16

Als sie am nächsten Morgen aufstanden, stellte Khalidah fest, dass der Staub rings um die Grasfläche, auf der sie geschlafen hatten, von Spuren übersät waren. Sie inspizierte sie im fahlen Morgenlicht genauer und stieß auf einen unversehrten, perfekten Abdruck einer Hundepfote, die fast so groß wie ihre gespreizte Hand war.

»Wölfe.« Sulayman beugte sich ebenfalls über die Spuren. »Ein ganzes Rudel, wie es aussieht.«

Khalidah erschauerte. »Warum haben sie uns nicht angegriffen?«

»Vermutlich hatten sie keinen Hunger … oder keinen Appetit auf Araberfleisch.«

Khalidah bestrafte ihn für die letzte Bemerkung mit einem vernichtenden Blick.

»Alipsha würde sagen, es ist ein Omen.« Abi Gul hatte sich zu ihnen gesellt. »Der Tod hat euch bemerkt, dieses Mal aber noch verschont.  Trotzdem würde ich an eurer Stelle heute Nacht beim Feuer bleiben.« Sie musterte die beiden ernst, dann grinste sie. »Keine Sorge - niemand wird euch beachten. Na ja, zumindest wird es sich niemand anmerken lassen, falls er es doch tut.«

Khalidah errötete bis zu den Haarwurzeln, und selbst Sulayman wirkte leicht verlegen.

 Ein paar Tage später erreichten sie Zabol. Während die Armee in den Hügeln vor der Stadt lagerte, begleiteten Khalidah und Sulayman Arzou zum Haus seiner Tochter. Seit dem Morgen, an dem sie es verlassen hatten, schien die Zeit stillgestanden zu sein: Dieselben Blätter raschelten über der Gartenmauer, derselbe Duft nach Kräutern und Früchten wehte zu ihnen herüber. Doch etwas war anders. Nach einem Moment fand Khalidah es dank ihres muskalisch geschulten Ohres heraus: Das Plätschern von Wasser fehlte. Sulayman klopfte an das Tor, doch diesmal dauerte es lange, bis Daoud öffnete, und diesmal trat bei ihrem Anblick kein freudiges Strahlen auf sein Gesicht. Er stand einfach nur da und starrte sie an.

In der Annahme, die Gegenwart des fremden Mannes würde ihn erschrecken, ergriff Khalidah rasch das Wort. »Daoud, du brauchst keine Angst zu haben. Dies ist dein Großvater Arzou al-Dschinn. Er ist gekommen, um deine Mutter zu besuchen.«

»Er darf sie nicht sehen«, erwiderte der Junge leise. »Niemand darf zu ihr. Es tut mir leid, ich kann euch nicht einlassen.« Er versuchte das Tor zuzuschieben, doch Sulayman stemmte sich dagegen.

»Was ist passiert, Daoud?«

Das Kind sah ihn einen Moment lang an, dann brach es in Tränen aus. Sulayman bückte sich und nahm es in die Arme, dabei warf er Khalidah über seinen Kopf hinweg einen auffordernden Blick zu. Sie nickte und schlüpfte mit Arzou durch das Tor in den Garten hinein. Und hier sah sie, dass die Illusion von Zeitlosigkeit wirklich nur eine  Illusion gewesen war. Der Garten lag im Sterben. Wie sie befürchtet hatte stand der Springbrunnen still, und somit führten die Bewässerungskanäle kein Wasser mehr. Die Blätter der Aprikosenbäume waren gelb verwelkt, die unreifen Früchte zu Boden gefallen, wo sie verrotteten. Sogar die Palmen verfärbten sich braun, und die kleineren, empfindlicheren Pflanzen waren längst eingegangen.

»Früher hat es hier ganz anders ausgesehen«, erklärte Khalidah Arzou. »Sandara liebte diesen Garten … als ich ihn zuletzt sah, war er eine grüne Oase. Irgendetwas muss hier geschehen sein.«

Arzou nickte. Er blickte sich traurig um, als sie auf die Vordertür des Hauses zugingen. Dort saßen die Zwillinge Madiha und Maliya auf den Stufen und knackten Bohnenschoten. Als sie Khalidah sahen, rannten sie auf sie zu und begannen ebenfalls zu schluchzen.

