Kapitel 31

Eine Woche lang liefen Telefon und Fax heiß, während Margaret, Rosie, Evan und Julian fieberhaft daran arbeiteten, die Pläne für die Baumschule auszufeilen. Dafür mussten Vorschriften eingehalten, Banken zu Krediten gedrängt, Wissenschaftler angezapft und Bewässerungssysteme berechnet werden.

Am Samstagmorgen kam Rosie zu dem Schluss, dass es höchste Zeit für eine Pause war, und ließ Julian und Evan alleine weitermachen. Sie wollte in die Stadt zur Pick-up-Show und zum Hundetrial fahren. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen und Mr Seymour einen Besuch abzustatten.

Neville, ihr Pick-up, ließ eine Fehlzündung knallen, als Rosie vor Mr Seymours Haus anhielt. Sie donnerte die Wagentür zu und fuhr mit den Händen kurz über ihre neue Wrangler Jeans und das eng anliegende T-Shirt, auf dem in knalligem Pink geschrieben stand: »Wenn du das lesen kannst, bist du zu nah«. Ihr vom Duschen noch feuchtes Haar hing in hübschen blonden Strähnen über ihre Schultern. Sie ging über den mit Unkraut überwucherten Pfad zum Haus und wappnete sich für den Moment, an dem sie das Haus betreten würde, in dem sie Jim das erste Mal begegnet war. Dixie, Gibbo und Diesel schauten ihr mit gespitzten Ohren von der Ladefläche des Pick-ups aus zu.

Sobald sie in den düsteren Flur trat, wurde sie von einem erschrockenen Bellen empfangen, das sie zurückzucken und ihre Hunde anschlagen ließ. Eine große, schwarze Silhouette trottete ihr entgegen, dann hatten sich ihre Augen an das Schummerlicht gewöhnt und sie erkannte Bones, der sie schwanzwedelnd begrüßte. Ihr stockte fast das Herz. War Jim etwa auch hier? Sie ging neben Bones in die Hocke und kraulte seinen runden Schädel, wobei er den Hinterfuß vor und zurück bewegte, als wollte er die Luft kratzen. Die Gefühle drohten sie zu überwältigen, während sie mit den Händen über seinen verbrauchten Leib strich.

»Hallo?«, rief sie in das leere Wohnzimmer hinein. Nebenan hörte sie etwas klappern.

»Ach, Mädelchen.« Mr Seymour kam aus der Küche hereingeschlurft. Von Jim war weit und breit nichts zu sehen, und Rosie wurde wieder das Herz schwer. »Du hast dir wirklich Zeit gelassen. «

Er tappte an seinen Schrank, zog eine Flasche Tullamore Dew heraus und nahm zwei Gläser.

Rosie ließ sich auf der Kante des durchgesessenen Sofas nieder. Lazy Bones lag auf einem braunen, verfilzten Teppich vor dem knisternden Feuer und leckte seine gespreizten Pfoten. Er sah zu Rosie auf und schlug träge mit der Rute auf den Teppich, aus dem kleine, im Licht tanzende Staubwolken stiegen. Vom Piano aus beobachtete die Katze sie mit schmalen Augen.

Mr Seymour erhob sein Glas.

»Auf deine Gesundheit.« Er nahm einen Schluck und hustete, als der Whisky seine Kehle erwärmte. »Ich habe dich schon vor drei Wochen erwartet. Er hat Bones hiergelassen, damit du ihn abholen kannst … und um die Erinnerung wach zu halten.«

»Die Erinnerung wach zu halten?«, wiederholte Rosie entgeistert. Als wäre das nötig gewesen.

»Ganz recht. Damit du nicht vergisst, dass deine Hunde gute Gene brauchen. Lass deine Hündinnen nicht von irgendeinem Straßenköter decken. Der Hund muss etwas Besonderes haben.«

»Besonderes«, wiederholte Rosie mit Tränen in den Augen. Mr Seymour sah, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich.

»Er ist verrückt nach dir, weißt du? Aber er glaubt, dass du mit deinesgleichen besser dran bist«, erklärte er einfühlsam.

