Kapitel 37

Am nächsten Morgen fuhr Rosie direkt zum Sportplatz am Fluss. Während sie vor dem Wagen des Vieh- und Stationsbeauftragten stand, spürte sie, wie sich ein Kater in ihrem Kopf und Magen festzusetzen begann. Wie alle Verkäufer trug sie die Kappe der Kelpieauktion und hatte eine unübersehbare Auktionsnummer an ihren Ölzeugmantel geheftet. Während der Auktionator die Bedingungen und heutige Verfahrensweise verlas, schluckte Rosie ihre Nervosität und den schalen Nachgeschmack des Alkohols hinunter.

Billy legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter und zwinkerte ihr im Vorbeigehen zu, während Evan und Julian, auf großen Heuballen sitzend, ihr von weitem mit ihren Katalogen zuwinkten und ihr mit erhobenem Daumen Mut zusprachen. Sie winkte zurück.

»Passt auf, dass ihr rechtzeitig vor eurer Vorführung wieder hier seid, damit wir euch nicht erst suchen müssen«, sagte der Auktionator zu den Verkäufern. »Wer seine Nummer verpasst, kommt als Letzter dran. Das wäre soweit alles, glaube ich. Also amüsiert euch und viel Glück beim Verkauf.«

Die Gruppe der Verkäufer verlief sich, und Rosie ging zu Neville hinüber, um ihre Hunde von der Ladefläche des Pick-ups zu lassen. Sie führte sie in ein großes weißes Festzelt, an dessen Wänden goldene Strohballen ruhten und in gleichmäßigen Abständen kurze Hundeketten angebracht waren. Alle vier Hunde an der Leine hinter sich her führend, suchte Rosie nach ihrer Nummer.

»’Tschuldigung, ’Tschuldigung«, sagte sie, wenn sie sich an Verkäufern oder Käufern vorbeischob. Die Männer drehten sich um, um das hübsche Mädchen mit den vier gut gewachsenen Hunden zu mustern. Die Frauen aus dem Ort musterten sie ebenfalls, vor allem weil sie in ihr das behütete junge Mädchen wiederzuerkennen versuchten, dem es einst bestimmt gewesen war, Sam Chillcott-Clark zu heiraten.

Endlich entdeckte Rosie am anderen Ende des Zeltes die Ketten für ihre Hunde und hielt direkt auf die freien Plätze zu. Über den Ketten waren Schilder mit den Namen Clyde, Coil, Chester und Sally angebracht, und unter jedem Hundenamen stand in fetter Schrift der Name Rosie Jones und die jeweilige Verkaufsnummer. Obwohl rundherum achtzig andere Hunde lärmten und aufgeregt herumliefen, wirkten ihre Hunde verhältnismäßig gefasst und blickten immer wieder zu ihr auf, um sich zu vergewissern und um Augenkontakt zu halten.

Nachdem sie die Hunde angekettet hatte, tätschelte sie jeden einzelnen und beobachtete dann die Käufer, die durch die Reihen schlenderten, die Nummern ablasen und den jeweiligen Hund mit dem Eintrag im Auktionskatalog verglichen. Die meisten angebotenen Kelpies waren schwarz-braun oder rot-braun, sodass Chester mit seinem blau-grauen Fell eindeutig ins Auge fiel.

Von ihrem Sitzplatz auf einem Strohballen aus studierte Rosie die potentiellen Käufer. Es würde ein langer Tag. Sie müsste alle vier Hunde vorführen, und die Vorführungen verteilten sich über den ganzen Tag. Sie ließ den Blick über die Reihen von Kelpies wandern und dachte an Moss, Kelpie und Caesar. Wenn das Jack Gleeson sehen könnte, dachte sie. Er würde lächeln, ganz bestimmt.


Rosie kam als Dritte an die Reihe, um Sally in der Arena vorzuführen. Sie stand mit Blick auf die Zuschauer, die auf großen, rechteckigen Heuballen, auf der Tribüne oder auf den abgestellten Sattelhängern saßen. Sie hatte gehört, dass bis jetzt mindestens dreitausend Menschen das Eingangstor passiert hatten. Der Wind wehte kräftig aus Westen und ließ sie frösteln, während sie gleichzeitig ihre Nerven zu beruhigen versuchte. Billy kletterte auf den Lastwagen und schaltete sein Mikrofon ein.

