21° 11′ 19.01″ N, 156° 58′ 53.62″ W
Zwischen 1866 und 1969 wurden auf Hawaii Leprakranke gewaltsam zu der Leprakolonie auf der Insel Molokai gebracht. Heute ist die Leprakolonie ein Nationalpark und die Heimat von Lepra-Überlebenden. Die Kolonie liegt isoliert hinter den höchsten Meeresklippen der Welt (der Höhenunterschied beträgt 1010 Meter). Um sie zu erreichen, müssen Sie auf einem Esel oder zu Fuß einem 4,5 Kilometer langen Weg entlang der Klippen folgen.
Dieser Weg bietet einen atemberaubenden Blick auf das Meer und war vor der Entwicklung des Flugzeugs die einzige Möglichkeit, die Kolonie zu erreichen. Alle Vorräte mussten hierüber oder mittels eines gelegentlich vor Anker gehenden Schiffes angeliefert werden. Bis zum heutigen Tag liegt nur einmal im Jahr ein großes Schiff im Hafen und liefert große Waren wie Fernseher, Kühlschränke oder Autos an.
Um Kalaupapa heute besuchen zu können, müssen Sie an einer Führung teilnehmen. Die kleine Stadt Kalaupapa ist die Heimat einer zusehends alternden Einwohnerschaft von Lepra-Überlebenden, von denen viele seit über 50 Jahren hier leben. Die Führung erfolgt durch einem Einwohner Kalaupapas, der die Lepra überlebt hat und sich entschied zu bleiben.
Nur sieben Jahre, nachdem die Kolonie eröffnet wurde, isolierte der norwegische Wissenschaftler Gerhard Armauer Hansen das für die Lepra verantwortliche Bakterium: Mycobacterium leprae. Es war das erste Bakterium, von dem nachgewiesen werden konnte, dass es eine menschliche Krankheit verursachte. Kurz danach isolierte der deutsche Physiker Robert Koch die Bakterien, die für Milzbrand, Tuberkulose und Cholera verantwortlich sind. Die Isolation dieser Bakterien widerlegte die Gifthauch-Theorie, nach der die Krankheiten durch das Einatmen von mit Fäulnis durchsetzter Luft ausgelöst wurden.
Bis zum heutigen Tag ist die genaue Form der Ansteckung mit Lepra unklar, auch wenn man annimmt, dass der enge Kontakt mit infizierten Menschen den Hauptaspekt darstellt. Man vermutet, dass die Lepra durch die Luft über Tröpfchen aus der Nase und dem Mund übertragen wird, also eine Tröpfcheninfektion stattfindet.
In den späten 1800ern und den frühen 1900ern entschieden die Regierungen auf der ganzen Welt, dass der sicherste Umgang mit Leprakranken darin besteht, sie in Kolonien zu isolieren. Die Isolation war zum Teil durch die körperlichen Entstellungen der Betroffenen motiviert und zum Teil dadurch, dass man die Lepra für hochgradig infektiös hielt.
Die erste Behandlungsmethode für die Lepra ließ bis in die 1930er auf sich warten. Das Antibiotikum Dapson (manchmal auch Sulfon-Behandlung genannt) heilte Leprakranke nach mehrjähriger Behandlung, doch die Entstelllungen konnten nicht rückgängig gemacht werden. Viele Überlebende entschieden sich daher dafür, in Kalaupapa zu bleiben, anstatt zu versuchen, sich wieder in die hawaiianische Gesellschaft zu integrieren.
In der Folgezeit entwickelte Mycobacterium leprae eine Resistenz gegen Dapson. Erst 1985 wurde eine effektive Behandlung der Lepra möglich. Um Dapson-resistente Lepra zu behandeln, werden drei Medikamente eingesetzt: Dapson, Rifampicin und Clofazimin. Diese auf mehreren Medikamenten beruhende Therapie wird seit 1995 weltweit und kostenlos von der Weltgesundheitsorganisation angeboten.
Im Jahr 2000 hat die WHO ihr Ziel erreicht, die Zahl der Leprainfektionen auf unter 1 von 10000 Menschen zu reduzieren. Heute tritt die Lepra bei weniger als 1 von 50000 Menschen auf und kann vollständig geheilt werden.
Die in Kalaupapa verbliebenen Einwohner sind fortgeschrittenen Alters und die Einwohnerzahl sinkt. Achttausend Menschen starben hier und nur eine handvoll Überlebender blieb. Die Geschichte Kalaupapas zeugt von einem langwierigen Lernprozess in der Medizin: von der Entdeckung des für die Krankheit verantwortlichen Bakteriums über die Heilung durch Antibiotika bis hin zu der Erkenntnis, dass die Krankheit mutieren und Resistenzen bilden kann.
Während des langen Weges über die Klippen bleibt ausreichend Zeit, um über medizinischen Fortschritt und den Umgang mit Patienten nachzudenken.
Informationen zu einem Besuch Kalaupapas finden Sie beim U.S. National Park Service unter http://www.nps.gov/kala/. Es gibt auch ein kleines Museum in Carville, Louisiana, das sich Leprakranken widmet. Details zum National Hansen’s Disease Museum finden Sie unter http://www.hrsa.gov/hansens/museum/.



