Kapitel 16
Venus Williams oder wie?«, rief ihr einer der Moorecroft-Brüder zu, dem Rosie eben einen Tennisball übers Netz hingeschmettert hatte. Der Ball kam auf und schoss an ihm vorbei. Zum Glück ahnte er nicht, dass sie in Wahrheit auf seinen Kopf gezielt hatte, weshalb es für sie ein armseliger Schuss gewesen war. Bei jedem Schlag kochte neue Wut in Rosie hoch.
Während der letzten Wochen hatte sie sich Geralds Schweigen und seinem Seufzen zum Trotz draußen auf der Farm abgearbeitet. Sie hatte sich an Jims Fersen geheftet, ihm zu- und manches abgeschaut. Alles ausprobiert, was ihm an Aufgaben aufgetragen worden war. Sie war wie sein Schatten gewesen, auch wenn sie wusste, dass sie ihm manchmal im Weg war. Falls die Zeit es zuließ, gab sich Jim redlich Mühe, ihr möglichst viel beizubringen. Aber Rosie hatte dennoch das Gefühl, dass er sie nur duldete, weil sie die Tochter seines Chefs war. Sie bombardierte ihn mit Fragen und strapazierte seine Geduld durch ihre tollpatschigen Versuche, mit Stacheldraht oder Werkzeug zu hantieren oder die Fahrzeuge zu rangieren. Trotzdem sprach er ihr immer wieder Mut zu. Weil er sie mochte? Oder nur aus Pflichtgefühl? Rosie hätte ihm zu gern die Wahrheit gesagt… dass sie gar nicht Geralds Tochter war. Aber irgendwie schaffte sie es nicht, die Worte auszusprechen. Vorerst wollte sie nur vergessen.
Es gab Zeiten — meist gegen Abend, wenn sie die Arme auf das Pferchgatter stemmte und Jim beim Training mit seinem jungen Pferd beobachtete –, da fühlte sie sich wie Sigrid Thornton in The Man From Snowy River. Es kam ihr so ungemein romantisch vor, wenn sie zwischendurch seinen Blick auffing und er seine unglaublichen Lippen zum Ansatz eines Lächelns nach oben zog. Doch im nächsten Moment schüttelte sie die Vorstellung mit einem eisigen Schaudern wieder ab. Es war noch zu früh nach Sam — oder etwa nicht? Erst vier Monate nach dem Unfall. Obwohl die Gäste bei der Tennisparty, die ihre Mutter organisiert hatte, offenkundig der Meinung waren, dass sie wieder in die Zukunft schauen sollte. Den ganzen Tag über hatten Margaret und ihre Freundinnen Heiratskandidaten an Rosie vorbeiparadieren lassen. Selbst Dubbo hatten sie eingeladen.
Sollten doch alle Männer zum Teufel gehen, dachte Rosie, und drosch ein weiteres Mal auf den Tennisball ein. Sam hatte sie betrogen. Ihr leiblicher Vater hatte sich offenkundig aus dem Staub gemacht. Gerald ignorierte sie, und Jim war irgendwo draußen auf der Weide, in freier Natur, und ritt mit seinem jungen Hengst zu den Mutterschafen.
Rosie selbst fühlte sich alles andere als frei. Sie stand hier in ihrem blütenweißen Tennisdress und spielte die Co-Gastgeberin bei dem Spätsommer-Barbecue mit angeschlossenem Tennisturnier, das ihre Mutter Jahr für Jahr veranstaltete. Sie fühlte sich gefangen, sie fühlte sich elend, und sie war stinkwütend auf ihre Mutter.
Als Rosie Dubbo gesehen hatte, abgezehrt, hager und auf einen Stock gestützt, hatte er ihr für einen kurzen Moment Leid getan. Er hatte sich vorgebeugt und sie auf die Wange geküsst, wobei die blonden Haare über sein eines Auge gerutscht waren. Trotzdem versetzte die Begegnung Rosie einen Stich. Dass Dubbo hier war, führte ihr noch einmal vor Augen, dass Sam tot war. Dubbo war tatsächlich dabei gewesen, damals in der Dunkelheit, als Sam und Jillian getötet wurden.