»Ladies und Gents. Willkommen bei den Vorführungen auf der ersten Auktion für Arbeitskelpies in Casterton. Das heutige Ereignis ist der Höhe- und Schlusspunkt von jahrelangen Vorarbeiten, die in unserer Gemeinde geleistet wurden, und wir hoffen, dass diese Auktion viele Jahre lang als fester Termin gelten wird, und zwar national wie international. Die Zahlen des heutigen Tages beweisen, dass das Bedürfnis nach einer Schau besteht, bei der die besten Hunde des ganzen Landes vorgeführt werden. Aber ehe wir uns zeigen lassen, zu welchen Leistungen ein Kelpie fähig ist, möchte ich noch einigen Leuten danken …«

Rosie war so nervös, dass sie kaum mitbekam, wie Billy ihren Namen nannte.

»Ich sollte noch hinzufügen«, sagte Billy, »dass diese Veranstaltung vor allem von einem Mann inspiriert ist… einem außergewöhnlichen Viehtreiber namens Jack Gleeson. Mit dieser Auktion ehren wir ihn und seine Leistungen und damit auch die engen Verbindungen, die er zu anderen begnadeten Viehtreibern und Hundezüchtern von hier bis nach New South Wales knüpfte. Die Vision und die Großherzigkeit dieses jungen Iren machten das heutige Ereignis möglich. Wenn Sie also heute auf hoch spezialisierte Kelpies bieten, so möchte ich schließen, sollten Sie das auch als Anerkennung des Wirkens von Jack Gleeson und von Männern und Frauen wie ihm betrachten. Und jenen unter Ihnen, die heute einen Hund erwerben, möchte ich noch raten: Behandeln Sie die Tiere anständig, und seien Sie gut zu ihnen, denn ihr Blut ist kostbarer als Gold. Vielen Dank. Und jetzt zu unserem Agenten, der Ihnen jeden Hund im Katalog vorstellen wird.«

Applaus stieg aus der Menge auf und wurde sogleich vom Wind verweht.

Draußen in den großen Vorführgehegen fuhr sich Rosie nervös mit der Zunge über die Lippen. Sie brauchte sich keine Hoffnungen zu machen, auch nur einen Ton herauszubringen, solange ihr Mund vor Aufregung wie ausgedörrt war. Darum setzte sie statt eines Pfiffes ihre Körpersprache ein, um Sally die Herde zusammentreiben zu lassen. Sally umkreiste die Schafe in einem weiten Bogen und beruhigte dadurch die Herde trotz des scharfen Windes, der die Schafe ungewöhnlich nervös zu machen schien. Rosie blendete das Geplärr des Kommentators, die flatternden Werbebanner und die grellbunten, hin und her eilenden Zuschauer aus. Von jetzt an brauchte Sally bei jeder einzelnen Aktion ihre volle Unterstützung. Das hier war kein Trial; hier konnte sie herumlaufen und nach Lust und Laune auf den Hund und die Schafe einreden.

»Leite sie so an, wie du sie auch zu Hause anleiten würdest … hier kannst du diesen Quatsch von wegen ›Stehen bleiben und nur Pfeifsignale geben‹ vergessen«, hatte Billy ihr eingeschärft. »Führ sie vor, und lob sie ausgiebig. Du musst eine richtige Show machen.«

Rosie dachte an Jim und sein Konzept, seine Energie fließen zu lassen, wenn er einen Hund führte. Sie dachte an Jack, der seine Hunde bei Yalgogrin den Berg hinaufgeschickt hatte… und sie dabei gleichzeitig vorgeführt und seinen Spaß gehabt hatte.

Je näher Sally die schreckhaften Schafe heranführte, desto mehr entspannte sich Rosie. Sie rief: »Braver Hund!«, Sally wedelte kurz mit dem Schwanz, um sich für das Lob zu bedanken, blieb aber weiterhin geduckt, um jedes ausbrechende Schaf, das sich aus der Herde lösen wollte, sofort wieder einfangen zu können. Im Laufgang und beim Aussortieren arbeitete Sally wie eine Maschine, und die Menge lachte auf, als Rosie höflich »Vielen Dank, Sally« zu ihrer Hündin sagte, nachdem diese alles erledigt hatte, was von ihr verlangt worden war. Am Ende ihrer Demonstration nahm Rosie mit einem strahlenden Lächeln ihre Hündin hoch und tätschelte sie, während sie mit ihr aus dem Gehege kletterte. Die Menge applaudierte laut, beeindruckt von dem blonden Mädchen und der fügsamen kleinen Kelpiehündin.

