32. Dogfight

 

Karl Wiegner

 

Er war draußen. Über ihm nichts als blauer Himmel. Unweit von ihm stand ein mächtiger Kastanienbaum. Wiegner konnte die Blätter rauschen hören. Und die Vögel sangen tatsächlich. Eigentlich sollte er sich schlagartig besser fühlen. So war es immer gewesen, wenn er sich nach einer Panikattacke wieder im Freien befunden hatte. Aber das geschah nicht. Vielleicht wirkte die Angst noch nach. Vielleicht lag es auch daran, dass er diese blöde Atemmaske trug. Es war wie verhext. Immer stellte sich etwas zwischen ihn und die Welt. Die Maske musste weg. Aber das ging nicht. Zusammenreißen, immer weiter zusammenreißen. Was, wenn er sich nicht mehr kontrollieren konnte? An die Katze denken, immer weiter an die Katze denken.

Wiegner musterte das Hauptgebäude. Es hatte zwei Stockwerke. An den Hof schloss sich ein alter Stall an. Zusammen bildeten die beiden Gebäude eine Einheit. Wiegner wusste, dass die Bauern in früheren Zeiten einen solchen Stall genutzt hatten, um mit der Körperwärme der Tiere ihr Haupthaus im Winter warmzuhalten. Das war hier vermutlich überflüssig. Langsam wanderte sein Blick von einem Fenster zum nächsten. Überall versperrten dieselben vergilbten Gardinen die Sicht in die Zimmer. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Sie konnten warten, bis die Nacht hereinbrach oder sie mussten in dieses blöde Haus eindringen. »Wir gehen rein.«

Der Truppführer nickte. »Ihr habt den Oberst gehört.«

Wiegner drückte auf die Sprechtaste. »Foxtrott von Echo-Eins.«

»Foxtrott hört.«

»Wir gehen jetzt in das Hauptgebäude.«

»Verstanden, Echo-Eins.«

Die Soldaten setzten sich in Bewegung. Mit einer Ramme schlugen sie die Eingangstür ein. Die ersten Fallschirmjäger drangen in geduckter Haltung und mit erhobener Waffe in das Haus ein. Wiegner folgte ihnen. Er drückte die Funktaste. »Im Zweifel: Erst schießen dann fragen.«

Der geräumige Flur, den der Oberst betrat, benötigte dringend die gütige Hand eines Inneneinrichters. An den Wänden hingen unzählige Schwarz-Weiß-Bilder. Eine auf vergilbter Mustertapete drapierte Ahnengalerie. Bauer und Bäuerin, mit Anzug und Kleid verkleidet, posierten neben einer dampfbetriebenen Dreschmaschine. Zwischen den Fotos war eine verstaubte Kuckucksuhr befestigt. Sie zeigte auf fünf nach zehn. Ihr Herz hatte möglicherweise bereits vor Jahrzehnten aufgehört zu schlagen. Es roch nach Hausstaub.

Die Fallschirmjäger durchsuchten Zimmer für Zimmer. Tasteten sich langsam von einem Raum in den nächsten vor. Wiegner betrat die Küche. Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit Müsli. Das Getreide und die Milch waren zu einem graubraunen Brei verschmolzen. Er hörte eine Stimme in seinem Headset. »Das Erdgeschoss ist gesichert. Keine Kontakte.« Pause. »Moment. Ich habe hier was. An der Treppe.«

»Warten Sie, bis ich an Ihrer Position bin.«

»Verstanden.«

Der Oberst verließ die Küche und ging den Flur entlang. Als er an der Treppe zum Obergeschoss ankam, roch er es sofort. Der Soldat, der die Meldung gemacht hatte, deutete die Stufen hinauf. Wiegner nickte. Da oben wartete der Tod. Der Gestank war unverkennbar. Irgendetwas Großes moderte dort vor sich hin. Der Geruch ließ sich leider durch die Partikelfilter der Atemmasken nicht abhalten.

Gebäude waren ein taktischer Albtraum. Überall konnte der Feind nahezu unsichtbar lauern, man selber hatte weder freies Sicht- noch Schussfeld. Bei aller Vorsicht und taktischem Gehabe hieß es am Ende: Augen zu und durch.

