27.
Angelus Finster hielt Hof in seiner Bibliothek. Seine mit dicken Ledermöbeln ausgestattete Oase der Stille war ganz dazu angetan, leicht zu beeindruckende Leute zu beeindrucken. Die drei Damen saßen sich am Kamin auf Sofas gegenüber und hielten ihre frisch nachgefüllten Gläser in der Hand. Sie trugen die schönsten Abendkleider aus den nobelsten Modegeschäften Berlins.
Finster kam auf unterschiedliche Weise an seine Frauen. Vor allem sein Reichtum und sein Charme waren ein unwiderstehliches Aphrodisiakum, durch das er attraktive Frauen anzog wie der Honig die Bienen. Elle mit dem feuerroten Haar hatte ihn heute Morgen auf ihrem Weg von einem Fotoshooting getroffen. Das internationale Model hielt ihre Mappe in der Hand, als sie bemerkt hatte, wie Finster sie musterte. Sie war auf der Stelle von ihm hingerissen. Die reizende June war zu einem Interview in Finsters Unternehmen gekommen und mit einer Einladung wieder gegangen. Und Jackie – nun, Jackie war heute Abend einfach unangemeldet bei ihm aufgetaucht, nachdem Freundinnen, die Finsters Charme bereits kannten, sie dazu ermutigt hatten.
Doch hinter seinem Geld und seinem Charme versteckte sich noch etwas anderes. Sie spürten es alle, aber niemand konnte sagen, was es war. Dieses Etwas zog jeden an, blieb aber stets außer Reichweite. Man konnte es mit dem letzten Traum vergleichen, ehe man erwachte und an den man sich nicht erinnern konnte. Es war wie eine Art Zauberei. Und obwohl er als König der One-Night-Stands bekannt war, flogen ihm die Frauenherzen zu. Mit Finster konnten die Frauen angeben, als hätten sie eine Affäre mit einem Rockstar. Finster war ein regelrechter Elvis, der mit seinem Hüftschwung die Herzen der Frauen eroberte.
Als das Telefon klingelte, reagierte Finster nicht darauf. Es klingelte dreimal, ehe es schließlich verstummte. Finster hasste es, gestört zu werden, wenn es nicht unbedingt nötig war.
»Wir werden im El Grocia speisen«, verkündete Finster. Er besuchte stets die neuesten Restaurants. »Ich habe für Viertel nach acht einen Tisch reservieren lassen.«
June und Jackie lächelten. Es war ein Lächeln, das ihre Dankbarkeit und ihre Begeisterung ausdrückte, seine Gesellschaft genießen zu dürfen. Nur Elle lächelte nicht. Sie wusste, dass man im El Grocia acht Wochen vorher einen Tisch reservieren musste, was deutlich machte, wie einflussreich Finster war. In Elles Augen waren die beiden anderen nichts weiter als dumme Flittchen, die auf eine schnelle Nummer aus waren.
Plötzlich stand Charles schweigend mit einem Umschlag in der rechten Hand im Türrahmen. Diskret reichte er seinem Herrn den Umschlag und beugte sich an das Ohr des Milliardärs. Es lag nicht in Elles Naturell, sich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen, aber sie interessierte sich für alles. Obwohl Charles leise sprach, verstand sie das meiste. Finster warf Elle einen Blick zu, als könnte er ihre Gedanken lesen. Sein flüchtiges Lächeln war warm, doch seine Augen blickten kalt und jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Plötzlich schämte sie sich und hatte Angst, obwohl sie gar nichts Interessantes aufschnappte.
Finsters Chauffeur, der draußen wartete, drückte auf die Hupe des Bentleys. Charles verließ die Bibliothek, und Finster führte die Damen hinaus zum Wagen. Jackie und June kicherten, als der Chauffeur ihnen die Türen der Limousine aufhielt. Finster blieb stehen, drehte sich zu Elle um und legte einen Arm um ihre Schultern.
Vielleicht ist ja doch alles okay, sagte sich Elle. Sie sollte sich abgewöhnen, Gespräche anderer zu belauschen. Fast hätte sie das wieder einmal in Schwierigkeiten gebracht. Zum Glück war der warme Glanz in Finsters Augen zurückgekehrt. Gott sei Dank, dachte sie. Einen solchen Schreck wie vorhin hatte sie nicht mehr bekommen, seit sie damals in Paris erwischt worden war, als sie Lipgloss gestohlen hatte.
»Ich dachte, wir schicken diese beiden ... Kinder schon voraus«, sagte Finster zu Elle und schmiegte sich an sie.
»Das würde mir gut gefallen«, war alles, was Elle mit zitternder Stimme hervorbrachte.
»Warte in der Bibliothek auf mich, ja? Ich verabschiede sie und komme gleich zu dir. Dann können wir beide in aller Ruhe zu Abend essen. Nur wir zwei.«
Elle lächelte, als Finster zum Wagen ging, und hob den Blick zu den Sternen, wie sie es als Kind getan hatte. Und wie ihr Dad es ihr gesagt hatte, wünschte sie sich etwas, als sie den ersten Stern sah: Möge dieses Glück den Rest meines Lebens andauern!