Kapitel 9
Alaïs stand am Fenster und wartete auf Guilhems Rückkehr. Der Himmel über Carcassonne war ein tiefes, samtenes Blau und breitete einen weichen Mantel über das Land. Der trockene Abendwind aus dem Norden, der Cers, wehte sanft aus den Bergen herab, brachte die Blätter der Bäume und das Schilf am Ufer der Aude zum Rascheln, trug die Verheißung kühlerer Luft in sich.
In Sant-Miquel und Sant-Vicens leuchteten einzelne Lichter. In den gepflasterten Straßen der Cité wimmelte es von Menschen, die aßen und tranken, Geschichten erzählten und Lieder von Liebe und Tapferkeit und Abschied sangen. Gleich um die Ecke vom Hauptplatz brannten noch immer die Feuer der Schmiede. Warten. Immerzu warten.
Alaïs hatte sich die Zähne mit Kräutern eingerieben, um sie weißer zu machen, und sie hatte ein kleines Duftkissen mit Vergissmeinnicht am Halsausschnitt in ihr Kleid eingenäht. Der Raum war erfüllt vom süßen Aroma brennender Lavendelzweige.
Die Versammlung des Rates war schon seit einiger Zeit zu Ende, und Alaïs hatte mit Guilhems Kommen gerechnet, zumindest mit einer Nachricht von ihm. Gesprächsfetzen trieben von unten aus dem Hof zu ihr hoch wie Rauchfahnen. Sie sah kurz den Mann ihrer Schwester Oriane, Jehan Congost, über den Hof hasten. Sie zählte sieben oder acht chevaliers des Hofes und ihre écuyers, die zielstrebig zur Schmiede eilten. Zuvor hatte sie ihren Vater bemerkt, wie er mit einem kleinen Jungen schimpfte, der an der Kapelle herumgelungert hatte.
Keine Spur von Guilhem.
Alaïs seufzte. Sie war verärgert, weil sie die ganze Zeit über vergebens hier in ihrem Gemach gewartet hatte. Sie drehte sich um, ging ziellos vom Tisch zum Stuhl und wieder zurück, ihre unruhigen Finger suchten nach irgendeiner Beschäftigung. Sie blieb vor ihrem Webrahmen stehen und starrte auf den kleinen Zierteppich für Frau Agnès, an dem sie gerade arbeitete, ein kompliziertes Muster aus wilden Tieren und langschwänzigen Vögeln vor einer Burgmauer. Normalerweise fand Alaïs Trost in derlei zarter Handarbeit, wenn das Wetter oder ihre Aufgaben am Hof sie zwangen, in ihrem Gemach zu bleiben.
Heute Abend jedoch konnte sie sich mit nichts beruhigen. Die Nadeln steckten unberührt in dem Rahmen, das Garn, das Sajhë ihr geschenkt hatte, lag noch eingepackt daneben. Die Tinkturen, die sie früher am Tag aus Brustwurz und Beinwell zubereitet hatte, waren säuberlich beschriftet und standen auf einem Regalbrett in der kühlsten und dunkelsten Ecke des Raumes aufgereiht. Sie hatte das Holzbrett so oft in die Hand genommen und betrachtet, bis sie es leid war, und ihre Finger waren schon fast wund davon, immer wieder über das Muster des Labyrinths zu fahren. Und sie wartete, wartete.
»Es totjorn lo meteis«, murmelte sie. Immer das gleiche Lied. Alaïs ging zum Spiegel hinüber und betrachtete sich. Ein kleines, ernstes, herzförmiges Gesicht mit intelligenten braunen Augen und blassen Wangen, weder unscheinbar noch schön. Alaïs zupfte am Ausschnitt ihres Gewandes, so wie sie das bei anderen Frauen gesehen hatte, damit er etwas eleganter aussah. Wenn sie vielleicht ein Stück Spitze annähen würde ...
Ein lautes Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Perfin. Endlich. »Ja, bitte«, rief sie.
Die Tür ging auf. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. »François. Was ist denn?«
»Intendant Pelletier wünscht Euch zu sehen, Herrin.«
»Um diese Stunde?«
François trat verlegen von einem Bein aufs andere.