»Kacke!«, entfuhr es Rosies Gegner, als der Tennisball auf seinen fleischigen Schenkel prallte und einen roten Abdruck hinterließ.
Wie konnte ihre Mutter ihr das nur antun? Rosie sah verstohlen zu Gerald hinüber, der sich an den Rand des Partygeschehens zurückgezogen hatte. Er fuhr pflichtbewusst fort, den Gästen Pimms und Limonade einzuschenken, wirkte dabei aber so zerstreut und geistesabwesend, dass die Menschen einen weiten Bogen um ihn machten. Es war unübersehbar, dass Gerald sich abgeschottet hatte. Rosie hatte schon öfter erlebt, dass er sich so zurückzog, und sie konnte die Anzeichen auch jetzt in seinen Augen sehen. So schlimm wie heute war es allerdings noch nie gewesen. Rosie schmetterte einen Aufschlag übers Netz, und der junge Moorecroft ging in Deckung.
Neben dem Tennisplatz lagerten arrogante junge Männer mit ihren Biergläsern auf Margarets neuen Gartenmöbeln und glotzten auf Rosies nackte Beine. Prudence mit ihren gut dreißig Jahren saß zwischen ihnen, kicherte laut über ihre Witze und zwirbelte ihre schwarzen Locken. Trotz ihres teuren Tennisoutfits und der blendend weißen Sportschuhe mit passendem Schweißband wirkte Prue alles andere als sportlich. Auf den fleischigen Schenkeln wabbelte die Zellulitis, wenn Prue die Beine übereinander schlug, und ihre Oberarme schwabbelten, wenn sie Rosie zu einem gewonnenen Punkt applaudierte. Animiert von den neuen männlichen Gästen bei den Highgrove-Joneses hatte sie »die Stimme« aufgesetzt, um Eindruck zu schinden. Ihre übertrieben deutlich betonten Kommentare schallten zwischen knallrosa leuchtenden Lippen hervor.
»Guter Punkt, Rosemary! Eins zu null für uns Mädels!«, bellte sie.
Halb zufrieden, dem kleinen Moorecroft den fetten Arsch versohlt zu haben, stampfte Rosie vom Court. Aber als sie Prue laut schwadronieren hörte, sackte ihre Laune sofort wieder ins Bodenlose.
»Iha da!«, sagte Prue gerade zu den Jungen. »Am Fraaitag bin ich drüben, und dann könnt iha mia einen Chaardonnaay spendian. « Ihr Blick nagelte unter den dunklen Wimpern hervor die Männer fest, die vor dieser Aussicht unübersehbar zurückschreckten. Rosie plumpste in einen Stuhl, ließ ihren Tennisschläger fallen und seufzte laut. Im nächsten Moment kam ihre Mutter anscharwenzelt, in einen vorteilhaften blauen Tennisdress gekleidet und mit einer silbernen Uhrkette um den Hals.
»Rose, Schätzchen, warum schaust du nicht kurz in die Küche und holst frische Limonade und ein paar neue Gläser? Der Krug ist schwer. Bestimmt wird dich David begleiten und dir beim Tragen helfen.«
Margaret legte eine feste Hand auf Dubbos Schulter, der sofort sein Bier absetzte.
»Klar. Sicher. Klar«, sagte er und sprang in Habachtstellung. Eifrig hinkte er Rosie hinterher über den Rasen ins kühle Haus.
In der Küche standen die mit straff gespannter Haushaltsfolie abgedeckten Salate fürs Abendessen aufgereiht wie durchsichtige Trommeln im Kühlschrank. Die Anrichte war sauber abgewischt, und der Nachmittagstee wartete in einem Nest aus blütenweißer Gaze, die mit goldenen Hummeln bestickt war. Auf mehreren Tabletts standen hoch aufgestapelt blitzblanke Gläser bereit.
»Die Limonade ist im Kühlschrank«, erklärte Rosie mürrisch, während sie einen Eiswürfelbehälter aus der Gefriertruhe holte. Dubbos braune Augen zuckten kurz nervös zu ihr herüber, argwöhnisch angesichts der aggressiven Energie, die Rosie ausstrahlte.
