Kapitel 4

Reich bitte deinem Vater die Soße.« Margaret setzte sich an den Esstisch, einen lila Papierhut auf den Kopf geklemmt und das Gesicht hektisch gerötet. Rosemary nahm die Soßenschale, sah ihrem Vater aber nicht in die Augen, während sie ihm die Sauciere reichte. Ihr Blick lag fest auf dem Plastikkrimskrams und den zerrissenen, glänzenden Verpackungen der Glückwunschkekse, mit denen der Tisch übersät war.

Julian begann, einen grauenhaften Witz vorzulesen, der auf dem Papier in seinem Keks stand, während Margaret dicke Scheiben Schinken und Truthahn aufschnitt und einen Teller vor Rosemary hinstellte.

»Nimm dir auch von dem Gemüse. Es gibt frisch gepalte Erbsen«, sagte ihre Mutter und reichte ihr die Schüssel vom Sideboard.

Rosemary fühlte sich elend. Wie konnten sie sich so aufführen? So tun, als sei nichts geschehen? Sam war erst vor drei Wochen beerdigt worden. Hatten sie das schon vergessen? Sie rammte die Gabel in eine dampfende Ofenkartoffel.

»Sollen wir den Baum vor oder nach dem Dessert schmücken? «, fragte Margaret leichthin.

»Scheiß doch auf den Baum«, entfuhr es Rosemary.

Gerald, der während der vorweihnachtlichen Schur wie üblich missgestimmt war, warf ihr einen wütenden Blick zu. Ihre Mutter erstarrte und leerte dann in einem Zug ihren gigantischen Weinkelch. Mit zitternden Händen fasste sie nach der Flasche. Julian senkte den Kopf und schob mit der Gabel das Essen auf seinem Teller herum.

Die Familie aß in tiefem Schweigen, das nur von dem Klirren der Messer und Gabeln durchbrochen wurde.

Schließlich sagte Margaret: »Also dann, fröhliche Weihnachten, verflucht noch mal.« Sie warf ihre weiße Leinenserviette auf den Tisch. »Ich hole das Dessert, und anschließend können wir deinen angeschissenen Baum schmücken, Rosemary.« Damit stakste sie aus dem Zimmer.

Schuldbewusst deckte Rosemary den Tisch ab. Auf dem Weg zur Küche hörte sie die alte Glocke vor der Haustür dreimal anschlagen. Verwundert, wer sie am Weihnachtstag besuchte, setzte sie die Teller auf der Kommode im Flur ab und ging die Tür öffnen. Ihr Gesicht erstrahlte.

»Giddy! Ach, Tante Giddy!«, sagte sie und warf sich ihrer Tante in die ausgebreiteten Arme.

»Mein liebes Mädchen«, sagte Giddy und schloss Rosemary in eine warmherzige Umarmung. Rosemary atmete den verführerischen Duft von Sandelholz ein.

»Mein armes, armes liebes Mädchen.« Sie strich Rosemary übers Haar, und Rosemary spürte, wie in ihren Augen Tränen zu brennen begannen. »Wie geht es dir?«

Giddy hielt sie auf Armeslänge von sich weg, sah ihr ernst ins Gesicht und suchte nach dem Schmerz, den Rosemary in sich trug. Rosemary versuchte sich an einem Lächeln, spürte aber, wie sich ihr Gesicht verzog, weil die Gefühle sie überwältigten. Giddy schloss sie wieder in die Arme.

»Schon gut, mein Baby. Ich bin ja da.«

Sie nahm Rosemary bei der Hand. »Schikaniert dich meine Schwester immer noch so?«

Rosemary nickte und lenkte Giddys Blick auf die weiße Laura-Ashley-Bluse, die ihre Mutter ihr für diesen Feiertag aufgezwungen hatte.

»Na, dann komm«, sagte Giddy, schob ihren Arm in Roses und hob ihren Korb hoch. »Wollen wir mal sehen, ob wir ein bisschen Schwung in die Bude bringen können.«

Lächelnd spazierte Rosemary neben ihrer Tante den Flur hinunter.

»Gott, ist das still hier«, flüsterte Giddy verschwörerisch. »Dabei ist Weihnachten, verflixt noch eins! Lass uns für ein bisschen Spaß sorgen!«

Doch dann blieb Giddy wie angewurzelt stehen, weil Margaret im Flur erschienen war.