»Wo ist eure Mutter?«, fragte Khalidah sanft.

Ein Mädchen deutete auf den Schatten hinter der Türschwelle, doch ihre Schwester schüttelte den Kopf. »Nein. Sie will nicht, dass jemand sie sieht.«

»Warum denn nicht?«, hakte Khalidah nach.

»Wegen der Krankheit. Sie sagt, jeder, der in ihre Nähe kommt, kann sich anstecken. Wir dürfen nicht zu ihr. Niemand darf zu ihr gehen!«

Khalidah und Arzou wechselten einen Blick. »Und was für eine Krankheit hat sie?«, fragte sie das Kind.

»Eine fleckige.«

Arzou machte Anstalten, ins Haus zu gehen, doch Khalidah hielt ihn zurück. »Warte. Wenn es das ist, was du befürchtest, lässt du besser mich nach ihr sehen.«

»Warum? Du bist jung, und ich bin ein alter Mann …«

»Und ich bin gegen die Pocken immun«, schloss Khalidah. »Die Geschichte ist zu lang, um hier und jetzt erzählt zu werden - du musst mir einfach vertrauen. Bitte, Arzou. Bleib du hier, pass auf  deine Enkel auf und verhindere um jeden Preis, dass Sulayman mir folgt.«

Ohne auf seine Antwort zu warten trat sie in das Haus, eilte die schattigen, mit fein gewobenen Wandbehängen, gläsernen Laternen und anderen Zeichen des Reichtums der Familie geschmückten Gänge entlang und rief Sandaras Namen, ohne eine Antwort zu erhalten. Gerade als sie das Schlimmste zu fürchten begann - in einem Raum auf eine aufgeblähte, pockenübersäte Leiche zu stoßen -, hörte sie endlich eine schwache Stimme.

»Ich bin hier - aber komm nicht näher!«

Khalidah folgte der Frauenstimme eine Treppe hinauf und in eine kleine Kammer im hinteren Teil des Hauses. Dort lag Sandaras schwarz verhüllte Gestalt auf einem schmalen Bett in einer Ecke. Auf dem Boden neben ihr standen ein Krug und ein Becher. Sandara kehrte der Tür den Rücken zu.

»Du hättest nicht herkommen sollen«, sagte sie. »Jetzt bist auch du verloren.«

»Wieso das?«, fragte Khalidah.

Sandara setzte sich auf, schlug ihren Schleier zurück und wandte die verbrannte Seite ihres Gesichts zur Wand. Die andere Seite, deren Haut rein und makellos gewesen war, war jetzt mit flammend roten Pusteln bedeckt. Khalidah trat auf Sandara zu, woraufhin diese instinktiv zurückwich.

»Ich kann mich nicht anstecken«, beruhigte Khalidah sie. »Ich bin immun gegen diese Krankheit.« Sie berührte eine Pustel. Sandara zuckte zusammen. »Tut das weh?«

»Nein … nein, ich war nur erschrocken.«

»Hast du überhaupt Schmerzen?«

»Eigentlich nicht.« Sandara gestattete widerwillig, dass Khalidah ihr Gesicht abtastete. »Ein paar von ihnen jucken nur.«

Khalidah nickte und fuhr fort, Sandara zu untersuchen, dabei erklärte sie: »Mein Stamm begegnete einst einem reisenden Heiler, einem Mann aus Hindustan. Zu jener Zeit herrschte in unserer Gegend eine Pockenepidemie, und Balachandra - so lautete sein Name - sagte meinem Vater, er kenne eine Methode, Menschen gegen diese Krankheit zu immunisieren. Er hatte ein aus den abgetrockneten Pusteln anderer Opfer der Seuche hergestelltes Pulver bei sich. Wenn ein gesunder Mann eine Prise davon durch die Nase aufsaugen würde, erklärte er, würde er erkranken, aber nur leicht, und hinterher immun gegen die Pocken sein, so wie alle, die die Krankheit überlebt hätten.«

»Erzähl mir nicht, dass dein Vater diesem Scharlatan erlaubt hat, seine Hexenkünste an dir zu erproben!«