Später am Vormittag zeigten auch Clyde und Coil ihre Künste, wobei Clyde zwischendurch unter die Schafe geriet und Rosie ihn erst wieder hervorlocken musste. Er war ein zäher Hund, weshalb er sich ohne einen Klagelaut wieder an die Arbeit machte, obwohl die Hammel mit ihren scharfen Hufen über ihn hinweggetrampelt waren. Nachdem sie drei ihrer vier Hunde vorgeführt hatte, hatten sich Rosies Nerven beruhigt, aber jetzt hatte sie es mit Chester zu tun – Mr Arroganz persönlich. Er war zu allem fähig. Sie fürchtete, dass er womöglich ein einzelnes Schaf von der Herde absondern und durch den Pferch hetzen könnte, nur um sie zu ärgern, oder dass er ihre Autorität in Frage stellen könnte, indem er nicht auf ihre Befehle reagierte. Aber stattdessen drückte er sich, als sie ihn in das große Gehege ließ, sofort flach auf die Erde und wartete ab, bis sich die Schafe beruhigt hatten. Auch später arbeitete er tadellos und folgte allen Kommandos. Er schien zu ahnen, wie wichtig ihr diese Vorführung war. Beim Anhalten im Gehege ließ er sich ein wenig bitten, aber Rosie spielte seine Spielchen mit und redete auf ihn ein wie auf ein ungezogenes Kind.

»Also bitte, Chester«, sagte sie zu ihm. »Ich sagte Stop! Und das heißt STOP … bitte. Na also! Vielen Dank!« Sie hielt ihre Hand hoch, um ihrem Kommando Nachdruck zu geben, und schon bald presste Chester den Bauch auf den Boden und sah sie scheel von unten an.

Rosie fürchtete, die Leute könnten ihn für ungehorsam halten, aber stattdessen hatte ihr Publikum kollektiv beschlossen, dass er ein Hund von Charakter war, und immer wieder brandete Gelächter auf, weil die Zuschauer seine Späßchen und die starke Beziehung, die er mit Rosie hatte, durchaus zu würdigen wussten. Die möglichen Käufer machten sich in ihren Katalogen ein Sternchen neben Chesters Eintrag … er war ein Hund, den man im Gedächtnis behielt … nicht nur wegen seiner Färbung.

Der Tag verging wie im Flug. Rosie fand kaum Zeit zu essen. Wenn sie ihre Hunde nicht vorführte, saß sie in dem großen Zelt auf einem Heuballen, umgeben von ihren Hunden, und unterhielt sich mit Leuten, die mit dem Gedanken spielten, bei der Auktion auf ihre Tiere zu bieten. Bei diesen Gesprächen streichelte sie den jeweiligen Hund und schilderte den Käufern seine Stärken und Schwächen beim Treiben und im Temperament. Jedes Mal erkundigte sie sich, wozu die Hunde gebraucht wurden. Manche wollten einen Hund für ihre Rinderherden, andere für ihre Schafe; manche für die Arbeit auf Kangaroo Island, wieder andere für die weiten Ebenen der Riverina oder die Buschweiden Tasmaniens. Die Menschen waren aus ganz Australien gekommen. Als der Termin für die Auktion näher rückte, lagen Rosies Nerven wieder bloß.

Ein Vertreter des Auktionators befahl den Verkäufern, ihre Hunde der Verkaufsnummer nach zu ordnen und sie am Auktionsplatz zu versammeln. Dort führten ein paar Stufen zu der behelfsmäßigen Bühne hinauf, auf der der breitschultrige Auktionator mit dröhnender Stimme in ein Mikrofon sprach. Rosie sah zu der Fußballzuschauertribüne hoch, die der Behelfsbühne gegenüberstand und auf der sich Unmengen von Schaulustigen drängten.

