XVIII

Tief schien Mona, die Insel der Götter, im Ozean zu liegen. Graue Wogen brandeten gischtsprühend gegen ihre Ufer, und zäh wie flüssiges Eisen strömte das Wasser durch jene Meerenge, die die Insel vom Festland trennte.
Noch war die Sonne nicht aufgegangen, und es herrschte jenes typische farblose und zugleich blassrosa Licht, das immer dann zu beobachten war, wenn der Himmel die Nacht verabschiedete und den neuen Tag willkommen hieß.
Inmitten von blassen Sanddisteln und den langen, raureifweißen Halmen des Strandhafers lag Graine bäuchlings auf dem Boden und beobachtete jene Stelle, an der das Land ins Wasser überging. Die Ebbe hatte eingesetzt. Kleine Wellen schlängelten sich über den Kiesstrand, mussten aber stetig weiter zurückweichen. In regelmäßigen Abständen schätzte Graine die Entfernung ab zwischen den schäumenden kleinen Wellen und ihrer, Graines, ganz persönlicher Hochwassermarke, jener Stelle, die nur knapp eine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt lag und an die der während der vergangenen drei Tage wütende Sturm einen zerrissenen Halbmond aus Blasentang angetrieben hatte. Zwischen den Algen und Tangfetzen lagen von der See gebleichtes Treibholz und transparente Quallen, die im Inneren ihrer Leiber blassrote Sterne zu tragen schienen. Und diese Hochwassermarke lag nun bereits ein gutes Stück oberhalb des restlichen Treibguts, das sich am Strand angesammelt hatte.
Breacas Tochter maß die Zeit, die verstrich, in Wellen. Dazwischen aber, zwischen den Wogen, herrschte keine Zeit, sondern allein tiefer Frieden. Der durchdringende Duft der See, vermischt mit dem Geruch nach vermoderndem Seetang, drang in Graines Haut ein, schlich sich in ihr rotes Haar, lag reif auf ihrer Zunge und ließ ihre Lungen sich weiten, sodass schließlich auch längst vergessene Erinnerungen wieder hervorgelockt wurden. Erinnerungen an die Zeit davor, als Graine noch auf Mona gelebt hatte, als sie noch heil und unversehrt gewesen war und die Welt sicher schien, als ihre Mutter noch die Geliebte Brigas gewesen war, eine Kriegerin, der niemand das Wasser zu reichen vermochte und die als unbesiegbar galt. Damals, als Rom bloß ein ferner, gesichtsloser Feind gewesen war, der durch die überwältigende Macht der Bodicea und der Götter irgendwann zweifellos besiegt sein würde. Damals, als die Tochter der Bodicea der Göttin Nemain diente und noch kein Schmerz sich in ihren Körper eingefressen hatte. Ein Schmerz, der jede einzelne Faser zu durchdringen schien, ausgelöst durch die brutale Schändung durch schier unzählige Männer.
Und dennoch war der Schmerz nun nicht mehr ganz so verzehrend wie zu Anfang. Denn die See hatte während Graines Überfahrt einen Teil von deren Qual geschluckt, eine Erfahrung, die Graine selbst überrascht hatte. Doch auch das Gefühl der Freiheit und die euphorische Stimmung, die das Meer in ihr hervorgekitzelt hatte, waren ganz unerwartet über sie gekommen. Sie hatte gar nicht gewusst, um wie viel lieber sie vorn im Bug eines durch die Wogen pflügenden Schiffes stand, als auf einem Pferd zu reiten, selbst wenn es das ruhigste und gehorsamste aller Pferde gewesen wäre, die jemals geboren wurden. Niemals würde sie ein Pferd einem Boot vorziehen. All dies war ihr aber erst bewusst geworden, als sie an Bord des Schiffes gegangen war, das Luain mac Calma ausgeschickt hatte, um sie zu holen. Die Reise von dem fernen südwestlichen Zipfel Britanniens hinüber zur südwestlichen Spitze der Insel Mona hatte drei ganze Tage gedauert. Die letzten beiden Tage hatte die Besatzung stets hart gegen den Sturm kreuzen müssen. Jeder der gegen die Bordwände krachenden Brecher war in Graines Augen eine mindestens ebenso große und ebenso wundersame Herausforderung gewesen wie die Kriegerprüfungen ihrer Schwester und ihres Bruders. Denn diese Wellen hatten die Tränen und Wunden von Graines Körper nach und nach zu einem Nichts verblassen lassen, hatten ihr gezeigt, wie winzig die Verletzungen doch waren, die sie hatte erleiden müssen, verglichen mit der unermesslichen und alles zermalmenden Macht der Götter.
Zuerst hatte Graine ganz still gestanden, hatte einfach nur versucht, der geballten Kraft des Meeres ohne allzu große Angst entgegenzublicken. Was die Wogen ihr entgegenspuckten, das nahm sie an, schweigend, wenngleich es sie eine ungeheure Kraft kostete. Später dann, durchgefroren und wie betäubt und zugleich belebt von neuem Mut, lernte sie, sich zu wehren, zu schreien und der Macht der See entgegenzubrüllen.
Gefangen in dem Verlangen, sich zu befreien, hatte sie jeden Augenblick des Tages und gut die Hälfte einer jeden Nacht auf dem Vorderdeck der Cormorant ausgeharrt, hatte sich im Licht der Fackeln an die Bugreling geklammert und in den Schlund jenes Sturmes hineingebrüllt, den Manannan ausgesandt hatte, um die Insel der Götter vor der Invasion Roms zu schützen. Eisig war Graine die See auf die Hände und ins Gesicht gespritzt, bis ihre Haut sich rötete und langsam vom Fleisch abpellte, bis ihr ochsenblutrotes Haar seinen Glanz verlor und von einer harten, grauen Salzkruste überzogen wurde.
