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Bitte, Florrie … ich warte schon so lange

Wieder und wieder lese ich den Satz. Kein Punkt am Ende, das sieht meiner Schwester überhaupt nicht ähnlich. Sie war nicht nur ein Gesangstalent, sondern hat auch in Englisch immer nur Einsen mit Sternchen bekommen. Ihr hätte wirklich niemand vorwerfen können, dass sie außer ihrem hübschen Gesicht nichts zu bieten gehabt hätte. Dieser Zeichenfehler beweist, dass mit ihr irgendetwas nicht in Ordnung ist.

Natürlich ist mit ihr was nicht in Ordnung, du dämliche Kuh. Meggie ist tot.

Nur dass ich daran irgendwie nicht mehr glauben kann.

Ich weiß, dass es wirklich sie ist. Genau wie ich wusste, dass die Furcht einflößende Cara meine beste Freundin werden würde, in dem Moment, als ich sie mit elf zum ersten Mal auf dem Schulspielplatz sah, oder dass Robbie der erste Junge sein würde, den ich küssen würde. Ich weiß es.

Außerhalb dieses Zimmers ist alles so, wie es war – ich kann meinen Vater unten auf dem Sofa schnarchen hören, dem einzigen Ort, an dem er noch einigermaßen schlafen kann –, aber hier drinnen ist alles anders. Mein Herz schlägt laut und hektisch. Soll ich ihn aufwecken und ihm sagen, dass Meggie noch da ist?

Ich muss über mich selbst lachen. Genau, zeig ihm drei E-Mails als Beweis dafür, dass deine Schwester noch lebt. Das überzeugt ihn bestimmt. Die weisen dich doch ein, bevor du auch nur »Jenseits« sagen kannst.

Ich könnte Cara anrufen, aber die würde darauf bestehen, sofort vorbeizukommen, obwohl es schon nach Mitternacht ist, und ich wette, glauben würde sie mir trotzdem nicht. Außerdem werde ich ihr bestimmt nicht auf die Nase binden, dass mein zweiter Vorname Florence lautet. Nicht, nachdem ich es elf Jahre lang vor ihr geheim gehalten habe.

Und was ist mit Robbie? Klar, der würde kommen und mich in den Arm nehmen, aber hinter meinem Rücken wahrscheinlich gleich diesem Computerfreak Lewis eine SMS schicken, damit er die Homepage blockiert, und das ist das Letzte, was ich jetzt will. Vielleicht bin ich verrückt, aber das hier ist nun mal alles, was ich habe.

Tja, so sieht’s also aus. Ich bin ganz auf mich allein gestellt.

Ich scrolle durch die Soul-Beach-Mail, bis der Cursor auf dem Aktivierungslink landet. Meine Hand zittert, der Bildschirm scheint im Takt mit meinem Herzschlag zu pulsieren.

»Halte durch, Meggie, ich komme«, flüstere ich.

In der Ferne höre ich das Rauschen der Wellen.