21
Stadt verloren. Sitzen in der Zitadelle fest. Lage den Umständen entsprechend gut. E.
Tripolis rieb sich die Stirn. Ihm war, als versuche jemand, mit aller Gewalt seinen Schädel zu durchbohren. Die Kopfschmerzen hatten eingesetzt, als sie an diesem Morgen von Gökböris Marsch auf Tiberias erfahren hatten, und hielten seitdem mit unverminderter Heftigkeit an. Trotzdem konnte er nicht umhin, grimmig in sich hineinzulächeln, als er Guy die Nachricht zurückgab. Zu deutlich spiegelte sie den Charakter seiner Frau wider, der die Basis seiner Liebe zu ihr bildete. In diesem ganzen irrsinnigen Land war ihm noch nie eine Frau begegnet, die im Angesicht von Gefahr so unerschütterlich gelassen blieb. Dass sie mit einer Belagerung mit derselben pragmatischen Ruhe umging wie mit einem Stapel schmutzigen Leinens zählte für ihn mehr als ihre Schönheit und ihr Reichtum zusammen.
Tripolis konnte sich keine Frau vorstellen, die weniger der Rettung bedurfte als Gräfin Eschiva, und in ihrer Nachricht hatte sie diese Notwendigkeit auch nicht angedeutet. Trotzdem wusste Tripolis, dass die Barone genau darauf drängen würden. Er fragte sich nur, wer als Erster darauf zu sprechen kommen würde. Zu seiner Überraschung war es weder de Ridefort noch Kerak, sondern König Guy selbst.
Er blickte allerdings Kerak um Zustimmung heischend an, als er verkündete: »Wir müssen ihr natürlich sofort zu Hilfe kommen.«
»Das steht außer Frage«, nickte Kerak, dem die Aussicht, nach so vielen Tagen der Untätigkeit endlich wieder arabisches Blut vergießen zu können, über alle Maßen zusagte.
»Wir könnten sogar heute noch auf brechen«, sinnierte de Ridefort. »Ein paar Stunden bleibt es noch hell …«
»Warum sollten wir uns diese Mühe machen?«, fragte Tripolis trocken. »Wir können dem Sultan unser Königreich doch gleich auf einem Silbertablett überreichen.«
»Habt Ihr vor, Eure Frau der Gnade der Sarazenen auszuliefern?«, erkundigte sich de Ridefort mit einstudiertem Entsetzen.
Während er mögliche Antworten auf diese Frage erwog, änderte Tripolis seine Ansichten über seine Kopfschmerzen: Sie rührten nicht daher, dass irgendetwas von außen seinen Schädel bearbeitete, sondern von all den angestauten Worten der Vernunft, die mit Macht nach draußen drängten. Er hatte sie den ganzen Tag zurückgehalten, da er wusste, dass er damit auf taube Ohren stoßen würde. Oder, schlimmer noch, Keraks und de Rideforts latenten Verratsbezichtigungen neue Nahrung gäben. Jetzt sprach er aus, was ihm auf der Zunge lag - nicht, weil er erwartete, dass sein Rat befolgt oder auch nur angehört werden würde, sondern weil ihm die Schmerzen keine andere Wahl ließen.
»Ich sage Euch, was meine Frau sagen würde, wenn sie jetzt hier wäre - nach Tiberias zu marschieren ist schon an sich mehr als töricht, aber heute Abend aufzubrechen grenzt an Selbstmord.« Er hob eine Hand, um de Rideforts Protesten Einhalt zu gebieten, und registrierte aus dem Augenwinkel heraus überrascht, dass die Brüder d’Ibelin nickten und die meisten anderen Barone zumindest zuhörten. »Seht Ihr denn nicht, dass das eine Falle ist? Hier steht uns ausreichend Wasser zur Verfügung, unsere Nachschubwege sind sicher, unsere Position ist also stark. Zwischen hier und Tiberias gibt es nichts außer Hitze und ausgedörrten Ebenen mit nur zwei Quellen - wenn diese Höllenglut sie nicht mittlerweile ausgetrocknet hat. Wenn wir heute Abend aufbrechen, sind wir morgen früh eine leichte Beute für den Sultan.«
»Warum sollen wir ihm nicht entgegentreten wie Männer, statt uns wie Mäuse zu verkriechen?«, röhrte Kerak.
