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Nun, sie sieht anständig aus, denkt er. Allerdings kann man das natürlich nicht auf den ersten Blick sagen. Aber nach Tom Gordhavos Erfahrung ist Unehrlichkeit gewöhnlich mit übertriebener Freundlichkeit gepaart, und diese Frau ist eher ein wenig reserviert. Das gefällt ihm sogar. Er hat keine Zeit für Angestellte, die ihm jedes Detail ihrer Lebensgeschichte und ihres Gesundheitszustands erzählen wollen. Sie fragt lediglich, ob es möglich wäre, ein Tor in die Hecke, die den Garten vom Teich trennt, einzubauen, um zu verhindern, dass ihre sechs Jahre alte Tochter dort allein hinspaziert, was ihm ein vernünftiges Anliegen zu sein scheint. Er hatte es ohnehin vorgehabt, weil sich ein paar der Feriengäste im letzten Jahr über diese Gefahrenquelle beschwert haben. Ein Unfall würde die Chance, in die Broschüren aufgenommen zu werden, höchstwahrscheinlich ein wenig mindern. Also stimmt er bereitwillig zu. Er umgibt sich bewusst mit einer Aura wie Frances Hodgson Burnett bezüglich des Grundstücks als einzigartig wertsteigerndes Merkmal des Hauses, aber es gibt Dinge, die Feriengäste als malerisch ansehen, und andere, die schlichtweg gefährlich sind. Er speichert den Vorschlag als Beweis, dass sie allem Anschein nach recht vernünftig ist. Initiativ würde sie es wahrscheinlich nennen, da sie zweifellos von dem Modevokabular der Londoner Geschäftswelt infiziert ist. Er beschließt, das Wort einzusetzen und abzuwarten.
»Ich brauche jemanden«, sagt er, während er sie durch das Speisezimmer führt, »der ein wenig initiativ werden kann.«
Hinter seinem Rücken hält sie ganz kurz inne, während sie das Wort verarbeitet, und er unterdrückt ein Grinsen.
»Nun«, antwortet sie gelassen, »ich habe mehrere Jahre mein eigenes Geschäft geführt, bevor ich meine Tochter bekommen habe. Deshalb denke ich, dass ich daran gewöhnt bin, Entscheidungen zu treffen.«
»Ach, tatsächlich?« Ihr eigenes Geschäft, denkt er. Könnte alles Mögliche gewesen sein. Public Relations. Einkuvertieren. Wer weiß, vielleicht ist sie pleite gegangen. Warum würde sie sich sonst für den Job einer Haushälterin bewerben, wenn sie andere Möglichkeiten hätte?
»Welche Art von Geschäft?«, fragt er und bemüht sich, seine Stimme nicht argwöhnisch klingen zu lassen.
»Ich war Floristin.«
Sie bleiben am Ende des Zimmers vor der Eingangstür stehen, vor einem Tisch, auf dem in einem alten gelblich braunen Topf ein riesiges Gesteck aus Strohblumen und Distelblüten prangt. Die haben schon bessere Tage gesehen, denkt er. Die stehen schon mindestens seit zehn Jahren da.
»Ach, ja?«
»Ja. Ich hatte einen Laden an Lavender Hill. In London«, fügt sie hinzu, als mache sie sich Sorgen, er könnte überhört haben, dass sie ihr Geschäft in der Hauptstadt geführt hat. »Allerdings hatte ich meist im Südwesten der City zu tun. Blumen für Sitzungssäle und Empfangsbereiche, solche Sachen. Partys. Hochzeiten. Wöchentliche Lieferungen, um …« Sie hält inne und überlegt, ob das die richtige Ausdrucksweise gegenüber einem reichen Mann ist, der er ja offensichtlich sein muss, beschließt aber, dass er nicht der Typ ist, der Prinzessinnengehabe gutheißt. »… um die Damen, die ein Essen geben, davor zu bewahren, dass sie tatsächlich etwas tun müssen … Sie wissen schon. Eine Zeit lang hatte ich drei Angestellte und einen Fahrer. Es lief ziemlich erfolgreich, denke ich. Für ein kleines Geschäft.«
»Verstehe. Und warum führen Sie es nicht weiter, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe jede Menge Gründe.«
Sie fährt mit dem Finger über den Tisch und hinterlässt einen langen Streifen im Staub.
»Die letzte Haushälterin ist vor einem Monat gegangen«, erklärt er hastig, »ein bisschen überstürzt. Und ich glaube, dass sie ihren Job schon eine Weile davor nicht sonderlich gut gemacht hat.«
Sie reibt Zeigefinger und Daumen aneinander, und begutachtet ungerührt den grauen Schmutz auf ihren Fingerkuppen.