Hawk und Dubornos hatten sie unter Deck und in Sicherheit bringen wollen. Segoventos aber, der alte Gallier, dem das Schiff gehörte, hatte versprochen, für Graines Leben mit seinem eigenen zu bürgen. Im Übrigen war er mit der Cormorant auch allein auf Graines Wunsch hin bereits einen guten halben Mond eher in See gestochen, als dies eigentlich anzuraten gewesen wäre. Schließlich hatte Gunovar noch eine Art Geschirr aus Seilen geknüpft und es mitsamt Graine an der Bugreling befestigt, sodass diese, selbst wenn sie den Halt verlieren sollte, nicht über Bord gerissen werden könnte. Endlich hatten selbst Graines Weggefährten es aufgegeben, sie unter Deck locken zu wollen, und hatten ihr stattdessen ihre Mahlzeiten nach oben gebracht und sie erst dann gebeten, zum Schlafen in die Kabine zu kommen, wenn die Nacht am finstersten war. In der letzten Nacht aber, als sie sahen, dass der Sturm, der über ihren Köpfen gewütet hatte, langsam nachließ, hatten sie noch nicht einmal mehr das versucht und Graine einfach an Deck schlafen lassen.
Ein neuer Morgen war heraufgedämmert, und als sie das Beiboot zu Wasser gelassen hatten und an das Ufer Monas gerudert waren, war der Wind schließlich gänzlich abgeflaut. Die weißen Mähnen, mit denen die Wellenkämme durch die Nacht gebraust waren, waren kürzer und kürzer geworden, bis sie schließlich mit dem grünen Meer verschmolzen, das nurmehr träge plätschernd die Klippen an der Landspitze mit nassen Küssen begrüßte.
Das Szenario ihrer Ankunft auf Mona war um so vieles leiser gewesen als die Überfahrt - eine Enttäuschung, wenn man es denn so betrachten wollte. Doch diese Enttäuschung hatte auch ihr Gutes, denn wäre Graine geradewegs aus der ungezügelten Freude, die ihr die Überfahrt zuletzt bereitet hatte, in die Einsamkeit des verlassenen Großen Versammlungshauses getreten, und hätte sie, berauscht von der Reise, plötzlich die hohle Leere der unbewohnten Siedlung gespürt, so wäre der Verlust all dessen, was Mona einst gewesen war, ihr sicherlich noch grausamer bewusst geworden als ohnehin schon.
Trotz Graines unspektakulärer Ankunft auf der Insel ihrer Geburt aber hatten die gut fünfhundert Krieger, die ausgewählt worden waren, um auf Mona auszuharren, der Tochter der Bodicea einen würdevollen Empfang bereitet, sodass diese gar nicht darum herumgekommen war, sie alle der Reihe nach zu begrüßen, sich ihre Namen einzuprägen und ihren Geschichten zu lauschen und sich jene besonderen Stellen im Dachgebälk des Großen Versammlungshauses anzusehen, wo ihre Traumsymbole eingeritzt waren. Es war also bereits wieder dunkel geworden, als Graine endlich die Zeit gefunden hatte, einmal nach Bellos zu schauen, jenem jungen Mann mit dem weizenblonden Schopf und den Augen eines Gottes, dessen Traum sie, Graine, wieder nach Hause gerufen hatte. Im Gegensatz zu den anderen hatte er aber weder eine Bemerkung über ihre Verletzungen gemacht, noch hatte er so getan, als würde er sie nicht wahrnehmen. Bellos schwieg einfach nur, denn er hatte Graine ja bereits in ihrem gemeinsamen Traum getroffen und wusste darum, wie es um die Tochter der Bodicea bestellt war. Graine war sehr erleichtert gewesen über die ungezwungene Art, mit der er sie behandelte, sodass sie den gesamten Rest des noch verbleibenden Abends bei Bellos verbracht hatte.
Gemeinsam hatten sie am Feuer gesessen, hatten Malzgerste und sahnige Dickmilch von einem erstgebärenden Mutterschaf genossen. Erst da hatte Graine plötzlich begriffen, dass Bellos blind war. Später dann, als sie in der Dunkelheit lag und schon halb eingeschlafen war, erkannte sie, dass Valerius selbstverständlich von Bellos’ Blindheit gewusst haben musste, ihr aber offenbar ganz gezielt nichts davon hatte sagen wollen, sondern es ihr überlassen hatte, dies selbst herauszufinden. Während sie in Gedanken noch bei der Frage verharrte, warum Valerius dies wohl so beschlossen hatte, war Graine schließlich eingeschlafen.
Im Traum hatte sie die Antwort gehört, doch als sie aufgewacht war, hatte sie sich an nichts mehr erinnern können. Die Frustration über den Verlust dieses Traums und die schmerzende Leere, die in der einst vor Leben regelrecht pulsierenden Siedlung herrschte, hatten schließlich so schwer auf Graine gelastet, dass sie aus ihrem Nachtlager geflüchtet war. Sie war den Pfad zum Kiesstrand hinuntergelaufen, wo sie nun flach auf dem Boden lag, in der Hoffnung, dass keiner sie entdecken würde. Im Geiste versuchte sie, die zahlreichen Erzählungen zu ordnen, in denen man ihr den Ablauf der Invasion Roms auf Mona bereits prophezeit hatte. Sie versuchte, zu erahnen, ob diese Geschichten wirklich alle der Wahrheit entsprachen.
Noch reichte das Licht nicht aus, um deutlich sehen zu können. Allein und umfangen von einer Art stillen Friedens lag Graine bäuchlings in das raue Gras geschmiegt, lauschte dem gedämpften Rauschen, mit dem die Wellen bei ihrer Ankunft auf dem Kies auszuatmen schienen. Tief sog Graine die nunmehr sanfte Energie des Meeres in sich ein, während die Morgendämmerung der Welt wieder Farbe verlieh.
