19

Mit jedem Tag, der verstrich, wuchs Katharinas Zorn. Schmerz und Zorn waren in eines verschmolzen und tobten wie Taifune in ihr. Zuerst hatte Benito sie mit seinen Warnungen kirre gemacht und dazu verdonnert, zwischen den Wänden des Hauses umherzustreifen wie ein Tier hinter Käfigstäben. Getröstet hatte sie allein die Gewissheit, er werde sein Versprechen halten und sich so bald wie möglich bei ihr melden. Dann aber hatte sie von Stefan erfahren, dass er längst wieder in der Stadt war und eine Stellung im Haus von Georgia Temperley angetreten hatte.

Wenn er mir eine Nachricht sendet, lasse ich ihn einen Tag lang warten, beschloss sie. Er sollte leiden wie sie, seine eigene Grausamkeit schmecken. Eine Woche verging. Die Blockade hielt an. Luise jammerte Katharina die Ohren über Dinge voll, die für ihre Hochzeit nicht aufzutreiben waren. »Und der Geistliche, der mich trauen soll, weißt du, wer das ist? Ein katholischer Priester. Wie ich das meinem Vater beibringe, weiß der Himmel.«

Die Sanne kochte Gelee aus Guavas und Mangos und schimpfte das Haus zusammen, weil nichts fest wurde. Die Mutter schüttete das flüssige Gelee auf den Abfall und betonte, sie hätte es ohnehin nicht angerührt. Eine weitere Woche verging. Ich lasse ihn drei Tage warten. Von Jo hörte sie, bei einem Pass namens La Angostura sei eine Schlacht geschlagen worden, die General Santa Anna verloren habe. »Er hat die Toten am Wegrand liegen und von Kojoten fressen lassen«, berichtete Jo mit verheulter Stimme. »Und die Verwundeten auch! Die Soldateras haben die Hemden ihrer Männer in Bächen mit blutrotem Wasser gewaschen. Gerlinde sagt: Jetzt sind die Amerikaner bald hier und befreien uns.«

Katharina wollte nicht hören, was Gerlinde, sondern was Benito sagte. Dass sie so von dem, was um sie geschah, nichts wusste, beunruhigte sie. In ihrem Kopf sammelten sich Fragen, die sie ihm nicht stellen konnte, weil er nicht zu ihr kam. In den Nächten malte sie sich die schrecklichsten Dinge aus, die ihm zugestoßen sein mochten, doch wenn sie am nächsten Tag Stefan bestürmte, versicherte der ihr, Benito sei, soweit er wisse, wohlauf. Sie wollte ihn warten lassen, bis er darum bettelte, sie sehen zu dürfen.

Ihr fiel auf, wie leer ihr Leben war. Zu Miss Gordons Stunde ging sie nicht länger, sie war ohnehin hoffnungslos zurückgefallen. Doktor Messerschmidt weigerte sich, ein Mädchen ihres Alters noch zu unterrichten. Es gab nichts Neues zu lesen, kein Buch aus Europa traf ein. Ihre Mutter war selig, weil sie nicht mehr ausging, doch die Mutter war selbst kaum daheim, sondern half im Geschäft, um eine Schreibkraft zu sparen. Es schien, als werde jeder außer ihr gebraucht. Bot sie der Sanne an, ihr zu helfen, so brummte diese: »Ach Gottchen, Fräuleinchen, meine Arbeit schaffe ich auch ohne Ihre lieben linken Hände.«

Hatte sie, bevor Benito gekommen war, nie bemerkt, dass ihr Leben keinen Inhalt hatte? Stefan, Hermann und Sievert waren schon im Geschäft, und die jüngeren Vettern würden ihnen folgen. Luise bereitete sich auf ihr Leben als Gattin vor, und Jo erzählte, sie unterweise neuerdings Kinder in Bibelkunde. Was wollte sie selbst mit ihrem Leben tun, worauf wollte sie sich vorbereiten?

