12

Wie es Abi Gul vorausgesagt hatte, schickte Tor Gul Khan Rakan am nächsten Tag mit zwanzig Dschinn-Kriegern wieder nach Hause. Shahascina, Afshan und Sarbaz waren unter ihnen. Ihre Mütter weinten und lachten abwechselnd, als sie ihnen nachwinkten. Das ganze Dorf sah zu, wie sie auf die Ausläufer der Berge im Süden zuritten und hinter den welligen grünen Hügeln verschwanden.

Khalidah, die die Gruppe nicht aus den Augen ließ, spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief, denn sie wusste, dass sie Qaf bald ebenfalls verlassen würde. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, nachdem sie von dem Besuch bei dem betaan zurückgekommen war. Abgesehen von den Visionen von ihrer Familie hatte Alipsha ihr weder etwas gesagt, was sie nicht schon gewusst hatte, noch hatte er sie in irgendeine bestimmte Richtung gelenkt, trotzdem war sie von einem eigenartigen Gefühl der Klarheit erfüllt in das Tal zurückgekehrt - so, als habe der betaan ihr einen Schleier von den Augen gezogen. Sie hatte gewusst, was sie zu tun hatte, und dies sowohl Abi Gul als auch Sulayman mitgeteilt. Beide hatten ihr Vorhaben gebilligt. Die einzige Hürde, die es noch zu bewältigen galt, war die unausweichliche Konfrontation mit Tor Gul Khan.

Nachdem Rakans Trupp aufgebrochen war, ging Khalidah zum Tempel hoch. Sie trug das Schwert, das sie in Domat al-Jandal entdeckt hatte, in ihren Schal gewickelt bei sich, da es nicht gestattet war, blanke Waffen mit in den Tempel zu bringen. Sie hatte gehofft, ihren Großvater dort vorzufinden, stieß aber nur auf eine Hand voll Tempeldienerinnen, von denen die meisten in Meditation versunken waren. Khalidah trat zu einer, die sich gerade an einem Altar zu schaffen machte, und fragte sie, wo sie ihren Großvater finden konnte. Die  Frau deutete auf die Tür, die zur Klause führte, und Khalidah folgte der angegebenen Richtung.

Seit ihrer ersten Nacht in Qaf war sie nicht mehr in Tor Gul Khans privaten Gemächern gewesen, und jetzt erkannte sie, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie sie finden sollte. Sie ging einen langen, weiß getünchten Gang entlang, der zu beiden Seiten von offen stehenden Türen gesäumt wurde - den Zellen der Unverheirateten. Hinter jeder Tür lag ein kleiner, mit einer schmalen Pritsche, einem schlichten Wollteppich und einem Altar, auf dem geschnitzte Götterstatuen und flackernde Lampen standen, ausgestatteter Raum. Am Ende des Ganges führte eine Holzstiege zum oberen Stock empor. Die Türen auf der einen Seite davon führten zu der Galerie, die entlang der Vorderseite des Tempels verlief, von den dreien auf der anderen Seite war eine weit geöffnet. Ein schwacher Weihrauchduft wehte in den Gang hinaus.

Khalidah näherte sich diesem Raum langsam und spähte hinein. Er war größer als die Zellen im unteren Stockwerk, aber fast ebenso kärglich eingerichtet. Tor Gul Khan saß auf einem grob gewebten Läufer vor einem glühenden Weihrauchfass und meditierte. Khalidah blieb verunsichert auf der Schwelle stehen und überlegte, was sie nun tun sollte, bis ihr Großvater plötzlich zu ihr aufblickte. Seine goldenen Augen leuchteten auf.

»Komm herein und setz dich«, forderte er sie auf.