Aus dem Grau lösten sich erste scharfe Konturen. Schließlich konnte sie sogar das von Entenmuscheln überzogene Holz des Schiffsanlegers der Insel erkennen, der nur einen Speerwurf entfernt zu ihrer Rechten lag. Eine Weile lang schaffte Graine es noch, sich allein auf den Seenebel und das dahinter ruhende, eisengraue Wesen des Meeres zu konzentrieren, schaffte es, bei ihrer Erinnerung daran zu verweilen, wie sie Mona zu Zeiten ihrer Kindheit erlebt hatte. Sicherlich, auch damals war die Insel kein Ort des reinen Friedens gewesen, denn die Krieger, die Mona zu ihrem Zuhause erkoren hatten, hatten auch damals schon den schier nicht enden wollenden Kampf gegen Rom geführt, sodass Graine genau genommen noch nie erfahren hatte, was wirklicher Frieden bedeutete... Und dennoch war diese Insel für sie stets ein Ort der Zuflucht gewesen, ein Platz, der vor jeglicher Bedrohung geschützt schien.
Nun aber war auch Mona nicht mehr sicher.
Das Meer verwandelte sich in einen wahren Ozean blinder Spiegel, die gierig das Morgenlicht einzufangen schienen, um es dann wieder und wieder, hoch und höher zurück in die Wolken zu schleudern. Unmittelbar über den kleinen Wellenkämmen jagten zwei Austernfischer über das Wasser, strebten geradewegs auf Graine zu, um dann abrupt wieder abzudrehen und schließlich mit lautem, warnendem Kreischen in Richtung Norden und auf das offene Meer hinauszufliehen. Graine hatte aufmerksam die Fluglinie der beiden Tiere beobachtet und stellte nun fest, dass der Fähranleger auf der anderen Seite der Meerenge, der eigentlich ein gutes Stück ins Wasser hätte hineinragen sollen, um einlaufenden Booten einen Landeplatz auf dem Festland zu bieten, verschwunden war. Dort, wo einst der Anlegesteg gewesen war, ragten jetzt nur noch schwarz angesengte Klippen empor, und auf den leise plätschernden Wellen tanzten noch immer Bruchstücke von verkohlten Holzbohlen.
Die verbrannten Überreste, die zwischen Fels und Nebel eingebettet lagen, vermittelten einen seltsamen Eindruck von Ruhe. Doch auch einige scharfe, gerade Linien waren mittlerweile zwischen den sich hoch auftürmenden Klippen zu erkennen. Aus den Enden dieser Linien erwuchsen rechte Winkel, und, viel zu rasch, enthüllte das zunehmend heller werdende Licht die Silhouetten von Dollborden und Schiffsnasen, und Graine erkannte, was Bellos schon vor einiger Zeit beschrieben hatte: Dutzende von Flachbodenkähnen waren Bug an Heck hintereinander vertäut worden und dümpelten nun auf den seichten Wellen. Die Boote schienen wie Perlen, die irgendjemand auf eine lange Schnur gezogen und dann aufgespannt hatte, um einem kleinen Kind als Spielzeug zu dienen. Hinter diesen Booten wiederum ragten die Zelte der Legionare auf. Und die drängten sich nicht nur dicht an dicht entlang des Strandes, sondern erstreckten sich bis weit in die Heide und das Farndickicht auf den unteren Berghängen hinein. Graine konnte Zelte ausmachen und Pavillons, Maultiere und Pferde, Latrinengräben und die flachen Lagerhäuser der Quartiermeister, um die herum man eine Handvoll Kettenhunde angebunden hatte, damit diese die Vorräte vor den Ratten schützten. Vor der Meerenge von Mona lagerten nicht weniger als zwei komplette Legionen der römischen Armee und vier ihrer Kavallerieflügel. Noch dichter aber als das feindliche Hauptlager hatten sich zwei kleine Gruppen von Zelten an das Meeresufer gedrängt, scharten sich gemeinsam mit zwei voneinander getrennten Pferdepferchen um den von Flammen zerfressenen Stumpf des Festlandanlegers, während über ihnen stolz zwei verschiedene Kavalleriebanner im Wind flatterten.
Graine brauchte die Zelte nicht zu zählen, um ziemlich genau abschätzen zu können, wie viele Männer dort lagerten. Sie war aufgewachsen in einer Welt, in der ihr die Standarten und Banner Roms sowie die Anzahl der Soldaten, die unter diesen üblicherweise dienten, mindestens ebenso vertraut waren wie die Traumsymbole ihres eigenen Volkes. Wenn man diese Wimpel, Fahnen und Standarten nun alle zusammennahm, so kam man auf eine Zahl von rund achttausend Männern. Achttausend Legionssoldaten, von denen ein jeder nur eine einzige Aufgabe zu erfüllen hatte: seinen Dienst im Krieg zu versehen. Nur ein schmaler Streifen Wasser hielt diese Männer noch von Mona fern, und das reichte bei Weitem nicht aus, um die Insel zu schützen.
»Ihre Boote liegen schon bereit. Warum haben sie also nicht gleich gestern angegriffen, als der Sturm sich legte?«
Laut sprach Graine diese Frage in den stillen Morgen. Nach einer kurzen Pause entgegnete Bellos mit den Augen der Götter, den jeder andere nur als Bellos den Blinden kannte, verwundert: »Hab ich aus Versehen irgendein Geräusch gemacht? Oder woher weißt du, dass ich hier bin?« Er klang amüsiert und verärgert zugleich. Ihre Frage aber hatte er noch immer nicht beantwortet.
