6

Eine fahle Sonne ging über Wadi Tawil auf und brachte Wind mit sich; einen heißen, sandigen Schirokko aus der Sahara. Er rüttelte an den Zelten und kündigte eine Trockenzeit an. Zu den körperlichen Verletzungen, die ich erlitten habe, kommen nun auch noch Beleidigungen, dachte Bilal, während er zum Weideland hinüberblickte, wo die zarten jungen Grashalme bereits zu verdorren begannen. Er kam sich vor, als sei er einer von ihnen. In seinem Kopf hämmerte es, und er vermochte seine Augen immer noch nicht auf einen bestimmten Punkt zu richten, obgleich er nicht sagen konnte, ob dies ein Effekt der Droge oder der Faust seines Angreifers war. Nun, das zählte jetzt auch nicht mehr.

»Gut, Bilal«, seufzte Abd al-Aziz. »Erzähl uns das Ganze noch einmal.«

Bilal betrachtete die im majlis versammelte ernste Gruppe, die sich stark von der ausgelassenen Horde der vergangenen Nacht unterschied: Abd al-Aziz’ Gesicht wirkte grau und verhärmt; das seines Bruders verkniffen; hinter Numairs steinerner Miene verbarg sich verletzter Stolz; die Augen seiner Mutter Zeyneb blickten über dem Halbschleier seltsam heiter. In der Mitte lag wie eine stumme Drohung der blutbefleckte Brief.

»Ich habe alles gesagt, was ich weiß«, erwiderte der Junge.

»Du hast lediglich Mutmaßungen angestellt«, berichtigte ihn der Scheich milde. »Ich versuche, die Fakten zusammenzutragen.«

»Die Fakten!«, fuhr Bilal auf, dessen mühsam unterdrückter Zorn wieder aufflammte. »Fakt ist, dass Khalidah mit diesem Halunken davongelaufen ist!«

»Bilal!«, mahnte seine Mutter scharf.

Bilal schloss einen Moment lang die Augen, dabei wünschte er,  die Bilder der vergangenen Nacht ebenso einfach ausblenden zu können. Was auch immer der Brief mit dem Templersiegel zu bedeuten haben mochte, er änderte nichts an der Tatsache, dass Khalidah Familie und Ehre im Stich gelassen hatte, um mit einem Mann durchzubrennen, der nichts als ein besserer Diener war. Nicht besser als du selbst, flüsterte ihm eine innere Stimme zu. Er hatte versucht, sich einzureden, dass das nichts änderte - dass Khalidah nie die Seine geworden wäre; dass er immer gewusst hatte, dass sie ihn nicht liebte. Aber das linderte den Schmerz nicht. Doch wenn sie geblieben und die Frau eines anderen geworden wäre, wäre dieser Mann nicht ihre eigene Wahl gewesen, und ihm wäre nichts genommen worden. Aber ihre Flucht ließ ihm noch nicht einmal den Trost seiner hoffnungslosen Liebe zu ihr.

Also stimmte Bilal Abd al-Aziz zu: Es waren die Fakten, die zählten, und die Fakten waren seiner Meinung nach nicht zu leugnen. Er holte tief Atem und sagte: »Ich habe geschlafen, war betäubt wie der Rest von euch, aber nicht so stark. Ich habe nur ein Glas Wein getrunken, mehr hat meine Mutter mir nicht erlaubt.«

»Eine weise Frau«, murmelte Abd al-Hadi. Die anderen schwiegen wohlweislich. Schließlich hatte auch Zeyneb die ganzen Ereignisse verschlafen.

»Irgendetwas weckte mich«, fuhr Bilal fort. »Eine Frau schrie. Als ich nachsah, was los war, sah ich Khalidah mit Abd al-Hadis Gefolgsmann sprechen - dem Toten. Sie sagte, dass sie ihren Vetter niemals heiraten würde.« Sein Blick wanderte verständnisheischend zu Numair, der keine Miene verzog. »Der Mann bemerkte mich und schlug mich nieder. Als ich das Bewusstsein wiedererlangte, sah ich gerade noch Khalidah mit diesem … diesem Spielmann wegreiten. Ich folgte ihnen bis zum Rand des Lagers, aber dann galoppierten sie los … was hätte ich denn tun sollen?«