Khalidah schob lächelnd einen Ärmel von Sandaras Gewand hoch, um ihren Arm zu betrachten. Dort sah sie keine Geschwüre; sie schienen sich auf Gesicht und Brust zu beschränken. »Doch, das hat er, aber erst, nachdem er das Mittel an ein paar Gefangenen ausprobiert hat. Wie Balachandra es versprochen hatte, erkrankten die Männer kurz darauf, aber nicht schwer, und danach konnten sie sich nicht noch einmal infizieren, auch nicht, als sie tagelang mit einem Mann mit nässenden Pusteln in einen Raum gesperrt wurden. Danach ließ mein Vater sich selbst behandeln, dann mich und Bilal und Zeyneb …« Sie brach ab, da ihr klar wurde, dass diese Namen Sandara nichts sagten. »Wann ist die Krankheit bei dir ausgebrochen?«

»Ein paar Tage nach deiner und Sulaymans Abreise.«

»Tauchten die Pusteln zuerst im Gesicht oder anderswo auf?«

»Nur dort, wo du sie jetzt siehst.«

»Dann brauchst du keine Angst zu haben«, versicherte Khalidah ihr. »Bei den Pocken bilden sich die Pusteln zuerst auf den Armen. Würdest du an dieser Krankheit leiden, dann wäre jetzt dein ganzer Körper befallen, und du wärst zu schwach, um noch mit mir reden zu können. Und deine Kinder hätten sich mit Sicherheit auch angesteckt.«

»Wenn es nicht die Pocken sind, was dann?«

»Das kann ich dir nicht sagen, ich bin keine Heilerin. Haben sich sonst noch irgendwelche Krankheitssymptome gezeigt?«

Sandara ließ den Schleier seufzend wieder sinken. »Die Traurigkeit ergreift stärker von mir Besitz als früher. An manchen Tagen bringe ich nicht die Kraft auf, mein Bett zu verlassen. Und ich bin immer müde, egal wie lange ich schlafe. Seit sich die ersten Pusteln gebildet haben, habe ich noch dazu solche Angst um meine Kinder, dass ich sie nicht in meine Nähe lasse, aber allein kommen sie kaum zurecht.«

»Vielleicht leidest du an einer Krankheit der Seele, nicht an einer des Körpers, und an deinem Körper zeigen sich lediglich die Symptome«, meinte Khalidah nachdenklich.

Sandara lachte bitter auf. »Also hat mein ganzes Elend jetzt die Form von Pusteln angenommen, die alles wegfressen, was von mir noch übrig ist? Leider gibt es gegen Verbitterung kein Heilmittel.«

»Vielleicht doch.«

»Wie meinst du das?«

»Komm mit.« Khalidah reichte ihr eine Hand. Sandara ergriff sie zögernd und folgte ihr erst in den Gang hinaus und dann die Treppe hinunter. Sie fanden Sulayman und Arzou bei dem ausgetrockneten Springbrunnen, wo sie mit den Kindern spielten. Sowohl Arzou als auch Sandara erstarrten, als sie einander erblickten, dann gab Sandara langsam Khalidahs Hand frei, und Arzou erhob sich. Sie gingen aufeinander zu, und endlich fielen sie sich weinend in die Arme.

 Sandara hätte es gern gesehen, wenn sie über Nacht geblieben wären, aber Sulayman und Khalidah lehnten die Einladung mit der Begründung ab, die Armee müsse so schnell wie möglich weiterziehen.

»Nun gut.« Sandara sah Arzou an. »Ich hatte gehofft, mehr Zeit mit dir verbringen zu können, aber wenn das nicht möglich ist … so sei es. Abatah, ich vertraue dir und meiner Mutter meine Kinder an.  Nimm sie mit dir zurück nach Qaf und erziehe sie als Dschinn … so, wie sie von Anfang an hätten erzogen werden sollen.«

Die Zwillinge waren zu klein, um den wehmütigen Unterton aus diesen Worten herauszuhören, aber Daoud entging er nicht, und er klammerte sich instinktiv an seine Mutter, als diese sich an Khalidah wandte. »Bibi Khalidah, ich biete dir untertänigst meine Dienste an. Wenn du erlaubst, schließe ich mich deiner Armee an und kämpfe im Westen für Mobarak Khan.«

»Sandara, tu das nicht!«, protestierte ihr Vater. »Komm mit mir nach Qaf zurück. Du hast schon genug gelitten, deine Kinder brauchen dich, und deine Mutter sehnt sich so nach dir.«

