43° 30′ 41.12″ N, 113° 0′ 20.29″ W
Wenn der Amerikaner an Idaho denkt, kommen ihm wohl eher Kartoffeln in den Sinn und nicht Atomreaktoren. Dennoch umfasst das Idaho National Laboratory (INL), das 1949 gegründet wurde, eine Fläche von 2300 Quadratkilometern mit der größten Konzentration von Atomreaktoren weltweit. Mehr als 50 Reaktoren wurden auf diesem Gebiet gebaut.
Einer dieser Reaktoren ist der Experimental Breeder Reactor No. 1 (oder EBR-1), der erste Atomreaktor, der zur Stromerzeugung genutzt wurde. In der Nähe von EBR-1 liegt das Städtchen Arco, das sich rühmt, die erste Stadt gewesen zu sein, die mit Atomstrom versorgt wurde. Am 17. Juli 1955 erhielt Arco seinen Strom aus einem zum INL gehörenden Reaktor. An ein anderes Ereignis denken die Menschen in Arco wohl weniger gerne: Am 3. Januar 1961 gab es in der stationären Niederstromanlage 1 eine Kernschmelze, bei der drei Arbeiter getötet wurden. Diese waren so verstrahlt, dass sie in Bleisärgen bestattet wurden.
Den bemerkenswertesten Anblick des Städtchens Arco (die Einwohnerzahl liegt bei etwa 1000) bietet der Kommandoturm des Atom-U-Boots USS Hawkbill, das wegen der großen, auf der Seite aufgemalten 666 auch »Teufelsboot« genannt wird. Der Kommandoturm des U-Boots zeigt die Verbundenheit Arcos mit der Atomenergie und dem US-Militär.
Doch das eigentlich Interessante liegt 18 Meilen außerhalb von Arco. Hier ist EBR-1 für die Öffentlichkeit zugänglich. EBR-1 produzierte am 20. Dezember 1951 erstmals Strom, und zwar gerade so viel, dass 4 200-Watt-Glühbirnen mit Energie versorgt werden konnten. Nachbildungen dieser Glühbirnen (und eine Original-Glühlampe) sind ebenfalls hier ausgestellt. Am 21. Dezember, einen Tag später, reichte die produzierte Energie schon aus, um das gesamte Gebäude mit Strom zu versorgen. Doch EBR-1 wurde nicht gebaut, um Strom zu produzieren. Er wurde konstruiert, um das Prinzip des Brüterreaktors zu testen. Zusätzlich sollte überprüft werden, ob es möglich wäre, Plutonium anstelle von Uran als Brennmaterial zu verwenden.
Ein Brüterreaktor kann mehr Brennmaterial erzeugen, als er verbraucht. Außerdem erzeugt er Wärme (die zur Stromerzeugung genutzt wird) und Brennmaterial (zur späteren Nutzung). EBR-1 zeigte, dass die Brütertechnik funktioniert. Anfang 1953 ergab die Analyse des Reaktors, dass er ein neues Atom nuklearen Brennmaterials für jedes verwendete Atom erzeugte. Bei anderen Reaktoren wurde das Brutverhältnis (die pro verwendetem Atom erzeugte Menge an Brennmaterial) später auf 1,27 Atome erhöht. Dadurch wurde bewiesen, dass ein Brüterreaktor mehr Brennmaterial erzeugen konnte, als er verbrauchte.
Brüterreaktoren waren in den 1950ern sehr attraktiv, weil sie sparsam bezüglich des Brennmaterials waren und verfügbarere radioaktive Elemente wie Thorium verwenden konnten. Bei Nicht-Brüterreaktoren war hingegen das schwer zu beschaffende Uran U-235 erforderlich.
