Kapitel 5

Rosemary konnte sich kaum erinnern, wie sie von Hamilton heimgekommen war. Die ganze Zeit über sah sie Sam und Jillian im Schlafsack vor sich, während Dubbos Pick-up über die Schotterstraße brauste. Sie malte sich Sams nackte, pumpende Hinterbacken aus und Jillians langes dunkles Haar, das über Sams schmierigen Schlafsack gebreitet war. Sie stellte sich vor, wie Dubbo nach hinten schaute und der große Suchscheinwerfer des Pick-ups die Wegweiser vor ihnen aus dem Dunkel zerrte. Wie der massive stählerne Kuhfänger durch den Dreck pflügte, als sie in den Graben rammten, und den Drahtzaun durchtrennte wie einen Seidenfaden. Wie der aufgesprühte Bundaberg-Bär auf der Kühlerhaube immer weiter zerknautscht wurde, weil der Pick-up nicht aufhören wollte, sich zu überschlagen. Wie in der Dunkelheit das Blut auf die Aufkleber der zahllosen Singletreffen spritzte. Die gebrochenen, zerschmetterten Gliedmaßen der verschlungenen Liebenden. In Sams miefigem Schlafsack.

Rosemary schüttelte die Gedanken aus ihrem Kopf. Wieder kochte Wut in ihr auf. Nur dass sie diesmal auf sich selbst wütend war. Weil sie so verflucht dämlich gewesen war.

»Wann fängst du endlich an zu leben?«, schrie sie ihr Gesicht im Rückspiegel an, ehe ihr neue Tränen die Sicht raubten.

Sie raste über die Brücke und die Hauptstraße von Casterton hinauf, bevor sie mit quietschenden Bremsen vor einer Ladenfront hielt. Ihr Volvo ermahnte sie piepend, dass sie die Zündschlüssel stecken gelassen hatte.

»Mein Gott! Halt die Klappe, blöde Karre!« Sie riss den Schlüssel aus dem Schloss, knallte die Wagentür zu und marschierte geradewegs in den River Gum Country Clothing Store.

Rosemarys Mutter kaufte ihre Kleider grundsätzlich am anderen Ende der Straße bei Monica’s Fashion, wo man die neuesten Modelle von Country Road oder Anthea Crawford auf Lager hatte. Monica und Margaret taten sich oft zusammen, um mit dem örtlichen Veranstaltungskomitee Modeschauen anlässlich des Tennisturniers Melbourne zu organisieren. Rosemary wurde regelmäßig zum Mitmachen verpflichtet und spürte jedes Mal, wenn sie in schlecht sitzenden Kleidern an lauter alten Schachteln vorbei und eher stampfend als schreitend über den Laufsteg eilte, die peinigenden Stiche ihrer tadelnden Blicke. Wenn Kleider wirklich Leute machten, dachte Rosemary, dann würde sie von außen nach innen vorgehen und mit ihren Anziehsachen anfangen.

Im River Gum stand sie vor den Regalen mit Blundstone-Arbeitsstiefeln und groben Holzregalen voller Wranglers, King Gee, Bull Rush und R. M. Williams Jeans. Neben süß duftenden Ledergürteln hingen Bügel mit farbenfrohen Hemden und T-Shirts im Cowgirl-Style. Aus den Lautsprechern im Laden dudelte eine Tania-Kernaghan-CD. Die kühle klimatisierte Luft und Tanias Geträller machten Rosemary eine Gänsehaut. Das war schon besser, dachte sie. Sie würde ihrer Familie zeigen, dass sie kein Weichei war. Sie würde das Mädchen werden, das sie schon immer sein wollte.

Hinter der Theke saß Kelly, die Verkäuferin, bei einer Tasse Kaffee und las in einem Hochglanzmagazin alles über Nicoles hellseherisch prophezeite Wiederverheiratung. Endlich sah Kelly auf und hätte sich fast an ihrem Kaffee verschluckt, als sie Rosemary Highgrove-Jones in ihrem Laden stehen sah.

»Hi, äh, kann ich dir helfen?«, fragte Kelly und wischte dabei unauffällig den Kaffee von ihrer Zeitschrift.