»Mein Mann ist vor achtzehn Monaten gestorben«, erzählt sie ihm. Schaut in seine Richtung, um zu sehen, ob er ihr diese Lüge abkauft. Sie muss überzeugend sein, wenn das hier funktionieren soll. »Deshalb sind nur ich und Yasmin übrig. Und ein Geschäft zu führen, lässt sich mit dem Dasein einer alleinerziehenden Mutter einfach nicht vereinbaren. Vor allem kein solches Geschäft. Die Fahrt um fünf Uhr morgens zum New Covent Garden passt wirklich nicht mit den normalen Öffnungszeiten von Kindergärten zusammen.«
Es verblüfft Tom immer wieder, wie Menschen allem Anschein nach so gelassen über einen Trauerfall reden können. Sie kann kaum älter als fünfunddreißig sein, schätzt er, trotzdem redet sie über ihr Witwendasein ohne ein Anzeichen jener Wut, die ihn, wie er weiß, erfassen würde, wenn er in der gleichen Lage wäre. Er hat es auch bei seiner Mutter festgestellt: Sie schien den Tod seines Vaters mit einer Gelassenheit hinzunehmen, die er selbst nach drei Jahren nicht aufbringen konnte. Und dennoch, glaubt er, gibt es wahrscheinlich keinen Menschen auf der Welt, der vermuten würde, was er empfindet, wenn er einen Ausblick genießt, der auch seinem Vater gefallen hätte. Oder wenn er sich nach dem Rat seines Vaters sehnt, wenn er am Sonntag die Straße nach Penwithiel hinauffährt, um dort zu essen, wie es sein Vater sein ganzes Erwachsenenleben hindurch getan hat, und sich wieder einmal daran erinnert, dass er keine Geschwister hat. Manchmal wird er dann von einer so starken Woge der Traurigkeit erfasst, dass er fürchtet, sie könnte ihn in die Tiefe reißen. Liegt sie nachts wach, fragt er sich, und weint um ihren verstorbenen Mann? Oder ist ihr Leben jetzt so schwer, so sehr damit ausgefüllt, über die Runden zu kommen, dass sie gar keine Zeit für Emotionen hat? Sie sieht jedenfalls so aus, als habe das Leben sie abgehärtet. Man kann leicht erkennen, dass sie einmal hübsch war mit dieser langweiligen Wuschelfrisur Marke Eigenbau, und dass sie es wahrscheinlich wieder sein könnte; es ist nur schwierig, sich auszumalen, wie dies zu erreichen wäre.
»Tut mir leid«, sagt er wenig überzeugend. »Es muss schwer für Sie sein.«
Bridget zuckt mit den Achseln. »So etwas passiert«, antwortet sie. »Ich glaube nicht, dass viele von uns das Leben führen, das wir mit fünfzehn für uns erträumt haben.«
»Wohl kaum. Mit fünfzehn wollte ich unbedingt Popstar werden.«
Sie lacht. »Und ich war überzeugt, Model zu werden.«
Unausgesprochen hängt zwischen ihnen: Aber nur einer von uns hat am Ende so viel Geld.
Was für eine Ironie, denkt sie. Geld zu haben, gehörte für Kieran und mich eindeutig zum Plan. Wir haben den Yuppie-Traum verfolgt. Er wollte es in der City zu etwas bringen, es aufs Börsenparkett schaffen, nicht für immer im Hintergrund arbeiten, und ich wollte Filialen eröffnen. Der Oliver Bonas der Blumenarrangements sein. Das war ein Teil des Reizes, Teil des Grunds, warum ich mir von allen Verehrern, die ich hatte, ausgerechnet ihn ausgesucht habe: Weil er es zu etwas bringen würde. Weil wir es gemeinsam zu etwas bringen würden. Und was passiert? Ich heirate einen Mann, der mir helfen soll, reich zu werden, ich lege meinen Ehrgeiz in die Hände eines anderen, und jetzt hat er Geld, und ich verarme, verschulde mich und werde am Ende von Sozialhilfe abhängig sein.
Sie schiebt den Gedanken beiseite. Ich kann mir kein Selbstmitleid leisten. Muss optimistisch sein. Das ist das Einzige, was mir bleibt.
