XXXVII
Blank poliertes Metall reflektierte die Sonne, spiegelte die Reflexion der Sonne, reflektierte die Reflexion der Reflexion, auf dass immer mehr Sonnen zu entstehen schienen - und raubte einem damit regelrecht das Augenlicht.
Mitten im Hochsommer und dies auch noch zur Mittagszeit ritt Corvus gen Süden. Vor ihm marschierten zwei komplette Infanterielegionen, jeder der Männer trug seine vollständige Rüstung, und eine wahre Wolke von Fliegen umkreiste gierig die Schweißtropfen auf seinem Gesicht.
Am liebsten hätte er sich eine Augenbinde angelegt, um das unerträglich grelle Licht auszusperren. Außerdem wollte er sich Baumwolle in die Ohren stopfen, um das dumpfe Dröhnen der beschlagenen Stiefel zu dämpfen, um endlich nicht mehr das unablässige Scheppern und Klirren der Rüstungen hören zu müssen und diese verfluchten, schier nicht enden wollenden Marschgesänge der Kohorte, die wie immer weit jenseits der richtigen Tonlage in den Tag gegrölt wurden. Er wollte jede einzelne Fliege in der Provinz von Britannien persönlich töten, um sich dann auf ewig an den kühlen Wassern von Bergbächen zu laben, die durch schattige Täler hindurch in einen See plätscherten, der so versteckt lag, dass allein die feinen Strahlen des Mondes zu ihm vorzudringen vermochten. Er wollte wieder durch die Meerenge vor Mona schwimmen, wünschte sich, wieder in der Festung der Zwanzigsten Legion leben zu dürfen oder auch in Camulodunum, selbst wenn diese Stadt mittlerweile nur noch aus Schutt und Asche bestand. Jeder Ort auf dieser Welt wäre ihm jetzt lieber gewesen als diese schattenlose Straße, auf der vor ihm je sechs Legionare in einer Reihe mit doppelter Marschgeschwindigkeit durch den Staub stapften, gefolgt von einem fast ebenso schnellen Gepäckzug, während er selbst sozusagen den reißzahnbewehrten Schwanz der Schlange zu symbolisieren hatte, um sicherzustellen, dass die Nachhut am Ende des Marschtrupps auch tatsächlich effektiv zuschlagen würde, wenn - nicht: falls - sie angegriffen wurden. Corvus bedauerte es zutiefst, jemals seine Zustimmung zu dieser Strategie gegeben zu haben. Und er hasste den Mann, wer auch immer dieser sein mochte, der dem Gouverneur überhaupt erst von diesem möglichen Vorgehen erzählt hatte und ihn dann auch noch dazu ermunterte, in genau dieser Formation durch das Land zu marschieren.
Die Hitzewelle quälte sie alle nun schon den dritten Tag in Folge. Die Erinnerungen an die Stürme zu Beginn des Jahres waren gänzlich aus dem Bewusstsein der Männer gewichen, und auch das Land selbst hielt keinerlei Reminiszenzen an diese kühle Jahreszeit mehr bereit. Zudem waren die Schwärme von Fliegen eine derartige Plage, dass diese schon nicht mehr in Worte zu fassen war. Fast genauso schlimm wie die Fliegen aber war der grobkörnige Staub, der die Luft regelrecht zu verklumpen schien und sich fest in die Mähne und das Geschirr von Corvus’ rotbraunem Schlachtross grub. Doch er rieselte auch über Corvus’ Nacken und seinen Rücken hinab, sammelte sich um dessen Taille herum und krümelte schließlich sogar in das Gebiet jenseits der Gürtellinie hinab. Ein andauerndes Gefühl des Scheuerns war die Folge, und mittlerweile konnte Corvus sogar bereits das Blut durch die Haut dringen spüren, wo sein Gürtel das Kettenhemd an den Körper presste. Wohl schon zum hundertsten Mal während dieses Ritts kontrollierte er die Unterseite der Satteldecke und redete sich ein, dass seine Lieblingsstute dadurch immerhin nicht ganz so sehr zu leiden hätte wie ihr Reiter.
Er trank etwas Wasser aus dem ledernen Schlauch, goss dann ein wenig davon in seine Hände, rieb sich das Gesicht ab und beugte sich schließlich vor, um die Stute aufmunternd mit der nassen Hand zwischen den Ohren zu kraulen. Hastig verscheuchte er einige Fliegen und redete dem Pferd unterdessen gut zu: »Es ist schon nach Mittag. Das Schlimmste haben wir hinter uns. Geh einfach brav weiter, dann wird alles wieder gut.«
Schon seit gut zwei Tagen war das Tier der Hauptadressat für Corvus’ Reden, genauer gesagt seit jenem Moment, als die nordwärts strebende kleine Reisegruppe des Gouverneurs auf die in Richtung Süden stampfenden Legionen getroffen war, welche wiederum eskortiert wurden von dem noch verbliebenen Rest der Quinta Gallorum, Corvus’ Flügel.
Das Zusammentreffen wurde beiderseits mit Freude aufgenommen, und die Wiedereingliederung von Suetonius Paulinus’ persönlicher Reisebegleitung in ihr angestammtes Heer verlief gar unter lauten Jubelrufen. Allerdings dauerte es nur einen knappen Tag, bis Corvus schon nicht mehr wusste, was er Sabinius eigentlich noch erzählen sollte - Sabinius, der Standartenträger, der in Abwesenheit seines Kommandeurs dessen Kavallerieflügel angeführt hatte. Alles in allem betrachtet schien die Stute also ein wesentlich lohnenderer Gesprächspartner zu sein, denn sie widersprach Corvus nicht, und selbst ihr augenscheinlich zustimmendes Wiehern ertönte nur höchst selten, wohingegen Sabinius zu weitschweifigen Antworten neigte und auch dazu, seinem Befehlshaber offen zu widersprechen. Im Übrigen eskortierte er nun schon seit rund zwanzig Jahren die kaiserlichen Legionen durch feindliches Gebiet und wusste von daher allzu genau, wie unendlich lang ein solcher Tag werden konnte, und dass das Schlimmste - entgegen Corvus’ Behauptung - höchstwahrscheinlich noch lange nicht ausgestanden wäre. Der Standartenträger grunzte folglich nur, verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und versuchte, durch die flimmernde Hitze hindurch den Kopf der Marschtruppe auszumachen. »Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, wie weit wir eigentlich noch in den Süden vordringen wollen«, wandte er sich an Corvus. »Denn wenn die Brücken von Vespasian und Verulamium tatsächlich bereits beide zerstört sind, gibt es da unten doch im Grunde gar kein Ziel mehr für uns.«
»Sabinius, ich habe dir nur deshalb noch nicht erzählt, worauf wir zuhalten, weil ich es selbst nicht weiß. Und ich glaube, noch nicht einmal Paulinus könnte uns das sagen. Ein mögliches Ziel könnte das Land westlich der Brücke sein. Vielleicht findet sich da ja irgendein Weg, wie wir doch noch über den Fluss gelangen könnten. Aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass wir überhaupt noch so weit kommen werden. Wir marschieren hier gerade einer feindlichen Armee entgegen, die selbst nach sehr vorsichtigen Schätzungen bestimmt fünfzehntausend, wenn nicht sogar an die zwanzigtausend Krieger umfasst. Wir dagegen haben weniger als siebentausend Mann. An welchem Schauplatz wir auf sie treffen, dürfte meiner Meinung nach einerlei sein. Fest steht in jedem Fall, dass wir ihnen begegnen und dass ihre Späher, wenn wir in dieser Formation weiterwandern, uns bestimmt schon einen halben Tag im Voraus entdecken werden, ohne dabei auch nur ansatzweise in unsere Nähe kommen zu müssen. Auf diese Weise angelockt, werden uns die Krieger also irgendwann einfach gegenübertreten, sodass wir uns wenigstens nicht auf die Suche nach ihnen zu machen brauchen. So bekommt Paulinus also doch noch seine letzte, ruhmreiche Schlacht.«
»Und wir sinken dann allesamt in unseren ruhmreichen Tod.« Gedankenverloren schlug Sabinius nach einer Bremse. Anschließend hob er den Blick in den strahlend blauen Himmel. »Hoffentlich überlebt wenigstens einer, damit der dann eine Nachricht nach Rom entsenden kann.«
»Paulinus hat einige Brieftauben bei sich, die mit seinem Bericht über all jene, die wegen ihres Mutes belobigt werden sollen, sogar bis nach Gallien fliegen werden. Unsere Namen werden also ganz gewiss in den Annalen des Senats verewigt.«
»Falls die Falken der Träumer unsere Tauben nicht vom Himmel pflücken und sie auffressen, noch ehe die Tiere es auch nur in die Nähe von Gallien geschafft haben.«
»Vielen Dank für diesen Einwand. Aber du hast recht. Immer vorausgesetzt natürlich, die Tauben schaffen es überhaupt bis nach Gallien.«
Genau dies war der Grund, weshalb Corvus vorzugsweise zu seinem Pferd sprach - es war ganz einfach weniger deprimierend.
