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»Tun wir’s noch einmal? Nur noch einmal, ich bitte dich, die Allee hinunter bis zum Brunnen im Galopp?«

Katharina schmerzte das Hinterteil. Das aber hätte sie Valentin nie eingestanden, schon gar nicht, wenn er sie so eindringlich bat und sie dabei mit vor Seligkeit glänzenden Augen ansah wie ein kleiner Junge. Wie hätte sie es ihm abschlagen können? Vor einer Stunde, als sie aufgebrochen waren, war sein Gesicht grau vor Sorge gewesen, und Katharina fand es unerträglich, mit anzusehen, wie er sich quälte. Sie hätte ihm alles Leid von der Stirn streichen, allen Kummer aus den Augen küssen wollen.

Stattdessen hatte der wilde Ritt durch die Alameda Valentins jugendlichen Übermut wiederhergestellt. Voll Verlangen strahlte er sie an, bis sie mit einem Lachen nickte und er schon seinem Pferd die Sporen gab und nahezu aus dem Stand wieder angaloppierte. Seufzend setzte Katharina sich im Sattel zurecht und gab dem lammfrommen Wallach die Zügel frei. Das Tier hatte Valentin eigens für ihre Reitanfänge ausgewählt – es wusste genau, was von ihm verlangt wurde, setzte sich erst in Trab und dann in Galopp und folgte dem Gefährten.

Als Valentin ihr zu Beginn des Sommers vorgeschlagen hatte, gemeinsam auszureiten, hatte sie zuerst nicht geglaubt, dass er es ernst meinte. »Aber Frauen reiten doch nicht aus!«, hatte sie gerufen. Die begüterten Herren, die auf den breiten Pfaden der Alameda ihre Pferde bewegten, gehörten zum Bild der Stadt, aber die Damen fuhren in ihren Equipagen oder flanierten zu Fuß.

»Europäische Damen tun es«, hatte Valentin widersprochen. »Sogar die Kaiserin.« Dem wusste sie nichts entgegenzuhalten. Anfangs war sie sich in ihrem Damensattel deplaziert vorgekommen, inzwischen aber wimmelte es im Park von reitenden Damen, die Charlotte von Habsburgs Vorbild folgten.

Unter den tief hängenden Zweigen der Pfefferbäume sprengten sie auf den Brunnen zu. Die Novembersonne, die nicht mehr brannte, sondern streichelte, fiel zwischen den gefiederten Blättern hindurch, und in der Luft lag der Duft der beginnenden Blüte. Valentin zügelte seinen Goldfuchs, damit er auf gleicher Höhe mit ihrem Braunen lief. Es fiel ihm nicht leicht, denn Geschwindigkeit berauschte ihn, doch er tat es für sie. In seiner Heimat, so hatte er ihr erzählt, hatte er ein ebenso schnelles goldenes Pferd besessen und hatte alles darangesetzt, hier ein ähnliches zu finden. Das Tier musste ein mittleres Vermögen gekostet haben.

Ein Vermögen kosteten auch die Kleider, die er ihr fortwährend schenkte. Das Kostüm aus laubgrünem Samt, das sie zum Reiten trug, hatte er für sie fertigen lassen und ebenso die Roben für die Bälle, festlichen Diners und Soireen, die er mit ihr besuchte. Erlesene Kleider, gearbeitet von dem Schneider, den die Kaiserin aus Triest mitgebracht hatte, dazu Schuhe und Schmuck. Katharina kam sich seltsam in all der Pracht vor, wie eine in Ölpapier zerschmolzene Süßigkeit. Valentin aber bestand darauf, dass die Kleider ihre Reize zur Geltung brachten, und weil er so viel Freude daran hatte, hatte sie sie auch. Was für eine Rolle spielte es, ob sie sich gefiel, wenn es doch so himmlisch war, ihm zu gefallen? Er überschüttete sie mit Komplimenten, von denen sie oft kaum glauben konnte, dass damit keine glamouröse Schönheit, sondern sie gemeint war, und wenn er sie in die Arme zog, wusste sie, dass jedes Wort der Wahrheit entsprach.