Einen Moment herrschte angespannte Stille, dann ergriff Numair  das Wort. Seine Stimme klang so ernst wie die seines Onkels, aber es schwang keinerlei Mitgefühl darin mit. »Du hättest irgendjemanden wecken können, der sie vielleicht noch hätte einholen können.«

Bilal sah aus, als habe er ihm einen Schlag versetzt. »Ich habe es versucht, Sayyid. Aber niemand wurde wach.«

Abd al-Aziz strich nachdenklich über seinen Bart. »Und der Brief? Du hast keine Ahnung, wo er herkam?«

Bilal schüttelte den Kopf. »Ich habe erst am Morgen, als er gefunden wurde, davon erfahren.«

»Ah, was würde ich für einen Mann im Lager geben, der lesen kann«, entfuhr es dem Scheich mit einem bitteren Unterton.

»Das würde uns nicht weiterhelfen, denn er müsste zugleich die Schrift der Franken lesen können«, warf Zeyneb trocken ein. »Aber wozu? Das Siegel verrät uns alles, was wir wissen müssen.« Ein viel sagender Blick traf Abd al-Hadi. Auch Abd al-Aziz sah seinen Bruder an.

»Du kannst nicht mir die Schuld daran geben, dass einer meiner Männer zu den Franken übergelaufen ist«, ereiferte sich dieser.

Abd al-Aziz musterte ihn nachdenklich, sagte aber schließlich nur: »Was wir herausfinden müssen, ist, ob die Templer etwas mit dem Verschwinden meiner Tochter zu tun haben oder ob sie gegangen ist, weil …«

Hier verlor der Scheich erstmals die Fassung. Obgleich die Frage an Bilal gerichtet gewesen war, sah er dabei Zeyneb an, die seinem Blick unverwandt standhielt. In ihrem Schweigen lag ein stummer Vorwurf.

»Deshalb«, fuhr Abd al-Aziz endlich fort, »frage ich dich jetzt, Bilal, obwohl ich normalerweise niemals jemanden auffordern würde, Vertrauen zu missbrauchen, ob Khalidah irgendetwas zu dir gesagt hat, was darauf schließen lässt, warum sie weggelaufen ist. Vielleicht irgendetwas über die Tempelritter?«

Bei der letzten Frage konnte der Scheich die Hoffnung in seiner Stimme nicht unterdrücken, was Bilal verwirrte. Er antwortete knapp: »Das Einzige, was sie zu mir gesagt hat, war, dass sie ihren Vetter nicht heiraten wollte.«

Abd al-Aziz betrachtete ihn lange eindringlich. Dann sagte er: »Danke, Bilal. Deine Treue wird belohnt werden. Du kannst gehen.«

»Aber …«, begann Bilal.

»Hast du uns noch mehr zu sagen?«

Bilal schüttelte den Kopf und zog sich zurück, wobei er dem Blick seiner Mutter auswich.

Draußen umkreiste er das Zelt, duckte sich an der Küche mit den scharfäugigen Mägden vorbei und schlüpfte von hinten in den Stall. Als er das Ohr an den Wandbehang legte, hörte er die ärgerliche Stimme seiner Mutter: „… weiß auch nicht mehr als du!«

»Verzeih, Zeyneb, aber es fällt mir schwer, das zu glauben«, erwiderte Abd al-Aziz.

Zeyneb schnaubte. »Genau deshalb sitzt du jetzt hier und überlegst, was du tun sollst.«

»Bitte?«

»Du weigerst dich, das zu akzeptieren, was du weißt.«

»Was gibt es da zu akzeptieren?«, mischte sich Abd al-Hadi ein. »Wenn du mich fragst, haben die beiden Ereignisse nichts miteinander zu tun. Mein Gefolgsmann hat mich hintergangen, und meine Nichte ist mit meinem Taugenichts von Spielmann durchgegangen. Der erste Fall ist abgeschlossen, der Mann ist tot. Was das Letztere betrifft, liegen die Absichten deiner Tochter auf der Hand, vor allem angesichts der Szene gestern Abend. Kein Vater sollte eine solche Verletzung der Ehre hinnehmen.«

»Wenn ich mich recht erinnere, hatte Khalidah eine Erklärung für diese ›Szene‹«, meinte Zeyneb.