Schweigen breitete sich aus zwischen Sabinius und Corvus. Die vor ihnen herstapfenden noch verbliebenen vier Kohorten der zusammengeschrumpften Zwanzigsten Legion stimmten ein neues Marschlied an. Ihre Truppe umfasste noch nicht einmal mehr zweitausend Mann, und diese waren zudem alles Veteranen, die schon so manchen Feldzug durchlitten hatten. Die jungen oder zumindest noch nicht ganz so betagten Legionare waren bereits ausgesiebt - die Träumer von Mona hatten diese entweder kurzerhand in der Meerenge ertränkt oder sie mit Hilfe von Krankheit und Albträumen vernichtet. Folglich gehörten alle, die jetzt noch lebten, zu den Besten und Leistungsfähigsten, die die Legion zu bieten hatte. Bedauerlicherweise aber stimmten diese Männer schon seit gut zwei Jahrzehnten immer wieder die gleichen, althergebrachten Melodien und Rhythmen an - wenngleich sie diese immerhin Winter für Winter mit stets neu erdichteten Strophen unterlegten.
Das neue Lied stimmten zunächst nur sehr wenige Kehlen an. Es dauerte einen Moment, bis diejenigen, die mit dem Text vertraut waren, diesen bis in die hintersten Reihen der Kolonne vermittelt hatten. Dann aber ging alles überraschend schnell, und in nur wenigen Augenblicken hatten sämtliche knapp zweitausend Mann in den Gesang mit eingestimmt und brüllten aus Leibeskräften, um ihren Gesangsgegner - die vor ihnen marschierende Vierzehnte Legion - zu überschallen.
Entgegen besseres Wissen horchte Corvus auf die zunehmend sinnbildenden Liedfetzen, die ihm durch die dichten Staubwolken entgegenhallten. Es war ein komplizierter, fortgereihter Reim, in dem sowohl die Hitze als auch der Staub ebenso wie die aufständischen Wilden ihre Erwähnung fanden, was den Legionaren schließlich aber durch einen einzigen Blick in die großen braunen Augen eines Jungen aus Alexandrien wieder vergolten würde.
Selbst ein Mann wie Corvus, den sein fast dreißig Jahre währender Dienst in den Legionen bereits zu einem wahren Zyniker geformt hatte, musste zugegeben, dass dies ein äußerst geschickt strukturiertes Lied war, und ein ehrlich amüsiertes Grinsen breitete sich über sein Gesicht, während er der Darbietung erstmals in ihrer vollen Länge lauschte. Sogar nach der zweiten und dritten Wiederholung lächelte er noch. Dann aber, nachdem ihm zum zehnten oder zwanzigsten Mal der gleiche Text entgegenschallte, sehnte er sich abermals nach ein wenig Baumwolle zum Schutz für seine Ohren. In Ermangelung eines solchen Lärmschutzes ließ er seine Gedanken irgendwann einfach fortschweifen bis hin nach Alexandrien, wo es zurzeit gewiss noch heißer war als in jenem Land, durch das Corvus gerade ritt. Und staubiger wäre es dort auch, und mit Sicherheit lauerten dort mehr tödliche Intrigen und Aufständische auf jene, die versuchten, das nicht zu Regierende zu regieren, als hier in Britannien.
Im Übrigen jedoch ließen sich, zumindest nach Corvus’ Erfahrung, derlei Gefahren und Entbehrungen nicht so einfach durch einen Blick in die großen braunen Augen eines - irgendeines - Jungen wieder wettmachen. Wenngleich es da natürlich auch in Corvus’ Erinnerung einen gewissen Mann mit braunen Augen gegeben hatte. Und dachte Corvus über diesen Mann etwas genauer nach, so kam er zu der Erkenntnis, dass dieser und alles, was er Corvus geschenkt hatte, sogar einen Großteil von Corvus’ Lebensweg mitbestimmt hatte, sodass man das Endergebnis schließlich womöglich doch als eine Art Vergeltung für die erlittenen Qualen bezeichnen könnte. Zumindest, wenn man die ganze Entwicklung unbedingt aus einem solchen theatralischen Blickwinkel betrachten wollte.
In Corvus’ Vorstellung flog eine kleine bronzene Statue aus seinem Marschgepäck auf und erhob sich mit sanften Flügelschlägen über das fast schon an eine Fata Morgana erinnernde Bild, welches die marschierenden Männer von oben betrachtet abgaben. Das eine, aus schwarzem Gagat gefertigte Auge des Horus schien Corvus zuzublinzeln und verwandelte sich dann in das Auge eines Alexandriners, dessen Blick stets voller Weisheit und Fürsorge gewesen war und der viel zu früh hatte sterben müssen. Der Vogel des Horus stieg hoch in die Lüfte, bis von ganz oben plötzlich die Stimme jenes Alexandriners herabschallte: Was nützt es einem Mann, wenn er versucht, den Göttern gleich zweier verschiedener Welten zu dienen?
So hatte er schon immer gesprochen, Corvus’ einstiger Vertrauter, hatte einen in seiner leicht obskuren Ausdrucksweise stets vor neue Rätsel gestellt, mit einer Stimme, die so glatt war wie Quecksilber und süß wie Ambrosia. Die Antworten auf seine Fragen ließen sich im Übrigen nie dort finden, wo man sie als Erstes vermutet hätte.
Fest entschlossen, nun nicht in Tränen auszubrechen, ließ Corvus seine Gedanken weiterschweifen, bis diese irgendwann wieder bei jenem schwarzäugigen, ernsten und nachdenklichen Jungen aus dem Stamme der Eceni anlangten. Corvus dachte an den qualvollen Weg, den dieser Junge hatte zurücklegen müssen, um schließlich den Rang eines Offiziers in der römischen Kavallerie bekleiden zu dürfen, erinnerte sich zugleich aber auch an die Wildheit, mit der dieser zu kämpfen pflegte und für die man ihn auf beiden Seiten des in Britannien wütenden Krieges fürchtete. Schließlich rief man ihn in Rom als Verräter aus, weil er den Fehler begangen hatte, sich mit Eid und Ehre an einen Kaiser zu binden, der schon wenige Tage später sterben sollte.
Corvus dachte an den Mann, zu dem dieser Junge sich schließlich entwickelt hatte, und an den Anblick, den dieser geboten hatte an jenem bewussten Tag, als er auf seinem schwarz-weiß gescheckten Hengst thronte mit dem Prokurator von ganz Britannien zu dessen Hufen. Blanke Mordlust war in diesem Moment in den Augen des einstigen Eceni aufgeflammt, und in seinem Herzen hatte eine seltsame, nie zuvor an ihm wahrgenommene Glut geschwelt.
An sein Schlachtross gewandt, murmelte Corvus: »Aber Valerius hat sich doch Mithras, dem Stiermörder, verschworen. Und auch wenn er die Welt, in der er Mithras begegnete, weit hinter sich zurückgelassen hat, so dient er doch nur diesem einen Gott. Die Götter der Eceni würden Valerius also ohnehin nicht als ihren Diener annehmen.«
Aber warum denn nicht?
Seine Stute legte noch genau fünf Schritte zurück, während der Corvus in seiner stillen Träumerei verharrte, als seine Welt mit einem Mal so jählings in Stücke zerbrach wie ein Glas, das gegen eine weiße marmorne Wand geschleudert wurde. »Sabinius! Gib Alarm, und zwar sowohl an die Truppen vor uns als auch hinter uns!«
Corvus erkannte seine eigene Stimme kaum wieder. Scheinbar aus dem Nichts hatte er plötzlich wieder zu jener scharfen Artikulation und Klarheit gefunden, wie sie ihm normalerweise nur am frühen Morgen zu eigen waren, ebenso, wie er plötzlich wieder von jener sicheren Gewissheit geleitet wurde, mit der er sonst lediglich auf dem Höhepunkt einer Schlacht agierte.
Sabinius’ Standarte neigte sich zweimal nach vorn und zweimal nach hinten. Ein Trompeter der Infanterie nahm das Signal auf und ließ es in Richtung der Spitze des Zuges durch die Reihen erschallen. Ein Zweiter gab die Ansage in einer leicht versetzten Tonlage wieder zurück. Und jeder der siebentausend Männer, der Gouverneur mit eingeschlossen, wusste in diesem Augenblick, von wem der Befehl kam und wer dafür bestraft werden würde, sollte sich das alles schließlich als ein fataler Fehlalarm herausstellen.
Corvus schaute sich um. Das Trugbild, das er soeben noch gesehen hatte, war wieder verschwunden, und an seiner statt sah er nun abermals das Heer von Legionaren.
Schon verhallte der Gesang, die Männer rückten ihre Tornister zur Seite, lösten die römischen Kurzschwerter und hoben die Füße fortan mit neu gewonnener Elastizität und wieder deutlich höher als noch wenige Augenblicke zuvor. Schweigen hatte sich über die Kolonnen gesenkt, undurchdringlich wie ein Schild.