»Nein. Nicht irgendein Geräusch hat dich verraten. Sondern die Austernfischer. Denn die haben bei deinem Anblick Angst bekommen und sind wieder fortgeflogen. Natürlich hättest du auch Hawk sein können, der kann schließlich genauso leise schleichen wie du. Aber allein deine Tunika riecht nach dem Rauch von Apfelbaumholz, während Hawks Tunika nach Meer riecht.« Graine rollte sich auf die Seite, um über ihre Schulter hinweg zu Bellos hinüberzuschauen. »Kennt denn irgendjemand den Grund, weshalb der Gouverneur noch nicht angegriffen hat?«
»Wahrscheinlich haben wir bislang einfach nur Glück gehabt. Oder vielleicht liegt es auch daran, dass Manannan so gnädig war, uns noch einen weiteren Tag lang unter seinem Schutz leben zu lassen. Denn obgleich auf der Westseite der Insel, an der ihr gestern angekommen seid, klare Sicht herrschte, so waren doch hier, auf dieser Seite, beide Ufer der Meerenge in dichten Nebel gehüllt. Man konnte kaum die eigene Hand vor Augen sehen. Für mich stellt so etwas natürlich keine Beeinträchtigung dar, und auch du könntest damit wahrscheinlich gut umgehen. Die Legionen aber haben sich davon aufhalten lassen, ein Umstand, für den wir dankbar sein sollten.«
Dies war das erste Mal, dass Bellos von sich aus seine Blindheit erwähnte. Aufmerksam musterte Graine sein Gesicht, suchte nach Spuren der Bitterkeit und fand doch keine. Dafür aber schien in Bellos’ Innerem eine Tür sich leise zu schließen, eine Tür, die ohnehin nie wirklich offen gestanden hatte. Ganz so, als ob Bellos Graines Neugier zwar erahnte, aber noch nicht bereit war, ihr sein wahres Wesen zu offenbaren.
»Aber wäre das dann nicht genau der passende Moment für sie gewesen, uns anzugreifen? Ich meine, während der Nebel die wahre Anzahl ihrer Männer vor uns verborgen hätte? Allzu viel hätten die Legionare ja ohnehin nicht zu sehen brauchen. Nur gerade so viel, um sich nicht aus Versehen gegenseitig abzuschlachten.«
»Ja, ich denke, die Offiziere könnten genau deiner Meinung gewesen sein. Und der Gouverneur wohl auch, zumindest, wenn ich die Lage richtig deute. Aber die Soldaten fürchten sich. Sie fürchten sich vor den Wesen aus ihren Albträumen und den Untoten, die angeblich über die Strände wandern. Außer bei hellem Tageslicht werden die Legionen also keinen Angriff auf uns wagen.«
Langsam lernte Graine, Bellos’ Regungen richtig zu deuten. Sie erahnte den leicht singenden Rhythmus der Befriedigung in seiner Stimme, spürte eine Spur von Stolz in ihm aufkeimen, obgleich er sich natürlich bemühte, all diese Emotionen nicht allzu deutlich hervortreten zu lassen. Aufs Geratewohl fragte sie: »Wer hat ihnen eigentlich diese Albträume geschickt? Warst du das?«
»Nein, aber ich war es, der diese Träume noch ein bisschen grausamer gestaltet hat, als sie ohnehin schon in den Köpfen der Männer wüteten.« Nun endlich breitete sich ein fröhliches und ganz unverhohlenes Lächeln über seine Lippen. Vorsichtig trat er zu Graine hinüber, setzte sich neben sie und streckte seine nackten Füße über das feine Strandgeröll, bis seine Fersen auf dem glitschigen Polster aus Seetang ruhten.
Bellos war schlank, fast schon mager, und wirkte sehr viel jungenhafter, als er Graine in ihrem Traum erschienen war oder als er am Vorabend im Schein der Feuer ausgesehen hatte. Er mochte vielleicht drei oder vier Jahre älter sein als Hawk. Sein Haar war so fein wie gekämmte Wolle und von einem noch helleren, glänzenderen Gold als das Haar von Cunomar oder Cygfa. Am bemerkenswertesten aber waren seine Augen. Sie waren so blau wie der Himmel am Mittag und schienen starr über das Meer hinauszublicken und im Nichts ein Ziel zu suchen. Doch obwohl er nicht sehen konnte, war er auf der Suche nach Graine vom Großen Versammlungshaus aus losmarschiert und ohne Umwege den Strand hinabgewandert.
»Wie gut kennst du diese Insel eigentlich?«, wollte Graine wissen.
»Gut genug, um mich halbwegs zurechtzufinden.«
»Ist das der Grund, warum du Mona noch nicht verlassen hast? Weil Hibernia ein vollkommen neuer Ort für dich wäre und es dir sicherlich nicht leicht fallen würde, die große Insel genauso gut kennenzulernen wie Mona?« Graine stellte ihre Frage geradeheraus und frei von jeglichem falschen Mitleid. Aber andererseits war es auch nicht ihre Absicht gewesen, sonderlich behutsam mit Bellos umzugehen. An dem Tag, als sie erkannt hatte, wie frustrierend es war, wenn andere versuchten, einen mit Rücksicht auf die Qualen, die man hatte erleiden müssen, besonders vorsichtig zu behandeln, an diesem Tag hatte sie auch aufgehört, andere Mitmenschen, die vielleicht Ähnliches hatten erdulden müssen, in irgendeiner Weise behutsamer zu behandeln als den Rest der Welt. Dennoch hielt sie in diesem Augenblick gespannt den Atem an und lauschte auf Bellos’ Antwort, um zu sehen, ob sie mit ihrer forschen Art vielleicht eine Grenze überschritten hatte, die zuvor keinem von ihnen beiden bewusst gewesen war.
