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Sally Two-Knives fand ihr Pferd, als es gerade aus einem Bach trank. Sie schnalzte mit der Zunge, und sofort hob die Appaloosa-Stute, die auf den Namen Posey hörte, den Kopf und spitzte die Ohren. Dann wieherte sie freudig und trabte den Hügel hinauf zu Sally.

Sally steckte ihr Messer in die Scheide, strich dem Pferd über die Schnauze und küsste es. »Du dummes Ding«, schimpfte sie. »Bist einfach weggelaufen und hast Mama ganz allein da draußen gelassen. Was hast du dir bloß dabei gedacht?«

»Hat vermutlich angenommen, du seist tot«, antwortete eine Stimme hinter ihr. Sally wirbelte herum und griff nach ihrem Messer. Sie riss die Klinge aus der Scheide, aber die abrupte Bewegung war so schmerzhaft, dass sie aufschrie. Trotz der Schmerzen musste sie lächeln, als der Mann aus dem Schatten einer großen Fichte trat.

Er war mittelgroß, gebaut wie ein Ringer und so kahl wie ein Ei. Seine Haut besaß die Farbe von Schokolade und sein kleiner Spitzbart war von weißen Strähnen durchzogen. Ein Paar Macheten hingen an einem Riemen über seinem Rücken, und um die Hüfte trug er ein Gurtband des Marine Corps, in dem eine .45er Automatik steckte.

»Verdammich!«, stieß Sally hervor. »Da brat mir einer ’nen Storch!«

Der Mann grinste. »Ich dachte mir, dass die verrückte Stute dir gehört. Hab versucht, aufzusitzen, aber sie hätte mich fast aufgefressen. Also kam ich zu dem Schluss, dass wir beide uns erst mal beruhigen und es dann noch einmal versuchen sollten.«

Sally Two-Knives schenkte ihm ein charmantes, kokettes Lächeln. »Solomon Jones … warum versuchst du, mein Pferd zu stehlen?«

Solomon breitete die Arme aus. »Lass dich umarmen, Mädchen.«

Sally trat auf ihn zu, zog aber scharf die Luft ein, als Solomon sie in seine starken Arme schloss. Als er ihr Keuchen hörte, gab er sie frei, musterte sie von oben bis unten und sah dann die Schlinge und den Verband.

»Meine Güte … was ist passiert?«

»Na ja, das alte Mädchen ist nicht mehr so fit, wie es mal war«, meinte Sally und erzählte ihm dann alles.

Solomon hörte mit großem Interesse zu. Wie Sally war auch er ein unabhängiger Kopfgeldjäger und erledigte überwiegend die Art von Abschlussaufträgen, die auch Tom Imura ausführte. Außerdem übernahm er Säuberungen und verdingte sich gelegentlich als Wache. Nach der Ersten Nacht war er zusammen mit seinen beiden Kindern in Pennsylvania aufgebrochen und mit einem zusammengewürfelten Haufen von Flüchtlingen, die er auf dem 3000 Meilen langen Weg aufgelesen hatte, durch das Leichenland nach Westen gezogen. Jetzt lebte er in Fairview, wo er – genau wie Tom – seit Jahren vergeblich versuchte, die Stadt dazu zu bringen, eine Miliz aufzustellen, um den Teil des Leichenlands zu überwachen, der entlang des Gebirgszugs der Sierra Nevada verlief.

Nachdem Sally ihren Bericht beendet hatte, nickte Solomon. »Es passt alles zusammen«, sagte er, »aber das Ganze ist schlimmer, als du denkst. White Bear hat über 70 Schläger in seiner Gang, darunter auch richtige Gangster. Ich meine echte Gangster aus der Zeit vor der Ersten Nacht. Ich kenne zwei von ihnen, die garantiert Ärger machen werden. Heap Garrison und Digger Harris. Digger war damals in Detroit ein Knochenbrecher der Mafia, und ich glaube, Heap hat für die russische Mafia gearbeitet. Zumindest erzählt man sich das.«