Sally war als Siebte an der Reihe. Als sie auf die Bühne trat, legte die kleine Kelpiehündin die Ohren an und begrüßte das Meer an Gesichtern mit einem rauen »Wuff!« Die Leute lachten.

»Da haben wir eine wirklich hübsche Lady, Ladys und Gents. Und ich weiß, dass Sie wissen, dass ich über die kleine Hündin hier auf der Bühne spreche, obwohl die Züchterin bei Gott nicht weniger ansprechend wirkt«, schäkerte der Auktionator.

Rosie lachte und ging in die Hocke, um Sally zu tätscheln, während der Auktionator um die Gebote bat. Sie merkte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als die Gebote auf $ 2000 schossen und immer noch stiegen. Der Hammer fiel bei $ 2500, und die Menge applaudierte begeistert. Der beste Preis bis dahin. Aber Rosie wusste, dass noch mehr als siebzig Hunde folgen würden.

Es war wie ein Rausch. Clyde ging für $ 3000 weg. Rosie stand schon nicht mehr ganz so aufgeregt oben neben Coil auf der Bühne und versuchte auszumachen, woher die Gebote kamen, aber sie konnte niemand Bestimmten erkennen. Der Auktionator ratterte die Preise in einem so atemberaubenden Tempo hinunter, dass sie sich alle Mühe geben musste, um den Endpreis mitzubekommen. Die Zuschauer applaudierten laut, als Coil schließlich für $ 3700 verkauft war. Die Gebote wurden immer heißer. Der Kelpie vor Coil war für $ 4000 weggegangen … der bisherige Rekord.

Beim Wechseln der Hunde im Zelt merkte Rosie, wie eine Woge von Traurigkeit sie durchlief, als sie Coil wieder an die Kette schloss und Chester an die Leine nahm, um mit ihm auf die Bühne zu steigen. In wenigen Stunden würden all diese Hunde aus ihrem Leben verschwinden. Sie betete, dass sie ein gutes Heim finden würden. Zur Sicherheit gab sie auf jeden Hund eine zwölfmonatige Rücknahmegarantie, falls die neuen Besitzer nicht mit der Persönlichkeit des Tieres klarkamen.

Zum letzten Mal stieg sie auf die Bühne und ließ Chester zu ihren Füßen Platz nehmen. Der Auktionator las die Beschreibung vor, die er in seinen Notizen stehen hatte.

»Dieser blau-graue Rüde von sechzehn Monaten hat in seinen Adern Blut aus den Beloka-, Pandara-, Capree- und Moora-Abstammungslinien. Er arbeitet gut auf der Weide und sehr gut im Gehege, im Schuppen und bei der Verladung. Mit seiner ausgeprägten Persönlichkeit zeigt er in jeder Lage eine Zähigkeit, die sich im ganzen Gehege bemerkbar macht; ein kraftvoller Hund, der angstlos die Schafe anspringt und anschlägt. Er ist auch als Hütehund für Rinder einsetzbar und könnte unter einer erfahrenen Hand im reiferen Alter bei Trials eingesetzt werden. Ladies und Gents, Rosie Jones hat bei der Ausbildung dieses Hundes einen phantastischen Job geleistet. Wer gibt das erste Gebot auf Chester ab … wie viel ist geboten?«

Rosie war fassungslos über die Reaktion. Die Gebote kletterten im Nu auf $ 2000 und stiegen in atemberaubendem Tempo weiter. Sie versuchte, die Bieter zu entdecken, aber sie konnte nur eine Dame in roter Jacke erkennen, die den Ellbogen ihres Partners drückte. Offenbar wollte sie den Hund um jeden Preis haben. Vielleicht sagte ihr die Färbung zu oder seine energische Reaktion bei der Vorführung. Warum auch immer, jedenfalls hatten es mehrere Bieter auf ihn abgesehen. Als die Gebote bei $ 4500 standen, holte der Auktionator kurz Luft. Soweit Rosie erkennen konnte, waren inzwischen nur noch drei Bieter übrig, von denen sich einer eben zurückgezogen hatte. Als der Auktionator weitermachte, bot er an, in Fünfzigerschritten weiterzusteigern, bis bei $ 5000 endgültig der Hammer fiel. Das Publikum jubelte, und Chester bellte, als wollte er sich für den Applaus bedanken. Rosie sprang von dem Anhänger auf den Boden, und sofort kamen mehrere Leute angelaufen, um ihr auf den Rücken zu schlagen.