Bellos jedoch lächelte bloß gelassen, ja, geradezu friedlich. So, wie überhaupt sein ganzes Wesen friedlich zu sein schien. Nachdenklich entgegnete er: »Nachdem Valerius mich aus der Sklaverei in Gallien befreit hatte, habe ich zwei Jahre mit ihm auf Hibernia gelebt. Die Insel wäre also nicht völlig fremd für mich. Andererseits jedoch war sie mir natürlich auch nie so vertraut wie Mona. Und auch die Krieger wären selbstverständlich hiergeblieben, um die Insel gegen die Römer zu verteidigen - wenn man es ihnen denn erlaubt hätte. Letztendlich aber durften nur fünfhundert von ihnen bleiben. Der Rest wird anderenorts dringender gebraucht. Luain mac Calma ist der Vorsitzende des Ältestenrats von Mona. Er entscheidet, wer kommen darf und wer geht, und die Einzigen, mit denen er sich über diese Fragen berät, sind Nemain und die restliche Götterwelt. Wir dagegen werden nicht in die Gründe für seine Entscheidungen eingeweiht. In jedem Fall hatte er mich gebeten, dass ich hier auf Mona bleiben solle. Hätte er wiederum von mir verlangt, dass ich nach Hibernia übersiedeln müsste, hätte ich selbstverständlich schon vor langer Zeit gemeinsam mit den anderen das Schiff bestiegen, egal, wie schwer mir das auch gefallen wäre.«
»Dann war es also auch Luain, der dich gebeten hatte, uns nach Mona zurückzurufen?«
»Dich zurückzurufen. Ich habe nur dich gerufen. Die anderen sind aus eigenem Willen mitgekommen. Und vielleicht werden sie, um ihrer eigenen Sicherheit willen, auch wieder von Mona fortgeschickt. Sieh mich jetzt bitte nicht so vorwurfsvoll an. Ich werde dir deine Frage schon noch beantworten - bin ja gerade dabei. Nein, mac Calma hatte mich nicht gebeten, dich zu rufen. Aber als es dann passiert war, hat er mir auch nicht befohlen, das wieder rückgängig zu machen. Er kann nicht mehr in deine Träume eintreten.«
Er kann nicht mehr in deine Träume eintreten... Früher einmal hatte Airmid von Graines Geburt geträumt, und Luain mac Calma hatte vorausgesehen, dass Breacas Tochter einmal einen Platz im Ältestenrat einnehmen würde. Graine hatte also stets die Hoffnung gehabt, dass mit ihrer Rückkehr nach Mona auch ihr Leben sich wieder in jene Richtung entwickeln würde, wie es einst für sie prophezeit worden war. Diesen Gedanken hatte sie nie ganz aufgegeben, noch nicht einmal in der leisen Trauer, die sich am Morgen über sie gelegt hatte, nachdem sie die Erinnerung an ihren Traum aus der vergangenen Nacht verlor.
Abermals ertönte der Schrei der Austernfischer, jedoch aus weiter Ferne. Und erneut rauschte eine Welle heran, die siebte Welle, nach Graines Rechnung. Sie rollte dichter zu dem Strandgut hinauf als irgendeine Welle vor ihr. Im Kavallerielager auf der anderen Seite der Meerenge trat ein schlanker Mann aus seinem Zelt. Auf dem Kopf wuchs sein schwarzes Haar zwar nur noch spärlich, dafür aber umso dichter auf seinem nackten Oberkörper. Er gähnte herzhaft und reckte beide Arme empor, um den grauen Morgen zu begrüßen.
Es fiel Graine nicht leicht, den Mann anzusehen. Doch auch Bellos’ Anblick erfüllte sie mit leisem Schmerz, sodass sie schließlich auf den Kiesstrand schaute und entgegnete: »Nun ja, vielleicht kann Luain deshalb nicht mehr in meine Träume eindringen, weil ich selbst nicht mehr träumen kann.«
»Vielleicht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass im Moment selbst die Götter nicht wissen, was aus deiner Gabe eines Tages noch einmal werden könnte, was aus dir womöglich noch werden könnte oder auch nicht. Wir, die wir hier auf Mona leben, sind noch immer der Ansicht, dass du dem tanzenden Stein in diesem Brettspiel gleichst. Ich glaube, das Spiel heißt Kriegertanz. Jedenfalls meine ich jenen Spielstein, der ungehindert und ungesehen vom einen Ende des Spielbretts zum anderen eilen kann und der somit manchmal über das gesamte Spiel entscheidet. Und sollten wir in dieser Annahme recht haben, könnten wir zusammen Mona vielleicht immer noch retten.«
Mit einem Mal schien die Morgenbrise schneidend kalt, und die feine Gischt auf Graines Gesicht schmerzte regelrecht. Abrupt setzte sie sich auf und schlang die Arme um ihre Knie. Ihr war übel. »Und was, wenn ihr euch irrt?«
Bellos saß weiterhin reglos und entspannt neben ihr, und noch immer spielte ein feines Lächeln über seine Züge. Er starrte hinaus über das Wasser, das er nicht sehen konnte, die blinden Augen auf das römische Lager jenseits der Meerenge gerichtet, in dem mittlerweile hektische Betriebsamkeit zu herrschen schien, schürzte die Lippen und dachte nach. »Dann haben wir immer noch zweitausend Träumer, die den Legionaren den Verstand vernebeln können.