»Und …«, sie macht eine ausladende Handbewegung und deutet auf den Raum, »machen Sie sich keine Sorgen, das alles hier Feriengästen zu überlassen? Die sind nie sonderlich vorsichtig, und man weiß ja nie, um wen es sich handelt … die könnten ja mit einem Umzugslaster vorfahren.«
»Na ja, das ist einer der Gründe, warum wir eine Haushälterin brauchen«, antwortet er. »Um ein Auge darauf zu haben. Aber keine Sorge. Sie sind nicht wirklich für ein Haus voller kostbarer Antiquitäten verantwortlich. Das sind alles Kopien. Wir haben das meiste als Restposten in Indonesien gekauft und in einem Container hierher bringen lassen.«
»Aber die Gemälde?«
»Die sind gut, nicht wahr? Natürlich alles Familienerbstücke. Allerdings auch keine Originale. Sie wären überrascht, wie überzeugend man heutzutage mit dem Computer Bilder auf alt trimmen kann. Nur wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Pinselstriche nicht wirklich auf die Leinwand aufgetragen sind.«
Sie tritt nahe an ein riesiges Porträt eines Gutsherrn aus dem achtzehnten Jahrhundert heran, der ein Jagdgewehr über der Schulter und einen eckigen Filzhut auf dem Kopf trägt und zu dessen Füßen ein übergewichtiger Hund sitzt. Der Gutsherr steht, wie sie bemerkt, in den Feldern, über die sie gerade gefahren ist; Rospetroc, winzig im Hintergrund, ist von einer ganzen Ansammlung von Eiben umgeben, wo heute nur noch eine einzige steht. »Donnerwetter«, sagt sie.
»Wir haben festgestellt, dass den Leuten Porträts gefallen. Die haben sie lieber als Landschaften und solche Sachen. Vermittelt ihnen ein stärkeres Gefühl von Authentizität.«
»Ja, aber mir leuchtet ein, warum Sie ihnen die Originale nicht anvertrauen wollen.«
»Genau. Wenn mit denen etwas passieren würde, wäre es, als würde jemand die Grabsteine der Familie zerstören. Dieser Kerl hängt im Original im Haus meiner Eltern …« Er korrigiert sich, wie er es nach drei Jahren noch immer tun muss. »… im Haus meiner Mutter.«
»Wer ist das?«
»Ein anderer Tom Gordhavo. Mein … ich muss überlegen, wie viele Ur-, Ur- ich bei ihm voransetzen muss.«
»Dann hat er also hier gelebt?«
»Nein. Dieses Haus hat der Familie meiner Mutter gehört. Die Gordhavos haben das große Haus besessen.«
Bridget fragt sich, wie groß das große Haus sein muss, wenn dieses hier nicht als groß gilt.
»Und warum wohnt kein Mitglied der Familie hier, wenn ich fragen darf? Wie können Sie den Gedanken bloß ertragen, ein Haus wie dieses an Fremde zu vermieten?«
Er hat nicht die Absicht, ihr die ganze Geschichte zu verraten. Schließlich ist seit Generationen bekannt, dass das Dienstpersonal zu Aberglauben neigt und sofort anfangen wird, irgendwelche Dinge zu sehen, wenn man ihnen davon erzählt. Seit dem Krieg ist es ihnen nicht mehr gelungen, eine Haushälterin aus der unmittelbaren Umgebung zu rekrutieren, und das trotz der ständigen Klagen, dass es hier zu wenig Arbeitsplätze gibt und die Zuziehenden die Leute vom Land vertreiben.
»Die Familie ist nicht mehr so groß wie früher«, erklärt er. »Und das hier ist das abgelegenste unserer Häuser. Es war sinnvoll, keinen von uns meilenweit von all den anderen fortzuschicken.«
Sie akzeptiert das ohne Murren.
»Ihnen macht die Abgeschiedenheit doch nichts aus, oder?«, fragt er. »Sie können zu allen Nachbarn gehen, und das Dorf ist nur ein paar Meilen entfernt.«
»Um ehrlich zu sein, das klingt himmlisch, wenn man eine Zeit lang in London gelebt hat«, erzählt sie ihm aufrichtig und denkt an die übertrieben geschminkten Huren, die in ihrem Abschnitt der Streatham Street auf den Strich gehen.
