4.

Der Jet stieg in den sternenklaren Himmel und flog nach Westen in Richtung Rom – mit Passagieren an Bord, die froh waren, die Wüste hinter sich zu lassen. Der Jet war topmodern, technisch auf dem neuesten Stand und in der Lage, eine Höchstgeschwindigkeit von achthundertfünfzig Stundenkilometern bei einer maximalen Flughöhe von zwölftausendfünfhundert Metern zu erzielen. Die Maschine war im wahrsten Sinne des Wortes imstande, um die ganze Welt zu fliegen. Sie verfügte nicht nur über einen geräumigen Sitzbereich; darüber hinaus bot sie ein komplett eingerichtetes Büro, ein Schlafzimmer und eine Lounge.

Simon saß an einem Konferenztisch aus Mahagoni, der besser in einen Sitzungssaal auf der Wall Street gepasst hätte. Vor ihm stand ein Erste-Hilfe-Täschchen, und er fädelte gerade einen schwarzen Faden in eine Nadel. Michael und Busch hatten sich Sandwiches und flaschenweise Wasser geholt und saßen in breiten Ledersesseln, deren hellbraune Sitze jeweils mit einem eigenen Telefon, Audio- und Videoanlage sowie ausklappbaren Tischen ausgestattet waren. KC saß ihnen gegenüber und aß die erste Mahlzeit seit drei Tagen.

Michael war froh, wieder im Flugzeug zu sein. Obwohl es nicht ihm gehörte, fühlte es sich an wie zu Hause. Und sie waren heil und unversehrt, hoch oben im klaren Nachthimmel.

»Ich habe dem Piloten gesagt, wir müssten dich nach Rom zurückbringen und dass er entsprechend auf Kurs gehen soll«, sagte Michael zu Simon.

Simon blickte auf und schaute Michael fragend an.

»Okay«, meinte Michael, »wenn nicht Rom, wohin dann?«

»Istanbul«, erwiderte Simon und stach die Nadel in das Fleisch seines Armes. »Ich muss dem Vatikanischen Konsulat einen Besuch abstatten.«

»Istanbul«, wiederholte Michael und tauschte einen besorgten Blick mit Busch.

»Eine wunderschöne Stadt«, fügte Simon bierernst hinzu.

»Okay«, gab Michael schließlich nach. »Egal ob Rom oder Istanbul, wir müssen in Aserbaidschan zwischenlanden, um aufzutanken.«

»Aserbaidschan?« Sorge schwang in Buschs Stimme mit, und er hockte sich aufrecht auf die Kante seines Sitzes.

»Es sei denn, dir wäre Teheran lieber. Ich glaube aber nicht, dass sie dich dort sehr gern sehen.« Michael drehte sich zu KC um, die noch kein Wort gesprochen hatte. Sie hatte soeben ihre beiden Sandwiches verputzt und eine Flasche Wasser hinterhergeschüttet. »Kann ich dir vielleicht noch etwas zu essen anbieten?«

»Ein Fünfunddreißig-Millionen-Dollar-Flugzeug …«, meinte KC. Es klang beinahe wie eine Anschuldigung, nicht wie ein beiläufiger Kommentar. Ihr Gesicht war voller Dreck und Schmier, und ihr verfilztes blondes Haar hing ihr strähnig ins Gesicht.

»Es ist nicht, was du denkst«, sagte Michael.

»Natürlich nicht«, meinte KC skeptisch. »Wie hast du uns überhaupt gefunden?«

»Dafür kannst du dich bei meinem Vater bedanken, dem das Ganze hier übrigens gehört«, antwortete Michael und wedelte mit dem Arm, um auf das Flugzeug anzuspielen. »Er hat einen Anruf vom Vatikan bekommen. Man hat dort den anonymen Hinweis erhalten, dass Simon in Chiron gefangen gehalten wird.« Michael hielt inne und ließ den Blick zwischen Simon und KC hin- und herschweifen. »Irgendeine Idee, wer Mister Anonym gewesen sein könnte, oder warum er meinen Vater angerufen hat?«

»Nein.« Simon schüttelte den Kopf und machte sich nicht einmal die Mühe, dabei aufzusehen, zumal er dabei war, die Platzwunde an seinem rechten Unterarm zusammenzuflicken.