In Corvus’ Nacken kribbelte es unbehaglich. Schweißnass klammerte er die Hände um die Zügel und sah sich mit einem Mal wie mit vollkommen verändertem Bewusstsein um. Die Straße verlief auf einem kleinen Wall, so, wie alle von Rom angelegten Verkehrswege. Das rechts und links daran angrenzende Land lag brach über eine Entfernung von etwa einem Speerwurf, hätte darüber hinaus aber noch über weitere drei Speerwurflängen bis auf den nackten Torfboden gerodet werden sollen. Früher einmal mochte dies auch der Fall gewesen sein, denn zweifellos waren wenigstens linkerhand die Bäume bis an die in einiger Entfernung ansteigenden Hügel hin gefällt worden. Im vergangenen Jahr jedoch waren die Männer der Legionen mit anderen Aufgaben beschäftigt gewesen als mit der Sicherung der Verkehrswege. Das Land hatte sich also bereits wieder in ein wahres Durcheinander aus frisch nachgewachsenem Grün verwandelt, welches eine so große Fläche bedeckte, dass sich darin nicht nur die halbe Marschtruppe, sondern mit Leichtigkeit auch noch einmal so viele Krieger hätten verbergen können.
Doch das Umland sah nicht zu beiden Seiten gleich aus. Links erhob die Marsch sich sanft bis zu einer kleinen, mit dichtem Gebüsch bewachsenen Hügelkuppe. Rechterhand fiel das Gelände ungleich steiler ab, und man hatte die Bäume bis fast unmittelbar an die Straße heran stehen lassen. Die Ingenieure waren offenbar der Ansicht gewesen, dass die Krieger nicht hügelaufwärts angreifen würden.
Corvus sah dies im Übrigen genauso. Die Gefahr konnte also nur von links kommen. Angestrengt ließ er den Blick über die Nesselgewächse schweifen und die blühenden Disteln, musterte das mit grünen Beeren bestückte Dorngestrüpp und die Holunderbüsche, und sah doch nichts. Dafür aber spürte er umso eindringlicher den Hass und die Erregung, die ihm entgegenschlugen, sowie die Bereitschaft, jeden Augenblick anzugreifen. Corvus zog sein Schwert und verlagerte den Schild von seiner Schulter hinab an seinen Unterarm.
Sabinius tat es ihm nach: »Valerius?«, fragte er.
»Ich glaube nicht. Ich denke, ich würde es wissen, wenn er hier wäre...« Corvus schüttelte den Kopf. »Ja, ganz bestimmt würde ich es wissen. Valerius ist nicht hier. Und trotzdem ist da jemand... sehr viele sogar. Sie beobachten uns, warten...«
Ihre Blicke schienen Corvus regelrecht zu durchbohren. Seine Eingeweide krampften sich zusammen, und fast dachte er, sich übergeben zu müssen, aber dieses Gefühl beschlich ihn eigentlich immer, wenn er in einen Hinterhalt ritt.
Sabinius spie auf die Straße. »Sie werden versuchen, uns von hinten nach vorne Reihe für Reihe zu massakrieren. Genauso, wie sie es auch mit der Neunten Legion angestellt haben.«
»Ich weiß. Aber unser Anführer ist schließlich kein Idiot. Und die Schlange, zu der er uns formiert hat, verbirgt in ihrem Schwanz einen Stachel, wie ihn die Wilden noch nicht kennengelernt haben.«
In gewisser Weise war es eine regelrechte Erleichterung, endlich wieder aus dem Marschrhythmus ausbrechen und handeln zu dürfen. Corvus’ rotbraune Stute vollführte eine perfekte Drehung auf der Hinterhand und tänzelte anschließend kampfbereit auf der Stelle. Laut genug, damit auch die Männer in seiner näheren Umgebung ihn hören konnten, sagte Corvus zu Sabinius: »Du hast von nun an das Kommando über die ersten beiden Truppen. Und verteidigt auf alle Fälle das Gepäck und die Lasttiere, ganz egal, was es auch kosten mag. Denn ich habe nicht vor, die heutige Nacht unter freiem Himmel zu verbringen, selbst wenn dir das vielleicht gefallen würde. Ich werde jetzt ans hintere Ende reiten, um dort Ursus und Flavius zu unterstützen.«
Auch Flavius und Ursus waren bereit zum Kampf. Letzterer hatte sogar bereits die unmittelbar neben ihm reitenden zwei Dutzend Männer als Flankenreiter abkommandiert. In Zweierpaaren hatten die meisten von ihnen sich links des Heeres formiert, wobei sie sich versetzt angeordnet hatten, sodass nur jeder Zweite unmittelbar an der Frontlinie ritt, sein Schildkamerad aber ein Stückchen zurückversetzt folgte. Auf diese Weise schützten die an der Innenkante Aufgereihten die Seiten und Rücken ihrer Partner, während die außen reitenden Legionare jeweils die andere Seite und die Front ihrer Kameraden verteidigten.
Flavius hatte das Kommando über die Bogenschützen übernommen. Seit dem letzten Herbst hatte die Quinta Gallorum ein Dutzend berittener Bogenschützen aus Skythien in ihre Reihen aufgenommen, wenngleich sie dieser Luxus einen geradezu wahnwitzigen Betrag kostete. Außerdem kleideten die Skythen sich nur in Seide, was dazu führte, dass sie sich fast täglich über die Kälte beschwerten. Natürlich beklagten sie auch den Matsch, und immer wieder musste das gesamte Heer auf sie warten. Nicht zuletzt bekamen sie von dem nur für sie tätigen Koch auch noch heißes, gewürztes Rindfleisch serviert, Oliven und vorzüglichen Wein. Und sie trainierten nur im Verborgenen, sodass während ihrer Übungen überall um sie herum Legionare darauf achten mussten, dass sich ja keine feindlichen Späher an sie anschlichen. Nun aber war der Augenblick gekommen, da man ihre Dienste endlich einmal in Anspruch nehmen könnte, um sie gegen einen vollkommen unvorbereiteten Feind einzusetzen. Jetzt zeigte sich, dass die Unsummen von Geld und die Hätscheleien es also doch wert gewesen waren, und nicht ein Einziger unter den Legionaren missgönnte den Bogenschützen auch nur eine Olive.
Flavius, als der Verantwortliche für das Wohl und Wehe der skythischen Bogenschützen, hatte eine geradezu persönliche Zuneigung für diese fremdländischen Männer entwickelt, was wohl jenem Gefühl glich, das auch der atrebatische Hundepfleger für die blauhäutigen Hunde des Gouverneurs empfand. Zumal sowohl der Hundeführer als auch Flavius ihre Schützlinge aus exakt demselben Grund liebten: Sie machten ihre Beschützer zu jemand Besonderem. Flavius hatte sich sogar die Zeit genommen, ein wenig die Sprache der Skythen zu lernen, was deutlich mehr war, als irgendeiner der anderen Soldaten unternommen hatte, um mit den Fremden ins Gespräch zu kommen. Und klar wie eine Glocke brüllte er ihnen nun seine Befehle entgegen.
Genauso wie die Hunde des Gouverneurs, so sehnten sich auch die Reiterbogenschützen danach, endlich aus dem Trott des Marsches ausbrechen zu dürfen und zum Angriff überzugehen. Kaum dass Flavius’ erster Befehl ertönte, spannten sie die Sehnen an ihren kleinen, doch meisterhaft geschwungenen Bogen und wählten sich ihre Pfeile aus den Köchern an den Schultern ihrer Tiere. Leise und unauffällig legten sie ihre Pfeile auf die Kerben, sodass möglichst keiner der lauernden Krieger von ihren Vorbereitungen erfuhr.
Der Rest der Truppe ritt in gemäßigtem Tempo einfach weiter. Keiner wandte sich um oder deutete gar ins Gebüsch, und man tat auch sonst nichts, das die Aufmerksamkeit der Feinde hätte auf sie ziehen können. Ihre Anweisungen, was derlei Situationen betraf, waren absolut unzweideutig. Geschützt wurden sie zu beiden Seiten von den Flankenkavalleristen, die die Order erhalten hatten, notfalls ihr Leben zu lassen, um damit ihr Heer zu schützen.
Gemäß dem Befehl, den er soeben an die Legionare ausgegeben hatte, ritt Corvus nun zügig bis ganz ans Ende des Zuges, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuschauen. Flavius salutierte nachlässig und entbot Corvus damit weniger den vorgeschriebenen Gruß, sondern mehr eine freundschaftliche Geste, während Ursus ihm lediglich knapp zunickte. Ihn bewegte die gleiche Frage wie auch Sabinius, nur dass Ursus sie mit noch weniger Feingefühl hervorbrachte: »Ist es Valerius? Denn falls er es ist, dann weiß er zumindest, was wir mit ihm anstellen werden, und vor allem auch, wie wir es mit ihm anstellen werden.«
»Nein, es ist nicht Valerius. Der ist nicht hier. Und trotzdem könnte er es gewesen sein, der den letzten halben Monat damit zugebracht hat, jene zu trainieren, die nun hier auf uns lauern.«
»Was sollen wir also tun?«
»Sie niedermetzeln«, entgegnete Corvus mit grimmiger Miene. »Und beten, dass Valerius nichts von den Bogenschützen weiß. Die Schützen sollen sich strikt auf die linke Seite konzentrieren, denn von dort aus droht die ärgste Gefahr.«
 
»Das ist Corvus, jener Mann, den Valerius auf den Hügeln über Lugdunum gesehen hat. Er ist der Anführer der Kavallerie. Und er ist ein Freund der Bodicea.«
»Er war auch einst der Seelenfreund von Valerius, und fast alle auf Mona kennen seinen Namen.«
Cunomar lag an der Seite von Braint in einem Dickicht aus etwa bis auf Scheitelhöhe reichenden Nesseln. Einen halben Speerwurf von ihnen entfernt verlief die Straße. Selbst als sie den Angriff auf die Neunte Legion lanciert hatten, war Cunomar dem Feind nicht so nahe gewesen wie jetzt. Er konnte sehen, wie der Schweiß den Männern in kleinen Bächen über ihre Gesichter lief, wie er schwarzen Rinnsalen gleich über die Hälse der Pferde tropfte. Er sah die Sandschicht, die Fliegen und die dumpf blickenden Augen von Männern, die schon seit Tagen in forschem Marschtempo durchs Land eilten und noch zahlreiche weitere solcher Tage vor sich hatten. Er hörte stampfende Füße und die geradezu hirnverbrannt klingenden Marschlieder und bemühte sich angestrengt, nicht allzu genau hinzuhören, sondern sich stattdessen auf etwas anderes zu konzentrieren, sodass der plötzliche Trompetenstoß ihn entsetzt auffahren ließ. Er fluchte leise und presste sich wieder an den Erdboden.