»Meine Mutter sehnt sich nach der Tochter, an die sie sich erinnert.« Sandara umfasste sacht seine Hände. »Aber dieses Mädchen bin ich nicht mehr und werde es auch nie wieder sein. Besser, du bringst ihr drei wohlgeratene Kinder statt einer gebrochenen Frau. Ich mag zwar nicht die Pocken haben, abatah, aber mein Herz und meine Seele sind krank, und ich kann mein Leiden nur beenden, indem ich das vollende, was ich vor so langer Zeit begonnen habe. Ich werde in die Schlacht ziehen und als Dschinn nach Qaf zurückkehren, oder … nun, ich werde geheilt werden, so oder so.«

Die Kinder waren unruhig geworden, die beiden Mädchen begannen zu weinen. Sandara bückte sich und schloss alle drei in die Arme. »Nicht weinen, Kinder. Ihr werdet bald in einem Paradies leben. Ihr werdet mit anderen Kindern spielen können, eure Großeltern werden gut für euch sorgen, und wenn Allah uns gnädig ist, werden wir alle eines Tages wieder vereint sein. Jetzt geht und packt alles ein, was ihr mitnehmen wollt - aber nicht so viel, dass ein Pferd es nicht mehr tragen kann.«

Die Kinder gingen widerstrebend ins Haus, dabei drehten sie sich immer wieder ängstlich um, als fürchteten sie, ihre Mutter könne sich plötzlich in Luft auflösen. Sandara sah ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren, dann sagte sie: »Ich besitze nur wenig, was ich behalten möchte, aber ich habe noch einige Wertsachen, die ich den Kindern mitgeben möchte. Könnt ihr zwei Stunden auf mich warten?«

Khalidah stimmte zu und erklärte ihr, wo ihr Lager zu finden war. Dann ließen sie und Sulayman Arzou und seine Tochter allein, damit sie ungestört Abschied voneinander nehmen konnten.

 Danach kamen sie rasch vorwärts - schneller, als Khalidah es je für möglich gehalten hätte. Sie durchquerten das Land, durch das Sulayman und sie sich so mühsam hindurchgekämpft hatten, und benutzten dabei manchmal dieselben Pfade, aber öfter noch andere, Abkürzungen und verborgene Wege, von deren Existenz noch nicht einmal Sulayman etwas geahnt hatte. Die Dschinn mussten keine Karten zu Rate ziehen; die Wege wurden von den ältesten Mitgliedern der Armee ausgewählt, denen sie sich anscheinend in das Gedächtnis eingebrannt hatten.

Als sie Jassirah erreichten, wandten sie sich gen Norden, sodass sie die Marschen vollkommen umgingen. Ein paar Tage lang folgten sie dem großen Fluss Al-Furat, ehe sie in Richtung Westen abbogen und in die felsige syrische Wüste gelangten. Dort begannen sie Kundschafter auszusenden, die interessante Nachrichten zurückbrachten. Graf Tripolis hatte sich nach irgendeiner katastrophalen Schlacht vom Sultan abgewandt und war wieder zu den Franken übergelaufen. König Guy zog in der Nähe der Küste seine Armee zusammen; der Sultan verlegte seine eigene Armee gen Süden, in Richtung der Grenze zum fränkischen Königreich. Die Dschinn erkannten die Bedeutung dieses Entschlusses nicht, aber Khalidah war beeindruckt: Zu einer kühneren Kriegserklärung hätte Saladin kaum greifen können.

Sie wandte sich an den Kundschafter. »Die Schlacht, von der du gesprochen hast - die, die Tripolis bewogen hat, wieder mit Guy gemeinsame Sache zu machen - weißt du noch mehr darüber?«

Der Junge schüttelte den Kopf. »Nur, dass sie vor ungefähr sechs Wochen stattfand und ein Orden fränkischer Ritter dabei fast vollständig ausgelöscht wurde.«

»Welcher Orden?«, bohrte Khalidah weiter.

