Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass Greenwich das Zentrum der Welt ist: schließlich verläuft der Nullmeridian der Erde mitten durch das Royal Observatory in Greenwich. Ein Meridian ist eine imaginäre Nord/Süd-Linie von einem Pol zum anderen. Der Nullmeridian ist definiert als Längengrad 0° und bildet die Zeitbasis für alle Uhren dieser Welt. Die Greenwich Mean Time, also die mittlere Greenwich-Zeit, heißt heute offiziell koordinierte Weltzeit.
Das Royal Observatory war in Greenwich seit 1675 beheimatet und von großer Bedeutung für die Schifffahrt Großbritanniens. Die Beobachtung der Planeten, Monde und Sterne war für die nautischen Almanache erforderlich, die damals zur Navigation eingesetzt wurden. In der Nähe des Royal Observatory liegt das National Maritime Museum. Hier findet man die Uhr, die 1759 die Navigation revolutionierte – John Harrisons Schiffschronometer H4.
Ebenfalls im National Maritime Museum ausgestellt sind die drei Uhren, die Harrison vor der H4 baute. Diese heißen, wie man sich vielleicht schon denken kann, H1, H2 und H3. Diese drei Uhren laufen auch heute noch, ebenso wie die H4, die aber nur zu seltenen Gelegenheiten aufgezogen wird, um den Verschleiß der Komponenten zu vermeiden.
Sehr genaue Uhren waren (und sind) für die maritime Navigation besonders wichtig, weil der Längengrad bestimmt wird, indem man den Zeitunterschied zur Mittagsstunde zwischen Nullmeridian und Schiffszeit misst. Da sich die Erde alle 24 Stunden einmal um 360° dreht, summiert sich jede Stunde Zeitunterschied zu einer Länge von 15°. Segelt ein Schiff am Äquator entlang, entspricht ein Zeitunterschied von 4 Minuten 1° Länge: das ist eine einer Strecke von 111 Kilometern! Die genaue Zeit von Greenwich zu kennen war – und ist – daher unabdingbar, um die Position eines Schiffes zu bestimmen.
Die genaue Zeitmessung war eine derartige Herausforderung, dass die britische Regierung 1714 einen Preis von £20.000 für eine Methode aussetzte, mittels derer der Längengrad auf 56 Kilometer genau berechnet werden konnte. Harrison gewann schließlich einen Großteil dieses Geldes für die Entwicklung einer Uhr, die eine genaue Zeitmessung ermöglichte, und dies unter den ungünstigen Bedingungen, die auf einem Schiff herrschen.
Auf einer Seereise von England nach Jamaika zeigte die Uhr eine Gangabweichung von nur 5 Sekunden (was einem Navigationsfehler von weniger als einem Kilometer entsprach). Die 1,5 Kilogramm schwere, 12 Zentimeter große H4 bewies, dass sie die Zeit trotz der Bewegung des Schiffes, der salzigen Luft, der Wellen, des Windes und der Temperaturänderungen genau messen konnte.
Das Museum zeigt die Geschichte der Zeitmessung anhand der H4 und der über 400 anderen hier ausgestellten Chronometern und Uhren. Der Nullmeridian mit dem Längengrad 0° ist außerhalb der Observatoriums zu sehen und durch einen Balken aus rostfreiem Stahl gekennzeichnet. Besucher können sich rittlings draufsetzen und befinden sich dann mit einem Bein auf der westlichen und dem anderen auf der östlichen Hemisphäre. Nachts projiziert ein grüner Laser den Verlauf des Meridians in die Luft.
Täglich kurz vor 13 Uhr erhebt sich oben auf dem Observatorium ein großer Ballon in die Luft. Um genau 13 Uhr senkt sich der Ballon und Sie können Ihre Uhr ganz genau stellen, während Sie auf dem Meridian stehen. Der Ursprung dieses Rituals liegt darin, dass man es den im Londoner Hafen liegenden Schiffen ermöglichen wollte, ihre Uhren anhand dieses visuellen Signal aus Greenwich einzustellen.
Das Observatorium und das Museum liegen in Greenwich Park. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über London. Der Ort eignet sich auch bestens für ein Picknick. Der Eintritt in das Royal Observatory, das National Maritime Museum und den Greenwich Park ist frei. Informationen zum Besuch der Museen und zu besonderen Veranstaltungen finden Sie unter http://www.nmm.ac.uk/.


