54.

Busch und KC rannten aus der Höhle und durch den grünen Garten, vorüber an Bäumen und dampfenden Geysiren. Das Scharfschützengewehr hatte Busch sich auf den Rücken geschnallt, und beide hielten eine Pistole in der Hand. Die ganze Zeit behielten sie den gewaltigen Tempel im Auge.

Sie erreichten die Freitreppe, nahmen drei Stufen auf einmal und gelangten zu der riesigen schwarzen Tür, mussten aber feststellen, dass sie fest verschlossen war. Ohne ein Wort zu sagen, rannte KC über den vorderen Teil der Veranda und sprang neben der Außenecke des Gebäudes wieder auf den Boden. Dort drehte sie sich von links nach rechts und blickte dabei nach oben. Im nächsten Moment schwang sie sich wie eine Kunstturnerin auf das Geländer der Veranda, sprang nach oben und bekam die Dachrinne zu fassen, zog sich daran hoch und stand Sekunden später direkt unter den Fenstern des Tempels auf dem Dach der Veranda.

Busch folgte ihrem Beispiel, kletterte auf die Brüstung und war dankbar für seine eins fünfundneunzig Körpergröße, weil er sich nur recken musste, um die Dachrinne zu erreichen; er wusste, dass er nicht die geringste Chance gehabt hätte, wenn er so hoch hätte springen müssen wie KC. Er zog seinen massigen Körper auf das Dach und war froh, in den letzten Monaten so viel trainiert zu haben. Eine Blamage weniger.

Sie liefen über das Verandadach zum ersten Tempelfenster und stießen es auf. Das gewölbte Bläschenglas hing auf uralten Scharnieren, die weit und quietschend aufschwangen. KC hatte Mühe, sich hindurchzuzwängen, und für Busch war es nahezu ein Ding der Unmöglichkeit; er verschrammte sich die Schultern und die Schenkel, als er seinen Körper durch die schmale Öffnung quetschte.

Sie fanden sich in einem kleinen Schlafraum wieder. Auf dem Fußboden lag eine Matratze, und an der gegenüberliegenden Wand stand ein Schreibpult. Der Raum duftete nach Weihrauch; die friedliche Atmosphäre erinnerte Busch an seine Kindheit, an die Augenblicke, da er eine Kirche betreten und das Chaos der Welt draußen hinter sich gelassen hatte.

»Zehn Wachen?«, fragte Busch.

»Genau. Den einen, den du bereits ausgeschaltet hast, nicht mitgezählt. Sie sind alle gut bewaffnet«, sagte KC und ging voran. Sie befanden sich im zweiten Stock, in einem langen Korridor. Mit vorgehaltener und schussbereiter Waffe schlichen sie die Treppe hinunter. Als sie den Treppenabsatz erreichten, stellten sie fest, dass dort unten niemand mehr war; sie hatten sich alle ins Herz des Tempels begeben.

KC und Busch eilten durch den Altarraum, wobei Busch sich rasch umschaute. Er blickte auf die schlichten Säulen, auf die gedämpften Erdtöne der Wände und auf die käfigartigen Feuerurnen, deren Licht die Welt in eine abgeklärte Gelassenheit tauchte, wie Busch sie in dieser Form noch nie erlebt hatte. Er war erstaunt über die Einfachheit und die Vergeistigung dieses Ortes, obwohl es keine Ikonen gab, keine Kreuze oder sonstige Symbole der Gottesverehrung. Noch nie war Busch an einem Ort gewesen, an dem er größeren Frieden und größere innere Ruhe verspürt hatte. Umso größer wurde seine Wut auf Venue und Iblis, die einen solchen Ort entweihten.

Busch und KC liefen weiter durch die heilige Stätte und gelangten in einen breiten Korridor, der an eine Abzweigung führte. Ein Weg ging nach links ab, der andere nach rechts.

»Hier teilen wir uns«, sagte KC und blieb kurz stehen.

»Kommt überhaupt nicht infrage«, keuchte Busch. »Ich lasse dich nicht aus den Augen.«

KC ging kommentarlos über Buschs Einwand hinweg und zeigte in einen der beiden Gänge. »Da geht es zu mehreren einfachen Wohnräumen, in denen sie die Mönche gefangen halten. Zwei Wachen stehen dort auf Posten. Der Gang macht auf der anderen Seite eine Kehre. Da treffen wir uns.«

»Das ist keine gute Idee, KC«, sagte Busch und hielt dabei sanft ihren Arm fest, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

»Ich komme schon zurecht«, erwiderte KC und hielt ihre Pistole hoch. »Ich weiß damit umzugehen.«

»Das bezweifle ich nicht, aber darüber mache ich mir auch keine Sorgen. Sorgen mache ich mir um unseren Freund Iblis. Egal wie viel Munition du hast, damit kannst du ihn nicht aufhalten.«

»Wenn es in diesem Tempel jemanden gibt, mit dem ich fertig werden kann, dann ist es Iblis.« KC drückte Busch einen Kuss auf die Wange. »Danke, dass du dich um mich sorgst.«

Und dann lief sie den Gang hinunter.