»Er erwartet Euch in seinem Gemach. Ich glaube, es besteht Grund zur Eile, Dame Alaïs.«
Sie warf ihm einen Blick zu, erstaunt, dass er ihren Namen benutzt hatte. So ein Missgeschick war ihm noch nie unterlaufen. »Ist etwas geschehen?«, fragte sie rasch. »Geht es meinem Vater nicht gut?«
François zögerte. »Er ist sehr ... besorgt. Er wäre dankbar, wenn Ihr sogleich zu ihm kommen könntet.«
Sie seufzte. »Irgendwie läuft bei mir heute alles verquer.« Erblickte verwirrt. »Herrin?«
»Schon gut, François. Ich bin heute Abend ein wenig unpässlich. Natürlich komme ich, wenn mein Vater es wünscht. Gehen wir?«
Am anderen Ende des Wohntraktes saß Oriane in ihrem Zimmer mitten auf dem Bett und hatte die langen, wohlgeformten Beine unter den Körper gezogen.
Ihre grünen Augen waren halb geschlossen, wie bei einer Katze. Ein selbstzufriedenes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, während sie sich die prächtigen schwarzen Locken kämmen ließ. Hin und wieder spürte sie leicht die Zinken des Hornkamms auf der Haut, zart und verlockend.
»Das ist sehr ... entspannend«, sagte sie.
Der Mann stand hinter ihr. Er war nackt bis zur Taille, und zwischen seinen breiten, starken Schultern glänzte ein wenig Schweiß. »Entspannend?«, sagte er leichthin. »Das war nicht unbedingt meine Absicht.«
Sie spürte seinen warmen Atem im Nacken, als er sich vorbeugte, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen und es zusammengedreht auf den Rücken zu legen.
»Ihr seid sehr schön«, flüsterte er.
Er begann, ihr die Schultern und den Hals zu massieren, zunächst sanft, dann fester. Oriane neigte den Kopf, als seine geschickten Hände ihre Wangenknochen, ihre Nase, ihr Kinn nachzeichneten, als wollte er sich ihre Gesichtszüge einprägen. Von Zeit zu Zeit glitten seine Finger tiefer, zu der weichen weißen Haut an ihrer Kehle.
Oriane nahm seine Hand, hob sie an ihren Mund und leckte mit der Zunge über die Fingerspitzen. Er zog sie an sich. Sie spürte die Wärme und die Kraft seines Körpers, spürte den Beweis, wie sehr er sie begehrte, an ihrem Rücken. Er drehte sie um, sodass sie ihn ansah, dann öffnete er ihre Lippen mit den Fingern und küsste sie.
Sie achtete nicht auf das Geräusch von Schritten draußen auf dem Gang, bis plötzlich jemand gegen die Tür hämmerte. »Oriane!«, rief eine schrille, gereizte Stimme. »Seid Ihr da?« »Es ist Jehan«, hauchte sie atemlos, weniger erschreckt als verärgert über die Unterbrechung.
Sie öffnete die Augen. »Ihr habt doch gesagt, dass er nicht so schnell zurückkommt.«
Er blickte zur Tür. »Das habe ich auch gedacht. Als ich gegangen bin, sah es so aus, als hätte der Vicomte noch einiges für ihn zu tun. Ist abgeschlossen?«
»Natürlich«, sagte sie.
»Wird ihm das nicht seltsam Vorkommen?«
Oriane zuckte die Achseln. »Ich lass mir schon etwas einfallen. Aber jetzt versteckt Euch.« Sie deutete auf einen Wandteppich, der am unteren Ende des Bettes hing und hinter dem sich eine kleine Nische befand. »Keine Sorge«, lächelte sie, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. »Ich wimmele ihn so schnell wie möglich wieder ab.«
»Und wie wollt Ihr das anstellen?«
Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herab, so nah, dass er ihre Wimpern auf seiner Haut spüren konnte. Er presste sich gegen sie.
»Oriane?«, jammerte Congost, jetzt mit lauterer Stimme. »Macht sofort die Tür auf.«
»Das werdet Ihr gleich sehen«, raunte sie, neigte sich herab und küsste seine Brust und, noch etwas tiefer, seinen festen Bauch. »So, jetzt verschwindet schnell. Ich muss ihn reinlassen, bevor er völlig die Geduld verliert.«
Sobald sich ihr Geliebter gut versteckt hatte, lief Oriane auf Zehenspitzen zur Tür, drehte lautlos den Schlüssel im Schloss, rannte dann zum Bett zurück und ordnete die Vorhänge um sich herum. Sie würde sich einen kleinen Spaß erlauben.
