66.
Ein gepflegter älterer Herr, dessen graumeliertes Haar perfekt geschnitten war und der mit wachen blauen Augen in den Morgen schaute, stand auf der Veranda eines großen Bungalows in Byram Hills. Er beobachtete die Limousine, die über die Auffahrt rollte und vor dem Haus zum Stehen kam.
Hawk, Raven und Bear flitzten nach draußen, bellten und winselten vor Freude über die Heimkehr ihres Herrchens.
Michael stieg aus der Limousine und reichte KC die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Auf der anderen Seite stiegen Simon und Busch aus dem Wagen. Ihr einziges Gepäck war grenzenlose Erschöpfung.
»Stephen«, sagte Simon und schüttelte die Hand des gepflegten älteren Mannes. »Ich verdanke dir so viel …«
Stephen Kelley hob beide Hände und schnitt Simon damit das Wort ab. »Schön, dich zu sehen.«
Busch gesellte sich zu ihnen und blickte auf den hochgewachsenen Mann hinunter. »Hi, Steve.« Busch grinste. »Du brauchst unbedingt eine größere Auswahl an Biersorten in deinem Jet.«
Stephen lachte, während Simon und Busch voraus ins Haus gingen.
»Hallo, Dad«, begrüßte Michael seinen Vater und schüttelte ihm die Hand.
»KC«, sagte Michael und wandte sich ihr zu, »ich möchte dich mit meinem Vater bekanntmachen, Stephen Kelley.«
»Es ist mir ein Vergnügen.« KC lächelte.
»Ganz meinerseits. Ich habe gehört, dass Sie und Michael viele Gemeinsamkeiten haben.«
KC sah Michael an und lächelte.
»Ich habe ihm immer schon gesagt, dass er eine sportliche Frau braucht. Sie haben ihn beim Basketball geschlagen, nicht wahr?«, sagte Stephen mit einem Lächeln.
»Unter anderem«, erwiderte KC, versetzte Michael mit dem Ellbogen einen Stups und wandte sich dann wieder Stephen zu. »Vielen Dank für den Flug.«
»Gern geschehen.«
»Ach ja«, sagte Michael. »Danke auch von mir.«
»Warten wir ab, ob du das immer noch sagst, wenn du die Treibstoffrechnung bekommst.«
***
KC betrat Michaels Arbeitszimmer. Sie war frisch geduscht und trug Jeans und einen weißen Kaschmirpullover. Ihr blondes Haar war ausgebürstet und fiel ihr lang über den Rücken, und ihre grünen Augen strahlten und funkelten, dass es Michael ein Lächeln auf die Lippen zauberte.
Sie sah sich in seinem Allerheiligsten um, betrachtete seine Golfschläger in der Zimmerecke und das Bild, das über dem Kamin hing und eine Footballmannschaft aus den Zwanzigerjahren zeigte. Dann ließ sie den Blick über seine überquellenden Bücherregale schweifen, auf denen sich Werke reihten, die von Zauberei über Naturwissenschaften, Geschichte und Philosophie bis hin zu Musik und Kunst die verschiedensten Themen behandelten.
Schließlich drehte sie sich wieder zu Michael um, der versonnen auf die Karte blickte, die auf seinem Schreibtisch lag.
»Was willst du jetzt damit machen?«, fragte KC. »Meinst du nicht, du solltest sie verbrennen?«
Michael blickte auf die fünfhundert Jahre alte Karte, die Piri Reis gezeichnet hatte. Ihre detaillierten Angaben und Anmerkungen bezogen sich nicht nur auf den Kangchendzönga. Es war eine Karte, die auch zu anderen Stätten auf Erden führte, die noch nicht entdeckt worden waren.
»Vielleicht solltest du sie Simon geben«, schlug KC vor.
Michael schüttelte den Kopf. »Er hat den Stab. Er hat ihn an einem Ort versteckt, den nur er kennt. Wir haben uns geeinigt, dass ich mit der Karte das Gleiche mache, damit diese beiden Gegenstände so weit voneinander entfernt aufbewahrt werden wie nur möglich. Und außer uns weiß niemand, wo.«
Er rollte die Karte zusammen, steckte sie in die lederne Transportrolle und ließ sie in seine Golftasche gleiten, gleich neben sein Neunereisen.
Dann ging er zu KC, griff in die Hosentasche und zog die silberne Halskette von Tiffany’s heraus. Er strich ihr das blonde Haar zur Seite, beugte sich vor und legte die Kette behutsam um ihren Hals. Als er dabei mit den Fingern ihren Nacken berührte, schlug sein Herz schneller. Er richtete den Anhänger so aus, dass er genau in KCs Halskuhle lag und schaute schließlich auf die eingravierten Worte: Morgen ist ein neuer Tag.
Als er die Kette gekauft hatte, hatten diese Worte eine andere, oberflächlichere Bedeutung für ihn gehabt, doch nun waren diese schlichten Worte viel bedeutungsvoller, nahezu prophetisch.
Er hob die Hand und strich KC sanft über die Wange. Sie blickten sich in die Augen, und Wärme erfüllte sie – wahre Liebe, die sie beide sich viel zu lange versagt hatten.