Guy warf Tripolis einen nervösen Blick zu, aber der Graf verlor seine Ruhe nicht, nur ein kurzes Auflodern in seinen schwarzen Augen zeugte von dem Zorn, der in ihm kochte. »Weil wir in der Unterzahl und außerdem klassisch ausmanövriert worden sind. Wir haben kaum eine Chance, Saladins Armee in einer offenen Schlacht zu besiegen, schon gar nicht, wenn wir hungrig und durstig sind und sie uns auf einer Wüstenebene umzingelt haben. Aber wenn es uns gelingt, uns noch ein paar Tage in Geduld zu fassen, können wir den Sultan mit seinen eigenen Waffen schlagen.«
Kerak machte Anstalten, hitzige Einwände zu erheben, aber Balian d’Ibelin hinderte ihn scharf daran. »Still, Kerak! Ich möchte gern hören, was der Graf zu sagen hat. Danach kommt Ihr an die Reihe.«
Ehe Kerak protestieren konnte fuhr Tripolis hastig fort: »Die Stärke der Armee des Sultans ist zugleich auch ihre größte Schwäche. Er befindet sich jetzt in Feindesgebiet. Bald werden ihm die Vorräte ausgehen. Wenn das geschieht, ist er gezwungen, uns entweder hier anzugreifen oder den Rückzug anzutreten. Greift er uns an, haben wir gute Aussichten, ihn zurückschlagen zu können. Und wenn er sich zurückzieht, haben wir den Kampf ohne Blutvergießen gewonnen.«
»Gesprochen wie der Verräter, der Ihr seid«, giftete de Ridefort.
»Ich an Eurer Stelle würde dieses Wort nur mit äußerster Vorsicht gebrauchen, Messire«, gab Tripolis zurück, wobei er den Titel mit unverhohlenem Sarkasmus betonte. »Es ist erst kürzlich in Verbindung mit Eurer Person gefallen. Drängt nur weiter auf ein so wahnwitziges Unterfangen. Einen besseren Weg, einen alten Verdacht gegen einen alten Gegner wieder aufleben zu lassen, könnt Ihr gar nicht finden.«
»Ihr wagt es, Anschuldigungen gegen mich zu erheben?«, bellte de Ridefort. Die Ader an seiner Schläfe pochte bedenklich. »Ihr, der Ihr Eure eigene Frau und ihre Kinder auf Gedeih und Verderb den Ungläubigen ausliefert? Ihr seid nicht nur ein Verräter, Graf, sondern auch noch ein Feigling!«
Tripolis verlor auch jetzt seine ruhige Gelassenheit nicht. Er schüttelte nur fast mitleidig den Kopf. »Tiberias gehört mir«, gab er leise zurück. »Und es ist meine Frau, die dort festgehalten wird. Keiner von Euch kann ermessen, wie sehr ich diese Frau und unser Heim liebe. Aber ich würde zulassen, dass die Zitadelle eingenommen und meine Frau gefangen genommen wird, wenn ich sicher wäre, dass Saladins Feldzug damit beendet ist, denn ich habe in meinem Leben schon viele muslimische Armeen gesehen, aber noch nie eine so riesige und mächtige wie die, die der Sultan jetzt befehligt. Glaubt mir, wenn wir Saffuriyya verlassen, zieht das unser aller Tod und den Untergang unseres Königreiches nach sich.«
De Ridefort schüttelte den Kopf, Kerak fletschte die Zähne, doch Guy schien ausnahmsweise einmal eine Entscheidung getroffen zu haben.
»Ich denke, Tripolis hat Recht.« Sein Blick wanderte zu den Edelleuten, heischte um Zustimmung. »Und auf jeden Fall sieht morgen früh alles heller aus.« Er lachte schwach auf; hoffte auf beifälliges Nicken, das jedoch ausblieb. »Dann sprechen wir weiter darüber. Ihr seid entlassen.«
Die Edelleute, die sich nicht sicher waren, ob sie wirklich richtig gehört hatten, verließen widerwillig den Raum. Nur de Ridefort blieb zurück. Seine vor Zorn lodernden Augen bohrten sich in die seines unseligen Königs.