Und wenn auch die Träumer versagen sollten, werden wir schließlich doch noch gegen die Römer kämpfen müssen. Und genau zu diesem Zweck befinden sich fünfhundert Krieger auf dieser Insel.«
»Fünfhundert Krieger gegen achttausend Legionare und genügend Lastschiffe, um damit einen geschlossenen Kreis rund um Mona ziehen zu können? Das ist doch Wahnsinn.«
»Vielleicht. Ich dagegen halte mich lieber an die Sichtweise, dass es ganz einfach das Pragmatischste ist, was wir in unserer gegenwärtigen Situation tun können. Wir kennen unsere Insel, und wir haben auch keine Angst vor irgendwelchen Albträumen. Achttausend von Angst gepeinigte Männer können sich hier ganz schnell selbst verlieren. Und zuvor müssten sie ja auch erst einmal einen Platz finden, wo sie mit ihren Booten anlanden können. Und davor wiederum müssen die Legionen das Kunststück vollbringen, überhaupt erst einmal ausreichend Männer zu finden, die bereit sind, hier an Land zu gehen.« Bellos sprach, als ob er mit seinen Gedanken in Wahrheit ganz woanders wäre. Offenbar dachte er nicht mehr länger über Graine und ihre Sorgen nach. »Aber ich vermute mal, all das werden wir bald herausfinden. Und sollte ich mich dennoch irren, bliebe dir ja immer noch genügend Zeit, mich mit meiner Fehleinschätzung aufzuziehen. Was meinst du, ob sie sich wohl gerade dazu bereitmachen, zu ihren Schiffen zu marschieren?«
Graine folgte seinem Blick und erkannte, dass in das chaotische Durcheinander des Morgens etwas mehr Struktur und Ordnung einzukehren schien. Das Legionarslager am Fuße der Berge organisierte sich zu einem Angriffskommando. Genau in dem Moment, in dem Graine den Mund öffnete, um auf Bellos’ Frage zu antworten, ertönte der blecherne Klang einer Trompete, mit dem die Soldaten zum Appell gerufen wurden. Verzerrt schallte das Signal über die Meerenge hinüber.
Wieder schürzte Bellos die Lippen und stieß durch die Zähne ein kleines weißes Atemwölkchen in die kalte Luft.
»Dann hatte mac Calma also doch recht. Der Angriff findet heute statt.« Er erhob sich, streckte Graine beide Hände entgegen und starrte auf einen fernen Punkt irgendwo über ihrem Kopf. »Wenn ich dir nun anbieten würde, dir beim Aufstehen zu helfen, würdest du mir dann helfen, zurück zum Großen Versammlungshaus zu finden? Ich könnte den Weg auch allein gehen, aber mit ein wenig Hilfe wäre ich doch wesentlich schneller. Und ich glaube, heute können wir uns den Luxus zu bummeln leider nicht leisten. Heute können wir uns nicht an kleinen Birkenrindenstückchen orientieren oder an Flechten, die über Steine wachsen, um eine ungefähre Ahnung davon zu bekommen, in welche Richtung wir wohl laufen müssen.«
 
Genauso wie die Männer im römischen Feldlager erhoben sich auch die Krieger von Mona sowie die fünfhundert Träumer, die im Inneren und in der Nähe des Großen Versammlungshauses geschlafen hatten. Sie standen auf, um einem grauen und nur langsam an Licht gewinnenden Morgen entgegenzublicken, der womöglich ihr letzter sein könnte.
Überall auf der Lichtung vor dem Rundhaus flackerten in unterschiedlichen Intervallen immer neue Feuer auf. Blasse Flammen und blauer Rauch hoben sich vor den von jungem Grün belaubten Eichen ab.
Halb angekleidete Männer und Frauen wuschen sich, benutzten die Kloakegruben oder standen mit ruhigem Blick regungslos da und hielten Zwiesprache mit den Göttern ihrer Träume. Am Rande der Lichtung wurden Mutterschafe gemolken, verfolgte man Hennen zu deren Nachtlager zurück, um ihre Eier zu finden, und Getreide wurde gemahlen und zu kleinen Frühstücksfladen gebacken.
Dicht beim Strom hielt Gunovar eine Stute fest, die das erste Mal brünstig war, um sie von Hawks Hengst decken zu lassen. Dieser ritt einen auffälligen Grauschimmel mit einer weißen Blesse, der einst ein Geschenk von einem Kavalleriekommandeur gewesen war.
Das Pferd war von thessalischer Abstammung und ursprünglich für Wagenrennen gezüchtet worden, bis es sich in den Ställen als zu ungebärdig erwiesen hatte und schließlich fortgegeben worden war, um für den Kriegsdienst trainiert zu werden. Als es später auf Segoventos’ Schiff verladen werden sollte, befürchteten alle, dass das Tier die Überfahrt nicht überstehen würde, dass es einfach zu viel Temperament besäße und sich selbst verletzen würde, wahrscheinlich sogar ein Loch in die Bordwand schlagen könnte und damit letztlich auch die Menschen an Bord gefährdete. Sämtliche Mitreisenden waren der Ansicht, dass sie das Pferd letzten Endes doch am Ufer zurücklassen müssten. Dann aber hatte der Hengst die Schiffspassage zu jedermanns Überraschung bemerkenswert ruhig über sich ergehen lassen. Stattdessen war es Gunovars schweres schwarzes Zugpferd, das in Panik ausbrach, sodass den Großteil der Reise immer jemand bei dem Tier bleiben musste, um es daran zu hindern, mit seinen wild auskeilenden Hufen das ganze Schiff zu demolieren.
Auch jetzt war Gunovar da und achtete sorgfältig darauf, dass die Stute den Hengst während des Deckens nicht mit ihren Hufen verletzte, beziehungsweise, dass auch der Hengst der Stute nichts antat. Ein kleines Stück entfernt saß Graine. Sie hatte sich mit dem Rücken gegen die ganz aus Steinen erbaute Hütte gelehnt, die einst Airmids Heim gewesen war, ehe diese Breaca in den Westen gefolgt war. Im Augenblick wurde das kleine Haus offenbar von Bellos bewohnt. Diese Nacht aber hatte Gunovar in dem winzigen Raum geschlafen. Noch immer waren die Gerüche von Schwingelgras, Auenknoblauch und Gunovars selbst zubereiteter Wundheilsalbe spürbar. Doch diese Gerüche schwebten auch noch über anderen Orten, eben überall dort, wo die von Narben übersäte Träumerin der Dumnonii in ihrer schlaflosen Nacht gewacht und jene Aufgüsse zubereitet hatte, die ihr durch den Morgen helfen sollten.