»Ja«, sagte Rosemary. »Wie geht’s denn so? Ich, äh, ich glaube, ich brauche ein paar neue Arbeitssachen. Du weißt schon, für die Arbeit auf der Station.«

»Echt wahr?« Kelly sah zweifelnd auf Rosemarys rotes Designer-Leinenkleid.


Als Duncan die Hintertür aufgehen hörte und das Mädchen hereinkommen sah, hätte er um ein Haar gerufen: »Verzeihung! Nur für Angestellte! Sie müssen vorn reinkommen.« Selbst Derek sprang aus seinem Körbchen unter Duncans Schreibtisch und tanzte mit gesträubtem Fell, bellend und zähnebleckend auf die Tür zu. Aber zur Überraschung von Herr und Hund handelte es sich um Rosemary. Sie trug ein blaues Arbeitshemd, Jeans und Blundstone-Stiefel, die noch auf ihre erste Schramme warteten. Um ihre Taille zog sich ein Ledergürtel mit einer angestickten Messerscheide.

»Rosemary?« Er sah sie scheel an. »Rose?«

Sie baute sich vor ihm auf.

»Duncan«, eröffnete sie ihm, »ich habe beschlossen, dass ich nicht für Frauenthemen und Gesellschaftsreportagen geschaffen bin.«

»Ach ja?«, fragte er vorsichtig.

»Ich möchte gern Wirtschaftsberichte schreiben und die Viehmärkte im Distrikt besuchen. Über Landwirtschaft berichten. Ich glaube, das würde mir mehr liegen.«

»Aber die Verkaufsberichte liefert Billy O’Rourke, und das schon seit Jahren! Er kennt die Rinder. Er kann beim besten Willen kein Foto machen, und wenn sein Leben daran hinge, aber die Männer auf den Märkten reden mit ihm. Die Farmer würden eine Krise kriegen, wenn jemand wie du in nagelneuen Stiefeln aufkreuzen würde, um über so komplexe Sachen zu schreiben, die für sie von größter Bedeutung sind… und die Farmberichte schreibe ich selbst, das weißt du genau. Das ist mein Ressort.«

»Könnten wir uns nicht wöchentlich abwechseln?«

»Nein! Man braucht Kontinuität, wenn man die Märkte und die Trends im Auge behalten will. Rosemary, bitte, mach es mir nicht so schwer. Du bist wie geschaffen für die Gesellschaftsseite.«

Rose spürte Neid in sich aufkeimen. Sie wollte endlich ihrem Leben entkommen. Wie Billy O’Rourke sein, ein Exscherer, Viehtreiber, Zureiter. Ein Mann, der sich ganz entspannt unter den Farmern bewegte und immer einen Kelpie zu seinen Füßen hatte.

»Gib mir wenigstens eine Chance!«

Duncan schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«

»Bitte!«

»Wie gesagt, du bist wie geschaffen für die Gesellschafts- und für die Handarbeitsseite. Es tut mir Leid.«

»Nein, tut es nicht. Du hast mir diesen Job nur wegen meiner Mutter gegeben. Du hast Angst vor ihr! Wenn du mal nicht davon träumst, sie zu poppen. Du bist ein Jammerlappen!«

»Es reicht, junge Dame!« Duncan wich unter diesem ungeahnten Ausbruch zurück. »Wenn ich nicht wüsste, was du in letzter Zeit durchgemacht hast, würde ich dich auf der Stelle feuern! Nimm dir den Rest des Tages frei. Ich will dich hier erst wieder sehen, wenn du dich wieder eingekriegt hast.« Die Farbe stieg aus Duncans Hemdkragen auf, bis sein Hals rot-weiß marmoriert war. Derek umtanzte sie beide laut kläffend.

»Na schön«, sagte Rosemary mit zusammengebissenen Zähnen. »Dann gehe ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben ins Pub.« Sie schnappte ihre Handtasche, deren Lackleder in auffälligem Kontrast zu ihren Arbeitskleidern stand, und kehrte auf dem Absatz um.