Im Deutschen Haus hatte man sie vor das Komitee zitiert, weil sie den Unterricht so häufig ausfallen ließ. Ihr Gewissen plagte sie deswegen, aber es war schwierig genug, in seinem Dienstplan Freiräume zu finden. Sie und Valentin hätten in jedem Augenblick des Tages beieinander sein wollen, und jede Trennung riss an ihrem Lebensnerv. Der Einfachheit halber behauptete Katharina, sie habe eine weitere Stellung annehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und könne nicht mehr so viel Zeit erübrigen.

Ein deutsches Mädchen lügt nicht, fiel ihr ein. Aber für ein deutsches Mädchen, das nach Strich und Faden belogen worden war, galten andere Gesetze.

In Klumpen wirbelte Erde auf, und eine Schar Kinder, die mit Reifen gespielt hatte, stob kreischend aus dem Weg. Valentin lachte. Viel zu früh für seinen Geschmack, doch als ein Segen für Katharina war die Allee zu Ende und mündete in das von Zitterpalmen beschattete Rondell um den Brunnen. Valentin sprang ab, eilte um die Pferde herum und hob Katharina aus dem Sattel. Die Herbstsonne fing sich in seinem Haar und verlieh ihm einen rötlichen Glanz. Einen Herzschlag lang hielt er sie über dem Boden und küsste ihre Lippen. Als er sie sacht niedersetzte, lehnte sie sich an ihn und genoss einen jener zahllosen Augenblicke, in dem alles andere ausgelöscht und sie restlos glücklich war.

Sie führten die Pferde einen schmalen Pfad entlang bis zu einem künstlichen Weiher, in den ein umgestürzter Pfefferbaum hing. Obwohl der Stamm halb zerbrochen war, trug der ins Wasser ragende Ast volles Laub und rosige, pfeffrige Früchte. »Der Kaiser wird dafür sorgen, dass so etwas wegkommt«, hatte Valentin gesagt, als sie den verrotteten Baum entdeckt hatten. Inzwischen aber war der Ort ihnen als Liebeshort ans Herz gewachsen. Gewiss würde er seinen Kaiser darum bitten, den Baum zu verschonen, wenn dieser je dazu kam, sich um derlei Banalitäten zu kümmern. Valentin hatte ihr erzählt, dass der Kaiser jeden Morgen um vier Uhr aufstand, um im Kerzenlicht mit der Arbeit zu beginnen, und dass die Zeit dennoch nie genügte, um auch nur einen Bruchteil der Wunden, aus denen Mexiko blutete, mit Salbe und Mull zu versorgen.

Wie man auch immer über den Kaiser dachte, und Katharina wusste nicht mehr, wie sie über ihn dachte – es ließ sich nicht leugnen, dass er sich Mexiko mit Leib und Seele widmete. Sie war ihm mehrmals auf Festlichkeiten im Palacio Nacional wie in Chapultepec begegnet und hatte seine freundliche Lässigkeit inmitten förmlicher Etikette gemocht. Valentin schien enttäuscht, weil sie nicht in Ehrfurcht erstarrte, und sie hätte ihm gern erklärt, dass sie in einer Republik geboren war und darum nicht erfassen konnte, warum ein Kaiserthron ihr Ehrfurcht abverlangte. Letzten Endes hatte sie es bleibenlassen. War der Kaiser nicht in der Lage, ihr Bewunderung zu entlocken, so war es Valentins Liebe zu ihm. Hatte sie je einen Menschen gekannt, der mit so viel Ernst und Feuer liebte? Und mit derselben Unbedingtheit liebte er sie.

Valentin band ihre Pferde an den zerborstenen Baumstamm, schnallte seinen Rucksack vom Sattel und breitete die Decke für sie aus. Sie fand es schon recht kalt, um im Gras zu sitzen, doch er, der aus kühleren Gefilden stammte und durch den Armeedienst abgehärtet war, spürte davon nichts, und sie hätte nie und nimmer auf diese Stunden mit ihm verzichten wollen. Dem Rucksack entnahm er die kostbaren Kristallgläser, von denen sie nie fassen konnte, dass sie bei den wilden Ritten nicht zerbrachen. »Sie sind wie der Kaiser«, hatte er ihr erklärt. »Auf einen Blick mögen sie zerbrechlich wirken, aber im Innern sind sie fest wie Stahl.«

Bei ihm ist es umgekehrt, dachte sie, während sie zusah, wie ihr Liebster den goldenen Wein von der Donau, den sein Kaiser auch hier in Mexiko anbaute, in die Kelche schenkte. Äußerlich mag er wie Stahl sein, aber im Verborgenen ist er verletzlich und kostbar wie kein Zweiter. Über den Rand der Gläser sahen sie einander an. »Auf meine Göttin, die betörendste Zauberin von ganz Mexiko.« Sie tranken, dann sanken sie einander in die Arme und küssten sich. Natürlich durften sie sich hier im Freien nicht lieben, und selbst beim Küssen mussten sie auf Schritte lauschen, doch ihn zu halten und sein Begehren zu spüren, war ihr Glück genug.