Die Soldaten bewegten sich die Treppe hinauf. Der Gestank nahm zu. Fliegen summten um ihre Köpfe herum. Es schien, als wollten sie die Eindringlinge vertreiben, sich ihr Mahl nicht nehmen lassen. Der alte Dielenboden knarrte. Wiegner versuchte möglichst flach zu atmen. Bloß nicht in die Maske kotzen. Die ersten beiden Räume waren leer. Ein Schlafzimmer und ein Gästezimmer. Die Möbel, über die Generationen vererbt, waren mehr als hundert Jahre alt. An der Decke hatte sich ein riesiger Wasserfleck gebildet. Das Dach musste längere Zeit undicht gewesen sein. Vielleicht roch es deswegen so modrig. Nein, das war Wunschdenken. Außer verwesendem Fleisch gab es nichts, was einen solchen Gestank erzeugte. »Herr Oberst.« Wiegner trat an dem Soldaten vorbei in eines der Zimmer. Eine Art Arbeitsraum. In der Mitte des Raumes steckte ein Haken in der Decke, an dem ein Seil befestigt war. Unten am Seil hing ein Kopf in einer Schlinge. Am Kopf der Rest des Körpers. Der Mann, der sich dort aufgehängt hatte, war ungefähr sechzig Jahre alt. Fliegen krochen ihm aus dem halb geöffneten Mund. Wiegner stand kurz davor, sich zu übergeben. »Wie sieht es in den restlichen Zimmern aus?«, fragte er.

»Keine Feststellungen.«

»Dann raus hier. Mir reicht es.«

»Sollen wir ihn nicht losschneiden?«

»Niemand fasst etwas an. Der Mann ist tot. Seinem Kadaver ist die Ausrichtung im Raum egal.«

Der Trupp lief zügig die Treppe hinab. Der Tote hing da nicht seit gestern. Wiegner schätzte eher auf drei bis vier Tage. Selbstmord im richtigen Moment. Wiegner stolperte ins Freie und riss sich die Atemmaske vom Gesicht. Endlich Luft. Darauf hatte er gewartet.

 

Sie waren im Begriff die Fahrzeuge zu besetzen, als einer der Soldaten losschrie und die anderen auf das Flugzeug aufmerksam machte. »Da. Seht euch das an.« Wiegner ließ sich einen Feldstecher reichen. Er hatte Schwierigkeiten, die Maschine im Sichtfeld zu behalten. Sehr schnell. Das war ein Jäger. Das Flugzeug befand sich in starker Seitenlage, flog eine enge Kurve. Er erkannte die Flügel und das Leitwerk der Maschine. F-16. Wiegner war lange genug bei der Luftwaffe, um zu wissen, dass die Bundeswehr keine F-16 besaß. Jetzt hörte er das Triebwerk. Ein lang gezogenes Donnern. »Wer ist das?«, fragte einer der Soldaten.

»Das ist der Feind«, antwortete Wiegner, ohne das Glas abzusetzen. Die waren viel zu nah. Warum waren die so nah rangekommen? »Die greifen die Anlage an.«

»Warum sollten sie die Anlage angreifen?«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ein Manöver abhalten oder dass wir Zeugen einer Flugshow sind. Und was sollen die hier sonst angreifen? Das Haus der bösen Hexe im Wald?«

Wie zur Bestätigung rollte das Grollen einer Explosion über die Hügel. Eine schwarze Rauchwolke stieg in der Nähe von Fenris auf. Scheiße, da hatte es eine der Radaranlagen erwischt. Aila, was machst du? Wiegner unterdrückte den sinnlosen Impuls sofort wie ein Irrer zurück zum Bunker zu rennen. Warum war er nicht dort geblieben? Eine weitere Explosion erschütterte den Wald. Vögel flogen aufgeschreckt aus den Baumkronen auf. Plötzlich stiegen über Fenris fünfzehn weiße Rauchsäulen in den Himmel. Auf jeder Einzelnen tanzte träge ein kleiner schwarzer Punkt. Die Raketen stiegen bedächtig, fächerten dabei auseinander und malten mit ihren Abgasen einen Blumenstrauß in den Himmel. Für einen kurzen Moment schien es, als würden die Patriots ihren Kampf gegen die Schwerkraft verlieren, und wie billige Silvesterraketen wirkungslos zu Boden fallen. Schlaues Mädchen. Erst das Feuer eröffnen, wenn man das Weiße im Auge des Feindes sieht. Dann war es aus mit der Trägheit. In Sekunden beschleunigten die Flugabwehrraketen auf fünffache Schallgeschwindigkeit, stoben in unterschiedliche Richtungen davon, waren mit dem Auge nicht mehr zu verfolgen. In weiter Ferne wurde ein Feuerwerk am Himmel abgebrannt. Eine der angreifenden Militärmaschinen hatte zur Raketenabwehr Flares abgeworfen, um die Infrarotsensoren der Raketen zu täuschen. An einer anderen Stelle am Himmel sah Wiegner etwas glitzern. Das waren vermutlich Täuschkörper aus Aluminiumstreifen, die den Radar der Zielerfassung verwirren sollten. Wieder eine Explosion im Wald. Dann blitzte es am Himmel. »Nummer eins.« Wiegner versuchte, die Anzahl der Angreifer festzustellen. Aber die Entfernungen waren zu groß. Das rollende Dröhnen der Triebwerke kam von überall.