Rosie schüttelte den Kopf. Wenn Mr Seymour nur wüsste, dass sie selbst nicht zu »ihresgleichen« gehörte.

»Wo ist er?«

Mr Seymour zuckte mit den Achseln. Er bot Rosie an, ihr Glas nachzufüllen, aber sie schüttelte den Kopf.

»Danke, das reicht. Ich muss noch fahren.«

»Wohin soll es denn gehen?«

»Zu einem Hundetrial und einer Pick-up-Show. Jim hat mich überredet, Gibbo bei den Novizen und Neville in der Pick-up-Show bei den alten Schrottlauben anzumelden.«

»Bei den alten Schrottlauben? Hört sich an, als könnte ich mich da auch anmelden!« Mr Seymour lachte. »Und Bones gleich mit dazu!«

»Und«, fragte Rosie, »möchten Sie nicht mitkommen?«

Mr Seymour sah sie an und lächelte schief.

»Ich mag deinen Stil, Mädel.«

Rosie half Mr Seymour auf Nevilles Beifahrersitz. Unter seinem uralten Mantel trug Mr Seymour sein schönstes Hemd mit beigefarbenen geometrischen Mustern, und die braune Nylonhose hing ihm knapp unter den Achselhöhlen. Er strich sich über das graue Haar, das er geschickt über seinen kahlen Hinterkopf gekämmt hatte. Hinten auf der Ladefläche pflanzte Lazy Bones seinen fetten Körper zwischen die anderen Hunde und drehte die Nase in den Fahrtwind. Seine blasse Zunge wurde nach hinten geweht und schlabberte knapp unter seiner grauen Schnauze.

»Fährt sich ausgezeichnet«, bemerkte Mr Seymour, als der Pick-up über den Rost vor dem Ausstellungsgelände ratterte und mit einer zweiten ohrenbetäubenden Fehlzündung zum Stehen kam.

Rosie reichte dem Mann am Tor das Eintrittsgeld und fuhr dann weiter zu den Pick-ups, die rund um das Oval aufgereiht standen. Es gab brandneue Wagen mit glänzender Lackierung, aber auch eine bunt zusammengewürfelte Herde von prähistorischen Weidehopsern. Der gute alte Neville humpelte an den soldatisch aufgereihten, strahlend modernen Pick-ups vorbei, die ihm wichtigtuerisch die blitzenden Kuhfänger entgegenreckten. Ein paar Wagen hatten Schmutzlappen an den Hinterrädern wie ausgewachsene Lastzüge, andere hatten Antennen, die speergleich himmelwärts ragten. Alle waren mit Aufklebern verschönert, auf denen Sprüche wie »Pick-up Fahrer haben ihr Bett dabei« oder »Blondinen bevorzugt« standen. Die meisten hatten große runde Scheinwerfer auf ihre Kuhfänger montiert, und ausnahmslos jeder trug einen Sticker von Bundaberg-Rum oder gleich eine kunstvolle Lackierung des Bundy-Bären auf der blinkenden Karosserie. Die jugendlichen Besitzer lehnten an ihren Gefährten, hatten die Ärmel hochgekrempelt, die breiten Hüte ins Gesicht gezogen, und hielten Bierdosen in Styroporbehältern in den Händen.

Plötzlich donnerte jemand auf das Dach des Pick-ups. James Dean trat vor, die Bierdose zum Gruß erhoben. Er beugte sich durch das Fenster herein.

»Hey, Baby… heißer Schlitten! Und deinen Lover hast du auch dabei!«

Er fasste über Rosie hinweg, um dem alten Mr Seymour die Hand zu reichen.

»James Dean«, stellte er sich vor.

»Clark Gable«, erwiderte Mr Seymour.

»Ich schätze, diese mannstolle Kleine hier hält Sie ganz schön auf Trab?«, erkundigte sich James Dean mit einer Kopfbewegung zu Rosie hin.

»Ich hab’ sie noch nicht rumgekriegt, Junge, aber ich arbeite daran«, erwiderte Mr Seymour und lachte krächzend.

»Meine Herren, ich muss doch sehr bitten.« Rosie zog eine Grimasse. Dann rammte sie den Ganghebel nach vorn und trat das Gaspedal durch, dass der feuchte Dreck von den Rädern hoch spritzte.