»Gut gemacht«, meinte ein Mann.

»Mit dem hast du eindeutig einen Rekord aufgestellt«, sagte ein anderer.

Gleichzeitig aufgekratzt und betrübt kehrte Rosie ins Zelt zurück. Sie hatte gutes Geld mit ihren Hunden verdient… mindestens dreimal so viel, wie sie erwartet hatte. Aber trotz des Profits fühlte sie sich leer. Sie liebte diese Hunde und würde jeden einzelnen vermissen. Wenn sie weiterhin Hunde zum Verkauf züchten wollte, müsste sie abgebrühter werden, dachte sie bei sich.

Die Käufer kamen nach und nach vorbei, um den Händlern ihre Tickets zu zeigen und ihre Hunde abzuholen, und allmählich begann sich das Zelt wieder mit Gebell, Geplauder und Gelächter zu füllen. Die Menschen kamen und gingen wieder mit ihren Hunden. Rosie gab dem Mann, der Sally ersteigert hatte, die Hand und sah zu ihrer Freude, wie sich dessen Frau sofort bückte und tätschelnd auf Sally einredete. Die kleine Frau mit ihren grauen Haaren glühte vor Freude, Sally und Rosie kennen zu lernen. Rosie entsann sich, dass sie bereits am Vormittag mit den beiden geredet und schon da gehofft hatte, die beiden mögen ihr einen Hund abkaufen.

»Sie wird’s bestimmt gut haben«, versicherte ihr die Frau mit breitem Akzent. »Sie kriegt dreitausend Schafe zum Spielen, wenn sie heimkommt. Auf der Veranda hinterm Haus hab’ ich einen Zwinger aufgestellt. Wir werden uns mal melden und erzählen, wie sie sich macht.«

Coil und Clyde waren von einem Vater und dessen Sohn gekauft worden, die in Gippsland eine Rinderfarm betrieben. Den beiden hatte gefallen, dass beide Hunde ähnlich arbeiteten, wobei der eine nachgiebiger wirkte und in größerem Abstand zur Herde blieb, während der andere umso energischer vorging.

»Sie sind ein gutes Gespann«, versicherte Rosie. »Und ich bin froh, dass sie zusammenbleiben werden. Melden Sie sich, falls es Probleme gibt.«

Es war schon fast dunkel, als sich Rosie wieder auf den Ballen setzte und Chester zu sich rief. Er legte den Kopf in ihren Schoß. Die Aufregung hatte ihn müde gemacht, und er schien sich nach Ruhe zu sehnen. Inzwischen war das Zelt fast leer, und die Lichter strahlten verlockend aus dem Vereinsheim des Fußballvereins, wo man bereits am Feiern war, doch Rosie musste noch auf den letzten Käufer warten. Traurig streichelte sie Chesters Kopf und kämpfte gegen die Tränen an. Als sich der Käufer näherte, hatte sich Rosie gerade über Chester gebeugt. Noch während sie mit ihm redete und ihm erklärte, dass ihm nichts Schlimmes passieren würde, merkte sie, dass jemand vor ihr stand. Erst fiel ihr Blick auf seine Stiefel, dann wanderten ihre Augen langsam aufwärts, und als sie bei den breiten Schultern angelangt war, fühlte sie sich fast erschlagen von der Größe und der Präsenz des Mannes, der vor ihr stand. Dann kamen ihre Augen auf dem Gesicht zu liegen, das von seinem Hut überschattet wurde.

»Das hier ist doch die Versteigerungsnummer 73, oder?«, hörte sie die honigweiche Stimme fragen. Er streckte ihr die breite, sonnengebräunte Hand mit der Quittung entgegen.

Rosie brannten die Tränen in den Augen.

»Jim?«, fragte sie ungläubig.

Sie stand auf und warf sich in seine Arme. Jim drückte sie kraftvoll und voller Leidenschaft an sich. Sie schmiegte sich an ihn und atmete seinen Duft ein. Er roch nach Pferden und Straßenstaub. Er roch nach Ferne. Er roch einfach gut. Fragend sah er sie an und versuchte, ihre Reaktion zu deuten. Im ersten Moment hätte sie ihn am liebsten geschlagen. Er hatte sie verlassen. Er war so lange weggeblieben. Er hatte kaum je angerufen. Sie hatte ihn für tot gehalten. Doch stattdessen stiegen ihre Füße wie von selbst auf den Strohballen, damit sie ihn küssen konnte. Damit sie sich am Geschmack seines warmen Mundes laben konnte. Seine Berührung wie einen Stromschlag in ihren Adern spüren konnte.

