ZU VIMANAS
UND DER KUNST DES FLIEGENS

Wie alles in dieser Reihe um Nicholas Flamel haben auch die Vimanas ihre Wurzeln in der Mythologie. Besonders häufig kommen sie in den alten mythologischen Texten Indiens vor. In dem mindestens 2500 Jahre alten Sanskrit-Epos Mahabharata (Die große Geschichte des Bharatas) findet sich eine detaillierte Beschreibung eines Vimanas. Es hatte einen Durchmesser von zwölf Cubits und vier stabile Räder. (Cubit war eine Maßeinheit, der die Länge des Unterarms vom Ellbogen bis zur Spitze des Zeigefingers zugrunde lag. 1 Cubit = 45,72 cm) Das berühmteste Vimana in der indischen Volksdichtung ist das Pushpaka-Vimana, der flugfähige Streitwagen des Gottes Kubera. Es heißt, er hätte ausgesehen wie eine »helle Wolke«.

Obwohl fliegende Wagen, Scheiben und Teppiche in Mythen und Legenden aus aller Welt beschrieben werden, sind die Details in den indischen Epen sowohl kennzeichnend als auch außergewöhnlich. In einem anderen Sanskrit-Epos, dem Ramayana (auch dieses Gedicht wurde vor ungefähr 2500 Jahren erstmals niedergeschrieben), ist sehr oft von Vimanas die Rede. Es wird von Göttern und Helden berichtet, die Luftkämpfe mit anderen Vimanas austragen und Städte angreifen. Sogar Länge, Höhe und Gewicht der Fluggeräte werden genannt.

Es gab viele Varianten der vier Vimana-Grundtypen – Rukma, Sundara, Tripura und Sakuna – und entsprechend unterscheiden sich die Beschreibungen. Einige waren aus Holz, andere aus einem geheimnisvollen rot-weißen Metall. Es gab dreieckige mit drei Rädern, aber auch runde und ovale Vimanas. Von einigen heißt es, sie seien drei Stockwerke hoch gewesen.

Natürlich kann nichts von alledem als Beweis herhalten, dass es in der Frühgeschichte der Menschheit Flugzeuge gab. Aber es ist ein Hinweis darauf, dass die Menschen von Anfang an den Himmel im Blick hatten.

Der Traum vom Fliegen zieht sich durch die gesamte Geschichte und geht weiter zurück, als man meinen könnte. Es ist allgemein anerkannt, dass die Brüder Wright im Dezember 1903 die ersten kontrolliert gesteuerten Motorflüge nach dem Prinzip »Schwerer als Luft« durchführten. Jüngste Forschungen lassen jedoch vermuten, dass dies womöglich falsch ist. Hiram Maxim war 1894 mit einer Maschine, die 7000 Pfund wog, kurz in der Luft, und Samuel Langley ließ 1896 einen unbemannten Flugapparat 3300 Fuß weit fliegen.

Im 19. Jahrhundert stiegen Segelflugzeuge und Ballone über Amerika, Europa, Indien und Südafrika in den Himmel. So gibt es z. B. Berichte aus dem Jahr 1895, dass ein von Shivkar Bapuji Talpade gebautes Fluggerät in Bombay geflogen sei, und ein Mann mit dem wunderbaren Namen Goodman Household flog 1871 im südafrikanischen Natal mit einem Segelflugzeug fast 300 Fuß weit. Doch der erste belegte Motorflug nach dem »Schwerer als Luft«-Prinzip fand 1848 in England statt. Damals gelang es John Stringfellow, mit einem zehn Fuß langen, dampfgetriebenen Eindecker abzuheben.

War das 19. Jahrhundert die Ära der Segelflieger, so gehörte das 18. Jahrhundert dem Ballon. Die Flugexperimente erreichten ihren Höhepunkt, als Etienne Montgolfier im Winter 1783 in einem auffällig dekorierten, 75 Fuß hohen Heißluftballon, der einen Durchmesser von 50 Fuß hatte, in die Lüfte ging.