Braint war nicht erschrocken zusammengezuckt, selbst dann nicht, als Corvus seine rotbraune Stute seitlich herumwirbeln ließ und deren Hufe dabei fast Braints Gesicht berührt hätten. Von sämtlichen der mit Kalkfarbe bemalten und mit grauem Fett eingeschmierten Bärinnenkrieger unter Cunomars Führung war sie die Einzige, die keine Kriegsbemalung angelegt hatte und auch fast keinen Schmuck trug. Stattdessen hatte sie nur eine einzelne, mit einem schmalen Band umwickelte Feder in ihr Haar geknotet. Die Feder stammte aus dem Bürzel eines Wanderfalken. Zudem trug sie an einer Kordel aus Pferdeleder zwei Eckzähne von einer Wildkatze um den Hals. Ihr Haar hatte sie mit Staub und Schlamm nach oben gestrichen, sodass es aussah wie ein umgedrehter Torfsoden. Was den Rest ihres Körpers betraf, so war ihre Haut nach einem Sommer voller Sonne und Wind von einer kräftigen Bräune überzogen und ganz matt von dem Staub, den die marschierenden Männer aufwirbelten. Und schon lange, ehe die erste Truppe der ersten Kohorte der ersten Zenturie der Vierzehnten Legion vorbeigestampft war, hatte Braint sich in nicht mehr als einen von vielen Schatten inmitten des Dickichts von Brennnesseln verwandelt.
Schweigend und reglos lag sie da, schien die Fliegen gar nicht wahrzunehmen, und nicht ein einziges Lächeln hatte Cunomar über ihr Gesicht huschen sehen - abgesehen von jenem Moment, als er verkündet hatte, die Legion schon ein wenig eher, also vor dem Dazustoßen der anderen Krieger, angreifen zu wollen.
Er erinnerte sich wieder an die Geschichten, die seine Mutter ihm von Braint erzählt hatte, wie diese während ihrer Kindheit auf Mona gewesen wäre und wie sie sich später dann während der Invasionsschlachten gezeigt habe. Zudem hatte Breaca ihm von Braints Kummer über den Tod ihres Cousins erzählt und die neu gewonnene Lebensenergie, als sie die Phase der Trauer schließlich überwunden hatte. Braint war zu einer solch furchtlosen Frau herangewachsen, dass sie sogar eine komplette Truppe der Gallischen Kavallerie in den Tod gelockt hatte, indem sie ihren Körper als Köder einsetzte.
Das innere Feuer, das Braint zu einer solchen Tat angetrieben haben mochte, war noch immer in ihr zu erkennen, doch seine Hitze hatte auch den Kummer und die Fähigkeit, sich zu freuen, verbrannt, sodass die Kriegerin sich schließlich zu einem Menschen entwickelt hatte, der so unbeugsam war wie Eisen. In jedem Fall aber war sie ganz zweifellos eine gute Kämpferin, vielleicht sogar eine hervorragende. Langsam kam Cunomar zu der Erkenntnis, dass Braint somit - von den Mitgliedern seiner eigenen Familie einmal abgesehen - womöglich die beste Kriegerin war, der er je begegnet war.
Ohne sich dabei zu regen, sagte sie nun von Cunomars Linker her: »Mac Calma hatte recht. Sie haben Bogenschützen dabei. Sieh doch.«
Vier komplette Reihen von Kavalleristen ritten an ihnen vorbei, und aufmerksam musterte Cunomar die Männer, sah jedoch nichts. Dann erhaschte er einen flüchtigen Blick auf das mit purpurroten Federn bewehrte Ende eines Pfeilschafts, erkannte schließlich den gesamten Pfeil und auch den Bogen sowie den dunkelhäutigen Mann mit der Hakennase, in dessen Händen Pfeil und Bogen ruhten. Nun, da Cunomar den ersten der Bogenschützen entdeckt hatte, war es leichter, auch die anderen auszumachen. »Zwölf«, sagte er. »Sie reiten also tatsächlich alle in diesem einen Zug.«
Braint hatte ihm bereits am Abend zuvor, als die Feuer der Legionen noch nicht mehr gewesen waren als einige heiße Punkte am Horizont, von der im Verborgenen lauernden Gefahr berichtet. Ihr eigenes Feuer bestand aus lediglich drei schwach glühenden Kohlen in einer kleinen Bodensenke. Dicht hatte Braint sich über die bescheidene Glut gebeugt, sodass Cunomar ihr Gesicht rötlich aufleuchten sah, und ihm anschließend erklärt: »Luain mac Calma hat drei Informanten unter den silurischen Spähern im
Dienste der Legionen. Aber sie berichten ihm nur dann etwas, wenn sich ganz besondere, neue Umstände ergeben, und auch das wird Luain nur über einen Mittelsmann weitergegeben. Sollte uns also tatsächlich die unverfälschte Wahrheit erreicht haben, dann haben sie ein Dutzend dunkelhäutiger Bogenschützen erspäht, die sowohl eine Taube vom Himmel schießen können als auch den sie verfolgenden Falken, um sich dann blitzschnell umzudrehen und sowohl einen Hasen als auch den ihn jagenden Hund zu töten, selbst wenn beide in komplett unterschiedliche Richtungen streben. Die Bogenschützen beherrschen all dies nicht nur im Stehen, sondern auch im Sitzen oder auf dem Rücken eines Pferdes. Und sie treffen ihr Ziel in jeder nur erdenklichen Richtung.«
»Wie weit können sie denn schießen?«, hatte Cunomar Braint daraufhin gefragt.
»Zwei Speerwurflängen, wenn sie die anvisierte Zielmarke exakt treffen wollen. Und drei Speerwurflängen, wenn sie auf ein Ziel anlegen, das so groß ist wie ein Krieger.«
»Dann brauchen wir also mehr Krieger, als sie Pfeile in ihren Köchern haben. Sonst sind wir erledigt, und die Krieger sind umsonst gestorben.«
»Falsch. Denn mac Calma hat uns zusätzlich zu seiner Nachricht auch fünf Steinschleuderschützen gesandt. Alles, was wir also tun müssen, ist, diese Steinschleuderschützen am Leben zu halten, während sie wiederum die Bogenschützen attackieren. Was meinst du, ob deine Bärinnenkrieger das wohl schaffen könnten?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Cunomar. »Gegen die Kavallerie sind wir ganz klar im Nachteil. Wir können zwar auf sie losstürmen und den Pferden die Fersensehnen durchschneiden, aber das kostet uns zwangsläufig auch etliche Kriegerleben. Dann könnten wir natürlich noch Speere schleudern, doch ich denke, dass die Bogenschützen trotzdem schneller sein werden als wir. Und wir könnten versuchen, sie einfach zu überrumpeln, jedoch stellt sich auch dort das Problem, dass wir nicht genügend Krieger sind, um sie am Ende tatsächlich allesamt niederzustrecken. Und wenn wir sie während der Nacht angreifen, müssten wir erst einmal ihre Schutzwälle überwinden. Außerdem haben die doch spätestens alle zwei Schritte einen ihrer Wachposten aufgestellt, die zudem noch achtmal in einer einzigen Nacht ausgetauscht werden und die ganze Zeit über in höchster Alarmbereitschaft sind. Also, welches Vorgehen würdest du nun vorschlagen?«
Endlich wandte Braint ihr Gesicht von den Kohlen ab und schaute Cunomar an. Lange sah sie ihm einfach nur in die Augen. Ihr Blick war kühl und leidenschaftslos, und die einzige Wärme, die noch darin zu schimmern schien, stammte von den Kohlen. Es war, als ob ein Hund einen mit seinem unverwandten Blick anstarrte, eine Situation, die Cunomar noch nie gefallen hatte. Irgendwann dann entgegnete sie: »Ich schlage vor, dass du die Bärengöttin um Unterstützung bittest und dann einfach dem folgst, was sie dir vorschlägt.«
Genau das tat Cunomar auch, er fragte die Bärengöttin. Allerdings war die Antwort keineswegs eindeutig. Sobald der gehörnte Mond am Himmel aufstieg, hatte Cunomar ihr zu Ehren seinen Tanz begonnen, hatte getanzt, bis er vollkommen erschöpft war und bis der sanfte Rhythmus von auf die Erde trommelnden Händen - so dicht am Feind hatten sie es nicht gewagt, die Schädeltrommeln zu verwenden - ihn aus seinem Körper hob und in die grimmige Obhut jener Göttin übergab, der er sich mit Leib und Seele verschworen hatte.
