Erinnerungen sind wie eine treulose Partnerin.

Sie sind nichts weiter als eine überzeugende Geschichte, die man sich so oft vorgebetet hat, dass sie sich im Gedächtnis verankert und schließlich echt erscheint. Dieselbe Begebenheit, von verschiedenen Leuten erzählt, kann so anders wirken, dass man sie gar nicht wiedererkennt.

Wie würde Meggie sich wohl an unsere erste Begegnung erinnern?

Meine Version sieht folgendermaßen aus: ein Gesicht in der Menge. Nein, mehr als nur ein Gesicht. Ein ganzes Schicksal, das sich mit einem einzigen Blick enthüllte. Obwohl ich mir niemals vorgestellt hatte, dass es ausgerechnet der Tod sein würde, der unsere Leben für immer miteinander verflechten sollte.

Viel später habe ich sie nach diesem ersten Mal gefragt, aber sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, mich an jenem Abend gesehen zu haben, und dann versuchte sie, über meine Gekränktheit hinwegzulachen. Eine große Denkerin war Meggie nie. Wäre sie das gewesen, dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Vielleicht wäre ich dann auch anders gewesen. Sanfter, nicht so aufbrausend? Am Ende habe ich Verständnis in diesen hellen, perfekten Augen aufschimmern sehen, aber da blieb ihr keine Zeit mehr, eine Geschichte zu erfinden, die mich zufriedengestellt hätte. Außerdem lag das Kissen auf ihrer Nase und ihrem Mund, und loszulassen wäre viel zu riskant gewesen. Die berühmte Stimme, die mir hätte zuflüstern können, was ich hören wollte, hätte genauso gut um Hilfe schreien können. Sie beherrschte die lauten und die leisen Töne gleichermaßen.

Ach, es hat keinen Sinn, die Vergangenheit ändern zu wollen. Was passiert ist, ist passiert. Letztendlich zählt nur, was ich glaube, und ich glaube, dass sie mich geliebt hat, egal, was gewesen ist.