»Wir sprechen uns später«, rief sie James Dean zu, der ihr noch nachwinkte.

»Also wirklich«, meinte sie indigniert zu Mr Seymour. »Und ich dachte, unsere Beziehung sei rein platonisch.«

»Manchmal muss man vor den Jungs eben die Hosen runterlassen«, erwiderte er. Dann wandte er sein Augenmerk der Parade uralter Pick-ups zu, die mit eingedellten Motorhauben, Rostflecken und Pritschen voller Schrott aufwarteten.

»Ach, das lässt die alten Zeiten wieder wach werden«, sagte er.

Rosie parkte Neville am Ende der Reihe, und der Pick-up ließ eine besonders laute Fehlzündung knallen, als wollte er verkünden, dass er angekommen war.

»Ich muss erst Neville anmelden, dann bin ich bei der Hundevorführung dran. Was wollen Sie solange unternehmen?«

»Ich werde mich mit Bones eine Weile umsehen und mir die alten Rostlauben anschauen.«

»Okay«, sagte Rosie und hängte Gibbo ab. »Aber passen Sie auf, dass Sie und Bones im Pick-up sitzen, wenn der Richter vorbeikommt. Vergessen Sie nicht, Sie gehören zum Inventar!«

Sie lächelte ihn an und spazierte zum Wohnwagen der Veranstaltungsleitung.

»Hey, Mädel«, rief Mr Seymour ihr nach. Sie drehte sich um und blickte blinzelnd gegen die Sonne. »Jim war schön dumm, Sie zu verlassen. Sie sind vielleicht ’ne Marke.«

»Ich nehme das als Kompliment«, rief Rosie fröhlich zurück, aber im selben Moment merkte sie, wie ihr die Kehle eng wurde.

Im Wohnwagen der Veranstaltungsleitung umschwirrten die Viehzüchtersgattinnen und ehemaligen Party-Stammgäste ihrer Mutter den Ehrengast und diesjährigen Preisrichter bei den Pick-ups, Allan Nixon.

»Sollen wir Sie als ›Pick-up-Man‹ oder Allan ansprechen?«, zwitscherte Susannah Moorecroft.

»Ich reagiere auf beides«, erwiderte er gelassen. Dann blickte er unter seiner Ford-Traktorenmütze auf und sah Rosie vor seinem Tisch stehen.

»Hallo«, sagte sie. »Ich möchte mich bei den alten Rostlauben eintragen.«

»Und wo steht Ihre Rostkutsche?«, wollte Allan wissen.

Er beugte sich aus dem Wohnwagen, um zu sehen, wohin Rosie deutete. Dem Pick-up-Man bot sich das Bild des alten Bones’, der in diesem Moment zitternd am Vorderreifen sein arthritisches Hinterbein hob, während der noch ältere Mr Seymour am Pick-up lehnte, eine Zigarette drehte und nach einem kurzen Räuspern einen gelblichen Klumpen auf den Boden spuckte.

»Ich fürchte, die beiden alten Knaben gehören mit zu dem Pick-up«, sagte Rosie und rümpfte die Nase.

»Stand das so im Kaufvertrag?«, fragte der Pick-up-Man.

»Hmm, irgendwie schon.« Rosie schaute zu dem blinkenden gelben Ford-Pick-up hinüber, der direkt neben dem Wohnwagen parkte und auf dessen Nummernschild »Allan« zu lesen war. Der Wagen sah aus, als käme er direkt aus dem Ausstellungsraum. »Ist das Ihrer?«

»Stimmt. Die Lackierung ist ein bisschen auffälliger als bei Ihrem Wagen, aber dafür kann ich nicht mit so ungewöhnlichen Accessoires aufwarten.« Allan blickte wieder auf Mr Seymour und Lazy Bones. »Na schön, dann wollen wir Sie mal eintragen.« Er wandte sich an die Sekretärinnen. »Ladies?«

Mrs Moorecroft schob ein Formular vor sich hin und begann, in die Spalte »Name des Teilnehmers« Rosemary Highgrove-Jones einzutragen.