»Oriane!«
»Gemahl«, antwortete sie ungehalten. »Euer Geschrei ist unnötig. Die Tür ist auf.«
Oriane hörte, wie die Klinke hinuntergedrückt wurde, dann öffnete sich die Tür und fiel laut wieder zu. Ihr Ehemann kam ins Zimmer gehastet. Sie hörte das Kläcken von Metall auf Holz, als er seine Kerze auf den Tisch stellte.
»Wo seid Ihr?«, fragte er gereizt. »Und warum ist es hier so dunkel? Mir ist nicht nach Spielchen zu Mute.«
Oriane lächelte. Sie rekelte sich auf den Kissen, die Beine leicht gespreizt und die glatten, nackten Arme über den Kopf gereckt. Sie wollte nichts seiner Phantasie überlassen.
»Ich bin hier, mein Gemahl.«
»Die Tür war verschlossen, als ich gekommen bin«, sagte er gereizt, zog die Vorhänge zurück und verstummte dann.
»Nun, dann habt Ihr vielleicht nicht... fest genug ... gedrückt«, sagte sie.
Oriane sah, wie sein Gesicht zuerst weiß wurde, dann dunkelrot. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, und sein Mund klappte auf, als er auf ihre festen, vollen Brüste mit den dunklen Brustwarzen starrte, auf ihr loses Haar, das wie eine sich windende Masse Schlangen um sie herum auf dem Kissen lag, auf die geschwungene Linie ihrer schmalen Taille und die zarte Wölbung ihres Bauches, das Dreieck aus schwarzem Kraushaar zwischen ihren Schenkeln.
»Was soll das?«, kreischte er. »Bedeckt Eure Blöße, sofort.« »Ich habe geschlafen, mein Gemahl«, entgegnete sie. »Ihr habt mich geweckt.«
»Ich habe Euch geweckt? Ich habe Euch geweckt?«, stammelte er. »Ihr habt so geschlafen ... so?«
»Die Nacht ist heiß, Jehan. Darf ich denn nicht so schlafen, wie ich möchte, hier in meinem eigenen Zimmer?«
»Es hätte doch jeder hereinkommen und Euch so sehen können. Eure Schwester, Eure Dienerin Guirande. Jeder!«
Oriane setzte sich langsam auf und sah ihn trotzig an, zwirbelte eine Haarsträhne zwischen den Fingern. »Jeder?«, fragte sie sarkastisch. »Guirande habe ich weggeschickt«, sagte sie unterkühlt. »Für ihre Dienste hatte ich keine weitere Verwendung.« Sie sah ihm an, dass er sich am liebsten abwenden wollte, es aber nicht konnte. In seinen ausgetrockneten Adern wetteiferten Verlangen und Widerwillen miteinander.
»Jeder hätte hereinkommen können«, wiederholte er, diesmal weniger selbstbewusst.
»Ja, wahrscheinlich habt Ihr Recht. Aber es ist niemand gekommen. Außer Euch, natürlich, mein Gemahl.« Sie lächelte. Es war der Ausdruck eines Raubtieres, kurz bevor es zuschlägt. »Und nun, da Ihr hier seid, könnt Ihr mir vielleicht verraten, wo Ihr gewesen seid?«
»Ihr wisst, wo ich war«, fauchte er. »Im Rat.«
Sie lächelte. »Im Rat? Die ganze Zeit? Der Rat ist doch schon lange vor Einbruch der Dunkelheit auseinander gegangen.« Congost wurde wieder rot. »Was fällt Euch ein, meine Worte anzuzweifeln?«
Oriane kniff die Augen zusammen. »Beim Sant Foy, Jehan, Ihr seid ein Wichtigtuer. »>Was fällt Euch ein ...<« Die Parodie war gekonnt, und ihre Grausamkeit ließ beide Männer zusammenzucken. »Kommt schon, Jehan, sagt mir, wo Ihr gewesen seid. Ging es vielleicht um Staatsaffären? Oder wart Ihr gar bei einer Geliebten, e, Jehan? Habt Ihr hier irgendwo im Chateau eine Geliebte versteckt?«
»Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu sprechen. Ich ...« »Andere Männer sagen ihren Ehefrauen, wo sie gewesen sind. Warum Ihr nicht? Es sei denn, Ihr habt einen guten Grund dafür, wie ich schon sagte.«
Congost brüllte sie an. »Andere Männer sollten lernen, ihre Zunge zu zügeln. So etwas geht Frauen nichts an.«
Oriane bewegte sich langsam über das Bett auf ihn zu.