Ihr fiel nichts ein. Nichts, das nicht an der Frage hängenblieb, wann sie Benito wiedersehen und was aus ihnen werden würde. Mit Benito musste sie darüber sprechen! Dann aber, als sie wieder einmal Stefan bestürmte, sah der sie an wie ein englischer Spaniel und sagte: »Ich wünschte, du würdest mich nicht mehr fragen. Er hat ein Mädchen, Kathi. Eine Nahua.«

»Eine was?«

»Nahua. Das ist die Gruppe der Völker, der er angehört. Hast du das nicht gewusst?«

Katharina stieg Hitze in die Wangen. Wie ein dummes Kind hatte sie geglaubt, Nahua sei ein Wort, das er sich für sie ausgedacht habe. »Ich dachte, sein Volk hieße …«

»Azteken?« Stefan schüttelte den Kopf. »Das ist nur ein Begriff, den Alexander von Humboldt benutzt. Sich selbst haben diese Menschen so nicht genannt. Sie heißen Mexica wie ihr Land. Und ein Teil von ihnen heißt Nahua, was schöner Klang bedeutet.«

»Woher weißt du das?«

Stefan zuckte mit den Schultern. »Ich war zwei Jahre lang weg von hier. Ich habe zumindest ein paar Dinge gelernt, die nicht wie Weizenmehl zuvor ausgesiebt wurden.«

Wut und Ohnmacht ballten sich in ihrer Kehle. Warum hatte sie nichts über das Land, in dem sie lebte, lernen dürfen, warum war sie gehalten worden wie eine genudelte Made, die im Kokon steckte und niemandem nützte? »Das mit dem Mädchen«, schrie sie Stefan an, »das hast du dir ausgedacht, das würde Benito nie tun!« Nicht Benito, der um ihretwillen seine Stellung bei Helen aufgegeben hatte. Was konnte eine andere aufbieten gegen das, was sie verband? Benito hatte schon ihr gehört, als sie kaum laufen konnte, Benito hatte ihre verlorene Hälfte befreit und in seinen Armen liebkost.

»Sie heißt Inez«, sagte Stefan. »Er hat sie als Dienstmagd bei den Temperleys untergebracht. Sie ist, soweit ich das beurteilen kann, ein hübsches Mädchen, nach dem Männer die Köpfe drehen. Sie passt zu ihm, Kathi. Sie werden zusammenleben, ohne einen Teil von sich zu verlieren, ohne Wunden zu schlagen, die nicht heilen.«

Sie wusste nicht, was er redete. Die Wunde, die nicht heilte, hatte sie hier und jetzt. Sie rannte die Treppe hinauf, warf sich auf ihr Bett und schlug schreiend auf die Matratze ein, bis die Kräfte sie verließen. Verwunderlich war, dass niemand sie hörte, doch an diesem Abend waren alle mit anderem beschäftigt. Im Flur und im Salon gab es einen Tumult, weil die gesamte Familie – außer Helene und Tante Traude – zusammenlief.

Katharina wurde herunterbeordert. Alles redete durcheinander, doch zumindest etwas hörte sie heraus. Südlich von Veracruz sollten Schiffe der Nordamerikaner gesichtet worden sein. Es sind nur wenige, sagten die einen, es sind unzählige, unkten die anderen.

»Lassen sie denn Boote zu Wasser, wird man sie nicht einzeln abschießen können?«

»Sie sind doch unterlegen! In der Stadt sollen viertausend Mann stehen, mehr als das bringt keine Macht der Welt an einen feindlichen Strand.«

»Die Perser, meine Liebe, die Perser haben es getan!«

»Deine Perser sind Hirngespinste aus Legenden, Fiete. Wir schreiben 1847 und sprechen von Nordamerika.«

»Ich rate zur Ruhe«, warf Luises Ichsager ins Gewirr. »Ich versichere Ihnen, ich weiß in der westlichen Hemisphäre keinen besser befestigten Hafen als Veracruz. Ich erinnere an unsere drei Forts, ich erinnere daran! Ich hielte die Vereinigten Staaten für unbesonnen, wenn sie hier angreifen würden, ich bin im Gegenteil sicher, sie setzen sich unverzüglich in Marsch.«

Im Licht des Wandarms beugte sich Felix unbeirrt über sein Zeichenbrett. In der anderen Ecke saß Großtante Hille, von Fiete hereingeschleppt und auf ihren Thron gesetzt.