»Ähm. Eigentlich heißt es Rosie Jones«, sagte Rosie.

Mrs Moorecrofts Gesicht zeigte keine Regung, aber Rosie konnte ihr ansehen, dass sie fast platzte, weil ihr eine Million Fragen nach den neuesten Ereignissen auf Highgrove Station auf der Zunge brannten, nachdem doch Gerald die Farm verlassen hatte – mit Margarets Schwester! Dann war da noch das Techtelmechtel zwischen Margaret und diesem Zeitungsmenschen. Und das Gerücht, dass ihr Sohn homosexuell sei. Und jetzt tauchte Rosemary, die sich dem Hörensagen nach mit einem Viehtreiber eingelassen hatte, zusammen mit diesem widerwärtigen Greis in diesem schrecklichen, uralten Pick-up auf… und verzichtete auf ihren Bindestrich!

»Ich muss mich auch noch für die Hundevorführungen eintragen«, lächelte Rosie sie an.

»Drüben bei den Campingtoiletten steht ein blaues Zelt«, antwortete Mrs Moorecroft spröde und schwenkte den Stift in die entsprechende Richtung. »Dort kannst du dich bei der Hundeausbildervereinigung eintragen.«

»Vielen Dank«, sagte Rosie, »ach ja, und Sie können Mums Freundinnen sagen – es ist alles wahr.«

Rosie blieb nicht stehen, um zu sehen, wie Susannah Moorecrofts Wangen knallrot anliefen.


Rosie und Gibbo wurden über Lautsprecher angekündigt, und ein Murmeln ging durch die kleine Menge. Alle würden darüber reden, dass Gibbo früher Sam Chillcott-Clarks Hund gewesen war und dass er ihn als Welpen von der Pandara-Kelpiezucht gekauft und aus Tasmanien herübergebracht hatte, das war Rosie sonnenklar. Aber während unter den Zuschauern manch ablehnende oder voreingenommene Stimme zu hören war, waren die Teilnehmer, die selbst Hunde ausbildeten, deutlich freundlicher. Vor allem die Mädchen bei den Trials wussten, wie Sam wirklich gewesen war. Sie akzeptierten Rosie sofort und machten ihr Mut, ihre erste nervöse Runde auf dem Vorführplatz zu drehen.

»Du schaffst das schon«, sagte eine.

»Einmal ist es für jede das erste Mal«, meinte eine andere. »Wenn du die erste Runde hinter dich gebracht hast, geht es viel leichter.«

Sie lächelten ihr aufmunternd zu.

»Du darfst nur nicht vergessen, dir die Torriegel anzusehen. Bei meinem ersten Trial habe ich es nicht mal geschafft, die Torkette auszuhängen«, lachte die Erste.

Rosie schluckte nervös.

Auf dem Platz zeigte Gibbo sein Talent als Hirtenhund, verhielt sich aber zu ungestüm gegenüber den Schafen, da Rosie es noch nicht geschafft hatte, ihn zu zügeln. Er jagte die Tiere aufs Geratewohl, sodass Rosie einige Zeit brauchte, um die Schafe in den ersten Pferch zu lenken, weil Gibbo die Flanke der kleinen Herde jedes Mal zu weit nach innen drängte und sich die Leitschafe daraufhin zur eigenen Herde zurückwendeten. Als sie zum Laufgang kamen, sprang Gibbo die Schafe nicht von hinten an, sondern verschwand unter ihnen, bis er komplett unter Wolle und Schlegeln begraben war. Rosie musste sich mit hochrotem Gesicht nach unten beugen und ihn wieder hervorlocken. Als die Schafe das Sortiergitter passierten, musste ihr sogar der Punktrichter zu Hilfe kommen, und später legte er sein Klemmbrett noch einmal zur Seite, um ihr bei dem Riegel zu helfen. Trotz der erbärmlichen Punktezahl, die ihr von den ursprünglichen hundert Punkten geblieben war, belohnten die Zuschauer Rosie mit einem aufmunternden Applaus, als sie die Schafe endlich im Pferch hatte.

Als sie auf dem Rückweg zu ihrem Pick-up war, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.