So umschlungen, Herz an Herz wie ein einziges Geschöpf, vergaßen sie alles, was sie belastete. Erst als sie sich voneinander lösten, kehrten die Wolken zurück. An seinem Gesicht würde sie sich nie sattsehen können, es war so schön und exquisit geschnitten, dass es einem Mädchen hätte gehören müssen, und doch war es in seinem Ausdruck ohne Zweifel männlich. Während sie es jetzt betrachtete, entdeckte sie wieder die Zeichen von Kummer. Sie legte den Arm um ihn. »Du siehst bedrückt aus, Liebster. Ist etwas nicht in Ordnung?«

Dankbar schmiegte er sich in ihre Umarmung, streckte sich auf den Rücken und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. »Es ist wieder das Übliche. Guerilleros haben mehrere unserer Provianttransporte überfallen. In Uruapan hat es Tote und Verletzte gegeben. Und unsere Telegraphenleitungen werden aus allen Richtungen sabotiert. Es sind wieder die Haufen von diesem Romero, die sich in dem verdammten Urwald von Michoacán versteckt halten. Wenn mir daheim jemand gesagt hätte, ich hätte hier nicht gegen eine reguläre Armee, sondern gegen eine Horde feiger Banditen zu kämpfen, hätte ich ihm kein Wort geglaubt. Aber eine reguläre Armee hat der Verbrecher Juárez ja schon längst nicht mehr.«

»Er ist kein Verbrecher«, sagte Katharina und strich die Finger durch sein wundervolles Haar.

»Wie kannst du den Mann noch verteidigen?« Valentin fuhr auf. »Hast nicht auch du gesagt, Mexiko habe endlich Frieden verdient, und ist es nicht dieser Anarchist, der den Frieden verhindert? Du weißt nicht, was der Kaiser getan hat, du weißt nicht, was für eine noble Seele er besitzt und wie sehr er sich wünscht, das ewige Schlachten in seinem Reich zu beenden. Diesem Juárez einen Brief gesandt hat er, in die Wildnis von Chihuahua, eingeladen hat er ihn, in die Hauptstadt zurückzukehren und seiner Regierung beizutreten, zum Wohle Mexikos. Und was hat er zur Antwort erhalten? Ein höhnisches Nein. Er, Juárez, sei vom Volk gewählt, und er allein werde Mexiko regieren, und jetzt stell du dich noch einmal hin und erzähl mir, dieser Mann sei kein Verbrecher!«

Hingestellt hatte er sich. Aufgesprungen war er und rief seine Empörung in den Tag. Katharina streckte die Hand aus und strich ihm über den Muskel des Schenkels. »Komm wieder zu mir, Liebster. Ich sage es ja nicht noch einmal, wenn es dich so erregt.«

»Ich weiß, wo du das herhast«, knurrte Valentin, ließ sich aber von ihr nieder und zurück in ihren Schoß ziehen. »Von deinen anarchistischen Freunden, mit denen du unter einem Dach lebst.«

Um keinen Preis wollte Katharina ein Gespräch über Martina und Felix beginnen, von denen sie in den letzten Wochen einige geführt hatten. Sie wusste, sie hätte aus dem Palais ausziehen müssen, aber sie schob den Schritt immer wieder auf. Martina und Felix waren ihr Zuhause, die einzige Familie, die sie noch besaß. Vermutlich würde man sie auch nicht mehr im Deutschen Haus unterrichten lassen, wenn sie als ausgehaltene Frau in einem Hotel logierte, wie Valentin es wünschte.