»Rosemary! Warte!«

Sie drehte sich noch einmal um, die Wangen flammend rot, und spie ihm entgegen: »Was denn?«

»Mein Gott, Rose«, sagte Duncan ungerührt. »Mach wenigstens das Preisschild von deinen neuen Stiefeln ab. Du siehst aus wie eine Stadtpflanze.«

Betreten stand sie da, während Duncan mit der Schere in die Hocke ging, um das Preisschild von ihrem Stiefel zu schneiden. Müde lächelte er zu ihr auf. »Und wenn du schon dabei bist, dann trink einen für mich mit.«


Das Pub war wie im Nachmittagslicht gebadet. Die Sonne schien jede durchgewetzte und fleckige Stelle auf dem rot-golden gemusterten Teppichboden und jeden Riss in der alten braunen Tapete hervorzuheben. Aber Rosemary war das egal, sie atmete tief den abgestandenen Bier- und Zigarettendunst ein und ließ ihre angespannten Nerven vom monotonen Singsang der Kommentatoren auf dem Sportkanal beruhigen. Schon immer hatte sie einmal in den Pub in der Ortsmitte gehen wollen. Sie hatte gehört, dass dort die Arbeiter im Ort trinken gingen. Zu ihrer Enttäuschung war weit und breit kein Schafsscherer zu sehen. Genauer gesagt gab es außer ihr nur einen weiteren Gast. Sie hätte für ihr Leben gern mit ein paar Schafsscherern getrunken und ihren Unterhaltungen gelauscht … wie jenen, die abends von den Quartieren zu ihrem Zimmer hochgeweht waren.

Sie kletterte auf einen Hocker und ließ ihren Blick ans andere Ende der Bar wandern. Sie hatte einen grauhaarigen, fassbäuchigen Barkeeper mit riesiger Erdbeernase erwartet, aber der Barkeeper war jung, braun gebrannt und gut aussehend.

Er zapfte gerade ein Bier, das er vor dem krustenlippigen Stammgast abstellte, der zusammengesunken auf seinem Hocker kauerte. Dann kamen seine flinken braunen Augen auf ihr zu liegen.

»Was darf’s sein, Darling?«

»Äh … ich weiß nicht.«

»Ein Bier?«

»Ja. Danke.«

»Groß?«

»Verzeihung?«

Er hielt zwei verschieden große Gläser hoch.

»Das größere, danke«, sagte Rosemary.

»Gute Wahl, Liebes.« Er zwinkerte ihr freundlich zu, als er es vor ihr abstellte.

Das Bier fühlte sich eiskalt in ihrer Hand an. Sie hob es an den Mund und nahm vorsichtig einen Schluck. Es kitzelte im Rachen. Dann kippte sie das ganze Glas in einem Zug hinunter. Der Pubwirt lehnte am Kühlschrank, die Arme vor der kräftigen Brust gefaltet, die Beine übereinander geschlagen. Mit schief gelegtem Kopf betrachtete er das fremde Mädchen, das in brandneuen Sachen vor seiner Theke saß.

»Noch eins?«

»Ja … danke.« Sie schob das Geld über die Theke.

Nachdem er ihr ein zweites Bier gezapft hatte, beugte er sich über den Tresen und streckte ihr die Hand hin.

»James Dean«, sagte er.

»Verzeihung?«

»James Dean. Das bin ich. Eigentlich heiße ich Andrew Dean, aber die Leute meinen, ich wär’ hübsch genug, um als James Dean durchzugehen.« Er strich eine imaginäre Fünfziger-Jahre-Tolle zurück. Dann grinste er Rosemary an, um ihr zu zeigen, dass er es nicht ernst meinte.

»Nett, dich kennen zu lernen, James Dean.« Rosemary nahm seine Hand, schüttelte sie kraftvoll und erwiderte sein Lächeln.

»Und du bist?«

»Ähm.« Sie stockte. »Rosie. Rosie Jones.«

»Sehr erfreut, Rosie Jones.« Das Wandtelefon schrillte. »Entschuldige … das ist garantiert mein Agent«, erklärte er augenzwinkernd, ehe er davonschlenderte, um das Gespräch anzunehmen.

Dass es so einfach war, brachte Rosie zum Lächeln. Rosie Jones, wiederholte sie für sich. Der Barkeeper hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt. Er hatte nicht gesagt: »Ach! Highgrove-Jones von der Highgrove Station? Sie sind eine von den Highgrove-Joneses, nicht wahr?« Stattdessen hatte James Dean gerade eben Rosie Jones kennen gelernt. Die gute alte Rosie Jones. Sie kippte das restliche Bier hinunter und rülpste leise angesichts dieses unerwarteten Gefühls einer neu gefundenen Freiheit.