Cunomar hatte ihren heißen, nach Fleisch stinkenden Atem gerochen, hatte gespürt, wie ihr Fell über sein Gesicht streifte, und dann hatte er plötzlich gesehen, wie eintausend Bären gegen eintausend Kavalleriepferde antraten, wie sie die Tiere der Legionare förmlich zerrissen und letztlich doch nur drei bei diesem Überfall tatsächlich töteten.
Irgendwo in all dem Chaos starb ein Hirschkalb zweimal, und eine in sich verschlungene Schlange schlug nach Cunomars Hinterkopf, sodass er die feinen Löcher spüren konnte, die ihre Zähne ihm zugefügt hatten.
Später dann hatte Cunomar all dies jenen Kriegern erzählt, die für ihn auf die Erde getrommelt hatten, in der Hoffnung, dass wenigstens einer von ihnen einen gewissen Sinn aus dieser Vision gewinnen könne.
Es war schließlich Ulla gewesen, die verkündete: »Die Steinschleuderschützen brauchen nur einen kurzen Augenblick. Sie brauchen lediglich genügend Zeit, um die Bogenschützen anvisieren und sie töten zu können. Wenn Braint also die Steinschleuderer anführt, könnten wir so lange für deren Schutz sorgen. Außerdem steht uns auch noch der gehörnte Gott der Jagd zur Seite, um uns in unserem Vorhaben zu führen. Und schließlich haben wir die halbe Nacht vor uns, um die Träume der Bärengöttin in die Realität umzusetzen.«
Dennoch war Cunomar sich auch nach Ullas Zusammenfassung der Lage noch nicht ganz sicher, ob dieses Vorgehen tatsächlich das richtige war. Noch nicht einmal jetzt war er sich endgültig darüber im Klaren. Er wollte Ruhm und den Tod Roms, nicht jedoch die totale Auslöschung der Bärinnenkrieger, bloß weil er als Anführer der Bärinnenkrieger seine wichtigste Pflicht vernachlässigt hatte, die da lautete, das Leben seiner Krieger zu schützen.
Doch die Zeit zum Zweifeln war nun verstrichen. Das Ende der Kolonne war nur noch acht Pferdelängen entfernt, und die Außenreihe der Legionare ritt so dicht an seinem Kopf vorüber, dass er im Grunde nur den Arm hätte ausstrecken müssen, um die Hufe ihrer Tiere zu berühren.
Cunomar bot der Bärengöttin in diesem Augenblick nicht weniger dar als seine Seele. Zudem verinnerlichte er noch einmal den Gedanken, dass das ganze Leben letzten Endes bloß eine Art Übung war, deren Lehren man so gründlich in sich aufnehmen sollte, wie man nur irgend konnte. Und dies auch dann, wenn eine besonders hingebungsvolle Verinnerlichung dieser Lehren bedeutete, dass man starb - ja, sogar besonders dann, wenn man am Ende starb.
»Auf geht’s«, flüsterte er und langte nach dem Heft des Speeres, der quer vor ihm auf dem Boden lag.
 
»Da! In den Brennnesseln!«, schrie Corvus. »Irgendetwas hat sich da gerade bewegt!«
Alle zwölf Bogenschützen feuerten ihre Pfeile ab. Sirrend durchschnitten sie die Luft, während in einer hastigen Bewegung Seide über Seide glitt. Schwer schlugen die Pfeile in Fleisch und Knochen.
Irgendjemand, oder irgendetwas, starb unter Zuckungen. Das Klirren der Rüstungen und das Stampfen der Füße schien zu verhallen, der Marschlärm entschwand aus Corvus’ Wahrnehmung, Stille breitete sich aus in seinem Kopf. Nur zwei skythische Worte drangen noch hindurch - Flavius gratulierte den Bogenschützen.
Dann erweiterte sich Corvus’ Wahrnehmung wieder, und er blickte Ursus an. »Gütige Götter«, stöhnte dieser mit heiserer Stimme. »Das war aber knapp. Von der Stelle aus, wo sie lagen, hätten sie ja beinahe die Pferde berühren können.«
Corvus musste erst einmal schlucken, ehe er etwas erwidern konnte. »Falls wir nicht gerade bloß ein dösendes Wildschwein erschossen haben.«
»Aber Wildscheine liegen doch nicht einfach so irgendwo herum und schlafen, während zwei Legionen geradewegs an ihnen vorbeimarschieren.« Ursus wartete. Und wartete. Schließlich hakte er nach: »Oder etwa doch?«
»Vielleicht schon. Zumindest, wenn die Träumer sie zuvor mit den entsprechenden Pflanzen gefüttert haben. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich glaube... Vorwärts! Schirmt die Bogenschützen ab!«
Der Stein sauste geradewegs an seinem Gesicht vorbei. Eindringlich spürte er den leichten Luftzug. In jenem winzigen Augenblick, in dem das Geschehen der Welt sich plötzlich zu verlangsamen schien, glaubte Corvus, sogar die schwarze Farbe gesehen zu haben, die den Stein umhüllte. Nur zu deutlich wurde ihm das Ausmaß der Bedrohung bewusst, und selbst seine Seele schien vor lauter Furcht zusammenzuzucken.
Ein Bogenschütze starb. Ein zweiter wurde an der Schulter getroffen.
»Rechts! Sie lauern rechts!«
Corvus brüllte aus Leibeskräften. Mit klarem Schall gab ein Hornbläser das Signal weiter an den Rest der Truppe und die vor ihnen marschierende Infanterie. Es war ein Akt beispiellosen Mutes, denn allein durch dieses Signal machte er sich selbst bereits zum nächsten Ziel und musste denn auch fast unmittelbar darauf, getroffen von einem Speer und nicht etwa von einem Stein, sein Leben lassen, im selben Moment, als auch der dritte der Bogenschützen starb.
Corvus blieb gerade noch genügend Zeit, um den Namen des Mannes zu rufen und das Versprechen, ihn zu ehren, in der Hoffnung, dass seine scheidende Seele und die Männer seiner Zeltgemeinschaft dies noch hören könnten und dass wenigstens einer dieser Männer überleben würde und sich an seinen mutigen Kameraden erinnerte. Dann jedoch brach das blanke Chaos aus. Entlang des gesamten, von Corvus überblickbaren Marschtrupps gingen mit schrillem Kampfgeheul die Bärinnenkrieger auf die Legionare los, die Pferde wieherten, Kämpfer brüllten, Frauen kreischten. Ein einzelner Mann hatte nicht die geringste Chance, sich stimmlich gegen diese Kakophonie zu behaupten, und allein die Signale der Trompeten und Standarten vermochten es, noch eine gewisse Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten.
Corvus tötete eine Frau mit rotem Haar und brauner Haut, hielt jedoch nicht inne, um zu sehen, ob er sie kannte, denn unmittelbar darauf musste er sich unter einem heransausenden Stein wegducken und zugleich seinen Schild über Ursus halten, der wiederum seinen eigenen Schild über Corvus hielt. Beide hieben mit ihren Schwertern verzweifelt um sich, trafen Fleisch und Knochen, schmeckten Blut, das nicht ihr eigenes war, und das Geschehen der Welt schrumpfte zusammen auf jenen schier unendlichen Augenblick, in dem es nurmehr darum ging, das eigene Überleben zu sichern - sofern man mal davon absah, dass sie zudem auch noch die Infanterie zu verteidigen hatten und Corvus sich folglich neben dem Kampf um seine eigene Haut auch noch um den Schutz der Fußsoldaten Gedanken machen musste.
Mittlerweile fielen die Krieger sowohl von links als auch von rechts über sie her. Hastig blickte Corvus sich um und sah einen Trompeter ganz in der Nähe der noch lebenden Bogenschützen, die, verborgen hinter einem menschlichen Schutzschild aus Kavalleriesoldaten, angestrengt ihre Pfeile verschossen. Im Übrigen war jeder Schuss dieser Schützen zugleich auch ein Treffer, sodass sie sich Schuss für Schuss das Gold und die Mühen und zuweilen auch die Langeweile, die sie die Truppe gekostet hatten, redlich verdienten.
»Der Trompeter...«, sprach Corvus mit überdeutlich akzentuierten Lippenbewegungen an Ursus gewandt. Dieser nickte. Gemeinsam kämpften sie sich immer näher auf den Mann zu, bis dieser sie erkannte und sich seinerseits auch auf sie zubewegte, sodass sie schließlich inmitten von Tod und Blut auf einer Art kleinen Insel, auf der noch vergleichsweise Ruhe herrschte, zusammentrafen.
»Gib das Signal zum Schlag der Doppelschlange.«
Der Mann starrte Corvus einen kurzen Moment lang an, dann grinste er und stieß in seine Trompete. Klar und hoch wie eine Lerche schwebten die Töne über die kämpfenden Männer hinweg. Sie hatten die auf diesen Befehl folgende Angriffstaktik so oft eingeübt und wiederholt, bis Legionare und Pferde gleichermaßen verinnerlicht hatten, was sie auf dieses Signal hin zu tun hatten. Selbst ein Pferd, dessen Reiter bereits gestorben war oder aber die Kontrolle über seinen eigenen Körper verloren hatte, würde nun seinem Drill folgen.
