehungen zwei Karten für den ›Nächtlichen Mummenschanz‹ besorgt hatte. Diese Veranstaltung war ihm die liebste der ganzen Landshuter Hochzeit. Elke hatte noch nie miterlebt, wie die Musiker und Tänzer in der Residenz die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Emporkömmlings Herrn Asinus zum Besten gaben. Aber ein satirischer Roman aus dem 14. Jahrhundert passt nicht hierher, dachte Leitner und kniff die Augen zusammen. Yoo Lim, die hinter der dem Haus abgewandten Seite des Pick-ups hockte, hielt sich ihr Handy ans Ohr.