Khalidah kniete sich ihm gegenüber auf den Läufer und drückte das eingewickelte Schwert fest an sich. Ihr Großvater warf einen Blick darauf, stellte dann aber nur sachlich fest: »Du hast beschlossen, dich auf den Weg zum Sultan zu machen.« In seiner Stimme schwangen weder Ärger noch ein unterdrückter Vorwurf mit, nur resigniertes Bedauern. Khalidah nickte. »Und du wirst die, die an dich glauben, mitnehmen.«

Khalidah seufzte. »Ich habe mein Versprechen gehalten und mit  keinem Wort bewusst versucht, die Leute in ihren Überzeugungen zu bestärken oder sie davon abzubringen. Du wolltest, dass ich eine Zeit lang unter ihnen lebe, um zu einer Entscheidung zu gelangen, aber ich kann trotzdem nur sagen, was jeder, den ich fragte, auch zu mir gesagt hat: Sie müssen ihren eigenen Weg gehen. Wenn ich Qaf verlasse, werde ich niemanden ermutigen, mich zu begleiten, aber ich werde auch niemanden, der mir aus freien Stücken folgen will, davon abhalten.«

Tor Gul Khan musterte sie schweigend. Die Minuten zogen sich quälend langsam dahin. Endlich erwiderte er: »Wie du meinst, Khalidah. Aber wenn du nicht gekommen bist, um meine Erlaubnis einzuholen, meine Leute gen Westen führen zu dürfen … was hat dich dann zu mir geführt?«

Statt einer Antwort wickelte sie das Schwert aus und reichte es ihm. Er betrachtete es lange mit undurchdringlicher Miene, strich dabei aber mit dem Daumen sacht über den goldenen Edelstein im Griff.

»Hat es meiner Mutter gehört?«, fragte sie mit einer Stimme, die fest und klar hatte klingen sollen, nun aber bedenklich zitterte.

Er musterte das Schwert noch einen Moment länger, dann gab er es ihr mit einem leisen Seufzer zurück. »Ja, und davor ihrer Mutter, ihrer Großmutter und so weiter. Der Stein ist sehr alt - ein gelber Diamant aus diesen Bergen. Die Inschrift ist neueren Datums, sie stammt von einem arabischen Sultan, der deiner Ururgroßmutter zu großem Dank verpflichtet war. Ich bin froh, dass Brekhna es an dich weitergegeben hat.«

»Das hat sie nicht getan«, entgegnete Khalidah tonlos. »Ich fand es in einem Trödelladen in einer Wüstenstadt am Rande Jassirahs.«

»Ich verstehe«, gab er ruhig zurück, obwohl sich der Schock auf seinem Gesicht widerspiegelte.

Mit einem Mal wurde Khalidah von heißem Zorn übermannt. »Erzähl mir, was mit ihr geschehen ist.«

»Das weißt du bereits.«

»O ja«, fauchte sie. »Hundert verschiedene Leute haben mir hundert verschiedene Versionen ihrer Geschichte erzählt, seit ich alt genug war, um sie zu verstehen. Und dennoch habe ich im Grunde genommen nichts über sie erfahren … bis ich mit deinem betaan gesprochen habe.«

»Und was hat er gesagt?«, fragte Tor Gul Khan nahezu unhörbar.

»Dass sie ihren Glauben verloren hat. Was hat er damit gemeint?«

Jetzt zeigte ihr Großvater erstmals einen Anflug von Furcht. Er schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Ich nehme es dir nicht ab, dass du das nicht weißt«, beharrte Khalidah. »Du verschweigst mir irgendetwas. Du sagtest, sie hätte die Dschinn verlassen, um an Saladins Seite gegen die Franken zu kämpfen, trotzdem hat sie sich nicht seiner Armee angeschlossen, sondern stattdessen meinen Vater geheiratet. Sie hat ihr Schwert zurückgelassen, was, wenn ich irgendetwas über Dschinn-Traditionen gelernt habe, einer Verleugnung des Sinns und Zwecks ihrer Existenz gleichkam. Und dann hat sie ihren Mann und ihr einziges Kind im Stich gelassen.« Sie fuhr mit dem Zeigefinger über die in die Klinge eingravierten Worte. »Licht meiner Seele … so hat sie mich immer genannt. Was bringt eine Frau dazu, sich vom Licht ihrer Seele abzuwenden?«

Tor Gul Khan hielt ihrem Blick einen Moment lang stand, dann strich er sich mit der Hand über das Gesicht. Als er sie wieder ansah, war er wieder zu dem gebrochenen alten Mann geworden, der sie bei ihrem ersten Gespräch angefleht hatte, alles daranzusetzen, seine Leute in Qaf zu halten.