Schon als er aus dem Zelt des Königs ins Freie trat wusste Tripolis, dass die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen war. Wenn er ganz ehrlich zu sich war, musste er sich eingestehen, dass es ein Fehler gewesen war, den König dem Einfluss des blutrünstigen Kerak und des weitaus gefährlicheren de Ridefort schutzlos ausgeliefert zurückzulassen. Er hegte schon lange den Verdacht, dass de Ridefort ein doppeltes Spiel spielte, und seit Cresson war er sich seiner Sache ganz sicher. Aber ihm fehlten hieb- und stichfeste Beweise, er konnte noch nicht einmal sagen, worin der Verrat genau bestand, und überdies war er zutiefst erschöpft; von den endlosen, zu nichts führenden Debatten, der Unschlüssigkeit des Königs und dem hämmernden Schmerz in seinem Kopf, der ihn völlig ausgelaugt hatte. Also hatte er Guy de Ridefort und Kerak zum Fraß vorgeworfen - ein Fehler, den er sich für den Rest seines Lebens nicht verzeihen würde.
Es kam ihm vor, als hätte er kaum die Augen geschlossen, als ihn Eschivas ältester Sohn Hugh auch schon wieder weckte. Er las dem Jungen vom Gesicht ab, was er zu sagen hatte, noch bevor dieser den Mund öffnete, ließ sich aber auf dem Rückweg zu dem roten Zelt des Königs die ganze Geschichte von seinem Stiefsohn trotzdem noch einmal ganz genau wiederholen.
»Es heißt, dass de Ridefort ihm unablässig zusetzt, seit wir gegangen sind«, sagte Hugh. »Und Kerak unterstützt ihn dabei nach Kräften.«
»Wie die beiden es schon einmal getan haben«, versetzte Tripolis. »Was hat ihn denn nun dazu bewogen, seine Meinung zu ändern?«
Es war eine rhetorische Frage; Tripolis wusste, dass es nur eines gewissen Maßes an Beharrlichkeit bedurfte, um Guy von einem einmal gefassten Entschluss abzubringen, daher überraschte ihn die Antwort des Jungen. »König Henrys Geld.«
»Wie bitte?«
Hugh seufzte. »Guy blieb hart, bis de Ridefort ihn daran erinnerte, dass sie das Bußgeld, das König Henry von England den Templern in Verwahrung gegeben hatte, ohne Wissen des Königs ausgegeben haben. Sie haben damit Söldner angeheuert«, fügte er hilfsbereit hinzu, obwohl Tripolis dies bereits bekannt war.
»So ein Narr«, grollte Tripolis. Mehr sagte er nicht, sondern schritt nur mit neu erwachter Energie weiter auf das Zelt zu, während sein Stiefsohn sich fragte, ob der Graf nun Guy oder de Ridefort mit diesem Schimpfwort bedacht hatte. Tatsächlich hatte Tripolis sich selbst damit gemeint, und die Wut, die ihn erfüllte, als er das Zelt betrat, war gleichfalls gegen sich selbst gerichtet, obwohl das keiner der anderen Männer wissen konnte. Sogar de Ridefort wich vor dem nahezu greifbaren Zorn des Grafen zurück.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, herrschte dieser ihn an. »Wieso werden mitten in der Nacht auf einmal neue Befehle ausgegeben?«
»Weil es so lange gedauert hat, Euer Werk zunichte zu machen und den König an seine Christenpflicht zu erinnern«, schnappte de Ridefort.
Guy bedachte Tripolis mit einem schwachen Lächeln, das dieser bewusst ignorierte. »Und Ihr haltet es für vernünftig, jetzt das Lager abzubrechen?«, erkundigte er sich mit unverhohlenem Hohn. »Wäre es nicht besser gewesen, damit bis zum ersten Tageslicht zu warten?«
»Ihr selbst habt uns vor der Hitze gewarnt, die wir morgen zu erwarten haben«, versetzte de Ridefort. »Also marschieren wir lieber jetzt.«
Tripolis schüttelte den Kopf und funkelte seinen ehemaligen Protégé finster an. »Man könnte meinen, Ihr hättet eine Verabredung einzuhalten«, murmelte er so leise, dass niemand es hören konnte.