»War das ein Treffer?«

»Treffer und versenkt«, antwortete Wiegner. Der Lärm der Flugzeugturbinen wurde von einem schrecklichen Summen übertönt, als säße ein Riese bei einer zahnärztlichen Wurzelbehandlung. Urplötzlich ragten drei rot leuchtende Stangen vom Wald aus in den Himmel. Ein Stakkato von Explosionen folgte. Die Stangen wurden alle fünfzig Meter von Rauchwolken eingehüllt.

»Was zum Teufel ist das?«

»Das, mein Junge, ist eine volle Breitseite. Leg dich niemals mit älteren Damen an.« Wiegner hatte die Railguns noch nie in Aktion gesehen. Die Waffen feuerten magnetisch beschleunigte Geschosse ab. Sechshundert Schuss in der Sekunde, jedes einzelne Projektil wurde auf über dreißigtausend Stundenkilometer beschleunigt. Das brachte die Luft zum Verbrennen. Es entstand ein Unterdruck, der zu Implosionen in der Atmosphäre führte.

Die Welt versank im Chaos. Explosionen am Boden, Blitze am Himmel. Das Surren der Railguns durchmischt mit dem Donnern von Triebwerken. Über dem Wald stiegen immer mehr Rauchsäulen empor. Die fackelten den ganzen beschissenen Schwarzwald ab.

Dann wurde es still.

Am Himmel sah Wiegner mehrere Rauchwolken. Sie wurden schnell vom Wind auseinandergetrieben. Dort wo Fenris lag, waberte schwarzer Qualm langsam nach oben.

»War es das?«

»Ich nehme es an.« Wiegner ließ das Fernglas sinken. Aila hatte sich gut geschlagen. Das stand fest. Die feindlichen Maschinen waren zerstört oder geflohen, die Anlage sicher nicht ernsthaft beschädigt. Aber wer eine Schlacht gewinnt, gewinnt noch lange nicht den Krieg. Er wendete sich an den Truppführer: »Stellen Sie Abmarschbereitschaft her. Sichern Sie die Fahrzeuge. Ich werde Kontakt mit Fenris aufnehmen.«

Wiegner entfernte sich etwas von seinen Leuten und verlangte über Funk eine persönliche Verbindung mit Torbeck.

»Karl? Geht es dir gut?«

»Die Frage ist, wie geht es dir? Was ist passiert?« Sie klärte ihn auf.

»Du hast dich tapfer geschlagen. Alle Achtung.«

Torbecks Stimme klang verzweifelt. »Wir haben keine Patriots mehr. Ich habe alle abfeuern lassen. Das war dumm.«

»Das ist in Ordnung. Du hast uns verteidigt. Das ist die Hauptsache.«

»Meinst du?«

»Ja.«

»Das waren die Amerikaner«, sagte sie mit Überzeugung.