»Weil wir nämlich ein paar Katastrophen mit Haushälterinnen erlebt haben, die aus London gekommen sind«, sagt er. »Die denken alle, sie würden mit der Einsamkeit zurechtkommen, aber ich glaube nicht, dass viele Leute begreifen, was das wirklich bedeutet. Der Winter ist lang und dunkel, selbst hier im Süden. Niemand ist unterwegs, dem man zufällig auf der Straße über den Weg laufen könnte, selbst wenn Sie ins Dorf hinuntergehen; im Winter erledigt man hier alles mit dem Auto. Und wir haben in der Nebensaison nur wenige Gäste …«
»Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen«, fällt sie ihm ins Wort. »Aber im Dorf gibt es doch eine Schule, oder? Wie ist sie?«
»Soweit ich weiß, nicht schlecht.« Er sitzt natürlich im Beirat der Schule, aber er weiß, dass eins seiner eigenen Kinder diese Schule wohl kaum jemals zu einem anderen Zweck als dem Besuch des Weihnachtsbasars betreten würde.
»Sie kann wohl kaum schlechter sein als die, in die meine Tochter zurzeit geht.«
»Bestimmt. Jetzt lassen Sie mich Ihnen den Rest zeigen.«
Sie folgt ihm durch den Salon mit seinem Kamin in der Größe eines Bungalows. »Hier drin befinden sich Fernseher, Video und DVD. Sie werden erstaunt sein. Alle Gäste gehen davon aus, dass sie für eine gemeinsame Urlaubswoche aufs Land kommen, aber ohne EastEnders halten sie es nicht aus. Und wahrscheinlich auch nicht ohne Pornos, so viel ich weiß. Die Kamine sind natürlich alle in Ordnung. Sie müssen sie nur jeden Tag sauber machen, wenn Besucher da sind. Jedes Zimmer muss einmal in der Woche gesaugt, abgestaubt und geputzt werden. Die Bäder werden ganz gründlich gereinigt beim Gästewechsel, wenn sie da sind, genügt täglich ein kurzes Durchwischen. Die Küche scheint jedes Mal, wenn sie benutzt wird, eine Totalüberholung zu brauchen. Sie werden sich wundern, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt.«
Nein, werde ich nicht, denkt sie. Sie ist riesig. Ihre und Yasmins Wohnung würde zwei Mal unter die geschwärzten Balken des Salons passen.
»Sie müssen natürlich sämtliche Betten machen und abziehen und sich um die Wäsche kümmern. Beim Gästewechsel und jede Woche, wenn sie länger bleiben. Wir haben zwei komplette Sets für jedes Bett, dazu ein paar Ersatzbezüge, falls etwas kaputtgeht. Im Sommer kann der Gästewechsel wirklich höllisch sein. Das Auschecken um zehn Uhr, und die Neuen kommen bereits ab drei an. Im Dorf stehen ein paar Frauen auf Abruf bereit, die bei den schnellen Wechseln kommen und helfen, aber meistens müssen Sie das alles allein erledigen. Sie sollten mich natürlich auf dem Laufenden halten, was ersetzt werden muss, und Sie bekommen eine kleine Handkasse für Putzmittel …«
»Wie viele Schlafzimmer sind es?«
»Zwölf. Sechs Doppel-, vier Einzelzimmer und ein paar Mansardenräume, die so etwas wie Schlafsäle sind. Jeweils mit drei Betten und ein paar Liegen. Normalerweise werden die größeren Kinder dort oben einquartiert. Im Schuppen sind auch ein paar Kinderbetten. Die Matratzen dafür befinden sich in dem scheußlichen Durcheinander, in dem Sie mich gerade angetroffen haben.«
Sie nickt, aber da er ihr in diesem Moment den Rücken zudreht, sieht er es nicht. »Gut«, sagt sie.
»Eigentlich habe ich natürlich gehofft«, fährt er fort, »ein Paar zu finden.«
»Ach. Na ja. Tut mir leid. Ich bin allein.«
»Die bleiben länger. Leisten einander Gesellschaft. Und natürlich die tagtägliche Belastung … den Garten lassen wir absichtlich ein bisschen verwildert aussehen, aber selbstverständlich nur bis zu einer bestimmten Grenze. Er wird vor dem Frühling gründlich hergerichtet werden müssen.«
»Ach.«
Er hat keine Ahnung, wie dringend sie diesen Job haben möchte. Wie bereitwillig sie sich auf alles einlassen wird, nur um von dort, wo sie jetzt wohnt, wegzukommen, von der ganzen Situation, von Kieran und der Angst und der Armut in der Stadt, die viel, viel schlimmer ist als auf dem Land. Ich könnte Gemüse anpflanzen, überlegt sie, und vielleicht kann ich irgendeine Heimarbeit annehmen, um die Abende auszufüllen. Das wäre ein Neustart, eine neue Chance. Man stelle sich vor, dass mein kleines Mädchen an einem Ort wie diesem hier aufwächst, mit so viel Platz, um herumzurennen, mit einer Schule, in der sie nicht lernen würde, auf alles mit »Verpiss dich« zu antworten. Die Nacht durchzuschlafen, ohne Angst, wer gleich durch die Tür kommen könnte. Bitte, lass mich das hier nicht vermasseln, bitte.