Doch de Ridefort hatte die Worte trotzdem verstanden. Laut und vernehmlich erwiderte er: »Nur mit Gott, Graf … denn wir Templer sind von Gott dazu auserkoren, dieses Königreich zu beschützen, und wir würden eher unsere Mäntel in den Staub stampfen als eine christliche Stadt tatenlos aufgeben.«
Tripolis schüttelte erneut den Kopf. »Das werdet Ihr noch bitter bereuen.«
»Dieses Lied haben wir schon einmal gehört, Tripolis«, grunzte Kerak. »Ihr versucht uns mit Euren Geschichten über die Stärke der muslimischen Armee Angst einzujagen, weil Ihr die Freundschaft der Ungläubigen sucht - sonst würden Euch solche Worte nicht über die Lippen kommen. Wenn Ihr mir sagt, dass sie uns zahlenmäßig überlegen sind, dann antworte ich Euch dies: Ein Feuer wird nie durch die Menge des Holzes erstickt, die es zu verbrennen versucht.«
Die sich im Zelt drängenden schläfrigen Barone nickten und bekundeten murmelnd ihre Zustimmung. Tripolis hätte ihnen allen keine Beachtung geschenkt und weitere Argumente vorgebracht, wenn er geglaubt hätte, Guy noch zur Vernunft bringen zu können. Aber ein Blick in das Gesicht des Königs verriet ihm, dass der König Keraks Verheißungen von Ruhm und Ehre erlegen war. Er schwelgte in Fantasien von einem Sieg in einer Schlacht, die, wie Tripolis wusste, von vorneherein so verloren war wie ihre Heilige Stadt und vielleicht ihr gesamtes Königreich.
»Also gut.« Er war zu müde, um noch Bitterkeit zu empfinden. »Da ich einer von Euch bin, schließe ich mich Euch an. Ich werde an Eurer Seite kämpfen, aber Ihr werdet ja sehen, was geschehen wird.« Als er auf dem Absatz kehrtmachte, um seine Männer zu wecken, breitete sich eine unheimliche Stille im Zelt aus.
Guy hatte zwar Tripolis’ Rat in den Wind geschlagen, aber nichtsdestotrotz seine Warnungen nicht vergessen, und er wusste, dass er seine Armee nicht quer durch die Wüste marschieren lassen durfte. Obwohl Saladin seine Truppen äußerst geschickt positioniert hatte, gab es zwischen Saffuriyya und Tiberias noch einige offene Wege. Guy begriff, dass er sich an die Routen halten musste, die eine Versorgung mit Wasser gewährleisteten. Daher blieben ihm nur die nach Turan, wo es eine kleine Quelle gab, oder die nach Lubiyah und Hattin. Die Quelle des Dorfes Hattin war größer als die von Turan, außerdem hatten sie dort Zugang zum See bei Al-Majdal. Am Ende beschloss er, gen Süden in Richtung Kafr Kana zu marschieren und dann nordöstlich abzuschwenken, um in der Nähe von Turan wieder auf die Hauptstraße nach Tiberias zu gelangen.
Tripolis, der sich jetzt wider besseres Wissen diesem dem Untergang geweihten Unternehmen verschrieben hatte, bestand darauf, die Vorhut anzuführen. Guy ritt in der Mitte, flankiert von den Bischöfen von Lydda und Akkon, die die eigens von Jerusalem herbeigeschaffte Reliquie trugen, die einen Splitter vom Kreuz Christi enthielt. Die Templer bildeten die Nachhut, doch das Kommando über sie war nicht ihrem Großmeister, sondern Balian d’Ibelin übertragen worden. Tripolis empfand es als verdächtig, dass de Ridefort nicht dagegen protestierte, brachte aber nicht die Energie auf, darüber nachzugrübeln, was sein alter Rivale im Schilde führen mochte. Außerdem zählte das jetzt nicht mehr.