»Er hat wirklich was drauf, dein junger Hund. Gut gemacht.«

Rosie fuhr herum. Es war Billy O’Rourke.

»Das mit dem Riegel war echt peinlich«, bekannte sie leise.

»Wenn du’s nicht versuchst, lernst du es nie.«

Rosie schaute in Billys von Lachfältchen umrahmte Augen auf. Er schlug ihr kräftig auf die Schulter.

»Schön, dich mal wiederzusehen«, sagte er.

»Wie gehen die Vorbereitungen für die Kelpieauktion voran?«, fragte Rosie.

»Oh, allmählich bringen wir die Stadt auf Trab. Die Auktion soll noch im Winter stattfinden. Am langen Wochenende im Juni.«

»Super!«

»Und wie kommst du mit deinen Recherchen über Gleeson voran?«

»Langsam«, bekannte sie verlegen.

»Wir wollen gleich nach Neujahr mit der Artikelserie beginnen«, sagte Billy. »Wir wollen ein bisschen die Werbetrommel rühren, damit die Leute genug Zeit haben, die Hunde auszusuchen, die sie zum Verkauf anbieten wollen.«

»Ich weiß, aber ich hatte so viel auf der Station zu tun, dass ich kaum dazu gekommen bin, die Welpen auszubilden, geschweige denn, dass ich Jacks Geschichte fertig geschrieben hätte.«

»Ich habe gehört, du hast deinen Viehtreiber verloren«, sagte Billy nachsichtig. »Das tut mir Leid. Der Kerl muss Sand im Kopf haben.«

Rosie senkte den Blick, sagte aber nichts. Billy spürte, wie unangenehm ihr das Thema war, und wechselte es sofort. »Und wie weit bist du mit den Welpen?«

»Wir haben sie so weit gebracht, dass sie ein paar Schafe im Pferch zusammentreiben können… du weißt schon, mit Links-, Rechts- und Stopp-Kommandos. Aber wie ich ihnen den letzten Schliff geben soll, ist mir ein Rätsel. Das Zurückweichen, das Anschlagen und das Zusammenhalten müssen sie noch lernen.«

»Das kann ich dir sofort beibringen. Wie wär’s, wenn du die Hunde zu mir bringst und ich es dir zeige?«

»Das wäre wirklich rasend nett, aber bist du sicher, dass du Zeit für mich hast?«

In Wahrheit hatte Rosie das Gefühl, dass ihr auf der Station alles aus den Händen glitt. So schön es war, dass Julian wieder zu Hause war, so sehr hatte diese neue Baumgeschichte ihre Zeit und Energien beansprucht. Sie brauchte jemanden, der ihr half. Die Welpen waren tatsächlich vernachlässigt worden, und Sassys Fohlen Morrison war, weil es so wenig trainiert worden war, inzwischen ein richtiger Wildfang.

»Im Ernst, Billy. Ich möchte dir keine Umstände machen«, sagte sie noch mal.

»Ich habe gehört, wie gut deine Welpen sein sollen. Ich mache das auch für die Auktion. Wir brauchen beim ersten Durchlauf wirklich gute Tiere, damit Casterton einen guten Namen unter den Kelpie-Züchtern bekommt. Und wenn ich dabei gleichzeitig dich trainieren kann, könntest du sie selbst vorführen, damit du einen anständigen Preis herausholst.«

»Das hört sich phantastisch an.« Rosie seufzte erleichtert.

»Wie wär’s, wenn wir gleich morgen anfangen? Soll ich lieber nach Highgrove kommen, um dir Zeit zu sparen?«

»Das wäre super. Vielen, vielen Dank.«

Wieder aufgerichtet durch Billys freundliches Angebot, spazierte Rosie dicht gefolgt von Gibbo durch die Menge. Als sie sich durch die Menschen schlängelte, die sich um die Pick-ups versammelt hatten, hörte sie eine schrille Stimme: »Rosemary! Rosemary! «, rufen. Und schon kam, auf den Highheels staksend, die Kamera um den Hals baumelnd, Prudence Beaton auf sie zugestürzt. Sie packte Rosie am Oberarm und küsste die Luft links und rechts von Rosies Wangen.