Rosie sah zu ihm hin. Was dachte sich ihre Mutter nur? Natürlich hatte in Margarets Denkweise Dubbo die richtige Abstammung. Seine Familie besaß eine der größten Stationen in der Gegend, und sie verfügte über Verbindungen in der City! Wen interessierte es da, dass er der Mann war, der am Steuer gesessen hatte, als Sam getötet wurde! Die unterschiedlichsten Gefühle ballten und bekriegten sich in Rosie, die plötzlich daran denken musste, wie sie Sam in dieser Küche geküsst hatte. Sie schauderte vor der Vorstellung, dass sich die Geschichte wiederholen könnte… mit Dubbo. Er war zwar Sams bester Freund gewesen, aber sie kannte ihn trotzdem kaum. Dass er hier in ihrer Küche stand, schien die kaum verheilten Narben aufzureißen, die Sams Tod und seine Untreue hinterlassen hatten. Als sie es nicht schaffte, die Eiswürfel aus der Plastikform zu drücken, knallte sie den Behälter laut fluchend gegen die Spüle.
Dubbo, der noch in den riesigen Kühlschrank geschaut hatte, sah sichtlich erschrocken über ihren Ausbruch auf.
»Lass mich das machen«, erbot er sich. Er kam zu ihr und drückte mit seinen starken Farmerfingern das Eis ohne jede Schwierigkeit aus den Formen.
»Entschuldige«, sagte Rosie verlegen und mit schlechtem Gewissen.
»Ich kann dich verstehen«, sagte Dubbo. »Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll …«
Sie rang sich ein Lächeln für ihn ab. Der arme Bursche, dachte sie, bekam ihren ganzen Zorn ab.
»Ich bin nicht auf dich so wütend«, sagte sie. »Sondern auf meine Mutter. Sie treibt mich zum Wahnsinn.«
»Ja. Ich weiß, wie das ist. Seit dem Unfall behandelt mich meine Mutter, als wäre ich wieder zwölf und könnte nicht in die Schule, weil ich Fieber habe. Was für eine Scheiße. Jeden Tag stecke ich zu Hause fest und muss mich von ihr bemuttern lassen!«
»Du arbeitest noch nicht wieder auf der Farm?«
»Ich taste mich langsam vor. Immerhin fahre ich schon wieder mit dem Wagen rum. Und ich helfe Dad bei diesem und jenem.«
»Ach ja?«
»Also, um ehrlich zu sein, tüfteln wir gerade aus, wie wir die Stoppellähme bekämpfen sollen. Nach einem so schrecklich trockenen Sommer rechnen alle mit einem feuchten Winter, darum dachten wir, wir sollten schon jetzt was unternehmen. Aber erzähl es nicht rum, okay? Dass wir mit Stoppellähme zu kämpfen haben.«
Rosies Gesicht hellte sich auf. »Ach was! Wir doch auch.«
»Entschuldige?«
»Wir machen zurzeit das Gleiche – die Stoppellähme bekämpfen. Nehmt ihr Zinksulfat oder Formalin?«
»Diesmal Zinksulfat, aber nächstes Mal versuchen wir es mit Formalin.«
»Jim, unser Viehtreiber«, berichtete Rosie eifrig, »hält es für das Beste, die Schafe eine Weile im Pferch zu lassen, nachdem sie im Fußbad waren – damit das Zeug besser in die Hufe eindringen kann, bevor sie wieder auf die Weide kommen. Diesmal haben wir sie zusätzlich auf dem Rost im Schuppen abgespült, das haben Dad und Julian letztes Jahr nicht gemacht.«
Dubbo stand mit offenem Mund vor ihr, den Krug mit Margarets selbst gemachter Limonade in beiden Händen. Im Unterschied zu manch anderen Mädchen ihres Alters aus dem Distrikt hatte er Rosemary Highgrove-Jones noch nie auf einer Schafauktion gesehen, und doch plauderte sie kenntnisreich über Stoppellähme und Zinksulfat. Die Kleine war wirklich immer für eine Überraschung gut, dachte er.
»Haut es dich auch jedes Mal um, wenn du ein Schaf auf den Rücken geworfen hast und an den Hinterhufen beschäftigt bist und das Vieh in diesem Moment einen fahren lässt?«, fragte Rosie lächelnd.
Dubbo zog die Brauen hoch und nickte.
»O Mann! Das reine Methan!«, bestätigte er.