»Was?«, höhnte Abd al-Hadi. »Diese lächerliche Geschichte von ihrer Mutter?«

Schweigen breitete sich aus, das endlich von Abd al-Aziz gebrochen wurde. »Ich würde gern glauben, dass sich Khalidah auf die Suche nach ihrer Mutter begeben hat«, sagte er müde. »Ich würde sogar lieber glauben, dass Brins Arnat und die Templer sie entführt haben als das, was offensichtlich der Fall ist. Aber ich denke, weder Arnat noch die Templer haben großes Interesse an der Tochter eines Beduinen, und eine plötzliche Sehnsucht nach Brekhna erklärt weder den mit Drogen versetzten Wein noch den Toten noch die gestohlenen Pferde und schon gar nicht die Verwicklung des Mannes mit der qanun in alles drei.« Am Ende hatte Abd al-Aziz die Stimme gehoben, weil er seinen Zorn nicht länger unterdrücken konnte. »Vor allem nicht, weil meine Frau schon lange tot ist.«

»Tot für dich«, bemerkte Zeyneb eisig, und Bilal auf der anderen Seite des Wandbehangs folgte ihren Worten plötzlich mit wachsendem Interesse.

»Was soll das heißen?«, fragte Abd al-Aziz misstrauisch.

»Sag es ihnen, Sayyid«, erwiderte Zeyneb in einem Ton, von dem Bilal nie gedacht hätte, dass seine Mutter ihn dem Scheich gegenüber anschlagen - und der Scheich ihn dulden würde. »Sag ihnen, dass du deine Tochter - sie alle - bezüglich des Schicksals ihrer Mutter belogen hast.«

»Hast du es ihr etwa erzählt?«, gab Abd al-Aziz zornig zurück. »Ich habe ihr nur das erzählt, was sie sich bereits selbst zusammengereimt hat - dass ihre Mutter noch am Leben ist.«

»Und wie kommt sie darauf, Zeyneb?« Abd al-Aziz’ Ton war kalt und spöttisch und glich mit einem Mal dem von Numair. »Was für Andeutungen hast du aus Hass auf mich fallen gelassen?«

»Aus Hass auf dich?«, fuhr Zeyneb wütend auf. »Ach, Sayyid, ich hätte dich nie für einen solchen Narren gehalten. Siehst du denn  nicht, dass du selbst die Schuld an allem trägst? Du magst Brekhna aus deinem eigenen Herzen verbannt haben, aber die Lebenden lassen sich nicht begraben. Khalidah kann nichts dagegen tun, zur Hälfte Teil ihrer Mutter zu sein, auch wenn sie es aus Liebe zu dir versucht hat. Kein Wunder, dass dir die Ergebnisse missfallen. Glaubst du wirklich, Brekhnas Tochter hätte sich in eine Vernunftehe gefügt? Sie hat versucht, es dir zu sagen - selbst letzte Nacht noch -, aber der Einzige, der ihr zuhörte, war der Spielmann. Also folge ihr, wenn du willst, aber unterschätze sie nicht.«

Bilal war so verblüfft, wie es die Männer auf der anderen Seite auch sein mussten. Die Worte seiner Mutter hallten durch das Zelt. Wieder war es Abd al-Aziz, der das Schweigen brach. Die Wut war aus seiner Stimme verschwunden, jetzt klang sie kalt und sardonisch.

»Du hast dich bisher kaum zu der ganzen Angelegenheit geäußert, Numair. Schließlich war sie deine Verlobte. Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«

»Lasst sie gehen«, erwiderte Numair ohne Zögern und ohne jegliche Gefühlsregung. »Sie ist den Schweiß unserer Pferde nicht mehr wert.«

»Und wenn der Brief doch kein Zufall ist? Wenn die Templer etwas damit zu tun haben?« Bilal konnte seiner Stimme nicht anhören, ob Abd al-Aziz selbst daran glaubte.

Numair zuckte die Achseln. »Wenn du willst, reite ich nach Oultrejourdain und versuche sie zu finden.«

»Du klingst nicht gerade übermäßig eifrig.«

»Weil ich nicht glaube, dass ich Erfolg haben werde«, entgegnete Numair.

