27

Es war später Nachmittag, und der schwarze König schwebte in Gefahr. Bilal stand kurz vor seinem ersten Sieg seit drei Tagen, seit Salim begonnen hatte, ihm das Schachspiel beizubringen. Ein heftiger Sturm hatte sie in einem schmalen, namenlosen Tal irgendwo zwischen Amman und Kerak festgehalten. Mittlerweile beherrschte Bilal das Spiel recht gut, aber es war ihm bislang noch nie gelungen, Salim zu schlagen.

Er sah zu seinem Freund hinüber. Salim stützte sich auf Hüfte und Ellbogen und hatte die Beine angewinkelt. Er wirkte ruhig und gelassen; auf seinem Gesicht lag der Abglanz jenes Lächelns, mit dem er Bilal an dem Nachmittag betört hatte, an dem er ihm sein Herz in Form eines Granatapfelkerns dargeboten hatte. Bilal zögerte einen Moment, dann machte er seinen Zug.

»Über solche stümperhaften Fehler bist du längst hinweg!«, entrüstete sich Salim.

»Du wolltest mich gewinnen lassen.«

»Das kannst du gar nicht wissen.«

Bilal gab keine Antwort. Einen Moment lang tanzten ein paar Sonnenstrahlen über die Sandsteinhänge des Wadis, dann schloss sich die Wolkendecke wieder. Salim setzte sich auf und wischte mit einer Hand über das Schachbrett. »Sag mir endlich, warum du dich so vor Kerak fürchtest«, forderte er plötzlich.

»Wie meinst du das?«

»Du hast mich genau verstanden. Und leugne es nicht ab; während der letzten drei Tage warst du so still und in dich gekehrt, dass es sogar einem Schwachkopf aufgefallen wäre - und das rührt bestimmt nicht daher, dass ich dich beim Schach schlage.«

Bilal seufzte. »Kerak liegt sehr nah bei Wadi Tawil.«

»So?«, gab Salim zurück. »Sollten wir wirklich auf Angehörige deines Stammes treffen - was ich für äußerst unwahrscheinlich halte - werden sie dir bestimmt keinen Vorwurf mehr daraus machen, dass du fortgegangen bist. Und selbst wenn … du gehörst jetzt zum Gefolge meines Vaters. Er würde nie zulassen, dass sie dir etwas zu Leide tun.«

»Das ist es nicht«, erwiderte Bilal langsam. »Die Vorstellung, wieder dort zu sein … es erinnert mich an all das, was ich nicht bin - und was ich für dich nie sein kann.«

Salims Züge verhärteten sich; er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Bilal hatte ihn nie zuvor zornig erlebt; es verlieh seinem Gesicht eine gespenstische Ähnlichkeit mit dem seines Vaters. Er sah stumm zu, wie Salim die Schachfiguren einsammelte und jede einzelne mit kalter Präzision in ihren Kasten zurücklegte.

Endlich sagte er: »Das erzählst du mir andauernd, aber es verrät mir nur, dass du selbst dann nicht aufrichtig bist, wenn du bei mir liegst.«

Die Worte trafen Bilal wie ein Schlag. »Wie kannst du so etwas sagen?«

»Wie könnte ich nicht?«, erwiderte Salim matt, und dann schleuderte er in einer Geste wilder Verzweiflung den Kasten mit den Figuren quer durch das Zelt, wo sie sich über den Boden verteilten. Doch noch mehr als dieser Zornesausbruch erschütterten Bilal die Tränen in seinen Augen. Trotz allem, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, hatte er nie wirklich geglaubt, Salim würde ihm ernsthafte Gefühle entgegenbringen. Jetzt sah er, dass er einem Irrtum unterlegen war, und diese Erkenntnis verwirrte ihn zutiefst.