»Was machst du hier?«, fragte Margaret kühl.

»Dir auch frohe Weihnachten«, gab Giddy zurück, ohne dass ihrer Miene etwas anzumerken gewesen wäre. Margaret bedachte sie mit einem grimmigen Blick. Giddy schob ihre Hand ins Roses.

»Du hast doch nicht geglaubt, dass ich Rose in einer so schweren Zeit allein lassen würde? Denk nicht immer nur an dich, Margaret. Rosemary braucht jetzt Trost.«

Margaret zuckte, bewahrte aber Haltung.

»Glaub bloß nicht, dass du hier übernachten kannst«, sagte sie. »Das werde ich nicht zulassen.« Damit rauschte sie in die Küche ab.


Auf dem Sofa im Salon drückte Gerald seiner Schwägerin einen kühlen Gin Tonic in die Hand. Julian saß zu ihren Füßen, in das Sachbuch von Tim Flannery vertieft, das sie ihm gerade geschenkt hatte.

»Gefällt dir das Leben auf der Farm?«, fragte ihn Giddy.

Julian sah kurz zu seinem Vater auf und zuckte mit den Achseln. »Ist schon okay«, sagte er tonlos.

Giddy wollte Gerald gerade die gleiche Frage stellen, als Margaret, ihr leeres Glas schwenkend, ins Zimmer trat.

»Ich nehme noch einen, vielen Dank, Gerald.«

Rosemary stöhnte lautlos. Ihre Mutter war betrunken und würde mit Sicherheit wieder ausfallend gegenüber Giddy werden. Rosemarys Blick kam auf dem rot gefärbten Haar und den unordentlichen, leicht exzentrischen Kleidern ihrer Tante zu liegen. Sie war immer wieder erstaunt, wie grundverschieden Giddy und Margaret waren. Man konnte sich kaum gegensätzlichere Schwestern vorstellen. Kein Wunder, dass die beiden nicht miteinander auskamen.

Rosemary hatte Giddy seit jeher vergöttert, obwohl sie ihre Tante nur selten sah. Sie liebte ihre Wärme und ihren Humor und die Haare, die in einem glänzend roten, glatten Vorhang über ihre Schultern fielen. Rosemary war fasziniert von Giddys Leben in ihrem Künstlerstudio auf der Mornington Peninsula in Melbourne.

Als sie zwölf gewesen war und ihre Mutter im Krankenhaus gelegen hatte, hatte sie einmal eine ganze Woche bei Tante Giddy verbracht. Das Haus hatte nichts von der unterkühlten Weitläufigkeit des Highgrovschen Anwesens. Es war eine winzige Hütte mit niedriger Wellblechdecke und wurde von vollgestopften Bücherwänden sowie freigiebig verteilten, farbenfrohen Stoffen auf Kissen, Sofas und Wänden erwärmt. Noch mehr Farbe strahlte aus Giddys Gemälden und von den Leinwänden, die an jedem freien Möbelstück lehnten. Bei diesem Besuch hatte sie auch gehört, wie Giddy einen jungen Mann geliebt hatte, der als Malschüler zu ihr gekommen war. Auch wenn sich Rosemary damals extra vor das Fenster geschlichen hatte, um einen Blick auf das Gewirr von Gliedern und auf das wilde Gestoße des weißen Männerhinterns zu erhaschen, hatte sie der Anblick doch so schockiert, dass sie am liebsten auf der Stelle heimgefahren wäre.

»Aber Rose«, hatte Giddy ihr freundlich erklärt. »Das ist etwas ganz Natürliches. Hat dir deine Mutter denn gar nichts beigebracht? Wenn du erst mal älter bist, wirst du das verstehen.«

Eine heiße Schokolade und ein paar Kekse später spielte Rosemary wieder fröhlich mit Giddys schwarzem Kater und genoss die fremdartige Umgebung. Bis zum Ende ihres Aufenthalts hatte sie das Geklimper der Perlenschnüre in den Türen und den sinnlichen Duft nach Sandelholz und Massageöl lieben gelernt.