»Mein Gott! Dich habe ich seit Ewigkeiten nicht gesehen! Wie geht es dir denn?« Ohne eine Antwort abzuwarten, plapperte Prudence weiter: »Aber was ist denn mit deinen Haaren passiert? Die sind so lang. Und du bist so dünn! Viel zu dünn. Aber lassen wir das… wie wäre es mit einem Foto von dir und deinem Hund für den Chronicle?«

Sie hielt die Kamera hoch. Rosie spürte, wie Prudence sie durch den Sucher von Kopf bis Fuß abmusterte und dabei den Schmutz unter ihren kurzen Fingernägeln und die Schwielen und Schnittwunden auf ihrer Hand registrierte.

»Gern, aber können wir meinen Freund und den Pick-up-Man mit auf das Bild nehmen?« Rosie deutete auf Mr Seymour, der angeregt auf den Pick-up-Man einredete. Prue zog die Stirn in Falten. Wenn sie jemanden auf keinen Fall auf ihrer Klatschseite brauchen konnte, dann Mr Seymour. Aber ehe sie noch etwas einwenden konnte, legten sich zwei Hände über Rosies Augen.

»Rate mal«, hörte sie eine Stimme.

Ihr Herz machte einen Freudensprung. Doch als sie sich umdrehte, stand Dubbo vor ihr.

»Schade, dass ich deine Vorführung verpasst habe«, sagte er. Ehe Rosie zurücktreten konnte, hatte er ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt.

»Perfekt!«, trällerte Prue. »Könnt ihr das noch mal für unsere Gesellschaftsseite machen?« Sie hielt die Kamera hoch. Klick.

»Bezaubernd«, triumphierte sie. »So, jetzt ist es aber höchste Zeit, dass ich noch mehr Neuigkeiten sammle. Toodleloo. Wir sehen uns später auf ein Gläschen, David. Außerdem schuldest du mir auch einen Kuss.« Damit stöckelte sie davon, ihre Namen in ihrem Notizbuch verewigend.

»Wie geht es dir?«, fragte Dubbo.

»Du hast mich angelogen«, erwiderte Rosie eisig.

»Wie bitte?«

Sie marschierte los, aber Dubbo holte sie wieder ein.

»Hör zu, Rosie, wenn du das mit deinem Viehtreiber meinst, da habe ich dir nur erzählt, was ich selbst gehört habe. Ich wollte dir nur helfen.«

Rosie sah ihn fassungslos an.

»Das ist gequirlte Kacke, Dubbo, das weißt du genau.«

»Ach komm schon, ich wollte nur dein Bestes. Ob es nun wahr ist oder nicht, es ist nun mal so, dass er nicht der Richtige für dich war.« Er hielt sie am Arm zurück.

Rosie riss sich sofort los. Dubbos Arroganz war einfach unglaublich. Woher wollte er wissen, wer der Richtige für sie war? Aber sie hatte keine Lust, mit ihm zu streiten. Das lohnte sich nicht.

»Warum läufst du nicht lieber Prue hinterher und gehst mit ihr auf ein Gläschen?«, erklärte sie ihm schließlich. »Da hast du jemanden, der perfekt für dich ist. Und wenn du immer noch einen meiner Welpen kaufen möchtest, dann wirst du den vollen Preis dafür bezahlen!« Sie kehrte ihm den Rücken zu und ging weiter.

Jetzt war Schluss, beschloss Rosie. Sie hatte die Nase voll von allen Männern. Von nun an würde sie sich damit begnügen, Highgrove zu führen und ihre Kelpies für die Auktion im nächsten Jahr auszubilden.

»Kommen Sie, Mr Seymour«, sagte sie. »Wir sind hier fertig.«

Mr Seymour schüttelte den Kopf. »Ich kann noch nicht! Der Preisrichter wird gleich seine Entscheidung verkünden. Wart’s nur ab. Ich hab’ ihm meinen Lieblingswitz erzählt, den mit dem Papst, der Heiligen Muttergottes und der Rennmaus. Er hat sich fast totgelacht. Wir haben die Sache im Sack… wart’s nur ab … dieser Adams-Brandwein gehört praktisch uns.« Er rieb sich die Hände.