KC sah Michael an, lange, mit festem Blick, doch ohne ein Wort zu sagen.

Michael drängte sie nicht, etwas zu verraten, was sie nicht verraten wollte. Manchmal brauchte man Geduld und Zeit, wenn man Antworten wollte. »In jedem Fall hat er Fotos erhalten, die Simon in Handschellen zeigten, zusammen mit einem Hinrichtungsbefehl und einer groben Skizze des Gefängnisses. Wir haben uns dann ein paar Satellitenbilder von der Gegend besorgt, und voilà …«

»Dein Vater ist reich?«, fragte KC.

»Das könnte man so sagen«, warf Busch ein und hob dabei die Augenbrauen. »Stinkreich.«

»Es ist nicht, was du denkst«, wehrte Michael ab. »Ich bin nicht irgend so ein Knabe, der mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde.«

Sichtlich verwirrt starrte KC vor sich hin. »Du hast behauptet, dein Vater sei Buchhalter gewesen und wäre vor ein paar Jahren gestorben. Ich erinnere mich genau, dass du gesagt hast, du wärst in ganz normalen bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Von dem hier hast du nie ein Wort erwähnt.«

»Das ist eine lange Geschichte. In Kurzform gebracht: Ich bin adoptiert worden«, gab Michael zu. »Und nach dem Tod meiner Adoptiveltern bin ich dem Mann begegnet, der mich weggegeben hatte. Im Verlauf der letzten zwölf Monate haben wir eine enge Beziehung zueinander entwickelt. Deshalb durfte ich mir dieses Spielzeug hier von ihm ausleihen – eigentlich hat er sogar darauf bestanden.«

»Warum habe ich das Gefühl, als wäre das nicht die ganze Geschichte?«, sagte KC und sah sich dabei mit großen Augen im Jet um.

»Die ganze Geschichte ist immer noch mal eine ganz andere Geschichte«, erwiderte Michael. »Aber das weißt du so gut wie ich.«

KC sah Michael fest in die Augen und wechselte das Thema. »Hier gibt es aber nirgendwo ein Eckchen, an dem ich mich waschen könnte, oder?«

»Natürlich.«

»Könnte ich das Flugzeugtelefon benutzen, um meine Schwester anzurufen?«

»Nimm das im Schlafzimmer, da bist du mehr für dich.«

Michael stand auf und führte sie durch die Maschine, vorüber an der Bordküche und ins Schlafzimmer. Es war zwar klein, bot aber ausreichend Platz für ein Französisches Bett und war eingerichtet wie ein Gasthof in New England: Vorhänge und Bettdecke waren aus Spitze, die Möbel aus Eiche. Durch eine schmale Tür gelangte man in ein komplett ausgestattetes Badezimmer.

»Der Wasserdruck der Dusche ist nicht gerade doll.« Michael wies auf eine schwarze Reisetasche, die auf dem Bett stand. »Da sind ein paar Kleidungsstücke in meiner Tasche. Such dir aus, was du willst.«

KC sah sich um und sprach kein Wort; an derartigen Reichtum und Luxus war sie nicht gewöhnt.

»Und vergiss nicht, die Landeskennnummer mitzuwählen«, sagte Michael und zeigte auf das Telefon, das neben dem Bett an der Wand hing.

KC nickte. »Danke.«

Schweigend standen sie da, und der Augenblick schien sich endlos dahinzuziehen. Seit der Rettungsaktion waren sie zum ersten Mal allein miteinander und fühlten sich dabei so unbehaglich, als wären sie einander gerade erst vorgestellt worden. Beide sagten nichts und versuchten, nur ja sämtliche Gefühle zu verbergen. Michael trug einen inneren Kampf aus. Einerseits verspürte er den Wunsch, sie in seine Arme zu schließen, andererseits hätte er sie am liebsten angeschrien, weil sie sich in einen solchen Schlamassel gebracht und ihn belogen hatte. Sie waren intim miteinander gewesen, hatten eine enge Verbindung und ein hohes Maß an Vertrautheit aufgebaut, aber das alles schien von einer Woge aus Lug und Trug davongeschwemmt worden zu sein. Jetzt waren sie wie Fremde.