Geralds lautes Lachen brach in Rosemarys Gedanken ein. Er hielt ein Paar Socken in die Höhe, die Giddy ihm geschenkt hatte. Sie trugen den Aufdruck »Alter Stinker«. Er sah ganz und gar nicht mehr stinkig aus, seit Giddy aufgetaucht war, dachte Rosemary. Ihre Tante hatte diese Wirkung auf ihre Mitmenschen.

»Hier, Margaret«, sagte Giddy und streckte ihrer Mutter eine wunderschön eingepackte Schachtel samt einer mit Muscheln beklebten Karte entgegen. Margaret wich kopfschüttelnd zurück.

»Ich habe entsetzliche Kopfschmerzen. Ich glaube, ich muss mich hinlegen.« Sie schwankte unsicher aus dem Zimmer. »Komm bald nach, Gerald. Ich brauche noch Tabletten. Und Wasser.«


Als sie Giddy später in ihr uraltes Auto halfen, bettelte Rosemary sie noch einmal an, über Nacht zu bleiben. Doch Giddy schüttelte den Kopf.

»Das ist keine gute Idee«, sagte sie und schaute zu Margarets Schlafzimmerfenster hoch. Rosemary senkte betrübt den Blick auf den Kies zu ihren Füßen.

»Hey«, meinte Giddy tröstend. »Es gibt schließlich das Telefon.« Sie streckte den Arm durch das offene Autofenster und nahm Rosemarys Hand. »Versprichst du mir, dass du dein Leben lebst?«

»Wie meinst du das?«

»Du musst deinen eigenen Weg durchs Leben finden, Rose. Nutze diese Tragödie, um einen eigenen Weg zu finden.«

Rosemary nickte unsicher und spürte im gleichen Moment, wie sich wieder die Wut und die Verunsicherung nach Sams Tod in ihr breit machten, gepaart mit der Frustration über ihre halsstarrige Mutter.

»Versprich es mir.« Giddy drückte ihre Hand. »Du könntest fliegen lernen; du müsstest nur endlich aus deinem Käfig ausbrechen. «

»Ich werde es versuchen«, sagte Rosemary. Sie trat zurück. Julian beugte sich durchs Fenster und gab seiner Tante einen Kuss. Dann trat Gerald vor und drückte Giddys Hand.

»Danke, dass du gekommen bist«, sagte er und gab ihr einen Abschiedskuss auf die Wange. Er hielt ihre Hand, bis sie den Wagen anrollen ließ.

»Frohe Weihnachten«, sagte er leise, als er ihre Hand losließ.


Die Worte ihrer Tante ließen Rosemary keine Ruhe, und so beschloss sie schließlich, sich nicht länger auf dem Familiensitz versteckt zu halten. Nach dem zweiten Weihnachtsfeiertag kehrte sie an ihren Schreibtisch beim Chronicle zurück. Sie fühlte sich wie ein Soldat, der von der Front zurückgekehrt ist.

»Du brauchst wirklich nicht schon wieder zu arbeiten, Rose«, sagte Duncan und schaute zwischen den Bergen auf seinem Schreibtisch zu ihr herüber. »Zwischen Weihnachten und Neujahr ist hier sowieso der Hund begraben, und du brauchst bestimmt noch Zeit zum Trauern.«

»Nein, es geht schon«, widersprach Rosemary fest, ehe sie sich über ihren Computer beugte.

Duncan zuckte mit den Achseln. Er lebte schon lange genug im Distrikt, um zu wissen, dass es klug war, sich mit Frauen wie Margaret Highgrove-Jones gut zu stellen. Darum hatte er Margarets Tochter, ohne zu zögern, eingestellt, obwohl sie keine Erfahrung vorweisen konnte. Während der letzten Jahre war er richtig froh gewesen, Rosemary um sich zu haben, dachte Duncan. Sie war auf eine fast jungfräuliche Art hübsch. Er rätselte, ob sie wohl tatsächlich noch Jungfrau war. Dann gab er sich im Geist eine Ohrfeige. Seine Frau war seit acht Monaten weg, und er hatte das Gefühl, langsam durchzudrehen. Er beschloss, seine erotischen Gedanken strikt auf Rosemarys Mutter zu beschränken. Duncan empfand Margaret als beängstigende Frau, aber er schaute sie gerne an. Sie roch immer so teuer und sah aus wie ein Exmodel. Wieso fühlte er sich immer zu extrem aufwändigen, älteren Frauen hingezogen?, sinnierte er. Seine Frau war genauso gewesen. Obwohl er seiner Frau nie wirklich untreu gewesen war, flirtete Duncan für sein Leben gern. Er hatte sich immer zugute gehalten, dass er genau wie Greg Evans aus Perfect Match aussah. Aber Greg Evans’ Glanzzeit war längst vorüber. Seither suchte Duncan, mittlerweile unbeweibt, Trost im Essen. Infolgedessen drohte sein Bauch, seine Hosen zu sprengen, und unter seinen Augen hingen dicke Säcke, nach allzu vielen Abenden mit Scotch vor dem Fernseher.