Guys mitternächtliche Begeisterung war rasch abgeflaut, als die erschöpften Soldaten sich formierten. Die hell und klar am Himmel funkelnden Sterne verrieten ihnen, welche Hölle sie erwartete, wenn die Sonne aufging. Die Stimmung verdüsterte sich weiter, als die Pferde das ihnen angebotene Wasser verweigerten, obwohl es gekostet und für klar und sauber befunden worden war. Diese Weigerung konnte sich sowohl für die Tiere als auch für die Reiter leicht als tödlich erweisen, denn jeder Ritter in diesem erbarmungslosen Land wusste, dass er ohne sein Pferd verloren war. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug kam es, kurz bevor sie aufbrechen wollten, in den vordersten Reihen zu einem Tumult. Tripolis bahnte sich einen Weg durch die Linien der Ritter und der Infanterie, um zu sehen, was der Auslöser dafür war. Was er erblickte, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken - es war ein Vorzeichen drohenden Unheils, das, gerade weil es auf den ersten Blick nichts mit ihrer Mission zu tun haben schien, unbedingt beachtet werden musste.
Eine unverschleierte Sarazenin setzte sich wild gegen zwei Infanteristen zur Wehr, die sie mit festem Griff gepackt hielten. In ihren Augen loderte der Irrsinn, und sowie sie Tripolis sah, begann sie gellend zu kreischen. »Ich verfluche euch im Namen Allahs und seines Propheten Mohammed! Ich verfluche euch im Namen aller Propheten vor ihm und aller Engel im Himmel! Führ deine Männer weiter, Ungläubiger, und ihr seid alle verdammt! Ihr werdet im ewigen Feuer der Hölle schmoren …«
»Das reicht«, sagte Tripolis ruhig auf Arabisch zu ihr.
Sie spie ihm ins Gesicht.
»Dafür wirst du brennen, du Sarazenenhure!«, schnarrte einer ihrer Häscher, woraufhin sie sich zu ihm umdrehte, lächelte und ihm dann die Zähne in den Arm schlug.
»Brennen sollst du!«, brüllte der Mann. Einige seiner Kameraden hatten sich bereits aus ihren Reihen gelöst, um eines der erlöschenden Lagerfeuer neu zu entfachen.
»Dafür ist jetzt keine Zeit!«, donnerte Tripolis wutentbrannt. »Lasst sie, sie ist nicht weiter wichtig.«
»Sie ist vom Teufel besessen«, gab einer der Männer zurück. »Hexen müssen brennen.«
»Ihr sollt aufhören, habe ich gesagt …«
Aber die entfesselten Christen hatten die Frau bereits an Händen und Füßen gefesselt und schleiften sie zum Feuer hinüber. Tripolis konnte nur resigniert und angewidert zusehen, wie sie sie wie einen Sack Gerste hochhoben und in die Flammen schleuderten. Ihre Kleider und ihr Haar gerieten sofort in Brand, dennoch gab sie keinen Laut von sich. Das Feuer schien ihrer Haut nichts anhaben zu können; die Flammen perlten von ihr ab wie Regen und hinterließen nicht die geringste Rötung, als sie sich mühsam aufsetzte. Als sich ihr Blick mit dem von Tripolis kreuzte, verzogen sich ihre Lippen erneut zu einem Lächeln.
»Du siehst, ihr habt keine Macht über uns«, krächzte sie. »Wir sind wie tief im Erdreich verwurzelte Bäume, die immer nachwachsen, egal wie oft sie beschnitten werden. Diejenigen von euch, die diesen Tag überleben, werden feststellen, dass sie alles verloren haben, was ihnen lieb und teuer war. Euer Blut wird dieses Land bewässern, und wir werden es trinken. Wir werden …«
In diesem Moment hob einer der Infanteristen mit vor Wut und Angst verzerrtem Gesicht seine Streitaxt und spaltete ihr den Kopf. Der Körper der Frau kippte in die Flammen, doch ein Auge starrte zu Tripolis empor, als er sein Pferd wendete und den Fußsoldaten scharf gebot, ihren Platz in den Reihen wieder einzunehmen, wenn sie nicht sein Schwert zu spüren bekommen wollten. Doch trotz des Zornes, der ihn zu überwältigen drohte, hatte sich das Bild dieses spöttischen, ihn verhöhnenden Auges unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt. Er wusste es noch nicht, aber es würde ihn von nun an bis zum Tag seines Todes heimsuchen.