Salim fuhr hitzig fort: »Glaubst du, ich empfinde nur körperliche Lust für dich? Weißt du, dass ich wach bleibe, wenn du schläfst, nur um dein Gesicht anschauen zu können?« Er krallte die Finger in den Sandboden und atmete einige Male tief durch. »Es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde … und dir liegt scheinbar überhaupt nichts an mir, denn sonst würdest du mir vertrauen!«

»Als ob das so einfach wäre!«, fuhr Bilal seinerseits auf. Er war froh, dass der Wind ihre Worte davontrug, ehe sie an die falschen Ohren dringen konnten. »Du bist doch in deinem Leben noch nie mit einer bitteren Wahrheit konfrontiert worden!«

»Oh doch«, hielt ihm Salim bitter entgegen. »Jedes Mal, wenn ich mich von dir vögeln lasse, obwohl ich weiß, dass du mich nicht liebst.«

Die hässlichen Worte hallten in Bilals Ohren wider, doch tiefer noch traf ihn die Erkenntnis, dass er sie verdient hatte. Er blickte Salim an, und erstmals sah er ihn so, wie er wirklich war. Statt Anmut und Schönheit sah er ein mit Staub und Tränen verschmiertes Gesicht; statt eines Königssohnes einen Jungen, der versuchte, sich in einer Welt, die ihn nicht brauchte, als Mann zu erweisen.

Sein Herz wurde bleischwer, als er langsam nickte. »Nun gut.« Er hielt inne und versuchte, seine wild in seinem Kopf umherwirbelnden Gedanken zu ordnen, dann begann er: »Die Wahrheit, Salim, lautet, dass ich gar nicht Numairs Vetter bin.«

»Das hast du mir bereits gesagt.«

»Ich weiß, aber ich habe dir verschwiegen, dass ich mit den Hassani überhaupt nicht blutsverwandt bin. Ich bin der Bastard einer Dienerin und eines Tempelritters … nein, nicht irgendeines Tempelritters, sondern ihres Großmeisters, Gérard de Ridefort.« Er brach ab und wartete auf eine Reaktion Salims.

Dieser wischte sich mit einem schmutzigen Ärmel über das Gesicht, holte tief Atem und fragte dann: »Ist das alles?«

Bilal stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen Lachen und Schluchzen lag. »Ich würde meine Seele dafür geben, wenn das alles wäre. Mein Vater ist ein Verräter, Salim, und ich ebenso. Ich bin als  informateur hier, als Spion.«

Salim sah ihn ungläubig an. »Was mein Vater sehr wohl weiß. Ich hätte nicht gedacht, dass das ein Geheimnis ist.«

Bilal schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht. Ja, Numair und ich überbringen deinem Vater Informationen über de Ridefort, aber wir liefern de Ridefort auch Informationen über deinen Vater. Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich glaube, dass er gar nicht die Absicht hat, sich an die Abmachung zu halten, die er mit deinem Vater getroffen hat. Ihm geht es nur um seinen eigenen Vorteil, ganz egal, wer den Krieg um Al-Quds gewinnt.« Er hatte es dabei belassen wollen, stellte aber fest, dass er jetzt, wo er begonnen hatte, sein Gewissen zu erleichtern, nicht mehr damit aufhören konnte. »Und du irrst dich, obwohl ich dir keinen Vorwurf daraus machen kann. Ich liebe dich auch, und ich habe dich nur belogen, weil ich dich noch etwas länger lieben wollte. Und jetzt kannst du mich zu deinem Vater bringen, wie ich es verdiene, aber bitte, Salim, sorg dafür, dass es schnell geht …«

Er brach ab, weil Salim zu lachen begonnen hatte. Doch es schwang keine Freude darin mit, und als Salim die Arme nach ihm ausstreckte, wusste Bilal nicht, ob er ihn erwürgen oder umarmen wollte, bis er in der Umarmung des Freundes versank. »Ich bringe  dich nirgendwohin«, sagte Salim, »außer vielleicht in mein Bett, wenn du mich nach allem, was ich dir an den Kopf geworfen habe, noch haben willst.«

Bilal schob ihn voll ungläubigen Staunens von sich. »Ich habe dich verraten, Salim!«

»Und wer außer dir selbst klagt dich deswegen an?«

»Habe ich dir nicht eben gesagt, dass …«

»Ja, und einmal reicht vollkommen aus.« Salim seufzte. »Ich zweifle nicht an deinen Worten, Bilal, aber ich kann auch nicht verleugnen, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Du hast an meiner Seite für meinen Vater und für Allah gekämpft, und aufgrund dessen fälle ich mein Urteil, wenn du mich schon unbedingt zu deinem Richter machen willst.«

»Ich habe Informationen weitergegeben, die dazu bestimmt waren, deinen Vater an seine Feinde zu verraten!«

»Stammten diese Informationen von dir?«, fragte Salim. »Oder hattest du sie von deinem so genannten Vetter?«

Bilal zuckte nur stumm die Achseln; eine Reaktion, die Salim richtig deutete.

