Ballarook Station, 1871

Mary kam nicht mehr, um die Kinder auf der Station zu unterrichten. Es hatte sich herumgesprochen, dass ihr Vater all seine Töchter von Ballarook verbannt hatte, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, dass Jack um Mary warb. Selbst Jacks Freund Mark hatte seine Schlafrolle geschnürt und war mit seinen Hunden weitergezogen. In der Woche nach seinem Abschied wurde Kelpie endlich das zweite Mal läufig. Statt dass sie wie geplant Marks Rüden zugeführt wurde, blieb sie jetzt im Zwinger der Hündinnen elend eingesperrt.

Der Stationsbesitzer hatte Jack sein Vieh und die Männer auf Ballarook anvertraut. Jack brachte lange Tage damit zu, mit sich auszumachen, ob er Launcelot Ryan noch einmal auf seine Tochter ansprechen sollte. Aber jede Nacht kam Jack völlig erschöpft, verstaubt und sonnenverbrannt auf die Station zurück und fühlte sich dann nicht in der Verfassung, auch nur in Ryans Nähe zu kommen. Seine Tiere waren nach der anstrengenden Arbeit und der Hitze in einem ähnlich erbarmungswürdigen Zustand. Die ledrigen Sohlen der Hundepfoten waren nach den zahllosen Meilen auf felsigem Gelände wund und rissig. Sie humpelten gequält von den spitzen Distelstacheln. An manchem Tag blieb der alte Faulpelz einfach auf der Veranda liegen und weigerte sich, zur Arbeit zu kommen. Selbst Kelpie sah ausgemergelt und hager aus, obwohl ihr Jack regelmäßig ein paar Bissen von seinem Teller zukommen ließ.

Der Spätnachmittag war immer noch glühend heiß, obwohl die Sonne bereits halb hinter dem Horizont verschwunden war. Am Brunnen zog Jack das staubige Hemd aus und zog einen Eimer Wasser hoch. Es war voller Mineralien und roch unangenehm, aber Jack kippte es ungerührt über seinen Kopf und genoss die Kühle. Dann rieb er den Oberkörper mit einer groben Seife ein.

»Vergiss die Ohren nicht!«, rief ihm der zahnlose Koch zu, der eben mit einem Hammelbein über der Schulter aus dem Fleischhaus spaziert kam.

Jack war gerade dabei, die Seife abzuspülen, als er Hufschläge hörte. Er schwang herum und sah Mary im Trab auf ihrem schwarzen Pony heranreiten, aber sein Lächeln erstarb, als er ihre ängstliche Miene sah. Das Pony blieb am Brunnen stehen, und Mary rutschte aus dem Sattel. Sie kam auf ihn zugelaufen, schlang die Arme um seinen Hals und presste die Wange auf seine nasse Brust.

»Hey, hey. Was ist denn passiert?«, bemühte sich Jack sie zu trösten, während er sie auf Armeslänge von sich weg hielt und sich vorbeugte, um ihr richtig ins Gesicht sehen zu können. Erst jetzt entdeckte er, dass ihre Augen rot geweint waren.

»Ach, Jack. Jetzt ist alles aus. Der blöde Wagen ist gepackt, und Ma kehrt schon das Haus aus.«

»Was redest du da?«

»Mein Dad. Er hat verkauft… alle drei Stationen.«

»Verkauft?«

»Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er sich ein größeres Gut zulegen will. Und nun ziehen wir los. Gleich jetzt. Ich musste dich noch einmal sehen. Trotz allem, was er sagt.«

Jack zog die Stirn in Falten. »Ihr zieht los? Wohin denn?«

»Wir fahren den Bygoo hinauf – dort hat er etwas gekauft. Ein Gut namens Wallandool.«

»Weiß er nicht, dass ihm seine Tiere in einem solchen Landstrich vor Durst eingehen werden? Ich habe sagen hören, dass der Mirool nicht immer Wasser führt und schon manch einen Züchter genarrt hat.« Jack zog sie an seine Brust und drückte sie mit aller Kraft. »Aber ganz gleich, was sich dein alter Herr auch in den Kopf gesetzt hat, er wird mich nicht von dir fern halten können, Mary Ryan. Ich werde nachkommen.«

»Aber mein Dad – «

»Ich werde nachkommen, sobald ich kann, Mary. Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort.«

Mary hob die Hand und strich über sein frisch geschrubbtes Kinn. Dann gab sie ihm, auf Zehenspitzen stehend, einen letzten Kuss und fuhr mit den Fingern durch sein nasses Haar.

»Ich liebe dich, Jack Gleeson«, sagte sie.