»Nun gut«, erwiderte der Scheich. »Ich für meinen Teil gebe meine Tochter nicht so schnell auf. Deshalb werde ich dein Angebot annehmen und meine eigenen Männer gen Osten schicken.«

Numair lächelte schief. »Spar dir die Mühe, ammah. Dorthin sind bereits meine Leute unterwegs.«

»Du bist sehr von ihrer Schuld überzeugt«, meinte Abd al-Aziz kühl.

Es entstand eine Pause, während der Bilal alles dafür gegeben hätte, den Ausdruck auf den Gesichtern der drei Männer zu sehen. Dann erwiderte Numair mit leiser Ironie: »Dort, wo dein Arm nicht hinreicht, lässt Allah Gerechtigkeit walten. Und wenn du mich jetzt entschuldigst … ich werde zwei deiner Pferde als Ersatz für die auswählen, die deine Tochter gestohlen hat - nein, drei, denn ich habe noch nie ein Pferd gesehen, das sich mit Zahirah messen könnte. Und dann mache ich mich auf den Weg nach Oultrejourdain … wenn das wirklich dein Wunsch ist.«

Doch auf seine angedeutete Frage erhielt er nie eine Antwort, denn plötzlich erklang Hufgetrommel. Ein Bote galoppierte auf das Zelt des Scheichs zu.

»Verzeih, dass ich dich störe, Sidi«, keuchte eine Männerstimme, die Bilal nach einem Moment als die von Abdullah erkannte, einem von Abd al-Aziz’ Gefolgsleuten. »Ich dachte, du würdest es sofort erfahren wollen - der Sultan hat den Franken den Krieg erklärt!«

Aus dem Nebenraum erklangen überraschte Ausrufe, dann durchschnitt die Stimme des Scheichs den Tumult wie eine Schwertklinge. »Bitte setz dich, und erzähle uns alles, was du weißt. Heda, Mädchen - bring dem Mann etwas zu Trinken.«

Wieder trat eine Pause ein, ein leises Schlurfen war zu hören, dann sprach der Bote weiter. Er war noch immer völlig außer Atem. »Ich habe es gerade von einem der offiziellen Boten gehört. Du weißt ja sicherlich, dass der Sultan König Guy ersucht hat, sich für die Freilassung der Karawane einzusetzen, die Arnat gefangen hält. Nun, als der König Arnat darum gebeten hat, weigerte sich dieser, die Gefangenen freizugeben. Und als diese ihn an den Waffenstillstand erinnerten und verlangten, sie aufgrund der ausgehandelten Bedingungen unverzüglich gehen zu lassen, lachte Arnat sie  nur aus und sagte: ›Soll doch euer Mohammed kommen und euch retten.‹«<

Einen Moment herrschte Stille, während die Worte in das Bewusstsein der Männer einsickerten. Die Dienstmagd kehrte mit einem Becher Wasser für den Boten zurück, den dieser gierig leerte. Endlich fuhr er fort: »Es heißt, der Sultan hätte geschworen, die Ungläubigen eigenhändig zu töten, als er von Arnats Antwort erfuhr. Er zieht bereits in Damaskus seine Armee zusammen.«

»Also ist die Zeit gekommen«, entfuhr es Abd al-Aziz.

»In der Tat«, murmelte Abd al-Hadi.

»Werden wir uns der Armee anschließen, Sidi?«, fragte Abdullah mit unverhohlener Begeisterung.

Es entstand eine kurze Pause, dann antwortete der Scheich: »Lass die Männer dieses Stammes wissen, dass jeder, der in die Armee des Sultans eintreten möchte, dies tun kann.«

»Du kannst nicht für die Stämme sprechen!« Abd al-Hadi schnappte vernehmlich nach Luft.

»Unser Abkommen, akhah, besagt«, gab Abd al-Aziz kühl zurück, »dass die beiden Zweige der Hassani autonom bleiben, bis unsere Kinder heiraten. Aufgrund deiner Reaktion auf diesen Erlass kann ich es nur als glückliche Fügung ansehen, dass meine Tochter verschwunden ist.«

»Das ist eine Unverschämtheit …«,begann Abd al-Hadi, doch Numair schnitt ihm das Wort ab. Seine Stimme klang glatt und unberührt.