Ohne ein Wort betrat KC das Badezimmer und schloss hinter sich die Tür.

Michael drehte sich um, ging zurück durch den Jet und setzte sich Simon gegenüber an den Konferenztisch.

»Sie ist eine Diebin. Du hast mich mit einer Diebin verkuppelt.«

»Einer sehr guten Diebin«, erwiderte Simon, der soeben mit seiner Flickarbeit fertig geworden war. »Ich kenne sie schon seit vielen Jahren. Sie ist der anständigste Mensch, den du dir vorstellen kannst. Das Wohl der anderen ist ihr immer wichtiger als ihr eigenes, und sie hat viel durchgemacht in ihrem Leben. Sie ist ganz allein auf der Welt. Sie muss endlich mal zur Ruhe kommen und an sich selbst denken. Also habe ich sie zu dir geschickt. Ihr zwei seid einander ähnlicher, als euch bewusst ist.«

»Was?« Michael schüttelte den Kopf. »Das ist lächerlich.«

Busch drehte sich zu ihnen. »Du bist einfach nur sauer.«

»Da hast du verdammt recht!«

»Du bist sauer, weil sie dir nicht gesagt hat, dass sie eine Diebin ist, und weil sie dir Dinge verheimlicht hat. Ungefähr so, wie du Mary bestimmte Dinge verheimlicht hast, als sie noch am Leben war.«

Michael blickte Simon an, der beipflichtend nickte.

»Was für einen Blödsinn ihr labert«, schimpfte Michael.

»Nun hör doch auf, auf die ganze Welt sauer zu sein«, sagte Busch. »Hast du etwa vor, wegen so einer Kleinigkeit gleich alles scheitern zu lassen?«

»Was?« Busch war wie ein moralisches Barometer und kannte Michael besser, als er sich selbst kannte. Als Busch sein Bewährungshelfer gewesen war, hatte er sich in Michaels Herz und Verstand geschlichen. Sie waren wie Brüder: Sie konnten einander beschimpfen, dass die Fetzen flogen, und fünf Minuten später bei einem Glas Bier darüber lachen. So sehr es Michael auch ärgerte – er wusste, dass Busch die Wahrheit sagte.

»Sie ist die weibliche Ausgabe von dir, Michael. Und du kannst es nicht ertragen, in einen Spiegel zu schauen.«

***

Im Heck des Flugzeuges saß KC im Schlafzimmer auf der Bettkante, ein weißes Bettlaken um ihren frisch geduschten Körper geschlungen. Das heiße Wasser hatte die letzten Reste des Albtraums, dem sie gerade knapp entkommen war, abgewaschen.

»Hallo«, sagte eine Frauenstimme.

KC drückte sich das Flugzeugtelefon fest gegen das Ohr, um trotz des beständigen Dröhnens der Motoren hören zu können. »Cindy? Ich bin’s.«

»KC? Bist du okay? Ich habe mir große Sorgen gemacht.«

»Es geht mir gut«, erwiderte KC und schaute in den Wandspiegel, der allerdings etwas anderes sagte und eine todmüde Frau zeigte.

»Wo bist du?«

»In einem Flugzeug.«

»Das ist keine Antwort.«

»Ich bin auf dem Weg nach Istanbul.«

»Istanbul?« Es folgte eine lange Pause. »Wie bist du aus dem Gefängnis gekommen?«

»Woher weißt du, dass …« KC war dermaßen verwirrt, dass sie verstummte.

»Ich treffe dich dort. Ich war noch nie in Istanbul. Wir können einkaufen gehen«, meinte Cindy.

»Einkaufen?«, wiederholte KC verstört. »Nein, in ein paar Tagen bin ich wieder in London.«

»Warum musst du überhaupt nach Istanbul? Bist du mit diesem Typen zusammen?«

»Michael?«

»Wer sonst?«

»Ich sitze im Flugzeug seines Vaters«, antwortete KC, ließ dabei den Blick durch den Raum schweifen und konnte immer noch nicht verdauen, in welchem Luxus sie reiste.