»Sie sind Protestanten«, vernahm Katharina Jos schwächliche Stimme, während die Mutter die Sanne anwies, für alle Suppe aufzutragen, gleichgültig, aus welchen Zutaten. »Gerlinde sagt, sie werden uns nichts tun.« Und dann sah Katharina, dass Jo sich zu ihr durchgekämpft hatte und die Hand nach ihr ausstreckte. »Ich muss dich sprechen, Kathi. Nicht hier.«

Katharina wollte niemanden sprechen. Sie wollte vor dem Gewirr der Stimmen flüchten wie vor den Bildern von Benito mit einem dunkelhäutigen Mädchen im Arm.

»Es ist wegen Ben«, flüsterte Jo und versuchte vergeblich Katharina aus dem Salon zu drängen. »Er hat mich abgefangen, als ich von Gerlinde kam. Er wartet auf dich. Am Marigoldstrauch.«

»Da soll er warten, bis er schwarz wird«, versetzte Katharina so laut, dass Onkel Fiete sich umdrehte. »Mir ist nicht wohl«, rief sie zusammenhanglos und stürmte aus dem Raum.

Zum Glück waren die meisten Anwesenden mit Amerikanern und Schiffen beschäftigt. Die Mutter aber kam ihr bis an die Treppe hinterher. »Kathi? Was ist mit dir?«

»Nichts. Nur ein verdorbener Magen. Ich lege mich hin, dann ist es morgen wieder gut.«

»Du hast geweint«, sagte die Mutter ins Zwielicht. Woher wusste sie das? Jäh wurde Katharina klar, dass die Mutter, die am Treppenabsatz wartete, eine Frau war wie sie. Flüchtig wünschte sie ihr nahe zu sein wie in der Nacht, als sie in ihrem Blut erwacht war. Sie hätte sie gern gefragt: Hat dich je ein Mann so verletzt? Wie hast du es ausgehalten, hat es irgendwann aufgehört, so weh zu tun?

Der Augenblick verflog. »Mir geht es schon besser«, murmelte Katharina und wollte weitergehen, doch eine Männerstimme rief sie zurück. Onkel Fiete. Sein Kopf tauchte über der Schulter der Mutter auf. »Ich halte es für angebracht, dass Kathi bei uns bleibt. In einer Stunde der Prüfung sollte die Familie beisammen sein. Schlimm genug, dass meine Schwägerin Traude kein Einsehen hat.«

Die Mutter rettete sie. »Katharina ist unwohl«, sagte sie. »Ob sie bei uns sitzt oder sich hinlegt, wird an der Lage wohl nichts ändern.«

Katharina war dankbar, sie hätte die Verwandten im Saal nicht ertragen. Schlafen aber konnte sie erst recht nicht. Stundenlang saß sie am Fenster und starrte hinaus in die Nacht, in der Benito gewiss nicht mehr wartete, sondern das schöne Mädchen mit in sein Zimmer nahm. Mit der kindischen Katharina hatte er nie den Wunsch verspürt, es zu tun.

In den nächsten Tagen schien alles erstarrt – der Krieg, die Erregung, selbst der Lauf der Zeit. Stunden krochen wie müde Schlangen. Die Starre lastete auf Katharina, die von schlaflosen Nächten ausgelaugt war und sich wie verwundet fühlte. Sie aß nichts, sprach kaum und mied jede entbehrliche Bewegung. In ihr aber wütete ein Sturm, der ihre Grundfesten ins Wanken brachte und sich irgendwann würde entladen müssen.

Gelandet waren die Nordamerikaner tatsächlich, doch wie viele es waren und was sie taten, wusste Katharina nicht. Weiterziehen, nahm sie an. Irgendwohin, wo sie ihr Leben nicht berührten. Sie hatten die Wasserzufuhr und den Transport von Lebensmitteln nach Veracruz abgeschnitten, doch in der Siedlung gab es von beidem genug, und darüber hinaus vermochte Katharina nicht zu denken. Das Drama, das sich in ihrem Inneren abspielte, forderte all ihre Kraft, für ein Drama von außen gab es keinen Raum.

