26.
Paul konnte sich einfach nicht erklären, wie er Ziel interner Ermittlungen geworden war. Das konnte unmöglich sein. Er konnte sich nicht erinnern, dass er durch einen seiner Bewährungshäftlinge – und schon gar nicht durch Michael – zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens in Schwierigkeiten geraten war. Paul hatte die Problematik dieser besonderen Freundschaft nie aus den Augen verloren. Thal war aufgetaucht, ehe Mary krank wurde und ehe Michael das dunkle Kapitel seines Lebens sozusagen wieder aufgeschlagen hatte.
Warum ermittelte man also gegen ihn? Und warum war Thal nach Berlin geflogen? Wollte er Michael schnappen und dafür sorgen, dass er, Paul, noch mehr Schwierigkeiten bekam ? Oder steckte etwas anderes dahinter?
Paul saß in einem kleinen Computerraum mit einer Lampe, einem Stuhl, einem Schreibtisch und einem Computer. Keine Fenster, kein Teppich, keine Bilder, keine Dekoration. Das Byram Hills Police Department verfügte über riesige Datenbanken. Es handelte sich nicht nur um Vorstrafenregister – das Department hatte auch Zugriff auf eine große Anzahl an Datenbanken anderer Institutionen: FBI und Interpol, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen.
Es war nicht schwierig, Finster zu finden. Der Milliardär hatte zwar keine Vorstrafen, aber er hatte eine breite Spur in der Geschäfts- und Promiwelt hinterlassen. August Finster war ein regelrechter Gates-Turner-Trump des ehemaligen Ostblocks. Paul fand in den Archiven der Bloomberg News ein Video von Finster. Das Video zeigte einen tadellos gekleideten Mann, der eine Vorstandssitzung leitete, der sein riesiges Vermögen verwaltete und auf Empfängen und Festen brillierte. Was Paul besonders fesselte, waren die Filmaufnahmen, auf denen der Industrielle die ganze Nacht mit einigen der hübschesten Frauen tanzte, die Paul jemals gesehen hatte. Atemberaubende Schönheiten, die wie Top-Models aussahen. Ein Kommentator sagte dazu:
»August Angelus Finster, der bis zur deutschen Wiedervereinigung praktisch unbekannt war und dessen Vorgeschichte noch immer im Dunkeln liegt, ist zu einem der reichsten Menschen der Welt geworden. Dieser Mann hat noch nie Fehlschläge hinnehmen müssen. Er ist Single und ein harter Geschäftsmann, dessen einzige Schwäche schöne Frauen zu sein scheinen ...«
Das Bild zeigte den Milliardär umringt von einem Schwärm Schönheiten.
»Finster, der für seine nächtlichen Beutezüge bekannt ist«, fuhr der Reporter fort, »vergnügt sich jeden Abend mit zwei oder drei Schönheiten. Noch nie wurde er zweimal mit ein und derselben Frau fotografiert. Er sucht gerne die neuesten Szeneclubs auf, was ihm vor dem Hintergrund seines Geschäftsimperiums und seines Nachnamens ...«
Paul wollte gerade auf die Maus klicken und den Film schließen, als der Reporter endete:
»... den heimlichen Spitznamen ›Engel der Finsternis« eingebracht hat.«