Der Hengst deckte die Stute genauso selbstbewusst, wie dies bei Pferden eben üblich war, und er gab sich offenbar Mühe, ein starkes, schnelles und intelligentes Fohlen zu zeugen. Hawk dagegen musste sich augenscheinlich sehr beherrschen, um nicht allzu zufrieden dreinzuschauen, schließlich wollte er vermeiden, dass noch irgendjemand auf die Idee käme, er vergleiche sich selbst in Gedanken womöglich mit seinem Pferd und die Stute mit einer Geliebten. Graine zwang sich, bei dem Akt ganz bewusst zuzuschauen, ließ die Übelkeit in sich aufwallen, musste sich dann, zu ihrer eigenen Überraschung, aber doch nicht übergeben. Und dies war wahrhaftig bereits eine Errungenschaft für sie, zumal niemand ihr in diesem Moment Beachtung schenkte und sie den Brechreiz ganz allein für sich selbst überwand. Starr blickte sie auf einen kleinen Ast im Wald hinter der Lichtung, atmete tief ein und aus und bewegte sich noch nicht einmal, als ein Schatten über sie glitt und damit die schwache Wärme der Sonnenstrahlen von ihr stahl.
»Warst du das, die da im Morgengrauen zum Strand hinunterlief?« Gunovar trat noch ein Stückchen weiter von den Pferden zurück und ließ sich neben Graine auf der Erde nieder.
»Woher weißt du das?«, fragte Graine. »Hast du etwa davon geträumt?«
»Nein. Aber ich habe gesehen, wie Bellos aus dem Großen Rundhaus schlich, und da habe ich ihn einfach gefragt, wohin er denn wollte. Im Übrigen hatte auch Bellos nicht von dir geträumt. Der Junge hat ganz einfach ein sehr viel feineres Gehör als irgendjemand sonst. Bei Menschen, die einen ihrer Sinne verlieren, funktionieren die anderen dafür irgendwann umso besser. Darum haben sie die besten der Träumer früher ja auch geblendet.«
Gunovar schenkte Graine ein schiefes Grinsen, so, wie sie eben immer grinste. Und weil der Morgen nun einmal war, was er war, und falsche Scham keinen Platz mehr hatte, musterte Graine sie ganz unverhohlen, besah sich die Narben in deren Gesicht, die Narben auf deren Händen, dachte über die schwerfällige, offenbar schmerzvolle Art nach, wie diese Frau ging, und mit einem Mal begriff Graine, dass es schon sehr lange her war, seit sie irgendetwas von alledem das letzte Mal bewusst wahrgenommen hatte. Gunovar war nicht schön, war es auch nicht gewesen, bevor die römischen Inquisitoren sie gefoltert hatten - Gunovar war einfach schon immer zu grobknochig und schwer gewesen, um als schön zu gelten. Doch sie nahm sich selbst an, wie sie war, und das mit einer solchen Würde, einem solchen Selbstbewusstsein und nicht zuletzt auch einer guten Portion Humor, dass jeder, der sie sah, ihre äußere Erscheinung und die entstellenden Narben, die man ihr zugefügt hatte, nicht nur mit milderem Urteil betrachtete, sondern dies alles schließlich vergaß und sich allein noch auf Gunovars inneres Wesen konzentrierte.
»Der Nebel lichtet sich, und die Legionare bereiten sich darauf vor, ihre Boote zu Wasser zu lassen. Die Kavallerie ist auch schon dort. Bevor ich mich auf den Weg nach Mona machte, hatte Valerius mir noch gesagt, dass er, wenn er das Kommando hätte, zuerst einmal die Kavallerie über die Meerenge schwimmen und einen Landekopf einnehmen und sichern lassen würde, damit die schweren Schiffe gefahrlos anlanden können. Andererseits aber meinte Valerius auch, dass der Gouverneur, der den Angriff leitet, keine Ahnung davon hätte, wie er die Kavallerie am besten einsetzen könne, und dass er den Reitern womöglich befehlen würde, mit ihren Tieren neben den Schiffen herzuschwimmen. Hast du bei deiner Rückkehr aus dem Osten eigentlich auch wieder etwas von dem getrockneten Brennwurz mitgebracht?«
»Ja. Warum?«
»Mir ist da gerade eine Idee gekommen. Sulla, die Fährfrau, hatte einmal gesagt, dass die Strudel der Meerenge ihre Freunde seien und dass sie vom einen Ufer zum anderen hinüberschwimmen könnte und auch wieder zurück, ohne dabei zu ertrinken. Allerdings müssten wir uns beeilen. Das alles muss beendet sein, ehe der Nebel sich vollständig verzogen hat. Ansonsten würden die Römer Sulla entdecken. Aber falls wir das schaffen sollten, könnten wir noch einen kleinen Trick anwenden, der uns am Ende vielleicht nützlich sein wird.«
An diesem Morgen galt es, die kleinen Freuden zu genießen: den Ausdruck der Überraschung, der sich über Gunovars Gesicht legte, das Aufblitzen unverhohlener Freude, das ihre Augen erstrahlen ließ, als sie endlich begriff, was Graine ihr da gerade vorschlug - plötzlich war es denkbar, dass Gunovar einst vielleicht doch recht attraktiv gewesen war. Und selbst die ungewohnte Geschmeidigkeit, mit der sie sich plötzlich bewegte und ihren Kräutersack aus der Hütte holte, war bereits ein Anblick, den es für einen Moment zu genießen galt. Dann machte Gunovar sich daran, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, während Graine loslief, um Sulla zu finden und in Erfahrung zu bringen, ob die Fährfrau noch immer die Meerenge durchschwimmen konnte.
Und es war tatsächlich noch Zeit genug, um Graines Plan in die Tat umzusetzen. Sulla nahm die Idee mit Begeisterung auf, machte sogar noch einen Verbesserungsvorschlag, und Dubornos erklärte sich schließlich bereit, Sulla dabei zu helfen, an geeigneter Stelle in die Meerenge hinabzutauchen und wieder herauszukommen. Im Übrigen hielt das Dubornos davon ab, unablässig über Graine nachzugrübeln, sodass einen flüchtigen Moment lang und im Angesicht des Krieges doch noch einmal so etwas wie Frieden sich über die Insel breitete.