»Verrat, Khalidah«, erwiderte er mit brüchiger Stimme. »Manchmal bedarf es nur eines einzigen Verrates, doch im Fall einer starken Frau wie Brekhna kam mehreres zusammen. Es fraß an ihrer Seele, jedes Mal ein Stück mehr, bis schließlich nichts mehr übrig blieb.«

Khalidah beobachtete ihn; hoffte inständig, er würde weitersprechen, statt sich in dem Kummer und der Reue zu verlieren, die sich in seinem Gesicht widerspiegelten. Endlich murmelte er: »Sie war ein so außergewöhnliches Mädchen - auf nahezu jedem Gebiet mit herausragenden Gaben gesegnet, wie es schien. Man konnte sie nicht als große Schönheit bezeichnen, trotzdem übte sie auf die meisten Männer eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Viele warben um sie, aber für sie hatte es von jeher nur einen Jungen gegeben - Sher Dil. Er hatte ein sanftes Gemüt; zu sanft, um einen guten Krieger abzugeben, muss ich sagen, aber er erwies sich dennoch als recht geschickt im Kampf, und da er wusste, dass Brekhna zur Kriegerin berufen war, schlug auch er diesen Weg ein.

Zu psarlay, als sie beide sechzehn wurden, verlobten sie sich. Aber obwohl ihre Ausbildung beendet war, war keine Schlacht in Sicht, keine Möglichkeit für sie, in die Welt der Erwachsenen aufgenommen zu werden und heiraten zu können. Als Monat um Monat verstrich, baten sie mich, sie trotzdem zu trauen, und ich schlug ihnen diesen Wunsch ab. Wie konnte ich für meine Tochter eine Ausnahme machen und allen anderen in derselben Situation ihre Bitte verwehren?«

Er schüttelte den Kopf. »Doch Brekhna ließ nicht locker. Sie rang mir das Versprechen ab, dass sie beide auf die nächste Mission geschickt würden, egal wer der Gegner sein mochte, und ich Narr willigte ein. Der nächste Hilferuf kam von einem von Tadschiken bewohnten Dorf im Norden, das einen Aufstand der Mongolen niederschlagen musste. Die Mongolen sind gefährliche Gegner, weil ihre Kampftechniken den unseren ähneln. Wie bei uns sind ihre berittenen Bogenschützen ihre größte Stärke. Wenn wir in Kämpfe mit ihnen verstrickt wurden, haben wir oft große Verluste erlitten, und ich wollte nicht, dass sich Brekhna in eine solche Gefahr begab. Aber was konnte ich tun? Ich hatte ihr mein Wort gegeben, und so ritten  Brekhna und Sher Dil gen Norden.« Verbitterung schwang in seinen Worten mit, sein Blick verlor sich in der Ferne.

»Und Sher Dil wurde getötet«, spann Khalidah den Faden weiter.

»Gleich in den ersten Minuten der Schlacht«, nickte Tor Gul Khan. »Die Mongolen benutzen gleichfalls scherenköpfige Pfeile. Einer davon trennte seinen Arm direkt unterhalb der Schulter vom Rumpf. Er war schon tot, als es Brekhna endlich gelang, sich zu ihm durchzukämpfen.« Er seufzte. »Andere Mädchen hätten getrauert, bis die Wunde in ihrem Herzen nach und nach vernarbt wäre. Nicht so Brekhna. Es war, als wäre sie dort oben im Norden mit Sher Dil gestorben. Danach taugte sie nur noch zum Kampf. Sie gab alles auf, was ihr früher Freude bereitet hatte - ihre Musik, ihre Pferde, das Weben, die Beschäftigung mit Pflanzen und all die Kleinigkeiten, die sie am Leben hier geliebt hatte - und nahm freiwillig an jeder Mission teil, zu der wir gerufen wurden. Nach einigen weiteren Kämpfen übertraf sie jeden anderen Krieger hier im Tal an Geschick und Erbarmungslosigkeit. Sie schien in jedem ihrer Gegner den mongolischen Bogenschützen zu sehen, der ihren Geliebten getötet hatte, und sie nahm an jedem von ihnen von neuem Rache.