James Dean legte den Hörer auf.

»Das war meine Liebesgöttin – die Missus. Sie wollte mir nur Bescheid sagen, dass immer noch keine Filmangebote eingegangen sind.«

»Ach?«

James Dean zuckte mit den Achseln. »Dann werde ich dir eben noch ein Bier zapfen«, sagte er und nahm ihr Glas. »Oder möchtest du lieber was anderes? Wie wär’s mit einem Square Bear? Du siehst aus wie ein Mädchen, das einen ganzen Schuppen voller Square Bear trinken könnte.«

»Im Ernst?«

»Und?«

»Ja«, sagte Rosie, ohne genau zu wissen, was sie da bestellte.

Als James Dean den zischenden Bundaberg mit Cola vor ihr abstellte, spürte Rosie einen atemberaubenden Freiheitsrausch. Rosie Jones zu sein machte Spaß. Mehr Spaß, als ihn die langweilige alte Rosemary Highgrove-Jones je gehabt hatte. Sie schluckte die Cola-Rum weg wie ein durstiges Kind eine Limonade.


Allmählich wurde es draußen dunkel, und Rosie hatte eben zum neunten Mal hintereinander Tania Kernaghans Boots ’N’ All in die Jukebox eingegeben. Selbst der alte Säufer begann, scheele Blicke in Rosies Richtung zu werfen, doch Rosie drehte unbeeindruckt ihren Barhocker im Takt der Musik hin und her.

»My friend Beccy outrides the boys, leaves ’em in a cloud of dust«, sang Rosie nicht ganz im Takt mit Tania. Sie schwenkte ihr Glas durch die Luft und tat so, als würde sie Gitarre spielen, wobei sie ihre neue Jeans mit Rum und Cola besprenkelte.

»She’s the best at being a bad influence and it’s rubbing off on me … Boots ’n’ all, boots ’n’ all! If you’re gonna do it throw your heart into it!«

Das Lied von der wilden Beccy, die wie der Teufel ritt und deren schlechter Einfluss und Leidenschaft angeblich auf die Sängerin abfärbten, ging Rosie so zu Herzen, dass sich ihre Augen jedes Mal mit Tränen füllten, sobald Tania sang: »Here she comes, down the aisle, in her long white satin gown, and the shiniest pair of Blunnies ever, she’s not mucking around!«

Rosie sang den folgenden Refrain aus voller Kehle, um den Klumpen in ihrer Kehle wegzudrücken. Sie musste an das Hochzeitskleid denken, das sie nie tragen würde. Nie würde sie wie Beccy in einem langen, weißen Seidenkleid und glänzenden Blundstone-Stiefeln den Gang zum Altar entlangschreiten. Als die Jukebox nach der elften Runde Boots ’N’ All endlich verstummte, fummelte Rosie in ihrer rumbekleckerten Handtasche nach dem nächsten Fünfdollar-Schein. James Dean kam zu ihr her. Er hatte sich schon ausgerechnet, dass sie Sams Verlobte gewesen sein musste, und sie tat ihm Leid. Sams Tod und der von Jillian waren das Stadtgespräch. James Dean hatte endlos viel Klatsch über Sams letzte Eskapade gehört.

Als Wirt hatte er Sam nicht allzu gern in seinem Etablissement gesehen. Natürlich hatte Sam nach jedem Pferde- oder Hundetrial seine ganze Clique ins Pub geschleppt, und alle hatten reichlich Geld über die Theke geschoben, aber die Burschen hatten sich meistens abgefüllt und dann Streit mit den hiesigen Arbeitern gesucht. Vor allem Sam hatte jedes Mal nach einer Rauferei oder einer Frau oder am besten nach beidem Ausschau gehalten. James Dean hatte Sams Eliteschulen-Sprechweise und seine herablassende Art nicht ausstehen können. Er hatte die Drinks bestellt, als wären die Barkeeper seine Leibeigenen.

Jetzt sah James Dean das betrunkene Mädchen an der Bar an. Er legte die Hände auf ihre und suchte ihren Blick.