»Er hat ein Flugzeug?« Cindy war beeindruckt, wechselte dann aber abrupt das Thema. »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist, KC, aber wir müssen uns unbedingt unterhalten.«

»Wenn ich zurück bin, okay?«

»Nein, das duldet keinen Aufschub. Um Gottes willen, du warst im Gefängnis, in irgendeinem Wüstenland.«

»Woher weißt du das?«

»Das erzähle ich dir, wenn wir uns in Istanbul treffen.« Cindys Worte hatten einen herablassenden Beiklang.

»Flieg nicht nach Istanbul!« Allmählich wurde KC wütend.

»Du bist nicht meine Mutter, KC! Wage es nicht, in diesem Ton mit mir zu reden.«

»Weißt du was, Cindy?« KC konnte sich kaum noch beherrschen. Ihre Schwester verstand es besser als jeder andere, sie auf die Palme zu bringen. »Ich melde mich bei dir, wenn ich zurück bin.« KC warf den Hörer auf die Gabel.

***

Michael hatte sich endlich wieder beruhigt. Er saß Busch und Simon in einem der Ledersessel gegenüber und nippte an einer Cola, während er aus dem Fenster blickte. Die Sterne funkelten am nächtlichen Himmel, und sie jagten den untergehenden Mond Richtung Westen.

Michael hoffte, eine Mütze Schlaf zu bekommen. Bis Istanbul waren es über achttausend Kilometer. Mit dem einen Tankstopp in Aserbaidschan würden sie nach ungefähr achtstündigem Flug zu einer Zeit in der Türkei ankommen, wenn die Welt dort gerade erwachte. Nur konnte er nicht schlafen, bevor ihm nicht ein paar Fragen beantwortet wurden.

Er wandte sich Simon zu. »Würde es dir etwas ausmachen, mir zu erzählen, was ihr gestohlen habt?«

»Einen Brief«, erwiderte Simon und zog den Reißverschluss seines Erste-Hilfe-Täschchens zu.

»Die Post hat euch also zum Tode verurteilt«, lachte Busch und eilte zurück in die Bordküche, wobei sein Kopf um Haaresbreite gegen die Flugzeugdecke stieß. »Nun mach aber halblang.«

Simon schenkte ihm keine Beachtung. »Es war ein sehr alter Brief.«

»Und was stand drin?«, rief Busch von hinten.

Simon schaute Michael an. Situationen wie diese erlebten sie beide nicht zum ersten Mal. Simon brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und die richtigen Worte zu finden. »In dem Brief wird ein Ort erwähnt, an dem sich eine Seekarte befindet, die vor mehr als fünfhundert Jahren angefertigt wurde und bislang als verschollen galt.«

»Du meinst so was wie eine Schatzkarte?«, fragte Busch. »Du machst Witze, ja?«

»Keineswegs.« Simon schüttelte den Kopf. »Es ist eine detaillierte Karte, die akribisch genau auf eine Tierhaut gezeichnet wurde.«

Michael zögerte zuerst, stellte die Frage dann aber doch. »Und wohin führt die Karte?«

»Zu einem Berg irgendwo in Asien.«

»Hast du den Brief?« Busch kam mit einem Tablett zurück, auf dem Speisen und Bier standen, und stellte es auf den Konferenztisch.

»Es gab da ein paar Komplikationen«, erwiderte Simon.

Kopfschüttelnd biss Busch in eines der Sandwiches. »Gibt es die nicht immer?«

»Es war fast so, als hätten sie uns beobachtet. Als hätten sie gewollt, dass wir den Brief stehlen.«

»Klar doch, um euch dann dafür zum Tode zu verurteilen.« Busch lachte.

»Welcher Pechvogel war euer Opfer?«, fragte Michael.

»Philippe Venue, ein reicher Geschäftsmann, der über die Mittel verfügt, Menschen mit einem einzigen Telefonanruf verschwinden zu lassen.«

Michael lächelte. »Nur hatte er keine Ahnung, dass du Freunde hast, die dich aufgrund eines einzigen Telefonanrufs suchen und finden.«

»Was ist denn genau passiert?«, fragte Busch, schnappte sich den Flaschenöffner und öffnete drei Flaschen Bier.