Und dann trafen sie und ihre Krieger in Persien auf einen kurdischen amir. Er bat sie, ihn Richtung Westen zu begleiten; er würde einen Mann kennen, der ihre Hilfe im Kampf gegen ein Meer von Invasoren brauchen könnte, die er als ›Franken‹ bezeichnete.«

»Und so lernte sie Saladin kennen?«

Tor Gul Khan nickte. »Saladin und die Franken, und ihr verwundetes Herz; ihr verdunkelter Geist sah in ihnen und ihrem Kampf die Verkörperung unseres alten Mythos. Sie und ihre Leute blieben viele Monate lang bei Saladin und kämpften gegen die Invasoren. Als sie endlich nach Qaf zurückkehrte, hatte sie eine neuerliche Veränderung durchgemacht. Ich hatte bis dahin gedacht, nichts könne schmerzlicher sein, als mit ansehen zu müssen, wie aus ihrer Liebe  zu Sher Dil ein so bitterer Hass erwuchs, aber als ich sie wiedersah, erkannte ich, dass ich mich geirrt hatte. Jetzt war dieser Hass in religiöse Besessenheit umgeschlagen; die Art von brennender, fanatischer Leidenschaft, die sich von der Seele nährt wie Flammen von Holz und sie rasch zu Asche zerfallen lässt. Sie wollte die Krieger von Qaf zu Saladin zurückführen.«

»Und du hast dich geweigert, sie gehen zu lassen.«

»Kannst du mir daraus einen Vorwurf machen, Khalidah?«, fragte er, und sie sah etwas von seinem alten Feuer in seinen Augen auflodern. »Sie war zu dieser Zeit nicht bei Verstand, war blind für alles, was sich nicht mit ihren Überzeugungen vereinbaren ließ.«

»Dasselbe wurde zu seiner Zeit von jedem von Allahs Propheten behauptet.«

»Vielleicht habe ich deiner Meinung nach einen Fehler gemacht«, erwiderte Tor Gul Khan müde. »Aber das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Ich sagte ihr, ich sei immer noch der Khan, und ich würde ihrem Vorhaben niemals meinen Segen erteilen. In gewisser Hinsicht stellte ich für sie wohl immer noch eine Respektperson dar, denn sie nahm niemanden mit, sondern verschwand eines Nachts nur mit ihrem Schwert, ihrem Pferd und sonst nichts. Sie kehrte zu Saladin zurück und kämpfte einige Jahre für ihn. Ich weiß nicht, was dann geschehen ist; ob es sich um eine plötzliche Erkenntnis oder eine allmählich erfolgende Desillusionierung handelte, aber irgendwann erlosch das Feuer in ihr. Sie verlor ihren Glauben … oder vielleicht einfach nur die Kraft, daran festzuhalten. Ein arabischer Stammeshäuptling, mit dem zusammen sie zahlreiche Schlachten bestritten hatte, hatte sie wiederholt gebeten, ihn zu heiraten. Schließlich nahm sie seinen Antrag an und wurde die Frau von Abd al-Aziz al-Hassani.«

»Woher weißt du das alles?«, fragte Khalidah, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete.

Tor Gul Khan schwieg lange, ehe er erwiderte: »Sie hat es mir gesagt.«

Khalidah schloss die Augen, als könne sie sich so vor der furchtbaren Wahrheit schützen, die sie gleich zu hören bekommen würde.

»Ich nehme an, sie hat gehofft, sich durch die Heirat, durch ein einfaches Leben als Frau und Mutter vor dem endgültigen Untergang retten zu können«, fuhr Tor Gul Khan mit sichtlicher Überwindung fort. »Aber Brekhna war eine Dschinn, und eine Dschinn bleibt immer eine Dschinn, selbst wenn sie innerlich ausgebrannt ist.« Er brach ab und warf Khalidah einen Blick zu, in dem ein seltsames Mitgefühl lag. »Weder Krieg noch Ehe noch Mutterschaft brachten ihr den ersehnten Frieden. Irgendwann einmal erkannte sie, dass nur noch ein einziger Funke in ihr glomm, und das war der Wunsch, nach Qaf zurückzukehren. Deswegen hat sie dich verlassen, Khalidah: um hierherzukommen und darum zu bitten, wieder aufgenommen zu werden. Aber sie hatte nie vor, dich im Stich zu lassen - sie wollte dich nachholen.«

»Sie wollte mich nachholen?«, wiederholte Khalidah wie betäubt.