»So etwas geht Frauen nichts an«, sagte sie. »Wirklich nicht?« Ihre Stimme war tief und voller Gehässigkeit. Congost wusste, dass sie sich über ihn lustig machte, aber er durchschaute die Spielregeln nicht. Wie immer.
Orianes Hand schnellte vor und fasste nach der verräterischen Ausbuchtung unter seiner Tunika. Zufrieden bemerkte sie die Panik und die Verblüffung in seinen Augen, als sie anfing, ihre Hand auf und ab zu bewegen.
»Also, mein Gemahl«, sagte sie verächtlich. »Dann erklärt mir doch bitte, was Frauen Eurer Meinung nach angeht. Die Liebe?« Sie drückte fester zu. »Das hier? Wie würdet Ihr das nennen, Lust?«
Congost ahnte die Falle, aber er war von ihr gebannt und wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Unwillkürlich beugte er sich zu ihr vor. Seine feuchten Lippen klappten auf und zu wie ein Fischmaul, und seine Augen schlossen sich fest. Er mochte sie ja verachten, aber sie schaffte es immer wieder, dass er sie wollte, denn trotz all seiner Belesenheit und Schriftkunde wurde er genau wie alle Männer von diesem Ding beherrscht, das zwischen seinen Beinen hing. Er widerte sie an.
Unvermittelt nahm sie ihre Hand weg, nachdem sie die gewünschte Reaktion erzielt hatte.
»Nun, Jehan«, sagte sie kalt. »Wenn Ihr mir nichts erzählen möchtet, dann könnt Ihr auch gehen. Ich habe hier keine Verwendung für Euch.«
Oriane sah etwas in ihm zerbrechen, als erinnere er sich in diesem Moment an alle Enttäuschungen und Rückschläge, die er in seinem Leben erlitten hatte. Ehe sie sich's versah, hatte er sie so hart geohrfeigt, dass sie rückwärts aufs Bett fiel.
Verblüfft schnappte sie nach Luft.
Congost stand reglos da und starrte auf seine Hand, als hätte sie nichts mit ihm zu tun.
»Oriane, ich ...«
»Ihr seid jämmerlich«, schrie sie ihn an. Sie schmeckte Blut im Mund. »Ich habe Euch gesagt, Ihr sollt gehen. Also geht. Geht mir aus den Augen!«
Einen Moment lang dachte Oriane, er wollte sich entschuldigen. Doch als er den Blick hob, sah sie Hass darin, nicht Scham. Sie seufzte vor Erleichterung auf. Alles würde so laufen, wie sie es geplant hatte.
»Ihr widert mich an«, brüllte er und wich vom Bett zurück. »Ihr seid nicht besser als ein Tier. Nein, schlimmer, Ihr wisst, was Ihr tut.« Er riss ihren blauen Mantel vom Boden hoch und schleuderte ihn ihr ins Gesicht. »Und bedeckt Euch. Wenn ich zurückkomme, will ich Euch nicht mehr so sehen, schamlos im Bett wie eine Hure.«
Als sie sicher war, dass er den Raum verlassen hatte, sank Oriane zurück aufs Bett und zog ihren Mantel über sich, ein bisschen zittrig, aber amüsiert. Zum ersten Mal in ihrer vierjährigen Ehe war es diesem einfältigen alten Schwächling, mit dem ihr Vater sie verheiratet hatte, tatsächlich gelungen, sie zu überraschen. Sie hatte ihn provozieren wollen, gewiss, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie schlagen würde. Und so fest. Sie strich sich mit den Fingern über die Stelle, die noch immer von dem Schlag brannte. Er hatte ihr wehtun wollen. Vielleicht würde sie einen Bluterguss bekommen? Das könnte sie nutzen. Dann konnte sie ihrem Vater zeigen, was er ihr mit seiner Entscheidung eingehandelt hatte.