Geht man in der Geschichte noch weiter zurück, stößt man auf Leonardo da Vinci, der bekanntlich Pläne für etwas entwarf, das eindeutig als Prototyp eines Hubschraubers angesehen werden kann. Seine Skizzenbücher sind voller Zeichnungen von Flugmaschinen, Gleitern und künstlichen Flügeln. In seinem Tagebuch aus dem Jahr 1483 finden sich Skizzen für den ersten Fallschirm. (Am 26. Juni 2000 brachte ein Nachbau dieses Fallschirms, für den nur Werkzeuge, Stoffe und sonstige Materialien verwendet wurden, die auch da Vinci zur Verfügung gestanden hätten, einen Mann aus einer Höhe von 10.000 Fuß sicher zur Erde.)

Noch früher, im 9. Jahrhundert, wird von dem berühmten Berber Abbas Ibn Firnas, einem Erfinder und Dichter, berichtet, er habe sich Flügel auf den Rücken geschnallt und sei durch die Luft geschwebt. Bereits 500 Jahre davor beschreiben die Chinesen Flugapparate aus Bambus und Leder.

Wenn wir noch weiter zurückgehen in die Zeit, in der Geschichte und Mythos sich vermischen, finden wir viele Berichte von Fluggeräten. In der Mythologie ist das Fliegen etwas ganz Alltägliches. Fast alle Götter können fliegen, und das meist ohne irgendwelche Hilfsmittel. Es gibt aber auch alte Traditionen, in denen die Götter mithilfe von Flügeln fliegen. Entsprechende Bilder finden sich als Felszeichnungen oder in Tempeln auf der ganzen Welt. In Mythen und Legenden kommen aber auch künstliche Flughilfen und Flugapparate vor.

Der persische König Kai Kawus band vier hohe Pfosten an die Ecken seines Throns und ließ Adler an die oberen Enden der Pfosten ketten. Wenn die Vögel aufflogen, zogen sie den Thron mit in die Luft. Der Begriff »fliegender Streitwagen« erscheint durchgängig in der chinesischen Mythologie, und es gibt viele Geschichten, in denen erzählt wird, wie Shun, der erste chinesische Kaiser, fliegt. Einmal ist er sogar aus einem brennenden Gebäude entkommen, weil er seinen riesigen Hut als Fallschirm benutzt hat.

Die vielleicht berühmteste Fluggeschichte ist die von Ikarus, dessen Vater Dädalus ihm künstliche Flügel anfertigte. Dädalus hat viele große, für seine Zeitgenossen an Wunder grenzende Erfindungen gemacht, so zum Beispiel das Labyrinth für König Minos auf Knossos. Von Dädalus’ Suche nach einer Möglichkeit zu fliegen sind interessante Details bekannt. So wird erzählt, er habe Seide als Bespannung abgelehnt, weil sie zu leicht sei, und Segeltuch, weil es zu schwer sei. Am Ende entschied er sich für ein hölzernes Gerüst, auf dem mit Bienenwachs Vogelfedern befestigt waren. Wie jeder gute Erfinder oder Wissenschaftler hatte Dädalus alles gründlich bedacht. Er schärfte seinem Sohn ein, nicht zu hoch zu fliegen und auch nicht zu dicht über dem Meer, da die Flügel durch die salzige Gischt feucht und unbrauchbar würden. Ikarus erhob sich in die Lüfte, doch er flog zu hoch, und die heiße südliche Sonne ließ das Bienenwachs, mit dem die Federn zusammengehalten wurden, schmelzen. Einen Fallschirm hatte Dädalus leider nicht dazu erfunden.

Angesichts der vielen Einzelheiten fragt man sich, ob nicht, wie in vielen Mythen, doch ein Körnchen Wahrheit in der Geschichte steckt. Es lohnt sich auch, einmal darüber nachzudenken, dass wir heute etwas als selbstverständlich hinnehmen, das früher als reine Magie galt.

Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
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