Und musste sie ihm den Wunsch nicht erfüllen? Sollte sie nicht um ihrer Liebe willen alles andere aufgeben? Ja, gab eine Stimme in ihr darauf Antwort. Ja, du solltest, denn Halbherzigkeit ist keine Liebe. Hatte sie sich nicht jahrelang verzweifelt gewünscht, ein Mann hätte um ihretwillen alles aufgegeben, hätte Heimat und Familie verlassen, um sie zu finden und wieder bei ihr zu sein?

»Hörst du mir überhaupt zu?«, herrschte Valentin sie an.

»Aber ja«, sagte sie, streichelte seine Stirn und schluckte die Kälte hinunter, die sich in Kehle und Brust geballt hatte. »Ich sage nichts mehr über Juárez, ich verspreche es dir.« Ich wünschte, Juárez, der Kaiser und der Lauf der Welt könnten uns gleichgültig sein. Nur dass ich dich streichle nicht und dass du mir die Hände küsst.

»Juárez ist ein Verbrecher«, wiederholte Valentin trotzig. »Sobald die Konföderierten hinter der Grenze den Bürgerkrieg gewinnen, werden sie uns Truppen zur Unterstützung schicken, und dann kesseln wir ihn zwischen uns ein.«

»Werden die Konföderierten denn den Krieg gewinnen, Liebster? Martina sagt, die Union hat die Oberhand und wird Juárez …«

»Ich will nicht hören, was dieser verdammte Mischling Martina sagt!«, schrie Valentin sie an.

Ehe sie selbst erschrecken konnte, sah sie den Schrecken in seinen Augen. Er setzte sich auf, zog sie an sich, hielt sie mit so viel Kraft, dass ihm die Arme zitterten. »Verzeih mir, meine Liebste, mein Kleinod, meine Zauberfee. Wie konnte ich das tun, wie konnte ich dich anschreien? Du musst mir verzeihen – es liegt nicht an dir, es ist der Zorn auf diese Guerilleros, der mich aus der Haut fahren lässt.«

Sie küsste ihm die Wangen, streichelte ihn, bis er sich beruhigte. »Es ist ja schon gut, Liebster. Erzähl mir von den Guerilleros. Habt ihr, bevor der Bürgerkrieg in Nordamerika endet, keine Möglichkeit, sie zur Kapitulation zu zwingen?«

»Wir bekommen jetzt endlich unsere Leute aus der Heimat«, antwortete er. »Das Freiwilligenkorps, das erste Schiff ist schon da. Aber es wird dauern, bis die Männer sich in die Verhältnisse eingefunden haben und einsatzfähig sind. Bis dahin sind wir weiter auf die Franzosen und unsere Handvoll Mexikaner angewiesen. Unter den Mexikanern gibt es grandiose Leute, ohne Frage – Oberst López mit seinen Ulanen zum Beispiel, der ist sein Gewicht in Gold wert. Aber das Guerilla-Pack ist zäher als das Brot, das sie fressen. Wir nehmen sie haufenweise gefangen und hängen sie an Bäume, doch das schreckt sie nicht ab. Louis Napoleon rät, wir sollen sie durchpeitschen, weil gerade das Indio-Pack sich vor einer Tracht Prügel mehr fürchtet als vor Tod und Teufel.«

»Ich mag nicht, wenn du so über Menschen sprichst«, entfuhr es Katharina, der ein Schauder über den Rücken lief. Seinem Gesicht sah sie an, dass sie schon wieder einen Fehler begangen hatte. Rasch griff sie nach der Flasche und füllte ihre Gläser. »Komm, trink mit mir. Lass diese Dinge nicht zwischen uns stehen. Ich habe es so geliebt, wie du von Mexiko geschwärmt hast, als du gerade angekommen warst. Von meiner Familie habe ich immer nur gehört, dass wir nicht freiwillig hier sind und dass dieses Land unser Unglück ist. Und dann kamst du und hast dich in dieses Land verliebt. Ich habe das genossen, Valentin. Es fehlt mir.«

Er beugte sich vor und verschloss ihr mit seinem Kuss den Mund. »Du bist dieses Land für mich«, sagte er dann. »Und ich bin noch immer verliebt in es wie am ersten Tag.«

Er trank seinen Wein. Als er bemerkte, dass die Flasche leer war, holte er aus seinem Rucksack eine zweite. »Warum wären wir denn hier, wenn nicht aus Liebe zu Mexiko?«, fragte er. »Warum reiben wir uns auf, warum kränkt es den Kaiser so tief, dass die Leute sich gegen ihn stellen und die Hand beißen, die sie liebkost? Ist das nicht Beweis genug, dass wir für Mexiko und sein Volk nichts als das Beste wollen?«