»Das denke ich auch.«

»Warum tun die das?«

Wiegner dachte nach. »Weil sie noch weniger Ahnung haben als wir. Die wissen gar nichts.«

»Wissensrückstand ist kein Grund für eine Kriegserklärung.«

»Vielleicht doch. Vermutlich halten sie uns für verantwortlich. Sie glauben, Fenris ist schuld. Die Anlage hat in den letzten Wochen für genug Wirbel gesorgt. Und dann geht auf einmal die Welt unter. Merkwürdiger Zufall. Du weißt, wie die Menschen sind. Wenn sie vor etwas Angst haben, dann suchen sie immer einen Sündenbock. Wer weiß, welcher Bekloppte bei denen jetzt am Ruder sitzt.«

»Ergibt das einen Sinn?«

»Hat es Sinn ergeben, Frauen als Hexen zu verbrennen, weil die Ernte schlecht war? Nein. Man hat es trotzdem getan.«

»Wir müssen Kontakt aufnehmen. Einen zweiten Angriff überstehen wir nicht.«

»Es fragt sich nur, wie. Die NATO-Rechner sind down.«

»Vielleicht funktioniert das Internet noch so weit, dass wir eine Verbindung herstellen können.«

»Und mit wem?«

»Keine Ahnung. NORAT?«

»Willst du ihnen twittern? Dann vergiss nicht, ihren Status zu liken.«

»Lass den Mist. Was machst du jetzt?«

»Das, wofür ich hier bin. Wir fahren in das Dorf.«

»Was war mit dem Aussiedlerhof?«

»Keiner zu Hause.« Es gab keinen Grund, ihr die Wahrheit zu erzählen. Kurzes Schweigen.

»Karl?«

»Ja.«

»Was mache ich, wenn die wieder angreifen? Wir haben nur noch eine Radarstation. Unsere Luftraumüberwachung ist nichts mehr wert. Beim nächsten Mal werden sie sich besser anstellen.«

»Vielleicht. Es kann aber auch sein, dass sie es bleiben lassen. Möglicherweise haben sie keine Ressourcen mehr.«

»Wie kommst du darauf?«

»Weil die Anlage zu zerstören nur die zweitbeste Möglichkeit ist. Fenris zu vernichten, würde die Seuche nicht stoppen. Es ist nicht mehr als ein infantiler Racheakt. Wenn die glauben, dass wir das Unheil über die Welt gebracht haben, dann würde es mehr Sinn machen, die Anlage zu übernehmen. Das können sie aber offensichtlich nicht. Dazu fehlen ihnen die Mittel. Vertraue mir Aila, denen geht es nicht viel besser als uns.«

»Denkst du wirklich?«

»Ja.«

»Pass auf dich auf, Karl.«

»Das werde ich.«

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, ließ Wiegner aufsitzen. Die Boxer-Panzer rollten über eine enge Teerstraße den Hügel hinab. Ungefähr zwei Kilometer voraus lag das Dorf Winterburg. Ob das, was er Aila über die Amerikaner gesagt hatte, tatsächlich stimmte, wusste er nicht. Wer konnte sagen, was bei denen los war? Möglicherweise war da jetzt irgendein Hinterbänkler aus Minnesota an der Macht. Oder das Militär hatte sich verselbstständigt. War das wichtig? Das Einzige, was eine Rolle spielte, war, dass er immer noch weit davon entfernt war, seinen Auftrag zu erfüllen und das er wieder in einem dreckigen Panzer saß. Wiegner starrte auf die Monitore. »Halt!«, schrie er.

Sofort blieb der Schützenpanzer ruckelnd stehen. »Herr Oberst?«

»Auf dem Feld habe ich Bewegung gesehen. Auf 3 Uhr. Was ist das?«

Der Panzerkommandant griff nach seinem Joystick und zoomte das Bild der Steuerbordkamera heran. »Das sind nur Kaninchen«, sagte der Kommandant.

Elendige Viecher. Die verfolgten ihn, warteten darauf, dass er einen Fehler machte. Wiegner schüttelte sich, als ob er etwas besonders Widerliches gesehen hatte. Mit der Linken griff er in die aufgesetzte Tasche seiner Cargohose. Da war nichts. Er war ein Vollidiot. Nur ein Vollidiot vergaß seine Medikamente. Er massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Sollte er die anderen vor den menschenfressenden Kaninchen warnen?

»Herr Oberst?«

»Was? Ja. Setzen Sie uns wieder in Marsch.«

»Jawohl.«

Der Wald lichtete sich. Die ersten Häuser gerieten in das Blickfeld und Wiegner gab den Befehl anzuhalten. Winterburg hatte eintausend Einwohner. Ailas Haus lag ganz in der Nähe. Ein seltsames Gefühl. Die Außenkamera suchte die Umgebung ab, zoomte sich an den Dorfrand heran. Da war nichts zu erkennen. Die Häuser lagen idyllisch zwischen bewaldeten Hügeln. »Kein Mensch zu sehen«, sagte der Panzerkommandant.

