49.
Busch lag auf dem warmen Höhlenboden und hielt das Scharfschützengewehr fest gegen die Schulter gepresst. Hin und wieder bewegte er die Waffe ein wenig, nahm einzelne Blumen und Zweige ins Visier und justierte die Waffe neu. Inzwischen war sein Körper wieder aufgewärmt, was ihm erlaubte, sich voll zu konzentrieren.
Er hoffte, dass Michaels Plan keine gefährlichen Lücken aufwies. Sie hatten ihn in aller Eile ausgeheckt, und sein Gelingen hing von vielen Faktoren ab, die außerhalb ihres Einflusses lagen. Doch war dieser Plan alles, was sie hatten. Und KC war das Einzige, woran Michael zurzeit denken konnte.
Wenn Liebe im Spiel war, fehlte es immer an Vernunft. Liebe verleitete Männer, die dümmsten und gefährlichsten Dinge zu tun und beinahe dem Wahnsinn zu verfallen zum Wohle derer, nach denen sie sich verzehrten. Liebe hatte König Edward VIII. von England dazu gebracht, für seine Geliebte auf den Thron zu verzichten, und Liebe hatte dafür gesorgt, dass Menelaos die Spartaner aussandte, Troja in Schutt und Asche zu legen, weil Paris ihm seine Frau Helena gestohlen hatte. Und jetzt hatte die Liebe Michael dazu verleitet, in einen historischen Palast einzubrechen, um eine Karte zu stehlen, die es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen.
Doch Michael Handlungsweise war vernünftig, obwohl er es aus Liebe tat. Er rettete KC aus den Klauen eines Vaters, der es nicht verdiente, ein Mensch genannt zu werden; eines Vaters, der als Kläger und Richter fungiert hatte und seine eigene Tochter ins Gefängnis werfen ließ, damit man sie dort hinrichtete; eines Vater, der seine Tochter auf einen Berg schleppte, um sich persönlich zu bereichern, und der seine Tochter dabei als lebenden Schutzschild benutzte. Er war der Gegenpol zur Liebe, der Gegenpol all dessen, was Eltern ausmachte, und das genaue Gegenstück von allem, was ein Vater eigentlich sein sollte.
Busch wäre für seine beiden Kinder gestorben und hätte für ihr Wohlergehen alles geopfert. Er konnte nicht begreifen, was in einem seelenlosen Menschen wie Venue vor sich ging.
Er wusste nicht, wer von beiden der Schlimmere war: Iblis oder Venue. Aber als er in dem Höhleneingang lag, den Griff des Gewehres fest gegen die Wange gepresst, hoffte er, einer von den beiden möge aus der Tür kommen, damit er die Welt ein bisschen sicherer machen konnte.