55
Die Wohnbereiche mit den vielen Fenstern mit Blick auf den Petersplatz liegen im Ostteil des Apostolischen Palasts. Vor den Blicken der Welt geschützt, war hier für die Päpste stets ein Ort der Zurückgezogenheit, wo das Oberhaupt der katholischen Kirche sich der Illusion hingeben konnte, ein fast normales Leben zu führen. Die Mahagoniregale in der Bibliothek umfassten fünftausend Bände. Es war das Privatzimmer des Papstes, wo er sich in die Bücher, Zeitschriften und Zeitungen des aktuellen Weltgeschehens vertiefen konnte, während er an den alten Traditionen seiner spirituellen Berufung festhielt. Drei große Fernsehgeräte standen in einer Ecke und zeigten Nachrichten aus der ganzen Welt. Der Papst, der acht Sprachen fließend sprach, war in jedem Land zu Hause, und er genoss es, sich die Nachrichten anzuschauen, die die Meinungen der Menschen formten.
Mit gesenktem Blick saß Simon in dem in roten Farbtönen gehaltenen Empfangszimmer. Die Sofas und Sessel waren mit rotem Knautschsamt bezogen und mit goldenen Bordüren abgesetzt. Sie erinnerten an die Zeit der Renaissance, als dieser Ort der Mittelpunkt der politischen und der geistigen Welt war. Simons schwarze Soutane mit dem weißen Kragen bildete einen deutlichen Kontrast zu dem farbenprächtigen Raum. Er fühlte sich in seiner Amtstracht stets unwohl, als hätte er es nicht verdient, sie zu tragen. Dennoch hatte das traditionelle Priestergewand eine beruhigende Wirkung auf ihn.
Simon umklammerte feierlich das Holzkästchen auf seinem Schoß, das ein Zimmermann vor zweitausend Jahren geschnitzt hatte. Er hob den Deckel hoch und bewunderte ein letztes Mal die Schlüssel.
Die Tür wurde geöffnet. »Ihre Heiligkeit empfängt Sie nun, Pater«, sagte ein kleiner, kahlköpfiger Mann auf Italienisch. Erzbischof Baptiste, der persönliche Sekretär des Papstes, trug das traditionelle purpurrote Gewand eines Mannes seiner Position.
»Danke, Eminenz«, erwiderte Simon und verbeugte sich. »Haben Sie Ihre Heiligkeit über meine Bitte informiert?« Simon war der Meinung, dass es nur einen sicheren Platz für die Schlüssel geben konnte: im Besitz des am besten beschützten Mannes der Welt.
»Der Heilige Vater fand den Vorschlag amüsant«, erwiderte der Kardinal. »Er hat noch nie einen Schlüsselbund getragen.«
Sie betraten das Heiligtum, in dem der Papst wartete.