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Chong versuchte, die Hände abzuwehren, die ihn aus der Grube zogen, aber sein Angreifer beugte sich zu ihm herab und flüsterte: »Chong – ich bin’s!«

Sofort hielt Chong inne. Die Gestalt gab ihn frei und trat ins Licht.

»Tom!«, rief Chong aus, aber Tom presste ihm sofort wieder eine Hand auf den Mund.

»Pssst!«

Chong nickte. »Wie hast du mich gefunden?«, fragte er leise.

Rasch erzählte Tom, wie er Benny, Nix und Lilah bei der Raststätte zurückgelassen hatte und berichtete von seiner Begegnung mit Sally Two-Knives.

»Ich … es … Tom, es tut mir so leid …«

»Lass gut sein. Das Ganze ist viel mehr meine Schuld als deine, Junge. Trotzdem …«, Tom tippte ihm fest gegen die Brust, »das darf nicht wieder passieren. Von jetzt an folgst du meinen Anweisungen aufs Wort, verstanden?«

»Laut und deutlich.«

Das Gelächter, der Beifall, die Pfiffe und Jubelrufe wurden lauter. Die Geräusche kamen von der anderen Seite des Platzes, jenseits der Reihe dicht geparkter Wagen. Hier draußen gab es ein paar kleine Zombiegruben, aber Tom vermutete, dass die wahre Attraktion dort drüben zu finden war.

»Benny und Nix sind hier irgendwo«, sagte er, »und ich fürchte, ich weiß auch, wo.«

Wie um seine Worte zu unterstreichen, brach die Menge in frenetischen Beifall aus.

»Was sollen wir tun?«, fragte Chong.

»Eins nach dem anderen. Du siehst ziemlich mitgenommen aus. Ist alles in Ordnung?«

Als Chongs Antwort zu lange auf sich warten ließ, zog Tom ihn an eine Stelle ins Licht, die von einer Hecke abgeschirmt war.

»Was ist los?«, hakte er nach.

Chong drehte sich zur Seite und zeigte ihm seine Schulter. »Ich bin gebissen worden.«

Tom schloss einen Moment die Augen und lehnte sich kraftlos an den Rand der Veranda. »Oh … Junge … verdammt …«

»In der Grube. Sie haben mich zum Kampf gezwungen. Ich habe gewonnen … beide Male, aber ich wurde gebissen.«

»Wie lange ist das her?«

»Ich weiß es nicht. Fünf oder sechs Stunden. Ich kann es wirklich nicht sagen.«

Tom musterte ihn verwirrt. »Wie fühlst du dich? Hast du dich übergeben? Siehst du doppelt? Tun dir die Gelenke weh?«

»Mir ist nur ein bisschen schwindlig und übel.«

Ein weiteres Mal inspizierte Tom die Bisswunde. »Inzwischen müsstest du eigentlich die ersten Symptome zeigen.«

»W…was glaubst du, wie lange habe ich noch?«

»Ich weiß es nicht«, gab Tom zu. »Es ist bei jedem anders.«

Chong wusste, dass das stimmte. Manche Opfer wurden sofort krank, während es bei anderen einen ganzen Tag dauerte, bis sie etwas merkten. Aber am Ende war es für alle gleich. Die Seuche hatte eine 100-prozentige Infektionsrate – niemand überlebte sie.

In der darauf folgenden Stille hörten sie, wie Preacher Jack hinter dem Gebäude eine Ansprache hielt.

»Hast du andere Gefangene gesehen?«, erkundigte sich Tom.

Chong schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe gehört, wie die Leute sich über sie unterhielten. Es sollen noch mehr Kinder hier sein. Im Hotel, glaube ich.«

»Dann sind Benny und Nix auch dort. Preacher Jack hat sie gefangen genommen.«

Chong berührte Toms Arm. »Es gibt ein paar Dinge, die du wissen musst. Als ich in der Grube war, hab ich gehört, wie White Bear mit jemandem sprach. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Preacher Jack war. White Bear ist Charlies Bruder und er … nannte Preacher Jack ›Dad‹.«

Tom packte Chong am Handgelenk. »Preacher Jack ist der Vater von Rotaugen-Charlie?«

»Ich weiß … Es ist unheimlich, aber es ergibt durchaus Sinn.«

»Nur für Wahnsinnige.«

Chong drehte sich zur Seite und schaute nach Westen. »Tom, wo ist Lilah?«

Tom schüttelte den Kopf. »Ich … habe keine Ahnung, wo sie steckt. Sie könnte bei Benny und Nix sein oder auch irgendwo da draußen.«

»Da draußen« war ein großes, trostloses schwarzes Nichts. Chong fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Und was … was machen wir jetzt?«

Tom reichte ihm ein Messer und sagte: »Wir suchen Benny und Nix.«