Oriane setzte sich jäh auf und lachte verbittert. Sie war nicht Alaïs. Für ihren Vater zählte nur Alaïs, obwohl er sich Mühe gab, das zu verbergen. Für seinen Geschmack hatte Oriane zu große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, im Aussehen und im Charakter. Als ob es ihn auch nur eine Spur interessieren würde, ob Jehan sie halb tot prügelte! Er würde denken, dass sie es verdient hatte.
Einen Moment lang ließ sie die Eifersucht, die sie vor allen außer vor Alaïs verborgen hielt, hinter der vollkommenen Maske ihres schönen, unergründlichen Gesichts hervorquellen. Ihren Groll über ihre Machtlosigkeit, über ihren mangelnden Einfluss, ihre Enttäuschung. Was nützten ihr Jugend und Schönheit, wenn sie an einen Mann gefesselt war, der keinen Ehrgeiz und keine Aussichten besaß, einen Mann, der noch nie ein Schwert geführt hatte? Es war ungerecht, dass ihre jüngere Schwester Alaïs alles hatte, was ihr, Oriane, verwehrt blieb. Obwohl es ihr doch eigentlich zustand.
Oriane drehte den Stoff zwischen den Fingern, als kniffe sie in Alaïs' blassen, dünnen Arm. Die unscheinbare, verzogene, verwöhnte Alaïs. Sie drückte fester zu, sah vor ihrem inneren Auge, wie sich ein lila Bluterguss unter der Haut ausbreitete.
»Ihr solltet ihn nicht verspotten.«
Die Stimme ihres Geliebten drang durch die Stille. Sie hatte fast vergessen, dass er noch da war.
»Warum nicht?«, fragte sie. »Das ist das einzige Vergnügen, das ich an ihm habe.«
Er schlüpfte durch den Vorhang und berührte ihre Wange mit den Fingern. »Hat er Euch wehgetan? Man sieht den Abdruck seiner Hand.«
Sie lächelte über die Besorgnis in seiner Stimme. Wie wenig er sie doch kannte. Er sah nur, was er sehen wollte, das Bild der Frau, für die er sie hielt.
»Es ist nicht schlimm«, erwiderte sie.
Die Silberkette um seinen Hals streifte ihre Haut, als er sich bückte, um sie zu küssen. Sie konnte sein Verlangen riechen, sie zu besitzen. Oriane bewegte sich leicht, ließ den blauen Stoff von sich abgleiten wie Wasser. Sie fuhr mit der Hand über seine Schenkel, wo die Haut blass und weich war, nicht so goldbraun wie auf Rücken, Armen und Brust, dann hob sie den Blick etwas. Sie lächelte. Er hatte lange genug gewartet.
Oriane beugte sich vor, um ihn in den Mund zu nehmen, doch er drückte sie aufs Bett zurück und kniete sich neben sie.
»Und welches Vergnügen wünscht Ihr Euch von mir?«, fragte er und spreizte sacht ihre Beine. »Dieses?«
Sie schnurrte, als er sich zu ihr neigte und sie küsste. »Oder dieses?«
Sein Mund glitt tiefer, zu ihrem verborgenen, geheimen Ort. Oriane hielt den Atem an, als seine Zunge über ihre Haut spielte, sie leckte, kostete, verlockte.
»Oder vielleicht dieses?« Sie spürte seine Hände, stark und fest um ihre Taille, als er sich an sie heranzog. Oriane schlang die Beine um seinen Rücken.
»Oder vielleicht wollt Ihr ja in Wirklichkeit das«, sagte er, und seine Stimme klang gepresst vor Begehren, als er tief in sie eindrang. Sie stöhnte vor Lust auf, kratzte ihm mit den Fingernägeln über den Rücken, wollte ihn ganz.
»Euer Mann hält Euch also für eine Hure«, sagte er. »Wollen wir doch sehen, ob wir beweisen können, dass er Recht hat.«