»Rosie, es tut mir Leid. Es tut mir so Leid«, sagte er und streichelte ihren Rücken dabei. »Ich hätte dich nie verlassen dürfen. Ich war ein absoluter Volltrottel.«

»Allerdings, du verdammte Ratte!« Rosie löste sich aus seinen Armen und sah ihm ins Gesicht. »Sag bloß, du hast endlich begriffen, dass du der hochnäsige Snob bist!«

»Ja, ich weiß«, gab er zu. »Ich habe mich getäuscht. Total getäuscht. « Er hatte Tränen in den Augen. »Ich kann ohne dich nicht leben, Rosie Jones.«

Rosie küsste ihn rückhaltlos, drückte ihn und strich dann mit den Fingern über seinen Nacken.

Hinter ihnen meldete sich die Stimme des Auktionators: »Kriegt hier jeder so einen Bonus, der einen Spitzenpreis für einen Kelpie zahlt? Das scheint sich ja wirklich zu lohnen!«

Rosie löste sich lachend aus der Umarmung, aber Jims Gesicht blieb ernst. Er sah ihr in die Augen.

»Rosie, es tut mir ehrlich Leid. Du weißt, dass ich dich liebe, und ich werde dich nie wieder verlassen. Das verspreche ich dir.«

»Ich liebe dich auch«, sagte Rosie und schloss ihn gleich wieder in die Arme.

Chester, der ihre Ergriffenheit spürte, legte bellend eine Pfote auf Rosies Bein. Beide sahen ihn an.

»Was willst du denn?«, fragte Rosie. Er sah sie an, klickte mit den Zähnen und wedelte heftig mit dem Schwanz.

»Ich glaube, er versucht dir zu sagen, dass er sich darauf freut, endgültig mit dir zusammen auf die Highgrove Station zurückzukehren«, sagte Jim.

»Jetzt, wo er ein fünftausend-Dollar-Hund ist, wird er bestimmt im Haupthaus leben wollen«, sagte Rosie.

»Eigentlich«, widersprach Jim, »wird er vor allem bei uns leben wollen.«

»Bei uns? Wo denn? Im Quartier?«

»Nein«, sagte Jim. »In unserer Hütte auf dem Hügel.«

»Meinst du das ernst, Jim Mahony?«

»Warum nicht?«, fragte er. »Der alte Ronnie Seymour meint, wenn du es noch mal mit mir versuchst, wird er dich dafür fürstlich belohnen.«

»Was redest du da?«, fragte Rosie lachend.

»Ob du’s glaubst oder nicht, Ronnie ist einer der reichsten Männer in Casterton. Alles, was er bei den Hunderennen und Pferdewetten gewonnen hat, hat er über viele Jahre hinweg investiert. Außer uns hat er niemanden, und er ist der Meinung, dass wir zusammenbleiben sollten. Er sagt, er möchte uns unter die Arme greifen.«

»Bei der Hütte?«

»Bei allem, was du dir in den Kopf setzt. Aber wenn du wirklich da oben leben willst, so wie du es gesagt hast, dann hieße das, dass wir uns einen Sonnenkollektor leisten könnten. Und ein paar Schuppen und Pferche anlegen könnten. Eine Zufahrt planieren. Die Hütte ein bisschen herrichten … na schön, total herrichten. Was meinst du dazu? Hältst du das für möglich?«

Ihre Haut kribbelte vor Begeisterung bei der Vorstellung, dass sie mit Jim oben im Busch leben sollte. In einem Blockhaus ohne Zäune und mit einem Garten voller Eukalyptusbäume, mit einem eigenen Weg zum Fluss hinunter und weiter zur Homestead. Nur sie, Jim und ein paar Pferde und Hunde …

»Und?«, fragte Jim, der gespannt ihre Antwort erwartete.

Rosie strahlte.

»Mit dir ist alles möglich!«