»›Der Orden‹, mehr hat der Mann, den ich fragte, nicht gesagt. Er schien davon auszugehen, dass ich wüsste, was er meint.«

Khalidah dachte an ihren Alptraum, an den schönen Prinzen, der den Kopf des Templers gespalten hatte und wünschte, sie wäre ein Mann, um selbst losreiten und Erkundigungen einziehen zu können. Aber sie befanden sich wieder in einem streng islamischen Land, und es war für eine Frau nicht nur gefährlich, auf eigene Faust durch die Gegend zu streifen, sondern auch sinnlos: Niemand würde überhaupt erst mit ihr reden. Also musste sie sich mit den Informationen begnügen, die die Kundschafter ihr brachten.

Die Armee ritt jetzt nachts; einerseits, um nicht aufzufallen, andererseits, um der tagsüber herrschenden sengenden Wüstenhitze zu entgehen. Die Dschinn beklagten sich nie, doch Khalidah sah ihnen an, dass die Reise an ihren Kräften zehrte - die wenigsten hatten je eine solche Hitze ertragen müssen. Endlich kam eine Woche nach Mittsommer ein Kundschafter frühmorgens zum Lager zurückgaloppiert und berichtete, er habe die Armee des Sultans auf den Golanhöhen lagern sehen.

»Und sie ist riesig«, keuchte er atemlos. »Größer als jede Armee, die du dir vorstellen kannst. Ihre Lagerfeuer flackern auf den Höhen wie Kerzen auf einem Altar, und ich konnte weder einen Anfang noch ein Ende erkennen.«

Viele Dschinn wollten daraufhin das Lager, das sie gerade erst aufgeschlagen hatten, sofort wieder abbrechen und sich auf den Weg zu Saladin machen. Khalidah gelang es nur mühsam, sie davon abzubringen.

»Das würde an Selbstmord grenzen«, gab sie zu bedenken. »Wenn  wir uns ihnen jetzt nähern würden, würden wir sofort erschossen, denn sie stehen kurz davor, ihren nächsten Schritt zu machen und werden nicht zulassen, dass irgendwer oder irgendetwas ihre Pläne gefährdet. Nein - wir werden heute hier lagern, und heute Abend …«

Sie brach ab, weil sie keine Ahnung hatte, was sie am Abend tun würde. An diesem Tag fand Khalidah keinen Schlaf, sie wälzte sich neben Sulayman ruhelos von einer Seite auf die andere. Sie hatte vergessen, wie sengend die Hitze hier war; sie sog die Schweißperlen von ihrer Haut, kaum dass sie sich gebildet hatten, und ließ eine feine weiße Salzkruste zurück. Endlich kroch sie aus ihrem kleinen weißen Zelt, schlenderte zum Rand des Lagers, blieb dort stehen und spähte über die endlose leere Wüste hinweg zum Horizont hinüber. Einen Moment lang kam es ihr so vor, als wäre sie nie fort gewesen - als wären die letzten Monate nur ein Traum gewesen und sie würde, wenn sie sich umdrehte, nicht die weißen Zelte der Dschinn, sondern die um die Oase herum aufgeschlagenen schwarzen ihres Vaters erblicken.

Eine schmale Hand schob sich in die ihre. »Was siehst du denn dort?«, fragte Abi Gul.

Khalidah drückte ihre Hand. »Nichts«, erwiderte sie. »Wir sind so weit gekommen, und ich weiß immer noch nicht, wie ich uns zu unserem Ziel bringen soll.«

Abi Gul kniff die grüngoldenen Augen zusammen, um sie vor dem grellen Licht und dem heißen Wind zu schützen, und dachte eine Weile lang nach. Dann meinte sie: »Vielleicht solltest du in dich hineinlauschen, statt zu versuchen, sehen zu wollen.«

»Wie meinst du das?«

Abi Gul sah sie an. Dieses eine Mal war ihr Elfengesicht ernst. »Wenn dich deine Mutter nach Qaf gerufen hat, muss es auch jemanden geben, der dich jetzt zurückruft. Wer kann das sein? Dein Vater vielleicht? Oder deine Kinderfrau?«

»Bilal«, murmelte Khalidah.

Abi Gul nickte, als habe sie mit dieser Antwort gerechnet. »Und weißt du, wo du ihn findest?«

Khalidah dachte erneut an den schönen Ayyubidenprinzen. »Ich glaube schon.«

Abi Gul lächelte. »Dann weißt du alles, was du wissen musst.«

 

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