Cobb Et Co Kutschdienst nach Glenelg, um 1865

An einem frühen Freitagnachmittag Ende Februar holte Jack auf dem holprigen Fahrweg nahe dem Wannon River eine Kutsche ein, die nur langsam vorankam. Er ritt neben dem Gefährt her und sah behandschuhte Finger, die ihm zuwinkten. Eine junge Frauenstimme rief: »Versichern Sie uns, dass Sie kein Strauchdieb sind, Sir, denn sonst, so fürchte ich, könnten wir alle in Ohnmacht fallen! « Es folgte lautes Gekicher und gleich darauf die strenge, scheltende Stimme der Anstandsdame.

»Und woher weiß ich, dass nicht Sie mich meiner Sinne berauben werden, junge Dame?«, rief Jack den weiblichen Passagieren zu, die hinter den schweren, in den Kutschenfenstern schaukelnden Vorhängen verborgen blieben. Er ritt an der Kutsche vorbei, bis er auf einer Höhe mit dem Kutscher war. Der junge Hengst zerrte vorsichtig an der Führungsleine, weil er vor der quietschenden, rumpelnden Kutsche scheute. Jack bewunderte die muskulösen Rücken des fuchsfarbenen Vierergespanns, das die Kutsche über den schwierigen Untergrund zog.

»Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Sir«, sagte der Kutscher, der steif wie ein Gewehrlauf auf dem Kutschbock saß. Er hielt die Zügel stramm, und Jack fiel auf, dass sein frisch frisierter Bart exakt die Oberkante des gestärkten Kragens berührte. Der Mann war nicht viel älter als Jack, aber seine lange englische Nase und der elegante Aufzug ließen ihn reifer wirken. Neben ihm saß ein Knabe von etwa sechzehn Jahren, der Jack argwöhnisch beobachtete. Der Junge war nicht in der Stimmung, über Strauchdiebe zu scherzen. Für ihn waren Strauchdiebe etwas Reales, das ihn bei seinem Gewerbe täglich aufs Neue in Angst versetzte. Die Hand hatte er an seiner Seite unter eine grobwollene Reisedecke geschoben, und Jack vermutete, dass er die Finger um eine Pistole geschlossen hatte.

»Euch auch einen guten Tag, meine Herren. Ich bin Jack Gleeson«, sagte er und tippte dabei an seinen Viehtreiberhut. »Ich bin auf dem Weg zur Station der Crossings, weil ich Arbeit suche.«

»Aha! Noch ein junger Mann, der von aufregenden Abenteuern träumt und nach Westen zieht! Sie werden gewiss Arbeit finden, Mr Gleeson… und Abenteuer dazu.« Der Kutscher lächelte ihn an und nahm gleichzeitig den schneidigen jungen Mann auf seinem stolzen Pferd in Augenschein.

»Ich bin Thomas Cawker. Ich würde Ihre Hand schütteln, aber ich wage die Zügel nicht aus der Hand zu geben, denn ich habe wertvolle Fracht geladen.« Er zwinkerte.

»Das habe ich im Vorbeireiten festgestellt«, bestätigte Jack lächelnd.

»Eine Gruppe von Damen auf dem Weg zu den dreitägigen Festivitäten während der Rennen in Casterton. Es sind die Töchter und Nichten eines edlen Herrn aus Geelong, der vorausgeritten ist und uns dort erwartet.«

»Es hört sich so an, als hätte ich meine Ankunft auf einen günstigen Zeitpunkt gelegt«, sagte Jack.

»Reiten Sie Rennen, Mr Gleeson?«

»Nun, das würde ich gern. Der alte Viehtreiber, dem diese Stute früher gehört hat, sagte, sie hätte mehr als einmal gewonnen, und ihr kleiner Hengst wurde von einem exzellenten Vollblüter gezeugt.«

»Ja, man sieht, dass sein Blut von hoher Qualität ist – was man von Ihrem Hund nicht behaupten kann!«

Jack schaute auf den alten Hund, der ihm mit hängendem Kopf und hängender Zunge folgte und dessen Lider so weit nach unten gesackt waren, dass rund um die trüben Augäpfel das rosa Fleisch zu sehen war.

»Ach ja, der Hund. Faulpelz heißt er. Er wurde mir von einer alten Witwe geschenkt, für die ich unterwegs gearbeitet habe.«

»So wie es aussieht, war sie nicht allzu zufrieden mit Ihrer Arbeit«, lachte Cawker.

Jack warf einen skeptischen Blick auf den schwarzen Hund mit der ergrauenden Schnauze und den arthritischen Beinen. Er hatte ihn aus Höflichkeit mitgenommen, aber auch, weil er wusste, dass er mindestens einen Arbeitshund brauchte, wenn er auf einer der großen Stationen im Westen Arbeit finden wollte.

»Den größten Teil des Weges musste ich ihn tragen! Er sieht nicht so aus, als wäre er versessen darauf, das Leben eines Treiberhundes zu führen.« Jack lachte leise vor sich hin und schüttelte dann den Kopf. »Allmählich wird es mir zur Gewohnheit, die Tiere der Toten aufzunehmen! Eines Tages werde ich mir den allerbesten Hund auswählen… keinen alten Streuner wie ihn! Nachdem er schon Faulpelz heißt, kann ich mich wohl glücklich schätzen, wenn ich ihn überhaupt zum Arbeiten bringe.«

»Und wie haben Sie Ihr Fohlen getauft? Der Name Quality würde ihm gewiss gut anstehen.«

Das Fohlen hatte sich mittlerweile an das Fuhrwerk gewöhnt und ließ sich nun problemlos von der Stute aus führen. Der fedrige Fohlenschwanz wurde allmählich voller, und in den Hinterbacken hatten sich über die Wochen schlanke, sehnige Muskeln gebildet.