»Rosie, Darling, glaub mir, ich kann dir nichts mehr zu trinken geben. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so eine Schnapsdrossel bist. Du bist voll wie eine Haubitze.«

»Aber Buck Rogers, bitte …«

»Zeit zum Heimgehen, Kleine.«

»Nein«, lallte sie. »Und wer bringt mich jetzt heim?«

Rosie fiel in verstocktes Schweigen. James Dean zuckte mit den Achseln, stellte ein britzelndes Glas Limonade vor sie hin und entfernte sich, um seinen einzigen anderen Gast zu bedienen. Genau in diesem Augenblick erschien Duncan in der Tür, mit einem Pappkarton voller Bücher und Papiere beladen. Billy O’Rourke folgte ihm auf den Fersen.

»Meine Güte, Rosemary!«, sagte Duncan, als er sie mit schwerer Schlagseite auf ihrem Barhocker hängen sah. Das Haar fiel ihr ins Gesicht, während sie leise brummelnd in ihrer sündhaft teuren Handtasche nach dem Autoschlüssel wühlte.

»Kackblöde Handtasche«, lallte sie. Dann warf sie die ganze Tasche auf den Boden. Als sie Duncan in der Bar stehen sah, erstrahlte ein Lächeln auf ihrem Gesicht.

»Dunks!« Sie lief auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals. »Was ich vorhin gesagt hab’, tut mir so Leid, Dunks. Wirklich, wirklich Leid.«

Duncan setzte die Schachtel ab, löste ihre Arme von seinem Hals und setzte Rosie wieder auf ihren Hocker.

»Rosemary, ich glaube, ich sollte dich heimfahren«, sagte er.

»Rosie«, sagte sie.

»Wie bitte?«

»Ich heiße Rosie. Meinen nächsten Artikel unterschreibe ich nur mit Rosie Jones! Schluss mit diesem Bindestrich-Quatsch!«

Billy O’Rourke lächelte.

»Genau darüber wollten Duncan und ich mit dir reden, Rosem-Rosie. « Billy hob die Schachtel wieder auf, stellte sie auf die Theke und suchte dann ihren Blick.

»Wir können dich nicht die Marktberichte schreiben lassen«, sagte er. »Das kommt nicht in Frage… aber wir haben einen anderen Teufelsplan ausgeheckt.«

»Du schmeißt mich also raus! Ha! Mum wird dir was erzählen! «

»Nein. Ich schmeiße dich nicht raus!« Duncan schüttelte den Kopf.

Billy legte eine Hand auf Rosies Schulter. Plötzlich kam sie sich vor wie eines seiner jungen Pferde, die er mit einer bloßen Berührung zur Ruhe bringen konnte.

»Weißt du noch, dass ich gesagt habe, ich hätte einen Job für dich?«, fragte er. Rosie nickte. »Ich wollte schon früher mit dir reden. Aber nach dem Unfall und so …« Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. »Ich weiß, dass du viel durchmachst, und das tut mir sehr Leid.«

Rosie nickte wieder.

»Aber jetzt brauche ich dich. Duncan und ich möchten, dass du etwas für uns recherchierst. Du sollst eine wöchentliche Serie für die Zeitung zusammenstellen und uns bei einer Marketingkampagne helfen. Du könntest von zu Hause aus arbeiten… du brauchst etwas Zeit für dich, Rosie, um mit deiner Trauer fertig zu werden.«

»Trauer«, echote Rosie, und Sams Gesicht blitzte in ihrem alkoholgetränkten Hirn auf.

»Genau«, sagte Duncan. »Es wird dir gefallen. Es wird unserer Stadt neuen Auftrieb geben. Und du musst dazu mit einigen Viehtreibern reden«, lockte er sie. Rosie sah ihn an, und ein Funken von Interesse glomm in ihrem Gesicht auf.

»Es ist Billys Idee. Du sollst für uns alles über einen irischen Viehtreiber namens Jack Gleeson recherchieren, der früher in der Nähe von Casterton gearbeitet hat. Erzähl es ihr, Bill.«

Rosie blickte auf in die gütigen Augen des Viehtreibers, der vor ihr stand. Seine Beine waren nach zahllosen Jahren im Sattel leicht nach außen gebogen. Seine Hände waren braun wie die Lederzügel, die er Tag für Tag hielt. Sein Alter war schwer zu schätzen, vielleicht Ende vierzig, aber in seinen sommerhimmelblauen Augen leuchteten die Kraft und Energie der Jugend.