»Nein, abatah. Wir können später in aller Ruhe darüber reden. Es besteht kein Grund für uns, noch länger hierzubleiben.«

Als die Männer sich steif verabschiedeten, setzte sich Bilal mit dem Rücken gegen den Zeltpfosten gelehnt auf den Boden, um über das nachzudenken, was er soeben gehört hatte. Er hatte gerade begonnen, sich ein wenig zu entspannen, als die ghata des Stalles geöffnet wurde. Ein Lichtstrahl durchschnitt das Dunkel. Numair stand darin  und bedeutete Bilal, zu ihm zu kommen. Der Junge gehorchte widerwillig,

»Ich nehme an, du hast die ganze Zeit gelauscht?«

Bilal nickte und wartete auf einen scharfen Tadel, doch stattdessen bedachte Numair ihn mit einem schwachen, veschlagenen Lächeln.

»Gut. Dann brauche ich nicht alles noch einmal zu wiederholen.« Er hielt inne, dann fragte er unverhofft: »Liebst du deine Mutter?«

Bilal war von dieser Frage so überrascht, dass er zunächst glaubte, er müsse sie sich eingebildet haben. Doch Numair sah ihn erwartungsvoll an, also sagte er endlich: »Natürlich tue ich das.«

»Höre ich da ein ›Aber‹ heraus?«

Bilal seufzte. »Es gibt nicht viel, worüber wir einer Meinung sind. Das war schon immer so.«

Numair nickte, als habe er mit dieser Antwort gerechnet. »Und was ist mit deinem Vater?«

»Ich habe meinen Vater nie gekannt.« Bilal vermied es, Numair in die Augen zu sehen. »Er starb vor meiner Geburt.«

»Was, wenn ich dir sage, dass er das nicht tat - dass deine Mutter dich all diese Jahre belogen hat, so wie Khalidahs Vater sie über den Tod ihrer Mutter belogen hat?« Bilal konnte ihn nur stumm anstarren. Numair lächelte. »Es ist wahr, Bilal. Dein Vater lebt und befindet sich bei bester Gesundheit. Er ist nur einen Tagesritt von uns entfernt. Möchtest du ihn kennen lernen?«

Bilal fand endlich die Sprache wieder. »Selbst wenn das wahr wäre …«, begann er.

»Zweifelst du an meinen Worten?«

»Nein, Sayyid, natürlich nicht … es ist nur alles so seltsam. Wer ist denn mein Vater? Und wieso befindet er sich ganz in meiner Nähe, und ich kenne ihn trotzdem nicht?«

Numairs Brauen schossen überrascht in die Höhe. »Heißt das, dass deine Mutter dir sogar seinen Namen vorenthalten hat?«

»Sag es mir, Sayyid«, bat Bilal.

Numair musterte ihn lange. »Nein. Es ist viel zu gefährlich, hier von ihm zu sprechen. Nur so viel … er ist ein Mann von hohem Rang und könnte viel für dich tun. Wenn du in einer halben Stunde bereit sein kannst, bringe ich dich zu ihm. Pack das Notwendigste ein, und triff mich am Rand des Lagers. Ich werde ein Pferd für dich besorgen. Sag niemandem, was du vorhast.«

Bilal schwankte unschlüssig. »Aber meine Mutter …«

Mit einem Mal schlug Numairs ruhige Gelassenheit in eine fast bedrohlich wirkende Intensität um. Er trat noch näher auf Bilal zu und fasste ihn bei den Schultern. »Für gewöhnlich unterbreite ich ein Angebot nur einmal, aber weil du so jung bist und weil ich verstehe, dass diese Neuigkeit ein Schock für dich ist, sage ich es dir noch einmal klar und unmissverständlich. Ich breche in einer halben Stunde auf, um deinen Vater zu treffen. Du kannst mich begleiten und die Gelegenheit nutzen, vielleicht ein bedeutender Mann zu werden, oder du kannst bleiben und hier verrotten. Eine andere Wahl hast du nicht.«

Tief in seinem Inneren wusste Bilal, dass dies nicht zutraf; dass sich einem Menschen immer mehrere Möglichkeiten boten und dass Numairs Angebot sicherlich einen Haken hatte. Aber in einem Punkt hatte Khalidahs Vetter Recht: In Wadi Tawil zu bleiben würde ihn zu einem Leben in Vergessenheit verdammen. Nach einem Moment nickte er, und Numair lächelte.

»Gut. Du wirst es nicht bereuen.«

 

Wuestentochter
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