»Im Prinzip war es so, dass KC und ich eingebrochen sind und den Brief aus dem Safe genommen haben, aber bevor wir wieder nach unten ins Erdgeschoss konnten …« Simon stockte. »Gott sei gepriesen, dass Bürogebäude Briefkästen haben«, fuhr er dann fort. »Ich habe den Brief in einen Umschlag gesteckt und ihn nach Rom geschickt, bevor sie uns geschnappt haben.«

»Nimm es mir nicht übel, Simon, aber ihr habt euch schnappen lassen«, erinnerte Michael ihn.

»Das ist es ja. KC ist noch nie geschnappt worden. Deshalb regt sie sich ja so auf. Sie glaubt, dass man uns in eine Falle gelockt hat.«

»Und stimmt das?«

»Ich weiß es nicht.«

»Aber du hast den Brief«, sagte Michael.

»Ja, und ich habe ihn durch einen Scanner laufen lassen. Im Moment ist jemand dabei, ihn zu übersetzen. Allerdings war er in Venues Besitz, also hat er zweifellos Kopien anfertigen lassen. Er weiß, wo die Karte ist, und ich garantiere dir, dass er jemanden losschickt, sie ihm zu beschaffen.«

»Sie zu stehlen?«, fragte Michael.

Simon nickte.

»Deshalb hat er uns nach Chiron schaffen lassen. Damit er als Erster an die Karte herankam.« Simon nippte an seinem Bier, lehnte sich zurück und überlegte eine Weile. »Ich werde die Karte stehlen und vernichten«, sagte er dann.

»Du weißt, dass ich dir nicht helfen kann, nicht wahr?«, sagte Michael.

»Ich erwarte auch gar nicht von dir, dass du mir hilfst.« Simon lächelte und hob dabei seine Bierflasche, um Michael zuzuprosten. »Du hast mir das Leben gerettet. Wieder einmal. Ich würde dich weder bitten, dich in diese Sache hineinziehen zu lassen, noch würde ich dir Schuldgefühle einflößen, damit du es tust.«

Michael spürte Simons Entschlossenheit: Er war durch nichts aufzuhalten, und weder Widrigkeiten noch Polizei oder Gefängnisse vermochten ihn aufzuhalten. »Wohin führt diese Karte?«, fragte er.

Ganz leise erwiderte Simon: »Wie ich bereits sagte, das möchtest du gar nicht wissen.«

»Okay, dann sag mir, wo diese Karte ist.«

»In Istanbul.« Simon lächelte. »Eine wunderschöne Stadt.«

Busch blitzte ihn zornig an. »Das gefällt mir überhaupt nicht.«

Michael wandte sich Busch zu. »Wir setzen ihn da nur ab.«

»Ihr müsst uns beide absetzen«, sagte eine Frauenstimme.

Michael drehte sich um und sah, dass KC hinter ihnen stand. Sie war sauber gewaschen, ihr Haar glänzte, und ihre Gesichtszüge waren so weich, wie er sie in Erinnerung gehabt hatte. Sie trug eine dunkelblaue Jogginghose und eines von Michaels weißen Baumwollhemden. Michaels Wut verrauchte, und alle Gedanken an ihre Lügen und daran, dass sie sich in so große Gefahr gebracht hatte, verflüchtigten sich. Auf einmal war sie wieder die Frau, die sie gewesen war, als sie einander zum ersten Mal begegnet waren, unschuldig und atemberaubend.

»Was willst du damit sagen – ›uns‹?«, fragte er.

»Du hast doch sicher nicht angenommen, dass Simon das allein tut, oder?«

Michael schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Das kannst du nicht tun.«

»Du brauchst dich nicht bedroht zu fühlen«, meinte KC nüchtern.

»Bedroht?«

»Du fühlst dich bedroht, weil ich besser bin als du.«

»Was?« Michael lachte auf. »Mich hat man nicht gerade erst dabei erwischt, wie ich mit der Hand in die Keksdose gegriffen habe, und mich musste man nicht davor bewahren, im Morgengrauen hingerichtet zu werden. Es tut mir leid, aber ich kann nicht zulassen, dass du …«

»Du hast nicht das Recht, mir vorzuschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe«, schimpfte KC. »Ich werde diese Karte stehlen, Michael. Ob es dir gefällt oder nicht.«