»Also, man nimmt an, dass dieser Gleeson-Bursche sich eine kleine Hündin besorgt hat, die er Kelpie genannt hat, und diese Hündin war die Urmutter der gesamten Kelpie-Rasse. Das ist eine geschichtliche Fußnote, von der kaum jemand weiß, aber sie ist es wert, dass man sich daran erinnert, und sie könnte in dieser Stadt ganz schön was in Gang bringen.«

Er wartete auf Rosies Antwort, aber die blinzelte nur langsam mit den blauen Augen. Darum setzte Billy noch einmal nach.

»Man erzählt sich, dass er irgendwo hier in der Nähe sein Pferd gegen den Welpen eingetauscht hat. Du musst das für uns nachforschen und aufschreiben!«

»Bockmist!«, sagte Rosie unvermittelt.

»Verzeihung?«, fragte Duncan.

»Bockmist, Bockmist, Bockmist! Du willst mich bloß nicht mehr in der Redaktion haben!«

»Wir brauchen jemanden, der das erledigt, Rosem-Rosie, und mir fehlt die Zeit dafür. Billy hier bettelt mich schon ewig an, die Sache anzugehen. Es ist der perfekte Job für dich.«

»Eine tolle Idee«, sagte James Dean. Er kam herangeschlendert und stützte beide Ellbogen auf die Theke.

»Wenn die Geschichte stimmt, könnte Bill mit seinem Ruf unter den Hundezüchtern in unserer Stadt die größte Kelpieauktion im ganzen Land aufziehen. Für mich klingt das genial. Das würde Leben in dieses Kaff bringen. Vielleicht würden dann endlich ein paar Säufer mehr durch die Tür von diesem alten Misthaufen kriechen.« Er sah sich um.

»Ist nicht persönlich gemeint, Neville!«, rief er dem Alten zu, der dösend an der Bar saß. »Komm schon, Rosie. Setz deinen Hintern in Bewegung, und tu was für deine Stadt. Wenn wir hierbei alle zu Bill stehen, könnte uns das wer weiß wie weit bringen. Zu landesweitem Ruhm und Reichtum … vielleicht sogar auf die große Leinwand … man kann nie wissen.«

»Also, was sagst du dazu, Rosie?«, fragte Duncan.

Rosie sah die drei Männer an, die vor ihr standen. Wollte sie sich wirklich an diese Aufgabe wagen? Sie versuchte, die Anfrage in ihrem benebelten Gehirn zu verarbeiten. Jetzt, wo Sam weg war, wusste sie überhaupt nicht mehr, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Aber könnte sie von zu Hause aus überhaupt arbeiten? Was wusste sie schon über Kelpies? Sie wollte einwenden, dass sie möglicherweise nicht die Richtige für diesen Job war, als plötzlich die Tür des Pub aufging. Billys roter Kelpie zwängte sich durch den Spalt und kam an die Bar getrottet.

»Raus, Trevor!«, befahl Billy, aber der Hund wedelte nur mit dem Schwanz und legte die Pfoten auf Rosies Knie, um sich tätscheln zu lassen.

»Was soll das werden?«, fragte sie. »Eine Szene aus Lassie oder so?« Sie nahm die Vorderpfoten in beide Hände.

»Komm schon, Trev. Machen wir den Boogaloo, bis wir beide kotzen müssen!« Sie begann zu tanzen.

»Boots ’n’ all, boots ’n’ all, if you’re gonna do it, throw your heart into it. Everything you do, throw your heart into … Red dirt gum tree country, red dirt gum tree country. Boots ’n’ all.«

Umkreist von dem bellenden, schwanzwedelnden Trevor hob Rosie die Bücherkiste hoch und tanzte damit zur Tür. Die Männer schauten von der Theke aus zu, wie sie mit dem Hund nach draußen tanzte.

»Ich glaube, Sie können das als Ja nehmen«, sagte James Dean und zwinkerte Duncan und Billy zu.

»Falls sie sich morgen früh noch daran erinnern kann«, schränkte Billy kopfschüttelnd ein.