Genauso wie der Rest der Tiere, wusste also auch die rotbraune Stute, was von ihr verlangt wurde. Corvus spürte, wie sie die Muskeln noch fester anspannte und tief die Luft in ihre Lungen sog. Dann entdeckte sie vor sich eine Lücke und stürmte mit einem gewaltigen Satz mitten hindurch. Corvus beugte sich weit im Sattel vor und drückte sich flach gegen ihren Hals, während er in der einen Hand sein Schwert hielt und in der anderen seinen Schild, den er wiederum halb über den Körper des Pferdes breitete und halb über seinen eigenen, im Vertrauen darauf, dass das Tier ihn gewiss schon irgendwie aus dem ärgsten Kampfgetümmel hinaustragen würde.
Ursus folgte dicht hinter ihm, ebenso wie der Trompeter und eine stetig größer werdende Schar von Corvus’ Männern. Kaum dass er der kämpfenden Menge entkommen war, zog er das Pferd auch schon herum und spürte den Ruck und die Erschütterung, als die Stute von der Straße sprang und in einem großen Bogen davongaloppierte, um die angreifenden Krieger von hinten zu attackieren. Ursus löste sich unterdessen von Corvus’ Führung und ritt genau in die entgegengesetzte Richtung, nämlich rechts herum. Jeder zweite der Kavalleristen folgte Ursus, die anderen Corvus.
Einen Augenblick lang hatte Corvus keine weitere Verpflichtung, als einfach nur zu reiten. Und genau das tat er auch und ignorierte die leise, feine Stimme, die aus seinem Unterbewusstsein zu ihm sprach und die wissen wollte, was das wohl gewesen sein mochte, das die Bogenschützen als ihr erstes Opfer erlegt hatten. Womöglich war es doch kein schlafendes Wildschwein gewesen. Corvus hoffte von ganzem Herzen, dass es nicht ein gewisser, ihm wohlbekannter Mann gewesen war.
Links der Straße befanden sich weniger Krieger als auf der rechten Seite. Zudem hatten diese noch keinerlei Erfahrung im Kampf gegen die Pferde der Kavallerie und starben somit ohne irgendeine erwähnenswerte Gegenwehr. Da entdeckte Corvus, wie sich in dem Dickicht zu seiner Linken etwas zu bewegen schien, und dirigierte sein Pferd geradewegs darauf zu. Der Trompeter folgte, während er abermals über das hinter ihm kämpfende Heer seine silbrigen, lerchenhellen Töne erschallen ließ. Und auch Flavius und zwei seiner Bogenschützen scherten aus der Kampfformation aus und galoppierten hinter Corvus her.
 
Kraftvoll hatte Cunomar dem Hirschkalb sein Messer in die Brust gestoßen. Es starb. Jedoch nur einmal.
Die Wunde, die das Messer hinterlassen hatte, war recht klein, sodass sie sich leicht mit getrocknetem Gras und Moos hatte stopfen lassen, damit die vorüberstampfenden Pferde nicht etwa durch den Geruch nach frischem Blut vorgewarnt würden. Anschließend hatte Cunomar mit einigen Sehnenstücken sowohl den Anus als auch die Vorhaut des Tieres zugenäht, damit auch aus diesen Körperöffnungen keinerlei verräterische Flüssigkeiten und Gerüche austreten konnten. Dann hatte er dem Tier noch die Vorderläufe gebrochen und diese immer wieder vor- und zurückgebogen, bis sie sich trotz der Totenstarre, die irgendwann den Rest des Leibes ergriff, noch bewegen ließen. Braint hatte unterdessen genügend Birkenrinde aufgestöbert und sie zu Seilen verflochten, die lang und stark genug waren, um damit bis an das Hirschkalb heranzureichen und dennoch nicht zu zerreißen.
Es hatte die halbe Nacht über gedauert, das Hirschkalb an der vorgesehenen Stelle anzupflocken, ohne dabei die Brennnesseln zu zertrampeln. Der Himmel war also schon wieder heller geworden, und mit fast schon grellem Rot war die Sonne heraufgestiegen, als Cunomar und Braint endlich von ihrem Werk abließen und die Birkenrindenkordeln durch zuvor ausgearbeitete und von eventuellen Steinen befreite Schneisen zogen, sodass die Seile nicht schließlich doch noch durch irgendein Hindernis blockiert oder gar zerschnitten werden könnten. Ihnen war gerade noch genügend Zeit geblieben, um einen einzigen Test durchzuführen, bei dem Braint auf der Straße stand und Cunomar in dem ein gutes Stück entfernten Holunderdickicht lag. Braint hatte kontrolliert, ob man Cunomar sehen könne, wenn er an seinem Ende des Speerheftes zog, und ob die Bewegung der Vorderläufe des toten Hirschkalbs ausreichen würde, um die Aufmerksamkeit der vorbeireitenden Kavalleristen zu erregen.
So vieles hatte am Gelingen dieser List gehangen. So vieles von ihrem Plan war bereits geglückt. Und so vieles schien beinahe zu misslingen.
Corvus ritt geradewegs auf sie zu. Braint erhob sich in die Hocke. Ohne jegliche Hast nahm sie einen Stein aus ihrem Gürtelsack und legte ihn in ihre Schleuder. Bis zu diesem Augenblick war Cunomar gar nicht bewusst gewesen, dass Braint auch mit dieser Waffe umzugehen wusste. Er bedauerte, dass er selbst nie den Umgang damit erlernt hatte. Aus irgendeinem Grund, der ihm selbst nicht ganz klar war, flüsterte er: »Corvus liebt Valerius, und Valerius liebt ihn.«
Ein schwaches Lächeln huschte über Braints Lippen. »Ich weiß.«
Die Reiter waren mittlerweile so dicht vor ihnen, dass Braint und Cunomar bereits die Pferde riechen konnten. Plötzlich stand Braint auf und riss den Arm zurück.
Aber nicht nur sie, sondern auch ein dunkelhäutiger, in rote Seide gekleideter Mann reagierte mit dieser sicheren, unbeirrbaren Schnelligkeit.
Cunomar dagegen erstarrte vor Schreck und vermochte lediglich zu brüllen: »Bogenschützen! Er hat zwei von den Bogenschützen bei sich!«
Für den Rest seines Lebens, ganz gleich, wie lang oder wie kurz dies auch noch währen mochte, würde Cunomar nicht mehr jenen schmerzvollen Ausdruck auf Braints Gesicht vergessen, als sie von den drei möglichen Zielen eines auswählte, es anvisierte und dann mit geradezu verblüffender Präzision den Stein losschleuderte. Niemals würde er den inbrünstigen Hass vergessen, mit dem Braint diesen Stein aussandte, ganz so, als ob sie mit dem Tode des gefährlichsten dieser Männer zugleich jene schädigen könnte, denen ihr ganzer Hass galt.
Sie starb, ohne zu erfahren, ob ihr Vorhaben geglückt war.
Stets würde Cunomar sich an diesen höchst unpersönlichen Tod erinnern, der in der Gestalt von drei Pfeilen Besitz von Braint ergriffen hatte. Drei Pfeile, die mit einer solchen Geschwindigkeit herangesaust kamen, dass sie allesamt einem einzigen Bogenschuss zu entstammen schienen. Braints scheidender Seele blieb keine Zeit mehr, noch einen letzten Atemzug lang im Diesseits zu verweilen oder gar noch einmal über das Leben nachzudenken, das sie gelebt hatte.
Braint lebte, und mit dem nächsten Wimpernschlag war sie auch schon tot, und der einzige Grund, weshalb es Cunomar nicht genauso erging, war der, dass zwischenzeitlich auch Ulla einen ihrer Speere geschleudert hatte und von der anderen Seite noch drei weitere Bärinnenkrieger herangestürmt kamen. Zwar war keiner von den dreien ein Steinschleuderschütze, doch einer von ihnen hatte Glück und stieß den noch verbliebenen Bogenschützen einfach von dessen Pferd.
Kaum dass sie begonnen hatte, war die unmittelbare Bedrohung also auch schon wieder vorüber. Cunomar blieb somit ein wenig Zeit, im Geiste erst einmal nach der Bärengöttin zu tasten. Doch er konnte sie nicht erreichen. Dann zerrte er seinen Speer aus den Schlingen aus Birkenrinde, sprang aus dem Holunderdickicht hervor und kämpfte, versuchte einfach, noch nicht sterben zu müssen. Vor allem aber bemühte er sich, noch nicht darüber nachzudenken, wie er Cygfa die Nachricht von Braints Tod überbringen sollte.
Ganz am Rande seines Blickfelds entdeckte Cunomar eine flüchtige Bewegung. In einem Augenblick des von der Bärengöttin inspirierten Wahnsinns schleuderte er seinen Speer in genau diese Richtung.
 
Corvus sah, wie mittlerweile schon der zweite Stein in dieser Schlacht unmittelbar an seinem Gesicht vorübersauste. Ob auch dieser Stein schwarz angemalt war, um damit seine Seele in eine noch vollkommenere Vernichtung zu schicken, danach brauchte er schon gar nicht mehr zu schauen, denn er spürte bereits den Hass, der in diesem Geschoss eingebettet lag. Unmittelbar darauf hörte er, wie der Stein mit einem dumpfen Knall sein Ziel traf, hörte, wie ein Mann zu Boden sackte, und drängte die rotbraune Stute ruckartig zur Seite, für den Fall, dass noch mehr Steinschleuderer im Dickicht lauerten. Anschließend schwang er sein Schwert gegen einen Krieger, der auf ihn zustürmte.
