Wallandool Station, 1878

Der Fiedler zog den Bogen über die Saiten, und Jack warf Mary hoch in die Luft, die breiten Hände fest um ihre schmale Taille gelegt. Ihr weißes Kleid war aufs Hübscheste mit winzigen Seidenröschen gesäumt. Ihre Wangen waren vom Tanzen gerötet. Die Freunde aus dem Distrikt umtanzten klatschend Braut und Bräutigam, während die jüngeren Kinder aus der Ryanschen Sippschaft auf der Seitenveranda, wo der Grog stand, mit ihren Freunden Unfug trieben.

Immer wenn Jack Mary an sich drückte, roch er den Zitronenblütenduft in ihrem Haar. Er schloss die Augen und wirbelte sie noch einmal über den Tanzboden. Mary Ryan hieß von nun an Mary Gleeson. In diesem Augenblick, bei seinem Hochzeitstanz in der Abenddämmerung vor dem Haupthaus auf Wallandool, war Jack überzeugt, der glücklichste Mensch auf Erden zu sein.

»Es ist doch gewiss bald Zeit zu gehen?«, erkundigte sich Jack und küsste Mary auf die Halsbeuge, wo er ihren Duft einatmen konnte. Sie lachte und küsste ihn ihrerseits auf die Wange.

»Ich werde Ma suchen, damit sie meine Sachen zusammensucht. Dad kann inzwischen den Buggy fertig machen.«

Jack zwängte sich durch das Gedränge auf dem Tanzboden und machte sich auf die Suche nach Launcelot Ryan. Er saß an einem Lagerfeuer, von dem aus helle Funken in den dunklen Juliabend stoben. Er nickte Jack zu.

»Mary ist abfahrbereit. Sind die Pferde schon eingeschirrt?«, wollte Jack wissen.

Ryan erhob sich.

»Du beweist Beharrlichkeit, Jack Gleeson, das muss man dir lassen. « Er legte die Hand auf Jacks Schulter und sah ihm geradeheraus ins Gesicht. »Aber wenn du ihr irgendwann ein Leid zufügen solltest, dann gnade dir Gott.«

Jack schüttelte seine Hand ab.

»Sie selbst haben ihr in den letzten Jahren Leid zugefügt, indem Sie uns zu trennen versuchten! Marys Leben beginnt erst jetzt, in dieser Nacht, mit mir.«

»Vielleicht giltst du mit deinen Viehtreiberkünsten in dieser Gegend als Held, aber du stehst dennoch weit unter meiner Mary. Und das wird immer so bleiben.«

»In Ihren Augen ist kein Mann gut genug für sie«, widersetzte Jack.

Ryan seufzte. Jack hatte ins Schwarze getroffen. Mary war sein Augenstern, sie war ihm von allen elfen das liebste Kind.

»Ich gehe den Buggy holen«, gab er sich müde geschlagen und verschwand in der Dunkelheit, die den Garten umgab.

Jack schaute zu, wie die aufstiebenden Funken auf ihrer Reise zum Himmel dunkler wurden und erloschen. Er schloss die Augen und ließ in Gedanken die Jahre Revue passieren, die dieser Hochzeitsnacht vorangegangen waren.

Er rief sich die Zeit auf Bolero im Mirool-Distrikt in Erinnerung. Kelpie hatte in den achtzehn Monaten, die er dort Dienst geleistet hatte, noch einen zweiten Wurf zur Welt gebracht. Auch diesmal war es ein helläugiger Welpenhaufen, den Moss gezeugt hatte.

Schon im Alter von zwölf Wochen zeigten die kleinen Welpen in ihrer Art zu spielen ihren Hüteinstinkt. Wieder schickte sie Jack in die Welt, indem er sie in die Hände der vertrauenswürdigsten Männer gab, ob sie nun Schafscherer oder alt eingesessene Viehzüchterbarone waren.

Achtzehn Monate lang hatte sich auch John Cox abmühen müssen, ehe er Jack überredet hatte, seine Stellung als Aufseher auf Bolero aufzugeben und Yalgogrin, den Familiensitz der Coxes, zu leiten. Nachdem Jack die Leiter erklommen und sich die Kunde von seinen Fähigkeiten im ganzen Land verbreitet hatte, konnte ihn Launcelot Ryan nicht länger übersehen. Dank seines edelmütigen Verhaltens und der Freigiebigkeit, mit der er seine Arbeitshunde weggab, hatte sich Jack einen Ruf erworben, der es ihm erlaubte, um die Hand von Ryans Tochter anzuhalten. Und so war man handelseinig geworden.

»Sie können meine Mary nur haben, wenn Sie versprechen, ein Stück Land zu erwerben und ihr ein anständiges Heim zu bieten.«

Zu guter Letzt hatte Jack eingewilligt.

Marys Schwester Grace war mit Pat Cox verheiratet, und eben jener Pat hatte Jack ein Landstück auf Bolero gezeigt, auf dem er ein Haus bauen konnte.

»Nimm es, Jack«, drängte er ihn. »Du bekommst vierzig Morgen offenes Weideland dazu. Und weil es Yalgogrin so nahe liegt, kann Mary ihre Schwester besuchen, wann immer es ihr beliebt. Diese Vorstellung wird Ryan behagen.«

»Ach. Vierzig Morgen, Pat«, meinte Jack zweifelnd. »Das ist kaum genug Platz zum Mäusemelken.«

»Was willst du denn auch mit Mäusen? Du könntest darauf ein paar Milchkühe halten, ein paar Fleischhammel, und stell dir nur vor, was für einen Gemüsegarten du in der roten Erde rund ums Haus anlegen könntest. Mary wird begeistert sein.«

»Und das Wasser? Wie steht es mit dem Wasser, Pat?«

»Brunnen lassen sich überall graben.«

Jack dachte an Mary und daran, wie viele Jahre sie aufeinander gewartet und sich nacheinander gesehnt hatten. Es war an der Zeit, ein Heim zu gründen.

»Ich schätze, es wird wohl reichen.«

»Das ist der rechte Geist, Jack«, lobte ihn Pat.

In seiner Hütte faltete Jack den Antrag auf die vierzig Morgen Land zusammen und setzte in seiner schönsten Schrift die Adresse des Grundamtes darauf. Als das heiße Wachs auf das Pergament tropfte, hatte Jack das Gefühl, damit auch sein Schicksal zu besiegeln.

Jetzt endlich war die Hochzeitsnacht gekommen, seine Braut machte sich drinnen für ihn bereit, und draußen beim Feuer ließen seine Freunde schwankend und lallend ihre Lieder zu den Sternen aufsteigen.

Morgen würde er sich daran machen, Mary auf jenem Landstück, das er bald sein Eigen nennen würde, ein Heim zu errichten.

»Versprich mir nur, Jack«, hörte er Marys fröhliche Stimme in seinem Kopf, »dass ich nicht in einem Hundezwinger leben muss.«