»Ja«, versetzte er leise und voller Bitterkeit. »Es ist meine Schuld, dass du ohne Mutter aufwachsen musstest, Khalidah. Ich konnte meinen Zorn und meinen verletzten Stolz nicht überwinden und ihr verzeihen. Also schlug ich ihr ihre Bitte schroff ab und sagte ihr, weder sie noch ihr Halbblutkind wären hier je wieder willkommen.«

Die Worte trafen Khalidah wie glühende Pfeile. Sie musste ihre gesamte Willenskraft aufbieten, um nicht aufzuspringen und davonzulaufen, doch sie wusste, dass noch mehr kommen würde, also zwang sie sich, still sitzen zu bleiben und weiter zuzuhören.

»Sie fügte sich meinem Urteil widerspruchslos, was ich ihr als Schwäche auslegte. Ich sah nicht, dass ich den letzten Funken in ihrem Herzen ausgelöscht hatte. Ich hatte meine einzige Tochter verraten, verstoßen und sie dadurch getötet. Versteh mich nicht falsch,  sie lebt noch - das hat Alipsha mir gesagt. Sie ist irgendwo weit fort von hier …weit fort von allem, nehme ich an. Aber wie ihr Leben jetzt aussieht, darüber wage ich nicht nachzudenken.

Ich für meinen Teil habe in dem Moment, wo sie ging, eingesehen, dass ich einen verhängnisvollen Fehler gemacht hatte. Seither ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht von furchtbaren Schuldgefühlen gequält wurde. Jahrelang versuchte ich, sie zu finden, bis mich Alipsha davon überzeugte, dass sie nicht gefunden werden wollte und ich ihr einen schlechten Dienst erweisen würde, wenn ich meine Suche fortsetzte. Also begann ich stattdessen nach dir zu suchen, Khalidah - nicht, weil ich eine Erbin brauchte oder mit deiner Hilfe die Dschinn zusammenhalten wollte, sondern weil es Brekhnas Wunsch gewesen wäre und ich nichts anderes tun konnte, um das Unrecht zu sühnen, das ich begangen hatte.«

»Also bin ich nur hier, um dein Gewissen zu beschwichtigen?«

Tor Gul Khan zuckte zusammen, wich aber ihrem Blick nicht aus. »Vermutlich verdiene ich es nicht besser. Ich weiß, wie schwer es dir fallen muss, mir zu glauben, aber ich wollte, dass du herkommst, damit du selbst wählen kannst, wie dein weiteres Leben verlaufen soll. Du willst mir doch sicher nicht weismachen, dass du lieber bei deinem Stamm geblieben wärst und deinen Vetter geheiratet hättest.«

Khalidah seufzte. In Tor Gul Khans Augen lag eine stumme Bitte, und wider Willen spürte sie Mitgefühl in sich aufsteigen.

»Was kann ich tun, um wiedergutzumachen, was ich dir angetan habe?«

Khalidah musterte ihn lange, während sie die zahlreichen möglichen Antworten auf diese Frage abwog und sich schließlich für die eine entschied, die wirklich zählte. »Du kannst die Dschinn, die mir folgen wollen, um für Saladin zu kämpfen, mit deinem Segen gehen lassen«, entgegnete sie endlich.

Ihr Großvater schloss die Augen und nickte langsam, und wieder  empfand sie gegen ihren Willen einen Anflug von Bewunderung für ihn, weil sie wusste, wie viel Kraft ihn dieses Nicken gekostet haben musste. »Zusammen mit meinem Segen möchte ich dir noch dieses mitgeben, Khalidah: In meinen Augen bist du eine Dschinn, bist du von meinem Blut, und nichts wird je etwas daran ändern. Wenn du dich dafür entscheidest, zu deinem Vater zurückzugehen, dann wünsche ich dir für dein Leben dort viel Glück. Aber wenn du dich je nach Qaf zurücksehnst, dann komm wieder. Für mich zählt nicht, wie lange du fort warst. Du und jeder, den du mitbringst, wird hier immer eine Heimat finden.«

Als Khalidah ihrerseits nickte, bemerkte sie verwundert, dass ihre Hände mit Tränen benetzt waren.

 

Wuestentochter
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