Den ganzen Vormittag über war Duncans Blick immer wieder auf Rosemary zu liegen gekommen. Er fragte sich, ob sie die ganze Wahrheit über Sams Tod wusste. Außer ihr schien jeder im Ort Bescheid zu wissen.

Rosemary ging den Stapel von Fotos durch, die sie während des Rennens geschossen hatte. Ihr Auge fiel auf das Foto von Sam und Oakwood. Sams so hübsches Gesicht. Sie konnte immer noch seinen Schweiß und den des Pferdes riechen. Tränen traten ihr in die Augen. Wütend wischte Rosemary sie mit dem Handrücken weg. Sams Bild verfolgte sie Tag für Tag. Sam nach dem Rennen auf dem Sattelplatz, die eine Hand auf Jillian Rogers’ Schulter. Sie wirbelte auf ihrem Stuhl herum und sah Duncan an. Ihre blauen Augen blickten direkt in seine.

»Ich mache heute länger Mittagspause, Duncan. Ist das okay?«

Ihre direkte Art brachte ihn kurz aus der Fassung. Er hatte das Gefühl, dass sie ihn nicht wirklich gefragt, sondern eher informiert hatte.

»Unbedingt«, antwortete Duncan. »Du weißt genauso gut wie ich, dass hier nicht die Bohne zu tun ist.« Noch bevor er ausgesprochen hatte, hatte Rosemary ihre Handtasche geschnappt und war auf dem Weg zur Tür.


Die Luft schien zu glühen. Statt die Klimaanlage im Volvo aufzudrehen, rollte Rosemary das Fenster nach unten und ließ ihren Bubikopf vom heißen Wind verwuscheln, während sie in Richtung Hamilton fuhr. Das Radio war auf den Landfunk eingestellt, aber sie drehte auf der Skala über das statische Rauschen hinweg, bis sie Musik gefunden hatte. Es war ein Song von Alanis Morissette. Rosemary drehte die Lautstärke auf, bis sie den Bass im Magen spürte. Der wütende Text befeuerte ihren eigenen schwelenden Zorn, und sie stellte sich mit zusammengebissenen Zähnen Sam und Jillian zusammen in Dubbos Pick-up vor. Den Fuß aufs Gaspedal gestemmt, übertrat sie zum ersten Mal in ihrem Leben die vorgeschriebene Geschwindigkeit.

Auf dem Krankenhausparkplatz stellte Rosemary den Wagen schräg vor einem Schild mit der Aufschrift »Behindertenparkplatz« ab. Noch bevor sie die Tür zuknallte, rätselte sie, warum es keine »Beziehungsunfähigenparkplätze« für Menschen wie sie gab. Dann marschierte sie energisch durch die Krankenhaustür.

»Kann ich Ihnen helfen?«, hörte sie die näselnde Stimme der maushaarigen Schwester am Empfang.

»Äh, ich weiß nicht so recht. Ich möchte einen Patienten besuchen. Einen Mr … Mr Dubbo?«

Die Empfangssekretärin sah sie zweifelnd an. Es war kein guter Morgen.

Als Rosemary Dubbo endlich gefunden hatte, lag er dösend in seinem Privatzimmer. Sein Arm war eingegipst. Der Gips war von seinen Freunden mit einem Filzstift bearbeitet und mit dem Markenbären von Bundaberg Rum verschönert worden. Rosemary lief ein Schaudern über den Rücken, als sie erkannte, dass Dubbos Beine in eine Art Stahlrahmen gespannt waren. Auf seinem Gesicht leuchteten immer noch blaue Flecke, und seine blonden Haare waren verfilzt. Als Rosemarys klickende Schritte ihn weckten, konnte er ihr kaum in die Augen sehen.