»Also hast du nichts anderes getan, als die Worte eines Mannes zu einem anderen zu tragen. Das macht dich zu einer Schachbrettfigur, aber nicht zu einem Verräter.« Er musterte Bilal einen Moment lang nachdenklich. »Und das ist es, was ich nicht verstehe. Wenn du weder deinem Vater noch Numair Zuneigung entgegenbringst, warum lässt du dich dann von ihnen auf diese Weise benutzen? Wenn du böse Folgen für dich selbst befürchtest, wenn du dich von ihnen lossagst, könnte ich mit meinem Vater sprechen …«

»Nein«, erwiderte Bilal müde, »das ist es nicht, es hat mit mir überhaupt nichts zu tun. Die beiden wissen etwas Furchtbares über jemanden, der mir sehr nahe steht.«

»Und sie haben gedroht, dieses Geheimnis zu enthüllen, wenn du  nicht tust, was sie von dir verlangen - nicht sehr originell. Bist du sicher, dass sie dich nicht nur mit leeren Drohungen gefügig machen wollen?«

Bilal nickte kläglich. »Aber Salim, ich kann von dir nicht verlangen, dass du meinetwegen deinen eigenen Vater in Gefahr bringst. Du musst ihm sagen, was ich dir eben erzählt habe.«

Salim stützte den Kopf auf sein Knie. »Würde es dein Gewissen beruhigen, wenn ich dir sage, dass mein Vater Numair nie getraut hat und ahnt, dass de Ridefort ein doppeltes Spiel mit ihm treibt?«

Bilal seufzte. »Im Moment vielleicht. Aber das eigentliche Problem ist damit nicht gelöst.«

»Ach, Bilal.« Salim lächelte traurig. »Reichen dir die Probleme, die du schon hast, nicht aus? Musst du unbedingt immer neue aufwerfen?« Er schüttelte den Kopf. »Auch die Templer kämpfen aus der Überzeugung heraus, Gottes Willen zu erfüllen. Unter welchen Umständen du auch immer zu uns gestoßen sein magst … ich bin sicher, dass Allah dich hergeführt hat. Und nun bist du hier, und Numair und de Ridefort sind es nicht. Du bist nur dem Sultan allein Rechenschaft schuldig. Also reite mit mir nach Kerak und kämpfe für dein Volk. Wenn wir diese Schlacht überleben, werden wir uns Gedanken über die nächste machen. Und wenn wir die und alle weiteren überleben, haben wir uns das Recht verdient, unser Leben so zu leben, wie wir wollen, ohne uns vor irgendjemandem dafür verantworten zu müssen.«

Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen; Salims Augen lagen im Schatten verborgen, doch Bilal wusste, was er darin lesen würde: Güte, Weisheit und aufrichtige Liebe. »Salim«, flüsterte er. »Wie kann ich dir nur jemals …«

»Indem du diesen Satz nicht zu Ende führst«, unterbrach Salim, »weder jetzt noch sonst irgendwann. Ich will keine Dankbarkeit von dir, Bilal, ich will dich nur lieben, solange Allah uns gnädig ist.«

Bilal erwiderte nichts darauf, sondern streckte nur die Hand nach ihm aus, während die ersten Sterne am Himmel zu funkeln begannen.