Sally verzog das Gesicht. »Entzückend.«

»Ich war auf der Suche nach Tom«, fuhr Solomon fort. »Drüben bei Coldwater Creek hab ich Fluffy McTeague getroffen, der mir sagte, Tom hätte die Nase voll und würde verschwinden, um diesen Jet zu suchen. Ich dachte, er wollte erst nächste Woche aufbrechen.«

»Er hat es sich anders überlegt, wollte weg aus der Gegend. Warum hast du ihn gesucht?«

»Wollte ihm ausreden, dass er weggeht«, erklärte Solomon. »Mit meinem Vorschlag, eine Miliz aufzustellen, scheine ich gegen eine Wand zu reden.«

»Da geht es dir wie Tom.«

»So geht es jedem, der es im Alleingang versucht. Ich wollte Tom als Wortführer eines Komitees gewinnen. Die Sache den Städten vorschlagen, einer nach der anderen. Werbung dafür machen.«

»Hätte funktionieren können, Sol«, meinte Sally, »aber du kommst ungefähr zwei Tage zu spät. Außerdem hat Tom im Moment schon genug Sorgen.«

»Wegen Gameland, meinst du? Will er es wirklich wieder zerstören?«

»Davon weiß ich nichts, aber er muss den Jungen zurückholen. Sein Bruder und die anderen Kids warten auf ihn bei Bruder David und …«

»Nein, tun sie nicht«, widersprach Solomon überzeugt. »Ich komme gerade von dort. Jemand hat die Raststätte niedergebrannt und ein paar Tausend Zombies in Holzkohle verwandelt. Von Bruder David und den Schwestern weit und breit keine Spur.«

Sally fluchte. »Gott … du glaubst doch nicht, dass Toms Bruder verbrannt ist, oder?«

»Ich hoffe nicht. Sieht aber nicht so aus. Hab Spuren gesehen, die über das Feld in Richtung Wawona führten. Wahrscheinlich sind die Kids in diese Richtung gegangen. Hätte ich geahnt, dass es sich um Kinder handelt, wäre ich ihnen gefolgt. Denn im Osten passieren üble Dinge.«

»Ich weiß.« Sally kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Du sagtest, du hättest Fluffy gesehen? Ist sonst noch jemand in der Gegend?«

»Und ob! Alle sind in der Gegend, und ich hab ein halbes Dutzend Leute losgeschickt, um Tom zu suchen.«

»Wie schnell könntest du sie zusammentrommeln?«

»Ziemlich schnell. Aber dafür sollte es einen guten Grund geben. Warum?«

»Ich hab da so eine Idee.«

»Was für eine Idee?«

»Eine gefährliche.«

Er grinste. »Erzähl mir mehr.«

Aus Nix’ Tagebuch

Warum fressen Zombies nur lebende Wesen?

Aus Augenzeugenberichten weiß man, dass Zombies jedes lebende Wesen angreifen und fressen: Menschen, Säugetiere, Vögel, Insekten und Reptilien. Es ist nicht bekannt, ob sie Fische attackieren.

Man vermutet, dass warmes, lebendiges Fleisch den Appetit der Zombies anregt. Aber wie lassen sich dann Zombies erklären, die Insekten essen? Schließlich haben Insekten eine sehr niedrige Körpertemperatur.

Von Wärme allein können sie also nicht angezogen werden, denn sonst würden sie auch frisch Verstorbene fressen. Aber das tun sie nicht. Sobald ein Wesen gestorben ist, verlieren Zombies ziemlich schnell das Interesse daran. (Es dauert Stunden, bis eine Leiche bis auf Zimmertemperatur abgekühlt ist.)

Wenn Zombies von warmem Fleisch angezogen würden, müssten sie logischerweise an Opfern in warmen Klimazonen länger fressen als an solchen in kühleren Gegenden.

Zombies greifen keine Menschen an, die Kadaverin aufgetragen haben. Werden sie von Gerüchen angezogen? Das ergibt keinen Sinn, weil ein gerade verstorbener Mensch oder ein Tier nicht nach verwesendem Fleisch riecht, aber Zombies sie trotzdem nicht fressen.

DAS ALLES ERGIBT ÜBERHAUPT KEINEN SINN UND ES MACHT MICH WAHNSINNIG!