Rosie sah ihn fragend an. »Adams-Brandwein?«

»Genau! Hier kann man Schnaps gewinnen!«, eröffnete ihr Mr Seymour.

Rosie seufzte, schüttelte den Kopf und lachte schließlich. Die Begegnung mit Dubbo hatte sie durcheinander gebracht, aber in Mr Seymours Nähe begann sie sich wieder zu entspannen.

»Das ist kein Schnaps, sondern eine CD – also eine Compact Disk … Sie wissen schon, so was wie eine Schallplatte.«

»Und was ist dann dieser Adam Brand? Ich dachte, das wäre ein Weinbrand?«

»Sie meinen, wer ist dieser Adam Brand? Eine Sahneschnitte in engen Jeans, der gute Songs drauf hat. Ach, vergessen Sie’s, wenn wir gewinnen, werden Sie ihn kennen lernen.«

Als Allan Nixon das Mikro einschaltete, hob die Gruppe von jungen Männern, die ihre Hüte mit Hutbändern aus schwarzem Zwirn und gelben Bundyrum-Deckeln verziert hatte, unter lautem Gepfeife die Dosen in den Styroporhaltern.

»Ladies und Gents …« Der Pick-up-Man begann, seine ergebene Fangemeinde zu umwerben, indem er den Witz weitergab, den er gerade von Mr Seymour erzählt bekommen hatte. Einige der Damen im Wohnwagen kniffen missbilligend die Lippen zusammen, aber die Jungspunde grölten vor Lachen. Dann begann er, die Gewinner in jeder Kategorie zu benennen, darunter »getunter Pick-up«, »bester Kuhfänger«, »fettester Pick-up«, »bester Tussen-Pick-up« und zuletzt »fertigste Rostlaube«.

Der Pick-up-Man beugte sich über sein Mikrofon.

»Zweiter in der Kategorie ›fertigste Rostlaube‹ ist Der Braune Fleck von Craig Gardener – herzlichen Glückwunsch! Aber der erste Platz gebührt eindeutig …« Der Pick-up-Man machte eine effektvolle Pause, »Neville! Vorgeführt von Rosie Jones, dem ehrenwerten Mr Seymour und Lazy Bones, seinem alten Hund!«

Rosie trat vor, und Allan überreichte ihr eine signierte Ausgabe seines neuesten Buches »Pick-up Beauties« sowie die Adam-Brand-CD, die sie sofort an den verwirrt dreinschauenden Mr Seymour weiterreichte.

»Kommen Sie, mein Schöner«, sagte sie und half Mr Seymour in den Pick-up. »Wir bringen Sie lieber heim, bevor allzu viele von den alten Mädchen, die Ihnen das Essen bringen, Wind davon bekommen, wie gut Sie in Schuss sind. Sie könnten Ihnen die Mahlzeiten kappen, wenn wir hier zu mächtig einen draufmachen. «

»Du bist ein gutes Mädchen«, sagte er und tastete nach seinem Zigarettentabak.

Als Rosie Mr Seymour in seinem Haus in den Sessel setzte, reckte er sich nach seinem Beistelltisch und griff nach einem schweren, alten Skizzenbuch voller Zeitungsausschnitte. O Gott, dachte sie schuldbewusst, ich habe absolut keine Lust, jetzt über Kelpies zu reden! Sie musste auf die Station zurück, um die Hunde und Pferde zu füttern. Mr Seymour spürte, dass sie nicht bleiben wollte, und nickte zur Tür hin.

»Zieh schon ab. Wir werden uns später darüber unterhalten, was hier drin steht. Nimm es einfach mit. Und bring es wieder, wenn du Zeit hast.«

»Danke.« Rosie setzte Mr Seymour einen Dankeskuss auf die Wange.

»Vergiss nicht, Bones mitzunehmen«, ermahnte er sie nachsichtig. »Ein paar von den alten Hennen haben mir schon angedroht, sie würden ihn einschläfern lassen.«

»Gott!« Schaudernd drückte Rosie den alten Hund an ihr Bein. »Komm mit, alter Knabe. Wir bringen dich heim, und du darfst bei mir im Zimmer schlafen.«