 Viel später lag Bilal schlaflos auf seinem Lager und lauschte dem Heulen des Windes, das wie das Klagelied einer verdammten Seele klang. Der Frieden, der ihn während der letzten Stunden erfüllt hatte, war einer nervösen Unruhe gewichen, denn wenn der Wind einmal kurz nachgelassen hatte, hatte er ein Geräusch gehört, bei dem es sich eigentlich nur um ein Produkt seiner Fantasie handeln konnte: den pfeifenden Ruf eines Wüstenfalken. Es war ein Laut, der ihm Erinnerungen an die Zeit in dem Wadi bei Kerak zurückbrachte - auf diese Weise hatte sein Vater ihn stets zu ihren heimlichen Treffen befohlen. Endlich gab er es auf, die Pfiffe ignorieren zu wollen, und löste sich aus Salims Armen. Dieser murmelte etwas Unverständliches, seine Finger tasteten ins Leere, dann wurde er wieder vom Schlaf übermannt. Bilal stieß den Atem aus, den er unbewusst vor Anspannung angehalten hatte, zog die Decke über Salim, streifte eine Tunika über, griff nach der Lampe, die neben der Zeltklappe brannte, und trat in die Nacht hinaus.

Nach ein paar Schritten sah er ihn; er stand regungslos wie eine Statue da, während der Wind an seinem weißen Mantel zerrte. Eine Weile musterten sie sich wie einander feindlich gesonnene Hunde, die nicht sicher waren, ob sie angreifen oder sich unterwerfen sollten. Endlich wandte sich de Ridefort ab und schritt zu einem Felsvorsprung hinüber, unter dem sein Pferd in einer niedrigen windgeschützten Höhle wartete. Bilal folgte ihm in sicherem Abstand.

»Du bist gewachsen«, stellte de Ridefort endlich sachlich fest.

»Ich bin gewachsen?«, wiederholte Bilal ungläubig. »Seid Ihr hierhergekommen, um mir das zu sagen? Wisst Ihr, dass Ihr Euch im  Lager des Sultans befindet? Seine Wachposten schlafen nie, und wenn sie Euch entdeckt hätten …«

»Was dann, Bilal? Hast du vergessen, dass ich ein Verbündeter des Sultans bin? Oder weißt du vielleicht etwas, was ich nicht weiß?«

In jedem Wort des Großmeisters schwangen Ironie und eine unmissverständliche Herausforderung mit. Bilal setzte zu einer Antwort an, dann schloss er den Mund wieder und schüttelte den Kopf. Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen. Wieder studierte de Ridefort das Gesicht seines Sohnes, und Bilal beschlich das beunruhigende Gefühl, dass er darin nach etwas ganz Bestimmtem forschte.

Abrupt fragte der Ritter: »Warum schläfst du im Zelt des Prinzen?«

»Woher wisst Ihr davon?«, gab Bilal zurück und wünschte sofort, er hätte den Mund gehalten. Aber er konnte die Worte nicht zurücknehmen.

Ein verächtliches Lächeln spielte um de Rideforts Lippen. »Ich weiß ›davon‹, weil ich deine Truppe viele Tage lang von meinen Männern verfolgen ließ … und ich muss sagen, dass mir das, was man mir über dein Verhalten zugetragen hat, ganz und gar nicht gefällt - von deiner Beziehung zu dem Sohn des Sultans ganz zu schweigen.«

»Warum fragt Ihr denn, wenn Ihr ohnehin schon alles wisst?«

»Weil ich die Antwort von dir selbst hören wollte.«

»Und was entnehmt Ihr aus meiner Antwort?«, fragte Bilal mit einem trotzigen Mut, von dem er bis zu diesem Moment nie gedacht hätte, ihn aufbringen zu können.

»Dass du dich auf gefährlichem Eis bewegst. Was bedeutet dir dieser Salim?«

Bilals erster Impuls bestand darin, ihm entgegenzuschleudern, das ginge ihn nichts an, aber irgendwie kam ihm eine solche Antwort wie ein Verrat an Salim vor; so, als schäme er, Bilal, sich für die Wahrheit. Also griff er zu Salims eigenen Worten. »Er ist das Herz meines Herzens.«

Der Ausdruck auf de Rideforts Gesicht hätte ausgereicht, um einen kampferprobten Soldaten erbleichen zu lassen, doch Bilal zuckte mit keiner Wimper. »Dreckiger kleiner Ungläubiger«, murmelte de Ridefort endlich, was seinem Sohn ein Lächeln entlockte.