»Ich schätze, beim Klauenschneiden atmet man so viel davon ein, dass nachts die eigenen Fürze wie Schafskacke stinken.«
»Ich kann nicht behaupten, dass mir das schon aufgefallen wäre.«
»Denk beim nächsten Mal dran. Ich bin fest davon überzeugt. Dann kannst du dir unter der Bettdecke deinen eigenen Schafstall aufblasen.«
Dubbo sah sie kurz an und warf dann lachend den Kopf zurück. Unter lockerem Geplauder füllte Rosie die Eiswürfel in eine Schüssel und arrangierte anschließend die Zitronenscheiben so, wie es ihre Mutter immer tat.
Als sie schließlich über den Rasen zu den anderen Tennisspielern zurückschlenderten, unterhielten sich Dubbo und Rosie gelöst. Sie hatten sogar vereinbart, dass er irgendwann vorbeikommen und Dixies Welpen anschauen würde. Er hatte darauf bestanden, dass Sams Kelpies einen zu guten Stammbaum hatten, um sie gratis wegzugeben, aber Rosie meinte: »Mach dir deshalb keine Gedanken. Ich will kein Geld für sie haben!«
Margaret lächelte glückselig, als sie die beiden sah. In ihrem Kopf entfalteten sich die schönsten Pläne, während sie sich gleichzeitig ins Gedächtnis zu rufen versuchte, wie groß der Besitz von Dubbos Familie war. Dass er groß war, wusste sie. Groß genug, um Gerald aus seinen Schwierigkeiten herauszuhelfen, dachte sie. Als Rosie das Tablett auf dem Tisch abstellte, bemerkte sie, wie ihre Mutter schmunzelte.
»Danke«, sagte Rosie abrupt zu Dubbo. Dann ließ sie ihn ohne weitere Erklärung stehen und fiel so weit wie möglich von Margaret entfernt auf einen Stuhl. Dubbo sah Rosie verdattert und verletzt nach.
Genau in diesem Moment trottete Jim auf seinem staksigen Jungpferd um die Ecke des Haupthauses. Das Pferd scheute kurz vor den vielen Menschen und Möbeln auf dem sonst leeren Rasen, aber Jim hielt den Hengst ruhig genug, um zu Rosie herüberreiten zu können. Erstaunt über das plötzliche Erscheinen eines tänzelnden jungen Pferdes und eines großen Viehtreibers in ihrer Mitte schauten die Gäste auf. Rosie spürte, wie ihr warm wurde. Sie war so froh, Jim zu sehen, vor allem hier. Er war ganz eindeutig ihretwegen hier.
»Es geht um deine Stute, Rosie.« Sein unüberhörbarer irischer Akzent schnitt durch das höfliche Gemurmel der Gäste. »Ich glaube, sie wird bald fohlen. Es sieht so aus, als hätte sie ziemliche Mühe damit.«
Rosies Augen wurden vor Aufregung und Spannung kreisrund.
»Gehen wir!« Sie sprang von ihrem Stuhl und raste auf die Ställe zu. Jim wendete den jungen Hengst und folgte ihr.
»Rosemary!«, rief ihre Mutter ihr nach. »Du hast gleich wieder ein Spiel!«
Aber Rosie war schon weg.
Später blickten Jim und Rosie unter der kühlen Stallbeleuchtung auf das neugeborene Fohlen.
»Was für ein Prachtbursche«, sagte Jim strahlend wie ein stolzer Vater. Er hielt das Fohlen fest, damit es bei seinem ersten Stehversuch nicht gleich wieder umfiel. Danach ließ er es los, und der kleine Fuchshengst stolperte auf seinen spitzen kleinen Hufen los. Er drehte den Hals, reckte den hübschen Kopf mit der weißen Blesse vor und suchte nach etwas zu trinken. Sassy schnaubte zufrieden und fraß in aller Ruhe, während das Fohlen das Maul über ihrer Zitze schloss und zu saugen begann.
»Hast du dir schon einen Namen für ihn überlegt?«, fragte Jim.
»Ich glaube, ich werde ihn Morrison nennen«, sagte Rosie leise. »Du weißt schon, nach Van.«
»Ach ja, einer von Irlands größten Musikern. Aber hast du dir das wirklich gut überlegt … bist du sicher, dass du ihn nicht Sinead nennen willst?« Jim sah sie herausfordernd an.