»Ich brauche wohl nicht zu fragen, wie es dir geht«, sagte sie leise.

»Ging schon besser«, sagte er und schaute zum Fenster, obwohl die Jalousien zugezogen waren.

»Kann ich was für dich tun?«

»Wieso solltest du was für mich tun wollen?«, fragte Dubbo verbittert. Dann herrschte verlegenes Schweigen. Langsam rannen Tränen aus Dubbos Augen. Es war merkwürdig, einen so großen Mann weinen zu sehen. Seine Stimme blieb tief und kräftig, als er wieder und wieder: »Es tut mir so Leid …« schluchzte. Dennoch wollte er sie immer noch nicht ansehen.

Rosemary ging um sein Bett herum, sodass er ihrem Blick nicht länger ausweichen konnte.

»Ich muss wissen, was wirklich passiert ist«, sagte sie.

Dubbo schüttelte den Kopf, und wieder glänzten Tränen in seinen Augen. Sie beugte sich vor und legte die Hand auf seinen Arm.

»Ich muss es wissen.«

»Ich weiß es nicht mehr«, gab er grob zurück. Dann hob er den eingegipsten Arm an die Stirn.

Rosemary ließ nicht locker. »Warst du betrunken?«

»Nein!«

»Habt ihr rumgealbert?«

»Weiß ich nicht mehr!«

Rosemary merkte, wie ihre Stimme wütender wurde.

»Warum ist es dann passiert? Warum ist Sam gestorben?«

Dubbo wich zurück.

»Ich war es nicht! Ich wollte das nicht! Ich kann nichts dafür!« Dubbo verzog schmerzvoll das Gesicht.

Rosemary ging neben seinem Bett in die Hocke. »Erzähl es mir. Bitte.«

Dubbo wand sich, als in seinem Kopf seine letzte Erinnerung an Sam aufblitzte. Sam hatte nichts als seine Stiefel angehabt. Sein bleicher Leib hatte in der dunklen Nacht geleuchtet. Er hatte sich von außen in das Fenster auf der Fahrerseite des Pick-ups gebeugt und versucht, Dubbo Jillians BH über die Ohren zu ziehen, während Dubbo ihn lachend angeschrien hatte, damit aufzuhören. Im Rückspiegel hatte Dubbo die nackten Brüste von Jillian aufblitzen sehen, die kreischend versucht hatte, Sam auf die Ladefläche zurückzuziehen. Im selben Moment hatte der Viehfänger einen Wegweiser aus der Verankerung gerissen. Erst kam das widerlich gellende Reißen des Metalls, als sich der Pick-up wieder und wieder und wieder überschlagen hatte. Danach nichts mehr. Jetzt, im Krankenhaus, kniff Dubbo die Augen zusammen und versuchte, die Übelkeit hinunterzuschlucken. Rosemary setzte ihm noch mal zu.

»Er war nicht vorn bei dir, stimmt’s?«, fragte sie ruhig.

Der Muskel in Dubbos Kiefer zuckte.

»Er war zusammen mit Jillian hinten auf der Ladefläche, stimmt’s?«

»Hör auf! Es ist nun mal passiert, jetzt hör auf!«

»Sie waren zusammen hinten, stimmt’s? In Sams Schlafsack.« Tränen füllten Rosemarys Augen, weil sie daran denken musste, wie sie Sam kurz vor Weihnachten angefleht hatte, sie zu einem Campdraft-Wettbewerb im Hinterland von Queensland mitzunehmen. Er hatte abgelehnt, weil es dort keine Motels gab und es ihr bestimmt nicht gefallen würde, mit ihm in seinem miefigen Schlafsack im Pferdeanhänger zu übernachten.

»Ich kann nichts dafür«, sagte Dubbo noch mal. »Es war Sam … er… er hat Scheiß gebaut. Mit Jillian. Er… sie… haben mich abgelenkt. «

Er sah Rosemary verzweifelt an, und sie erkannte, dass dies nicht Sams erster Betrug gewesen war. Sie stand auf und wollte gehen.

»Es tut mir Leid«, sagte Dubbo. »Manchmal hat er sich wie ein Arschloch aufgeführt. Ein richtiges Arschloch.«

»Ich weiß«, sagte sie. Dann nahm sie ihre Handtasche und ging.