Ihre Verwandten waren mit sich selbst beschäftigt. Zumindest kam es ihr so vor, bis es eines Abends an ihrer Tür klopfte und ihr Vater im Zimmer stand. Er war lange nicht mehr hier gewesen, nicht mehr seit jenem Tag. »Ich wollte nachschauen, ob es dir gutgeht«, murmelte er. »Die Mutter sagt, du isst schlecht.«

Wie er dort stand, ein großer Mann mit massigen Schultern und den wärmsten Augen, die sie kannte, weckte er in ihr den Wunsch, noch einmal Kind zu sein und in seine Arme zu flüchten. »Es geht mir gut«, antwortete sie. »Nur ein verdorbener Magen, nichts Ernstes.«

»Gott sei Dank.« Er sandte ihr ein Lächeln, das sofort wieder verschwand. »Ich hätte gern, dass du etwas weißt, Palomita.«

Kleine Taube. So hatte er sie nicht mehr genannt, seit er an jenem Tag mit fremder Stimme gefragt hatte: Ist meiner Palomita etwas geschehen?

»Ich bin ein maulfauler Hanseate und tue mich mit diesen Dingen schwer«, sagte der Vater. »Aber ich will, dass du weißt: Ich habe dich immer geliebt. Egal, was ich getan habe, egal, was wir alle getan haben, du warst vom ersten Tag an das Schönste für mich. Das Glück meines Lebens, und du bist es noch.«

Egal, was wir alle getan haben. Auf einmal war es auch Katharina egal. Sie sprang aus dem Bett, lief im Nachthemd zu ihrem Vater und umarmte ihn. Er hielt sie und wiegte sie. Es wird alles wieder gut, nur ein kleines bisschen Mut.

»Wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann, Palomita …«

Diesmal war sie es, die ihm ein Lächeln sandte. »Du könntest mich zudecken, wie du es gemacht hast, als ich klein war.« Katharina legte sich nieder, und ihr Vater zog ihr die Decke an den Hals. »Morgen bin ich gewiss wieder gesund.«

»Gewiss, mein Augenstern. Gute Nacht.« Er wandte sich zum Gehen, doch an der Tür drehte er sich noch einmal um. »Wir sind alle etwas angespannt mit den Soldaten so nah bei der Stadt, aber dieser Tage müssen sie ja abziehen. Bevor sie uns aushungern, geht ihnen selbst der Proviant aus. Sag, wollen wir, wenn sie weg sind, zusammen einen Ausflug machen? Irgendwohin ins Grüne. Ich weiß, wir haben das nie gemacht, aber …«

»Wir machen es«, versprach sie ihm.

Er langte nach dem Türgriff. »Es ist dein Herz, das krank ist, nicht wahr?«

Katharina ballte unter der Decke die Fäuste.

»Du kannst dir sicher nicht vorstellen, dass ein stoffeliger Klotz wie ich davon etwas weiß«, sagte ihr Vater. »Aber ich weiß es, Palomita. Verrückt, dass man als Vater denkt: Wenn ein junger Spund meinem Mädchen weh tut, schlage ich ihn tot. Dabei kann man nichts Falscheres tun, denn wer, der einen Menschen liebhat, will, dass ihm ein Haar gekrümmt wird?«

Ich, dachte Katharina trotzig, lachte ihrem Vater zu und blies die Kerze aus. Zum ersten Mal wünschte sie, sie hätte Benito nie gekannt, ihr Vater und sie wären immer ein Herz und eine Seele gewesen und sie könnte sich auf den Ausflug ins Grüne freuen. In dieser Nacht hörte sie in der Ferne Geschützfeuer oder Gewitterdonner. Am Morgen war der Sturm in ihr zum Orkan geworden, und sie hielt es im Haus nicht mehr aus.

Sie würde zu den Temperleys gehen. Nicht, um Benito zu sprechen, sondern um mit eigenen Augen zu sehen, dass er ein schönes Mädchen namens Inez liebte, kein wütendes Mädchen namens Kathi Lutenburg. Im Haus war niemand als die Sanne, sie konnte gehen, wie es ihr beliebte. Sie hatte kaum den Strauch, an dem die Blüten welkten, erreicht, als sie den Reiter entdeckte, der im Galopp auf sie zusprengte. Dies war ein friedvolles Viertel, in diesen Straßen ritt niemand im Galopp. Der Reiter zügelte das Pferd, einen zierlichen Schimmel, und sprang, ehe es stillstand, ab. »Ichtaca«, rief er leise und atemlos.