»Doch«, erwiderte Katharina. »Es erschreckt mich nur, wenn du davon redest, Menschen mit der Peitsche zu prügeln, oder wenn du Martina einen Mischling schimpfst.«

»Das verstehst du falsch.« Valentin nahm ihre Hände. »Dass Angehörige einer höherstehenden Rasse einer minderwertigen wohlwollen, bedeutet nicht, dass sie sich mit ihr verbrüdern, geschweige denn mischen sollen. Nur wenn die höherstehende Rasse ihre Überlegenheit bewahrt, kann sie der niederen die Hand reichen und sie aus ihrem Elend erheben. Begreifst du das?«

Er war so schön, und er sah sie mit so viel Leidenschaft an, sie wollte ihm entgegenrufen: Was schert es uns, ob ich es begreife, was geht uns Mexiko an? Stattdessen fragte sie: »Wer entscheidet denn, welche Rasse höherstehend und welche minderwertig ist?«

»Kruzitürken, dazu braucht man sie sich doch nur anzusehen! Und wie viele von diesen Indios hast du getroffen, die ihren eigenen Namen nicht schreiben können?«

»Martinas Mutter kann ihren Namen schreiben. Sie heißt Micaela.«

»Aber diese Mutter, wie immer sie heißen mag, entstammt einem Volk, dem die Spanier erst beibringen mussten, dass man nicht zu Götzen betet und keine Menschen als Opfer in Vulkanschlünde stößt! Willst du zu solchen Zuständen etwa zurück? Willst du, dass wir uns alle Schlangenhäute und Federn umhängen, Heuschrecken essen und auf Götzenaltären Kinder schlachten? Oder willst du, dass dieses Land in den Genuss des Fortschritts kommt, dass es hier Eisenbahnen und christliche Schulen gibt, dass wir die Menschen lehren, wie man sich sauber hält und wie seine Kranken versorgt?«

Ja, das will ich, wollte sie sagen, weil sie es wirklich wollte und weil der Abstand zwischen ihnen sie schmerzte. Stattdessen sagte sie: »Du klingst wie mein Onkel Fiete, wenn er Volksreden hält.«

»Und weißt du, wie du klingst?« Er sprang auf und trat die Flasche um, dass goldener Wein über die Erde rollte. »Wie eine verfluchte Anarchistin.« Ohne sich nach ihr umzudrehen, ging er und löste die Zügel der Pferde vom Baum. »Lass uns aufbrechen. Mir ist der Tag verdorben.«

Schweigend half er ihr in den Sattel, stieg selbst auf und trieb das Pferd in den Schritt. Schweigend ritten sie durch die verblassende Sonne, an spielenden Kindern vorbei und unter den duftenden Früchten der Pfefferbäume hindurch, bis Katharina es nicht länger ertrug. »Ich liebe dich!«, rief sie ihm zu. »Ich will mich nicht mit dir um Worte streiten, mir sind die ganzen Worte einerlei!«

Er zügelte mit einem Ruck sein Pferd, beugte sich zu ihr und riss sie an sich, dass sie aus dem Sattel glitt. Valentin aber hielt sie in den Armen, setzte sie auf den Widerrist seines Pferdes und küsste sie. »Meine Liebste. Meine mexikanische Zauberin. Ich will mich auch nicht um Worte streiten, ich will nur irgendwo mit dir allein sein, wo uns die ganze Welt in Frieden lässt. Wenn jetzt die Männer aus der Heimat kommen, ist gut möglich, dass ich befördert werde und meine eigene Einheit erhalte – und dann werde ich nach Michoacán geschickt, bis dem Teufel Romero der Garaus gemacht ist. Ich wäre froh, den Satan in die Finger zu bekommen, aber mir graut davor, ohne dich zu sein.«

»Mir auch.«

»Schenkst du mir diese Nacht? Im Hotel Iturbide, nicht bei deinen Freunden?«

Sie konnte nur nicken und klammerte sich an seinen Hals. Wenn dir etwas geschieht in diesem Michoacán, wenn du nicht wiederkommst, dann will ich nicht mehr leben. Er hielt sie ebenso fest. Ihre Herzen rasten.