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In der Polizeidirektion angekommen trottete Leitner in sein Büro. Tief in den ausgebeulten Jackentaschen tastete er nach seinem Tabak, den Papierchen und seinem Feuerzeug. Ihm war bewusst, dass das mit dem Rauchen keine gute Idee war. Sein Husten war legendär, die Kollegen hörten ihn von fern über den Flur kommen, weil er schnaubte wie eine Dampflok. Ein paar Lästermäuler aus der KT behaupteten, Leitner speie Funken beim Husten, und im Dunkeln würde man diese Lichtblitze für Symptome einer Netzhautablösung halten.

Wenn es mit Elke noch etwas werden sollte … als Ärztin konnte sie Rauchen ja nicht gut finden … und er sah ihr an, wie sie seine vielen Glimmstängel mit amüsierter Verächtlichkeit musterte … vielleicht sah sie aber nur auf seine Wurstfinger herab … verdammt. Ja, wenn er Hochzeiter wäre … Moriskentänzer vielleicht … aber solche wie ihn nahmen sie dafür nicht. Zu plump, kein Rhythmusgefühl, bei ihm würde es nicht mal zum Musikanten reichen. Obwohl ihm die fahrenden Spielleute mit ihren derben Späßen von allen Hochzeitern am besten gefielen. Erzbischof von Salzburg, dachte Leitner. Das wäre die richtige Rolle. Du musst nichts weiter tun außer die Trauung zu vollziehen. Aber abgesehen davon, dass er vom Besetzungsausschuss niemals als Erzbischof ausgewählt werden würde, verspürte er nicht die geringste Lust auf einen Posten in den Rängen der Geistlichkeit.

»Da bist du ja endlich!«, rief die Katzenbacherin. Ihre schwarzen Kohleaugen zogen sich zu Schlitzen zusammen, wie üblich, wenn sie ihre Brille irgendwo verlegt hatte. Die Kollegen saßen um den Tisch, ihre Papiere wie die Oktavhefte vor sich aufgeschlagen. Brave Schüler. Keine Aufrührer.

»Was ist denn so sonderbar mit der Cohen Julika?«, fragte Leitner.

»Erstens: Warum läuft sie im Kostüm draußen rum? Nach den Proben? Bei dem Sauwetter? Das hätte Ärger gegeben, soviel ist klar. Außerdem …« Die Katzenbacherin hielt eine Tüte hoch. Vor Leitners Gesicht baumelte eine CD, eingeschweißt in Plastik.

»Und, was ist das?«

»Leitner, da ist irgendein kryptisches Zeug drauf«, meldete sich Yoo Lim Pak zu Wort. Die gebürtige Koreanerin war als Informatikerin zum Ermittlerteam gestoßen. Eigentlich war sie eine waschechte Bayerin, die Dirndl trug, wenn es drauf ankam, Maßkrüge stemmte und mit der Klampfe im Arm akzentfreie Schnadehüpferl vortrug. In Pusan in Südkorea geboren, lebte sie seit ihrem dritten Lebensmonat in Landshut. »Ich kann nichts damit anfangen. Sieht mir nach einem selbstgemachten Programm aus. Jedenfalls ist es nichts Gängiges. Nichts, was man kaufen könnte.«

»Programm?« Leitner kratzte sich die Nase.

»Eine Software!«

»Wofür?«

»Keine Ahnung. Ich habe rumprobiert, aber das sieht ein bisschen seltsam aus. Ich …«

»Sagt mal, redet ihr alle nur noch wie im Mysterienspiel? Wir sind hier nicht in Oberammergau, also raus mit der Sprache! Können wir es selbst, oder brauchen wir die Münchner?«

»Wäre wohl besser«, antwortete Yoo Lim. »Just in case.«

Leitner kriegte die Milben, wenn seine Kollegen englische Einsprengsel in ihren Wortbeiträgen hatten. »Na dann. Ruft mir den Keller an. Der hat letzten Herbst die Fortbildung zu Internetkriminalität geleitet. Der hat wenigstens deutsch gesprochen.«

»Klar. Der Typ von der Informations- und Kommunikations …«

»Vergiss die Titel und ruf an!«, schnaubte Leitner. »Dann kümmert ihr euch um Zeugen! Die Julika ist heute früh zwischen 1.30 und 3 Uhr umgebracht worden.«

»Da hat es geschüttet wie aus Eimern, Chef«, sagte Yoo Lim cool. »Ich bin spät ins Bett. Draußen war um die Zeit bestimmt keiner.«

»Kümmere dich drum«, versetzte Leitner.

Er ging raus, um zu rauchen. Dabei fiel ihm ein, dass er der alten Schwand die Todesnachricht bringen musste. Er machte das lieber selbst. Die Katzenbacherin war eine Bürokratin. Nicht einfühlsam genug. Die pfefferte den Angehörigen die traurige Botschaft wie einen Aktendeckel vor die Füße, drehte sich um und verschwand. Nein, der Katzenbacherin durfte er den Besuch bei Irma Schwand nicht überlassen.

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