Das verdammte Wort, das vermutlich auch aus deiner und Inez’ Sprache stammt, will ich nie mehr hören.

Sie blieb stehen.

Benito band das Pferd an einen Pfahl und machte zwei Schritte auf sie zu. »Ich habe so oft versucht dich zu sprechen«, sagte er.

»Und warum?«

Ein Anflug von Verwunderung huschte über sein Gesicht. »Ich muss sichergehen, dass ihr Bescheid wisst und euch schützt.«

»Schützt wovor?«

»Katharina!«, rief er, als müsste er sie aus dem Schlaf reißen, »diese Stadt wird belagert, ist dir das nicht klar? Die Amerikaner haben bedingungslose Kapitulation gefordert, die General Morales ihnen nicht gewähren wird. Noch haben sie keine Artillerie aufgefahren, aber nicht mehr lange, und sie werden es tun.«

Katharina verstand nichts vom Krieg. Schwere Kanonen würde aber doch niemand in großer Zahl übers Meer schaffen. Er tat sich nur wichtig. Er wollte sie einschüchtern, sie wieder kirre machen. »Das ist Unsinn, was du redest. Das können sie nicht.«

»Es hat auch niemand geglaubt, dass sie zehntausend Mann unbehelligt anlanden können, doch genau das haben sie getan. Ich bitte dich, sag deinen Leuten, sie sollen Lebensmittel horten, alles, was sie bekommen können, und ihre Häuser nicht mehr verlassen. In ihrer Nische ist eure Siedlung halbwegs geschützt, aber nur ein Stück weiter, bei deines Vaters Brauerei, käme er unter Beschuss. Sag ihm, er soll zu Hause bleiben, verrammelt eure Türen, und vor allem lasst kein Mädchen durch die Stadt streunen. Vertrau mir, Ichtaca. Wo Soldaten herumlaufen, die seit Monaten keine Frau hatten, ist das der pure Wahn.«

Vertrau mir, Ichtaca. Das hatte er schon einmal gesagt, und was hatte es ihr eingebracht? Schmerz und Zorn tobten gegen ihre Brust. »Du machst mir nicht noch einmal Angst!«, schrie sie. »Du treibst mich nicht noch einmal hinter Mauern, während du mit deinem Liebchen den Frühling genießt!« Nur jetzt nicht weinen. Ihm den Triumph nicht gönnen. »Dir vertrauen soll ich? Das habe ich einmal getan, drei Wochen lang, in denen ich auf dich gewartet habe, aber ich bin nicht so dumm und tue es ein zweites Mal!«

»Zum Teufel!«, rief er und sprang den letzten Schritt auf sie zu. »Hierbei geht es nicht um dich und mich, begreif das doch. Darüber sprechen wir später, wenn alles …«

»Ach, wenn alles vorüber ist und du mir eine Nachricht sendest, ja?« Vor ihren Augen tanzten Schleier. »Hier geht es sehr wohl um dich und mich, und alles andere kannst du dir schenken!« Ihre Stimme brach. Hinter den Schleiern stand sein regloses Gesicht, das keinen Schmerz fühlte. Sie holte aus. Noch immer durch Schleier sah sie, wie seine Hand in die Höhe schoss, um ihre abzufangen, doch im letzten Augenblick ließ er sie fallen. Mit ganzer Kraft prallte ihre Hand auf seine Wange. Es tat ihr weh, und es machte ein entsetzliches Geräusch.

Die Schleier zerrissen. Das Pferd scheute und stieß ein Wiehern aus. Benito trat zu ihm und strich ihm beruhigend den Hals. Dann wandte er sich wieder Katharina zu. Sein Gesicht war kühl und schön, wie in Holz geschnitten. »Besten Dank, meine Dame. Habt Ihr Euren Knecht zur Zufriedenheit bestraft? Darf ich gehen?«

Sie stand starr da und sah ihn an. Das schwarze Haar, das ihm in die Stirn fiel, die geschwungenen Linien der Brauen, die langen Lider, die Augen. Ihr Körper kam ihr vor wie die Luft, die völlige Windstille, zu schwer, sich zu bewegen. Nach ein paar Atemzügen stieg er aufs Pferd und ritt davon.