»Ich bin handwerklich recht geschickt«, versichert sie ihm und folgt ihm durch ein weiteres holzgetäfeltes Zimmer – von Bücherregalen gesäumt, wahrscheinlich vollgestellt mit jenen Büchern, die die Familie nicht ein zweites Mal lesen wollte – und dann eine dunkle Eichentreppe ins Obergeschoss hinauf. »Die meisten der grundlegenden Sachen kann ich selbst reparieren. Dichtungen und Steckdosen und Sicherungen und so weiter. Einfache Tischlerarbeiten: Sie wissen schon, Regale bauen und Sachen reparieren, Scharniere …«
Und das entspricht immerhin der Wahrheit. Das muss ich. Es ist ja keiner da, der es für mich macht, nicht einmal, als ich einen Mann im Haus hatte. Ich habe recht schnell gelernt, dass es Nörgelei war, um diese Art von Hilfe zu bitten. Und die Sachen liegen zu lassen, das war Vernachlässigung. Und beides waren Todsünden.
»Gibt es viele andere Bewerber?«, fragt sie und ist nicht überrascht, als er mit der Antwort zögert.
»Na ja, ich denke«, sagt er, »es gibt schon Leute … Klempner und dergleichen …«
»Ich bin sehr gut am Telefon.« Sie versucht, die Atmosphäre aufzuheitern.
Sie stehen in einem schmalen Flur mit Stuck an den Decken, mit Türen zu beiden Seiten und einem Perserläufer, dem längsten, den sie je gesehen hat und der in der Ferne verschwindet. »Vielleicht könnten Sie Ihr Einkommen ein bisschen aufbessern, indem Sie die Blumen für die Hochzeiten und dergleichen übernehmen«, sagt er unvermittelt. »Für die Tanzveranstaltungen.«
»Hochzeiten?« Es gelingt ihr nicht, zu verbergen, wie überrascht sie ist.
Tom Gordhavo lacht. »Machen Sie sich keine Sorgen. Es sind nur ein paar im Jahr und auch nur ein paar Tanzveranstaltungen. Wir haben Verträge mit Gärtnern, und es wird von Ihnen nicht erwartet, dass sie hinter denen herputzen. Na ja, jedenfalls nicht viel. Selbstverständlich werden Sie den letzten Durchgang machen, da Sie ja die Einzige sein werden, die sich hier richtig auskennt. Von Auftragnehmern kann man nie erwarten, dass sie den Job so erledigen, wie man es selbst machen würde.«
»Okay«, sagt sie. Sie gehen den Korridor entlang und halten an, um einen Blick in die leeren Schlafzimmer zu werfen. Eisenbettgestelle, bemalte Schränke und schwere Kommoden mit Waschschüssel und Wasserkrug obendrauf. »Ganz wie in Homes and Gardens«, stellt sie fest. »Ich hatte eher mit Himmelbetten gerechnet.«
»Na ja, im größten Schlafzimmer steht eines«, sagt er, »aber das sind schreckliche Staubfänger. Die hier sind viel praktischer.«
»Wie viele Bäder gibt es?«
»Sechs. Keine mit direktem Zugang zu den Schlafzimmern. Darüber beschweren sich nicht viele, nur die Amis. Ich denke, die meisten Leute verstehen, dass in der Tudorzeit keine Badezimmer eingebaut wurden. Stellen Sie sich darauf ein, dass die Amis sich auch beschweren, dass die Bodenbretter nicht plan sind. Die haben irgendwie keine Vorstellung von einem Haus, das mehr als fünfzig Jahre alt ist. Und, was meinen Sie?«
»Es ist …« Sie kämpft, um ihre Stimme nicht allzu begeistert klingen zu lassen. »Nun, es ist in jedem Fall ein Fulltime-Job.«
»Selbstverständlich«, sagt er fröhlich. »Glauben Sie, dass Sie das schaffen?«
Er steht mit verschränkten Armen in der Tür zum größten Schlafzimmer, das über dem Speisezimmer liegt, und mustert sie von oben bis unten. Nicht gerade kräftig, denkt er, aber sie sieht aus, als würde sie mit allem fertig werden. Und außerdem kann eine alleinerziehende Mutter nur geeignet sein. Ich brauche jemanden, der Bindungen hat, jemand, der nicht einfach wieder davonrennt.
»Wann könnten Sie anfangen?«, fragt er.