»Wenn du so denkst, abatah, dann entlass mich aus deinen Diensten, und wir können fortan so tun, als wären wir uns nie begegnet.«

De Ridefort lachte humorlos auf. »Damit du ungehindert beim Sultan gegen mich intrigieren kannst? Da müsste ich wirklich ein Narr sein, und ein Narr hätte es nie so weit gebracht wie ich.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Bilal, ich werde das Band zwischen uns nicht zerschneiden. ›Bleib in der Nähe deiner Freunde, und bleib vor allem in der Nähe deiner Feinde‹ - lautet so nicht ein arabisches Sprichwort? Aber du bist hier zu einem Unsicherheitsfaktor geworden. So kann es nicht weitergehen. Ich gedenke zwar nicht, dich noch einmal aus den Augen zu lassen, aber ich weiß noch nicht genau, was ich mit dir anfangen soll. Vielleicht würde dir einige Zeit in einem heiligen Orden - einem christlichen Orden - guttun. Sobald du eingesehen hast, dass du falsche Wege beschritten hast, könntest du mir vielleicht wieder von Nutzen sein.«

De Ridefort rechnete ganz offensichtlich mit Zorn und heftigem Widerspruch, doch Bilal nickte nur ruhig, ohne den Blick vom Gesicht seines Vaters zu wenden. »Vielleicht habt Ihr Recht. Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, dass ich für meine vielen Sünden büße.« Wie erhofft brachte diese Antwort de Ridefort völlig aus der Fassung, und während der Ritter ihn anstarrte und zu ergründen versuchte, welche List sich hinter diesen Worten verbarg, schoss Bilals Hand vor und riss ihm das Schwert aus dem Gürtel.

De Ridefort lief vor Wut hochrot an, wusste aber als erfahrener Soldat, wann er geschlagen war. Er blickte seinen Sohn, der ihm jetzt  die Spitze der Klinge an die Kehle setzte, hasserfüllt an. »Wie es aussieht, hast du mehr von mir gelernt, als ich dachte«, schnaubte er.

»Nein, abatah«, gab Bilal kalt zurück. »Was ich gelernt habe, hat Salim mich gelehrt.«

De Ridefort knirschte vernehmlich mit den Zähnen, dann grollte er: »Nun gut, ich bin momentan in deiner Gewalt. Was willst du von mir?«

»Ich will, dass Ihr mich in Ruhe lasst«, erwiderte Bilal, »und im Gegenzug dafür bin ich bereit, Euch das Leben zu schenken. Allerdings«, fügte er hinzu, als de Ridefort Einwände erheben wollte, »weiß ich nur zu gut, dass Euer Wort allein wenig wert ist. Deshalb merkt Euch eins gut: Ich bin ein ergebener Diener des Sultans, und er weiß das. Solltet Ihr mich je wieder bedrängen, werde ich zu ihm gehen und ihm sagen, dass Ihr ein Verräter seid.«

»Er würde mir mehr Glauben schenken als dir«, höhnte de Ridefort.

»Ich habe loyal für ihn gekämpft«, entgegnete Bilal. »Man könnte sogar sagen, ich habe ihm zu dem Sieg in Amman verholfen. Was hat er denn außer leeren Versprechungen je von Euch bekommen?«

De Ridefort durchbohrte ihn mit einem langen, eisigen Blick. »Also gut. Aber wenn du versuchen solltest, meinen guten Namen durch irgendwelche wüsten Behauptungen in den Schmutz zu ziehen …«

Bilal lächelte bitter. »Glaubt mir, de Ridefort, nichts wäre mir mehr zuwider, als wenn bekannt würde, dass ich Euer Sohn bin.« Er ließ das Schwert sinken. Augenblicklich griff de Ridefort danach, doch Bilal lachte nur spöttisch auf. »Nicht doch. Wie Ihr selbst sagtet, Messire …  ich habe auch von Euch einiges gelernt.«

Mit einem letzten giftigen Blick auf seinen Sohn stieg de Ridefort auf sein Pferd und stieß ihm die Fersen in die Flanken. Als Bilal sicher war, dass er nicht zurückkommen würde, lehnte er sich zitternd gegen die Felswand. Er wusste, dass er sich jetzt einen mächtigen  Feind geschaffen hatte, doch im Moment konnte er nur an seinen Sieg denken. Obgleich er seit sechzehn Jahren auf der Erde weilte, hatte er bis zu diesem Moment nicht begriffen, dass er allein der Herr seines Schicksals war.

 

Wuestentochter
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