Doch er verfehlte den jungen Mann, hieb noch einmal nach ihm, verfehlte ihn abermals. Mit einem Mal sprang Breacas Sohn aus seiner Deckung heraus, und von dem Augenblick an wusste Corvus, dass man ihn erkannt hatte. Ein Speer flog an ihm vorbei, richtete jedoch keinerlei Schaden an. Unbeirrt drängte Corvus die rotbraune Stute weiter in den wahren Mahlstrom an Kriegern hinein.
Corvus besaß mehr Männer als die Wilden und hatte auch mehr Pferde zur Verfügung, zudem hatten seine Legionare - bei aller Bescheidenheit - auch einen deutlich strengeren Drill erfahren als auch nur irgendeiner der Krieger der Eingeborenen. Andererseits hatte es in der Vergangenheit natürlich bereits Schlachten gegeben, bei denen die Gegner noch weniger an der Zahl gewesen waren und noch schlechter trainiert, und dennoch waren diese entgegen aller Voraussicht aus dem Kampf gegen die Legionen als Sieger hervorgegangen. Zumal Pferde in einer Schlacht gegen Infanteristen nur dann einen Sinn ergaben, wenn die Kämpfer auf dem Boden Pferde nicht gewohnt waren und Angst vor ihnen hatten.
Die Eceni jedoch, gegen die Corvus nun kämpfte, lebten geradezu auf dem Rücken ihrer Pferde, starben häufig sogar auf ihnen und konnten meist schon reiten, noch bevor sie überhaupt richtig laufen gelernt hatten. Noch anstrengender als der Kampf gegen die Eceni aber war der Kampf gegen die Bärinnenkrieger unter ihnen. Denn diesen war es vollkommen gleichgültig, ob sie den Kampf überlebten. Sie interessierten sich allein dafür, ob es ihnen vergönnt war, im Tode in die Umarmung der Bärengöttin zu sinken, und natürlich für die Frage, ob sie ihr Leben auch stets mit der ihr gebührenden Hingabe gelebt hatten und dafür in ihrem Dasein nach dem Tode die entsprechenden Ehren empfangen dürften.
Wie zum Beweis für diese Lebenseinstellung unter den Bärinnenkriegern brach der Sohn der Bodicea durch die Reihe von Wachen, die sich rund um die Bogenschützen geschlossen hatte, und rammte einem der Pferde sein Messer mitten in die Brust. Corvus beobachtete, wie Cunomar dann auf den Rücken des niederstürzenden Tieres sprang und dessen Reiter in einem Zuge mit sich zu Boden riss. Die Klinge seines Dolches funkelte leuchtend rot, und sein Gesicht war verzerrt zu einer brüllenden Maske aus Triumph und Schmerz, aus der eine Wildheit hervorblitzte, dass kein Mensch, der auch nur noch halbwegs bei Verstand war, sich einem solchen Krieger entgegenstellen würde. Zumal auch kein Offizier irgendetwas in der Art verlangen würde von jenen, die ihm immerhin nicht weniger anvertraut hatten als ihr Leben.
Nichtsdestotrotz aber gab es einen Weg, wie man es mit einem solchen Krieger aufnehmen konnte - zumindest, wenn einem Männer zur Verfügung standen, die bis zur Perfektion gedrillt worden waren und die ihrem Kommandeur bedingungslos vertrauten.
»Linie!«, brüllte Corvus dem Trompeter zu. »Gib das Signal zum Bilden einer Angriffslinie! Hier hinten. Sie sollen sich um mich herum gruppieren!«
Ein silberner, lerchenheller Ton schallte in luftiger Höhe über das Blutbad hinweg - und verstummte.
Wie ein vertrocknetes Blatt krümmte der Trompeter sich zusammen und presste die Hand auf seine rechte Schulter, aus der ein Messer hervorstach, das einer der Krieger soeben gegen ihn geschleudert hatte. Die Trompete baumelte von dem um seinen Unterarm geschlungenen Lederriemen herab. Ein weiteres Mal hackte Corvus nach der kreischenden Todesfee, die es auf ihn abgesehen hatte - zumindest glaubte er, dass es sich bei diesem Wesen um eine Frau handelte, hielt jedoch nicht inne, um genauer hinzuschauen -, und drängte sein rotbraunes Streitross dann vorwärts neben den verletzten Legionar. Mit seinem Schwert durchschnitt er die Trompetenkordel, dankbar, dass er dessen Klinge stets schärfer schliff, als eigentlich nötig war, und dass auch die verschiedenen Todesstöße, die er im Laufe dieses Tages bereits mit seinem Schwert verteilt hatte, dessen Schneide noch nicht hatten stumpf werden lassen. Vor allem war er froh, dass auch er, Corvus, gelernt hatte, wie man einer solchen Trompete die richtigen Töne entlockte, um dann die entsprechenden Signale zu setzen.
Ohnehin aber hatte gut die Hälfte seiner Männer bereits den Befehl gehört, den er nur wenige Augenblicke zuvor noch dem Trompeter zugebrüllt hatte. In Paaren scharten sie sich bereits um ihn, dann zu dritt, zu sechst und schließlich gar zu acht, um zu Corvus’ beiden Seiten jene Linie zu formieren, in der sie regelrecht über das Land hinwegfegen und sämtliche Widersacher, die glaubten, es mit den Legionaren aufnehmen zu können, in Grund und Boden trampeln würden.
Hastig befeuchtete Corvus sich die Lippen, hob die erstaunlich schwere und gleißend hell glänzende Trompete an den Mund, atmete tief ein und ließ gerade den ersten, noch leicht zittrigen Ton erklingen - als plötzlich das deutlich lautere und forschere Signal von gleich zehn Hörnern von der Spitze des Zuges herüberschallte, die Corvus’ einzelne Note in ihrem einstimmigen Geschmettere gnadenlos ertränkten.
»Nein! Die Götter sollen euch verdammen, nein...«
Er hätte weinen mögen. Sein Trompetenstoß war vollkommen umsonst gewesen. Dennoch hatten sich seine Legionare bereits um ihn versammelt, nur sechs kämpften noch darum, sich den anderen ebenfalls anschließen zu können, einer von ihnen verwundet, zwei weitere jeweils rechts und links von Kriegern attackiert und ohne die Aussicht, noch sonderlich lange am Leben zu bleiben. Trotz alledem aber hatten sich nun immerhin achtzehn Männer um Corvus formiert, und gemeinsam hätten sie sämtliche Krieger, die parallel zu der Marschkolonne über den breiten, flachen Landstreifen rannten, einfach niederwalzen können.
»Wir könnten es immer noch schaffen.«
Corvus schaute nach links. Dort befand sich Flavius, die Wangen gerötet atmete er keuchend, während er innerlich auf einer Woge des Triumphes zu reiten schien. Ihre Blicke begegneten sich. Flavius grinste, und aller Hass auf seinen Kommandeur war aus seinen Augen gewichen. »Wir haben das Hornsignal ganz einfach nicht gehört«, erklärte er. »Die Hornbläser sind viel zu weit vorn. Wir können nur Euch hören. Also, befehlt uns anzugreifen.«
Alle achtzehn Männer wären willens gewesen, diese Lüge nun zu unterstützen. Und auch im Nachhinein hätte nicht einer von ihnen Corvus verraten. Selbst der Gouverneur hätte eingestehen müssen, dass in einer Schlacht nicht immer alle Signale von allen gehört werden konnten. Und sogar der zum Gott erhobene Caesar hatte es einst während eines Kampfes nicht geschafft, seine Männer zurückzurufen, sodass er ihnen schließlich, als er sah, dass sie gegen seinen Befehl noch immer mit aller Inbrunst um den Sieg rangen, noch ein zweites Signal hinterhergeschickt hatte, und zwar jenen Hornstoß, mit dem die Männer sich untereinander Glück wünschten. Wie also könnte ein General eingedenk eines solchen Präzedenzfalls Männer bestrafen, die entgegen seinem Rückzugsbefehl gekämpft und gesiegt hatten?
Abermals hob Corvus die Trompete an die Lippen. Das Signal zur Formation einer geschlossenen Reihe brauchte er schon gar nicht mehr zu geben, denn alle hatten bereits ihre entsprechenden Plätze eingenommen. Gedrillt bis zur Perfektion vollführte die Achse aus Legionaren eine halbe Drehung um ihren Mittelpunkt herum, den in diesem Fall Corvus darstellte, ganz ähnlich den beiden Speichen eines Rads. Schließlich blickten alle Männer in Richtung Süden, sodass sie nun theoretisch einfach parallel zur Straße über das Land hätten hinwegpreschen können. Die Krieger begannen bereits, die Flucht zu ergreifen. Zudem waren in der Zwischenzeit zwei weitere von ihnen gefallen. Und der Sohn der Bodicea schrie und brüllte und erreichte doch niemanden...