Wiegner nickte. Er drückte die Sprechtaste des Funkgerätes. »Foxtrott von Echo-Eins.«

»Kommen, Eins.«

»Anfrage. Haben wir Kontakte?«

»Negativ. Keine Personen auf der Straße. Keine Bewegung von Fahrzeugen. Bei Infrarot dasselbe Ergebnis. Nur ein paar Hunde. Wie es in den Häusern aussieht, können wir nicht sagen. Elektronische Aufklärung hat mehrere Hundert Handys geortet. Sie verteilen sich über das gesamte bebaute Gebiet. Es gibt eine Auffälligkeit im Bereich des Gemeinschaftshauses in der Nähe des Marktplatzes. Dort konnte die Drohne eine unbestimmte Anzahl von Handys orten. Die Impulse überlagern sich gegenseitig. Eine genauere Aufklärung ist nicht möglich.«

»Verstanden, Foxtrott. Haben Zielgebiet erreicht. Fahren in das Dorf mit Ziel Marktplatz.«

»Sind Sie sicher? Das stellt ein...«

»Ich bin sicher.«

»Verstanden, Echo-Eins.«

Wiegner gab den Befehl vorzurücken. Die drei Schützenpanzer setzten sich ruckend in Bewegung. Die Motoren zogen gierig den Diesel aus den Tanks. Die Panzer waren im ganzen Dorf zu hören. Die Kolonne erreichte die ersten Häuser. Die Bildschirme zeigten immer noch nichts Ungewöhnliches. Gepflegte Vorgärten, Autos, die in den Auffahrten standen. Aber keine Bewohner.

»Echo-Zwei und Drei von Eins.«

»Zwei hört.«

»Drei hört.«

»Anfrage. Wahrnehmungen bezüglich Anwohner?«

»Eins negativ.«

»Zwei negativ.«

»Haltet die Augen offen. Wir rücken vor bis zum Marktplatz.« Die beiden anderen Fahrzeuge bestätigten. Wenn er mit drei Schützenpanzern die Dorfstraßen entlang rumpelte, dann müssten alle auf die Straße rennen und ihre Hälse recken. Aber hier war keine Menschenseele. Das fühlte sich nicht gut an. Überhaupt nicht gut. Vielleicht hatten die Karnickel alle gefressen. Mit Schrittgeschwindigkeit fuhren sie weiter und erreichten den kleinen Marktplatz. Die Bilder blieben die gleichen. Das Dorf wirkte wie eine Filmkulisse an einem drehfreien Tag. »Bereit machen.« Die Soldaten zogen sich ihre Schutzmasken auf, griffen sich ihre G-36-Gewehre. Der Gruppenführer gab ein Handzeichen. »Absitzen.« Die Heckklappe schob sich zur Seite. Einer nach dem anderen sprangen die Soldaten nach draußen, sicherten in einem Halbkreis die Fahrzeuge. Wiegner stand auf dem Kopfsteinpflaster und sah sich um. Seine Oberschenkelmuskeln zitterten wie bei einem nervösen Rennpferd. Sie würden sich das nahe Gemeindezentrum und die Kirche ansehen. Für die Panzer waren die kleinen Gassen zu eng. Sie mussten die letzten zweihundertfünfzig Meter zu Fuß gehen. Zusammen mit fünf Soldaten bewegte Wiegner sich über den Marktplatz. Der Rest des Trupps verblieb bei den Fahrzeugen. Sie erreichten eine vier Meter breite Gasse. Die windschiefen Fachwerkhäuser neigten sich zur Mitte des Weges, machten aus der Straße vor ihnen fast einen Tunnel. Voraus lag alles im Schatten. Der Oberst hob die Hand. Der Trupp blieb stehen. Er hasste diese Schutzmasken. Der Atemwiderstand war unangenehm. Länger als zwei Stunden konnte man es damit nicht aushalten, dann brauchte die Lunge eine Pause. »Echo-Zwei von Eins.«

»Zwei hört.«

»Lage?«

»Unverändert.«

»Sitzen Sie wieder auf. Ich habe ein beschissenes Gefühl.«