Direkt bei den Parkplätzen des EBR-1 sind zwei atomare Flugzeugmotoren ausgestellt, die aussehen, als wären sie der Phantasie eines verrückten Wissenschaftlers entsprungen. Die US-Regierung ließ diese beiden Reaktoren ursprünglich als Energiequelle für modifizierte Düsentriebwerke bauen. Der Plan sah vor, Flugzeuge zu konstruieren, die länger und weiter fliegen konnten, ohne wieder aufgetankt werden zu müssen. Ein solches Flugzeug könnte dann von einer sicheren Basis in den USA aus jeden Punkt der Erde schnell erreichen. Zumindest war das die zugrundeliegende Idee.
1955 wurden zwei J-47-Düsentriebwerke von General Electric, die normalerweise Kerosin verbrannten und die zur damaligen Zeit bei der USAF im Einsatz waren, so modifiziert, dass sie heiße (radioaktive) Luft aus dem Heat Transfer Reactor Experiment 1 (HTRE-1; siehe Abbildung 96.1) nutzten. Diese umgebauten Triebwerke wurden dann auf dem Boden des EBR-1-Geländes getestet: Die komprimierte Luft des Triebwerks lief durch den Reaktorkern und wieder zurück in die J-47-Triebwerke, die in X-39 umbenannt worden waren, um deren experimentellen Charakter anzuzeigen.
HTRE-1 bestätigte, dass die Motoren funktionieren könnten, zeigte aber auch eine Vielzahl von Problemen: Die Reaktoren waren sperrig, eine starke Abschirmung war nötig, um die Besatzung zu schützen, und die Triebwerke stießen radioaktive Luft aus. Dennoch wurden im Anschluss noch die Experimente HTRE-2 und HTRE-3 durchgeführt. Bei diesen leichteren Versionen wurde Berechnungen zufolge genug Schub erzeugt, um das Flugzeug bei einer Geschwindigkeit von 460 Meilen pro Stunde über 30000 Meilen in der Luft zu halten.
Während die Arbeit an den Reaktoren und Triebwerken fortgesetzt wurde, testete die USAF auch Flugzeuge, die mit einem Atomantrieb fliegen konnten. Ein modifizierter Convair B-36-Bomber (umbenannt in NB-36H) absolvierte 47 Flüge mit einem kleinen 1-Megawatt-Atomreaktor und vier Tonnen Bleiabschirmung zum Schutz der Crew an Bord. Der Reaktor wurde nicht zum Antrieb des Flugzeug eingesetzt. Er war zwar einsatzbereit, sein Zweck bestand jedoch ausschließlich darin, die erzeugte Strahlenmenge während des Fluges messen zu können.
Wenn das Projekt nicht gestoppt worden wäre, hätte man wegen des Gewichts eine kilometerlange Startbahn bauen müssen. Dazu kam es dann nicht mehr, es wurde jedoch ein riesiger Hangar mit radioaktiver Abschirmung auf einem Stück Land errichtet, das dem Idaho National Laboratory gehört.
Das gesamte Atomflugzeug-Projekt wurde von der Entwicklung der Interkontinentalrakete (Intercontinental Ballistic Missile, ICBM) überholt. Durch die Verwendung von Raketen zum Abwurf von Atombomben wurden die geplanten Langstreckenbomber überflüssig und das Projekt wurde 1961 von Präsident Kennedy eingestellt.
EBR-1 ist komplett im Originalzustand der 1950er Jahre erhalten. Eine Führung umfasst den ursprünglichen Kontrollraum, die Reaktorkammer, die Turbinen und die Einrichtungen, die zur Arbeit mit dem radioaktiven Material benötigt wurden. Die Funktionsweise des Reaktors wird dabei auf vielen Tafeln eingehend erläutert. Von Außen betrachtet ist EBR-1 ein einfacher Backsteinbau, doch im Inneren offenbart sich eine faszinierende Welt.
EBR-1 liegt 18 Meilen südöstlich von Arco am Highway 26. Er ist vom Memorial Day-Wochenende bis zum Labor Day-Wochenende täglich zwischen 9 und 17 Uhr geöffnet. Geführte Rundgänge sind möglich. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.inl.gov/factsheets/ebr-1.pdf.