»Ich habe ihn Cooley genannt, nach einer Geschichte, die meine Tante mir zu erzählen pflegte. Der Rinderraub von Cooley. Aber ein englischer Edelmann wie Sie kennt die Legende wahrscheinlich nicht.«

»Das kann ich wahrlich nicht behaupten«, sagte Cawker.

Jack hatte auf seinen Reisen festgestellt, dass viele, denen er begegnete, auf seine irische Abstammung herabsahen. Dieser Engländer schien ihn hingegen zu akzeptieren. Seine Tage als Kutscher mussten ihn gelehrt haben, auf den ersten Blick die Absichten eines Mitreisenden zu durchschauen. Auch Jack achtete darauf, in wessen Gesellschaft er reiste. Am liebsten blieb er für sich oder unter seinesgleichen. Manche seiner irischen Landsleute hatten ihm versichert, er sei von Sinnen, die zivilisierte Gegend um Koroit zu verlassen, um sich in das wilde Landesinnere vorzuwagen. Sie hatten ihn nachdrücklich vor den Städten gewarnt, in denen sich die Männer auf der Straße Faustkämpfe lieferten und sich betranken, bis sie in den Straßenstaub kippten. Es war eine Gegend, in die es nur wenige anständige Frauen aus eigenem Antrieb verschlug, erklärten ihm die Reisenden oft und nahmen dabei den gut aussehenden jungen Mann in Augenschein. Dann folgten wieder und wieder die Geschichten – von Männern, die mit Schweinen kopulierten, und von gottesfürchtigen Kirchenmännern, die ihr Bett mit jungen Knaben teilten; von Angriffen der Wilden und grauenvollen Metzeleien abseits der Lagerfeuer; von ganzen Bäumen voller Leichen der Schwarzen; vom Gestank der Kadaver im heißen Unterholz und von Fliegenschwärmen, dicht wie Schlamm, deren Flügelsurren lauter war als der Nordwind. Aber Jack hatte all ihre Geschichten in den Wind geschlagen. Er ließ sich nicht beirren. Er war auf dem Weg nach Westen, um die riesigen Schaf- und Rinderweiden zu finden, von denen er träumte.

In manchen Nächten winkte er klopfenden Herzens vorbeikommenden Aborigines zu, ihm an seinem Lagerfeuer Gesellschaft zu leisten, und teilte mit ihnen sein Mahl. Zu teilen war immer noch besser, als sich aufspießen zu lassen, war seine Überzeugung. Im Lauf der Zeit begann Jack, den Geruch des Kängurufelles zu mögen, wenn es über gelben Flammen versengte und die Haut blubbernd und spuckend aufplatzte. Die Eingeborenen rissen das frisch gebratene Fleisch mit Zähnen so strahlend und weiß wie Sterne vom Knochen. Aber morgens erlosch jedes Mal das Lächeln der Männer und wich einem tiefen Argwohn in ihren ernsten Augen. Sie waren Krieger. Dann sammelten sie ihre Sachen ein und marschierten schweigend eine Weile neben Jack her, als wollten sie ihn beschützen. Irgendwann verschwanden sie dann jedes Mal im Unterholz und waren verschwunden.

Jack wandte sich erneut an Cawker.

»Wie weit fahren Sie noch, ehe Sie Ihre kostbare Fracht abliefern, Mr Cawker?«

»So wie der Weg beschaffen ist, benötigen wir noch drei Stunden — gewiss kommen wir vor Einbruch der Dunkelheit an, sodass unser junger Ted hier die Laternen nicht anzünden muss. Aber Sie, Sir, werden auf ihrem hübschen Ross lang vor uns ankommen.«

»Können Sie mir eine Unterkunft für mich und meine Pferde empfehlen?«

»Da gäbe es natürlich das Glenelg Inn, aber das kann ein ungemütliches Fleckchen sein — vor allem während der Renntage. Falls Sie Ihre Dienste anbieten wollen, können Ihre Tiere und Sie in meinem neuen Etablissement Unterkunft finden, den Livery and Letting Stables. Ich biete erstklassige Zimmer und aufmerksame Stallknechte. Es wäre mir eine Ehre, eine so exzellente Stute mit ihrem Fohlen zu beherbergen.«

»Und mir wäre es eine Ehre, meine Dienste als Stallknecht anzubieten«, antwortete Jack lächelnd. »Wenigstens bis ich Arbeit auf einer Station finde.«

»Nun denn, Mr Gleeson, damit wären wir handelseinig. Wir erwarten Sie dort heute Abend.«

Jack tippte erneut an seine Hutkrempe und ritt voraus, gefolgt von Faulpelz, der Bailey widerwillig nachtrottete. Die Stute hingegen wirkte wie erfrischt, so als wüsste sie, dass am Ende des Weges eine Box mit frischem Sägemehl in Mr Cawkers Stall und ein Futterbeutel voller Hafer auf sie wartete.