35° 55′ 34.85″ N, 84° 18′ 59.27″ W
Das Oak Ridge National Laboratory wurde 1943 gegründet. Gleichzeitig entstand auch Oak Ridge, wo Häuser für die Laboratoriumsmitarbeiter und ihre Familien gebaut wurden. Das Laboratorium war ursprünglich Teil des Manhattan-Projekts zum Bau der ersten Atombombe. Seine Aufgabe bestand in der Produktion von Uran und Plutonium, das für die Bombe benötigt wurde.
Um das Plutonium herzustellen (siehe Der Brüterreaktor), musste das Labor zuerst das spaltbare Uran-235-Isotop gewinnen und dann in einem Atomreaktor einbringen. Es musste also nicht nur eine Anlage zur Urangewinnung gebaut werden, sondern auch ein Atomreaktor, der dann der erste seiner Art war.
1943 gab es nur einen funktionierenden Atomreaktor, den kleinen von Enrico Fermi (siehe Kapitel 97) als Machbarkeitsnachweis gebauten Chicago Pile (der sich unter dem Stagg Field-Stadion in Chicago befand). Doch der Chicago-Reaktor war für reale Anwendungen viel zu klein. Deshalb wurde der X-10 Graphitreaktor in Oak Ridge gebaut. Er war von 1943 bis 1963 in Betrieb und ist heute für die Öffentlichkeit zugänglich.
Der Reaktor besteht aus einem Graphitwürfel mit über sieben Meter Kantenlänge, der von einer zwei Meter dicken Betonschicht umhüllt ist. Im Graphit gibt es 1248 diamantförmige Vertiefungen, in die Aluminiumzylinder mit einer Mischung aus Uran-235 und Uran-238 eingesetzt wurden. Der gesamte Reaktor konnte fast 50 Tonnen Brennmaterial aufnehmen. Die Zylinder mit dem Brennmaterial wurden an der östlichen Seite des Reaktors von Hand eingelassen (Abbildung 120.1). Wenn das Brennmaterial verbraucht war, wurden die Zylinder mit langen Stangen auf der westlichen Seite in ein tiefes Wasserbecken gestoßen. Dort blieben sie liegen, bis die Strahlung abgenommen hatte und man sie weiterverarbeiten konnte.
Da Uran-245 spaltbar ist, zerfällt es und gibt Neutronen ab, die andere Uran-235-Atome treffen und abspalten, was zu einer Kettenreaktion führt (siehe Der Brüterreaktor). Beim X-10-Reaktor wurden die schnellen Neutronen dieser Reaktion durch die Graphitblöcke zu »thermischen Neutronen« heruntergebremst. Diese haben genau das richtig Energieniveau, um vom Uran-235 absorbiert zu werden und die Reaktion in Gang zu halten.
Um die Geschwindigkeit der Reaktion kontrollieren zu können, besaß der Reaktor vertikal angebrachte Stäbe aus Bor und Stahl. Die Stäbe konnten in die Löcher eingelassen werden, um die Kettenreaktion zu verlangsamen (oder sogar zu stoppen). Eine andere Gruppe von Bor/Stahl-Stäben war so angebracht, dass die Stäbe horizontal durch den Reaktor verliefen, um die Reaktion zu steuern. Das Bor absorbierte die Neutronen und verhinderte (oder verlangsamte) die Kettenreaktion.
Der X-10-Reaktor war der Prüfstand für viele Nukleartechniken und bewies die Funktionsfähigkeit von Atomreaktoren. Neben der Produktion von Plutonium für die ersten Atombomben nutzte man ihn später zur Herstellung von Radioisotopen zu medizinischen Zwecken.
Besucher können sich bei einem geführten Rundgang durch das Laboratorium die Reaktor-Leitwarte und die östliche Seite (an der das Brennmaterial eingebracht wurde) ansehen. Führungen beginnen am American Museum of Science and Energy, das die Geschichte des Oak Ridge National Laboratory und des Manhattan-Projekts dokumentiert. Im Museum werden auch die Bedeutung der Atomkraft bei der Energieerzeugung und deren Zusammenhänge berücksichtigt.
Das American Museum of Science and Energy ist öffentlich zugänglich. Die Website finden Sie unter http://www.amse.org/. Führungen durch das Oak Ridge National Laboratory finden täglich statt und beginnen am Museum. Aufgrund der heiklen Arbeit des Laboratoriums sind diese Führungen aber ausschließlich amerikanischen Staatsbürgern vorbehalten, die im Voraus buchen und sich ausweisen müssen. Details finden Sie unter http://www.ornl.gov/ornlhome/visiting.shtml.



