29.
Sanft erwachte KC aus ihren Träumen. Sie konnte sich nicht erinnern, was sie geträumt hatte, doch waren es friedliche Träume gewesen, voller Lächeln und voller Michael. Sie versuchte, wieder einzuschlafen, um da weiterzuträumen, wo sie aufgehört hatte, aber die Welt ließ es nicht zu. KC hörte den Gebetsruf, der mit leierndem Singsang von den Minaretten Istanbuls erschallte, und das Licht der Morgendämmerung strömte durch die Lamellen der Fensterläden ins Zimmer und legte sich auf ihre Lider.
Langsam öffnete KC die Augen und nahm ihr Umfeld war, den Unterschlupf. Sie schaute neben sich, aber Michael lag nicht im Bett. KC blickte auf die geschlossene Badezimmertür und lächelte.
So tief wie in dieser Nacht hatte sie seit Monaten nicht geschlafen – obwohl die Übernächtigung und die Gefahr, in der sie sich befunden hatte, sehr zu ihrer Erschöpfung und dem erholsamen Schlaf beigetragen hätten. Jetzt empfand sie neues Selbstvertrauen. Sie hegte keinen Zweifel mehr, dass sie Cindy und Simon zurückbekommen würden. Michael hatte recht: Mit dem Stab hielten sie das wichtigste Teil von Iblis’ Puzzle in der Hand. Solange sich in ihrem Besitz befand, was Iblis haben wollte, würde er den beiden kein Haar krümmen.
KC stieg aus dem Bett und ging zum Fenster. Sie öffnete die Lade und blickte hinunter auf die Straßen, auf denen bereits die Hast des frühen Morgens herrschte: Fußgänger eilten schnellen Schrittes zu den Moscheen; Händler bauten ihre Verkaufsstände auf. Istanbul erwachte.
KC stellte sich vor die Badezimmertür und drückte ihre von der Nacht zerzauste blonde Mähne gegen den Türpfosten. »Guten Morgen«, rief sie, lächelte und rieb sich den restlichen Schlaf aus den Augen.
KC bückte sich, hob ihr Höschen und ihren Büstenhalter auf. Sie wusste nicht mehr, wann sie zum letzten Mal nackt geschlafen hatte. Sie setzte sich aufs Bett und kleidete sich an, als ihr mit einem Mal klar wurde, dass sie keine Antwort aus dem Badezimmer bekam. Es lief auch kein Wasser. KC hörte nichts, was darauf schließen ließ, dass Michael sich rasierte oder duschte.
Noch einmal ging KC zur Badezimmertür. »Michael?«, rief sie, dieses Mal lauter.
Wieder keine Antwort. Sie klopfte dreimal hintereinander, aber es tat sich immer noch nichts. Sie versuchte, die Klinke herunterzudrücken. Zu ihrem Erstaunen öffnete die Tür sich sofort.
Das Bad war unbenutzt und leer.
KC rannte zum Bett. Sie war bereits in heller Panik, noch bevor sie den Volant hob, der bis zum Boden reichte.
Die lederne Transportrolle mit dem Hermesstab war verschwunden.