Erneut erschallten die Hörner, diesmal lauter als zuvor. Dann gab auch noch das große Bullenhorn der persönlichen Kavallerie des Gouverneurs, das so schwer war, dass zwei Männer nötig waren, um es zu tragen, einen einzelnen, langen und geradezu die Erde erschütternden Ton von sich. Energisch wurden die Standarten sowohl der beiden Legionen als auch der Quinta Gallorum gewirbelt.
»Nein, seid verdammt! Nicht jetzt!« Corvus schleuderte die Trompete auf den Boden. Durch die Wucht des Aufpralls sprang sie wieder ein Stückchen von der Erde empor, woraufhin Corvus’ Stute erschrocken zurückwich und er ihr einen energischen Tritt mit den Fersen versetzte - eine unentschuldbare Misshandlung dieses so treuen Tieres. Mit geradezu steinernen Mienen gruppierten seine Männer sich um ihren Kommandeur. Dieser war geradezu rasend vor Wut und mental so tief in seinen Zorn eingetaucht, dass er nicht mehr in der Lage war, sich gegen die Steinschleuderschützen und Speerwerfer zu verteidigen, welche die Legionare natürlich noch immer attackierten. Corvus’ Männer aber schützten ihn.
Abermals stieß er einen lästerlichen Fluch aus, schloss kurz die Augen, schluckte und gewann dann endlich wieder die Kontrolle über sich selbst zurück. Niemals zuvor in seinem Leben hatte Corvus während einer Schlacht vor Zorn den Verstand verloren. Nun jedoch war ihm genau das passiert. Erschöpft ließ er sein Schlachtross wieder wenden, bedeutete mit hektischem Fuchteln, dass man ihm eine Standarte reichen solle, und führte seine Männer schließlich mit einer Bitterkeit im Gemüt, die ihn noch den gesamten schnellen und harten Ritt zurück zum Hauptzug begleiten sollte, fort von dem Sieg und zurück zu ihrem Gouverneur, um dort die Nachhut der mittlerweile im Laufschritt flüchtenden Legionen abzuschirmen - wo immer diese Flucht nun auch hinführen mochte.
 
»Sie sind weg«, keuchte Ulla. »Warum?«
»Die Hornbläser des Gouverneurs haben sie zurückgerufen, und zwar mit einem derart eindringlichen Signal, dass sie es einfach nicht ignorieren konnten. Was genau der Grund dafür gewesen war... nun, darüber lässt sich wohl nur mutmaßen. Vielleicht ist Valerius schon eher angekommen und hat die Spitze des Zuges angegriffen. Zudem sehen sie in ihm womöglich eine größere Bedrohung als in uns und trauen sich eine Konfrontation mit ihm nur im Schutze ihrer leistungsfähigeren Truppen zu. Zu Fuß jedenfalls können wir sie nicht mehr einholen. Und das wissen sie.«
Cunomar kniete neben Braints Leiche. Sein eigener Körper war regelrecht übersät mit Schnittwunden, und die eine Körperhälfte war komplett mit bläulichen Blutergüssen überzogen - ein Pferd war auf ihn gestürzt. Dennoch spürte Cunomar nicht das Geringste. Stattdessen beugte er sich über Braint, legte eine Hand an ihre Kehle und tastete nach ihrem Puls, ganz so, ob sie vielleicht doch noch am Leben sei, eine Hoffnung, die geradezu lächerlich war. Trotzdem konnte Cunomar einfach nicht anders.
Die Pfeile waren vorn in ihre Brust eingedrungen und an ihrem Rücken wieder ausgetreten. Allein die purpurroten und schwarzen Federn an ihren Enden hatten verhindert, dass die Geschosse Braints Körper gänzlich wieder verlassen hatten. Folglich lag die einstige Kriegerin auch nicht flach auf dem Boden, sondern gefangen wie in einem unerträglichen Schmerz bog ihr Brustkorb sich dem Himmel entgegen.
Noch hatte die Leichenstarre nicht eingesetzt. Vorsichtig zog Cunomar Braint hoch und lehnte sie gegen sein Knie. Dann brach er die aus ihrem Rücken herausragenden Pfeilschäfte ab und ließ Braint langsam und ganz so, als wolle er sie zum Schlafen betten, wieder zurücksinken. Mit den Daumen schloss er ihre Augen und ließ seine Finger für einen Moment auf ihren Lidern liegen, auf dass seine einstige Kameradin nicht mehr mit diesem seltsam starren Blick in den Abendhimmel schaute. Wie betäubt erklärte er: »Sie war die Ranghöchste Kriegerin von Mona. Wir sollten sie also mit uns nehmen. Jene, die sie angeführt hat, werden um sie trauern wollen.«
»Und auch Cygfa wird um sie trauern wollen«, stimmte Ulla zu.
»Falls Cygfa überhaupt wieder zurückkehrt. Sie ist mit der Bodicea ausgezogen, und seitdem haben wir nichts mehr von den beiden gehört. Vielleicht werden sie also nie mehr wiederkommen.« Gänzlich unerbeten stieg plötzlich dieser Gedanke aus den konturlosen Ängsten in Cunomars Hinterkopf auf, und noch ehe er sich selbst hatte bezähmen können, waren die Worte auch schon über seine Lippen gekommen.
Entsetzt betrachtete Ulla ihn, öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. »Aber natürlich wird Cygfa wiederkommen«, entgegnete sie, »und auch die Bodicea wird wiederkehren, und dann haben wir die Legionen doch schon so gut wie eingekesselt. Aber dass Valerius vorn auf der Straße aufgetaucht ist - also, darauf wiederum würde ich nicht hoffen. Denn wenn er dort wäre, hätte er uns mit seinen Spähern schon längst eine Nachricht übersandt. Die Legionen rennen also nicht einer Schlacht entgegen, sondern sie flüchten sich in Sicherheit, irgendwohin, wo sie sich besser verteidigen können als hier auf einer ungeschützt durch das Land verlaufenden Straße. Alles, was wir nun also tun müssen, ist, auf Valerius zu warten und darauf, dass er seine vereidigten Speerkämpfer mitbringt, und dann haben wir die Römer doch schon so gut wie eingekesselt - wie Schafe in einer Talenge. Morgen werden wir noch einmal, und zwar mit dem gesamten Kriegsheer, gegen die Römer vorrücken, und bis zum Abend haben wir das Land von zwei weiteren Legionen gesäubert.«
Morgen...
Vollkommen unangekündigt kehrte der alte Albtraum zu Cunomar zurück, jener Traum von dem Bären, der, gefangen in seiner eigenen Höhle, nur darauf lauerte, den ersten stolpernden Narren, der sich ihm näherte, in Stücke zu reißen. Dieses Mal stand für Cunomar außer Frage, dass die Bärengöttin ihm diesen Traum geschickt hatte, gemeinsam mit all dessen unheilvollen Vorzeichen.
Voller Angst, nun auch noch diese schreckliche Vorahnung laut auszusprechen, zwang Cunomar sich zu einem dürren Lächeln und sagte an Ulla gewandt: »Bis morgen ist es noch viel zu lange hin, um sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen. Als Erstes müssen wir die Verwundeten zurück zum Treffpunkt bringen und hoffen, dass auch Valerius mittlerweile dort angelangt ist. Denn bei Valerius ist auch Theophilus, der sich um die Verletzungen kümmern könnte. Und wenn das erledigt ist, müssen wir einen Scheiterhaufen für Braint errichten, damit noch einmal jedem vor Augen geführt wird, was für eine bedeutende Kriegerin sie war. Willst du mir helfen, sie zu tragen?«
Sanft legte Ulla den Daumen auf Cunomars Mund und strich das aufgesetzte Lächeln von seinen Lippen. Ihr Blick schien die verschiedenen Masken, die er über sein Gesicht gebreitet hatte, eine nach der anderen wieder fortzureißen. »Selbstverständlich. Ich helfe dir doch immer. Dass du überhaupt noch meinst, danach fragen zu müssen...«
Die Kriegerin der Kelten
cover.xhtml
scot_9783641016395_oeb_cover_r1.html
scot_9783641016395_oeb_toc_r1.html
scot_9783641016395_oeb_fm1_r1.html
scot_9783641016395_oeb_ata_r1.html
scot_9783641016395_oeb_fm2_r1.html
scot_9783641016395_oeb_ded_r1.html
scot_9783641016395_oeb_fm3_r1.html
scot_9783641016395_oeb_fm4_r1.html
scot_9783641016395_oeb_p01_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c01_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c02_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c03_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c04_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c05_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c06_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c07_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c08_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c09_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c10_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c11_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c12_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c13_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c14_r1.html
scot_9783641016395_oeb_p02_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c15_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c16_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c17_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c18_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c19_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c20_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c21_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c22_r1.html
scot_9783641016395_oeb_p03_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c23_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c24_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c25_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c26_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c27_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c28_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c29_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c30_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c31_r1.html
scot_9783641016395_oeb_p04_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c32_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c33_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c34_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c35_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c36_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c37_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c38_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c39_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c40_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c41_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c42_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c43_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c44_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c45_r1.html
scot_9783641016395_oeb_c46_r1.html
scot_9783641016395_oeb_bm1_r1.html
scot_9783641016395_oeb_ack_r1.html
scot_9783641016395_oeb_bm2_r1.html
scot_9783641016395_oeb_bm3_r1.html
scot_9783641016395_oeb_cop_r1.html