»Nee … dazu hat er zu viele Haare. Er heißt Morrison.«
»Oder Bono?«, schlug Jim vor.
»Nein! Nicht U2!«
»Aber Rory Gallagher!«
»Nein! Vergiss es, Jim. Er heißt Morrison.« Rosie sah ihn rätselnd an. Flirtete er mit ihr?
»Du könntest auch was Skandinavisches nehmen und ihn Björk nennen.«
»Er heißt Morrison!« Rosie verschränkte die Arme in einer übertrieben ärgerlichen Geste.
»Ich will doch nur helfen«, sagte Jim schmollend. Rosie verstummte.
»Und was ist mit den anderen Kleinen?«, fragte Jim mit einem Nicken zu der Box nebenan, in der Dixie auf ihrem Strohbett lag und ihren winzigen, wuselnden Nachwuchs säugte.
»So viele Namen fallen mir im Moment nicht ein.«
»Willst du sie beim Kelpie Council registrieren lassen?«
Rosie zuckte mit den Achseln.
»Du könntest einen Abstammungsnachweis für die Tiere bekommen. Du könntest eine Zucht für Arbeitspferde und für Kelpies aufziehen. Damit sie dir was einbringen. Das würde ich jedenfalls machen.«
»Wer würde mir schon Arbeitshunde oder ein Pferd abkaufen? Ich verstehe doch nichts davon.«
»Das wirst du nie herausfinden, wenn du es nicht probierst … und außerdem werden dir die Gene in diesen wundervollen Tieren alles verraten, was du wissen musst. Du musst nur lernen, sie zu lesen. Gute Tiere lehren ihre Züchter. Was meinst du?«
Rosie sah Jim an. Sie wollte ihn küssen, hier unter der kühl leuchtenden Stallbeleuchtung, umgeben vom süßen Duft nach Heu und Pferden. Sie musste ihn küssen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, kniff die Augen zu und legte die Lippen auf seinen Mund. Sie spürte, wie er ihren Kuss erwiderte, anfänglich nur zögernd, aber dann mit immer größerer Leidenschaft. Er zog sie an seine Brust, und sie spürte, wie sein Körper auf sie reagierte. Aber genauso plötzlich ließ er sie wieder los.
»Verzeih mir, Rosie«, sagte er. »Du bist ein unglaubliches Mädchen, aber… ich weiß nicht.«
Rosie spürte, wie sie knallrot anlief.
»O Gott. Das ist mir peinlich. Ich dachte, du …«
»Nein! Ich meine ja. Ich finde dich sehr attraktiv.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wandte verlegen den Blick ab. »Du bist phantastisch. Aber die Sache ist, ich möchte gern hier bleiben. Von hier aus habe ich es nicht weit zu Ronnie Seymour und kann ihm ab und zu zur Hand gehen. Und wenn dein Vater rauskriegen würde, dass ich mit seiner Tochter rummache … also… ich möchte meinen Job nicht verlieren.«
Rosie trat lächelnd einen Schritt vor und wollte ihm schon erklären, dass Gerald nicht ihr leiblicher Vater war, aber Jim war noch nicht fertig.
»Ich meine, sehen wir den Tatsachen ins Auge. Du bist einfach zu vornehm für mich. Zu Hause werden Leute wie ich von den Snobs als ›Prolo‹ bezeichnet. Ich weiß genau, was du denkst. Du meinst es nicht ernst, stimmt’s? Du willst dich nur ein bisschen mit dem Stallburschen amüsieren.«
Seine Worte trafen Rosie. Sie merkte, wie ihr Zorn aufflammte.
»Du hältst mich für eine gelangweilte, verzogene Göre, wie? Dabei weißt du rein gar nichts über mich! Du täuschst dich, Jim Mahony. Du hast keine Ahnung, wie sehr du dich täuschst!«
»Hey«, beschwichtigte Jim, »ich wollte wirklich nicht – «
»Schon gut. Vergiss es.« Rosie wich langsam zurück. »Vergiss es einfach.« Sie floh aus dem Stall quer über den Hof ins Haus zurück.