Der Frieden dauerte gerade lange genug, um die Stimmung der Ruhe und Zuversicht ein letztes Mal tief in sich aufzunehmen, ehe plötzlich jemand in ein Bullenhorn stieß und das Zeichen zur Zusammenkunft des Ältestenrats von Mona gab: ein tiefer, lang anhaltender Ton, der mehrmals anschwoll und dann wieder schwächer wurde und dessen Klang sämtlichen in Hörweite befindlichen Männern und Frauen die Luft aus den Lungen zu pressen schien und ihre Rippen klappern ließ.
Überall auf der Lichtung ließen die Träumer ihre morgendlichen Vorbereitungen ruhen und machten sich daran, sich zu zweit oder in schweigenden kleinen Grüppchen im Großen Versammlungshaus von Mona einzufinden. Luain mac Calma wartete bereits auf sie, um mit ihnen die Visionen der vergangenen und auch aller vorherigen Nächte zu besprechen und um zu klären, wie die Träumer daraus eine Verteidigungsstrategie für die Insel und alles, was diese Insel ausmachte, entwickeln könnten.
Unten am Bach, wo vor kurzem noch in einem dampfenden Kessel der Brennwurz gekocht hatte, hielt Gunovar abrupt inne, hörte auf, ihren Kessel auszukratzen, und erhob sich mit gerunzelter Stirn. »Graine, willst du nicht auch mitkommen? Denn was immer auch passiert sein mag, so bist du doch noch immer von Rechts wegen und von Geburt an eine Träumerin. Man würde dich sicherlich mehr als willkommen heißen.«
Graine stand bis zu den Waden im Bach und reinigte sich von den klebrigen Überresten, die während des Kochens auf sie gespritzt waren. Bräunliches Wasser wirbelte in kleinen Strudeln um sie herum, die dunkle Schlieren aus Torf von Graine forttrugen. Nur schwach konnte sie noch die Kieselsteine und den Sand und die helle Kontur ihrer Füße erkennen. Der rechte war vom Rist bis zum Knöchel hinauf noch immer schwärzlich violett verfärbt, eine Erinnerung an jenen Mann, den Graine von sich wegzutreten versucht hatte, und der dafür ihren Fuß gepackt, ihn in seiner Hand gequetscht und dabei gewaltsam nach außen gedreht hatte.
Graine musterte ihre Verletzung und bemühte sich, nicht mehr an den Schmerz zu denken, sondern auf Gunovars Frage zu antworten.
Bellos und Luain mac Calma meinen, ich wäre der tanzende Stein auf dem Spielbrett, dachte Graine im Stillen. Und diese Vorstellung macht mir sogar noch mehr Angst als die Tatsache, dass ich meine Gabe zu träumen verloren habe. Denn ich habe keine Ahnung, was ich tun sollte oder wann ich handeln sollte oder ob ich überhaupt in der Lage wäre zu handeln, wenn sich herausstellen sollte, dass ich in diesem Krieg tatsächlich das Zünglein an der Waage, der tanzende Stein bin.
Laut hingegen antwortete sie: »Ich habe seit meiner Ankunft hier nichts mehr geträumt. Heute Morgen hatte ich vielleicht noch einen vagen Traum von irgendetwas, aber ich erinnere mich nicht mehr genau.«
Gunovar stellte ihren Topf umgekehrt auf das feuchte Gras. Mit einiger Mühe richtete sie sich wieder auf und entgegnete: »Vielleicht irrt Bellos sich ja auch. Und auch mac Calma kann mal ein Fehler unterlaufen. Das wäre zumindest nicht das erste Mal, dass auch ein Träumer von seiner Begabung sich mal irrt.« Nicht die kleinste Regung schien sich in ihrem Gesicht zu spiegeln, weder bot sie Graine ihr Mitgefühl an, noch forderte sie sie zu irgendetwas heraus.
Unbeweglich stand Graine im Wasser des Bachs. Ihre Beine waren eiskalt. Doch das registrierte Graine nur am Rande, ganz so, als seien ihre Glieder in Wahrheit Teil irgendeines anderen Körpers, um den sie sich eventuell einmal kümmern sollte. Falls sie denn die Lust dazu verspürte.
Den Großteil ihres jungen Lebens hatte sie in dem Glauben gelebt, dass es im Grunde doch keine große Sache sei, wenn sie die Gedanken der sie umgebenden Menschen las. Das fiel ihr nicht schwer - oder zumindest dann nicht, wenn die Gedanken, die diesen Menschen durch den Kopf gingen, zugleich mit intensiven Gefühlsregungen verknüpft waren. Sie hatte nie verstanden, warum das nicht jeder konnte und manche sogar Angst bekamen, wenn Graine mal wieder ihre geheimsten Sehnsüchte aussprach. Nun jedoch verstand sie nur allzu gut, wie einen diese Fähigkeit vor Staunen verstummen lassen oder wie man sich davor gar fürchten konnte. Und sie begriff, dass ihr somit nicht nur die Gabe des Träumens, sondern auch die des Gedankenlesens abhanden gekommen war.
Ein harter Kloß schien sich in ihrer Kehle zu bilden, so dick, dass er sich nicht hinunterschlucken ließ. »Dann hast du mich also auch schon als den tanzenden Stein auf dem Spielbrett gesehen?«, fragte sie.
Echtes Mitgefühl hatte die Züge der Frau ganz weich werden lassen. »Nein. In meinen Träumen bist du ein Kind, das schwer misshandelt worden ist und das dennoch wieder geheilt werden könnte. Auf Mona leben mächtige Kräfte, mehr, als dir bislang begegnet sind. Die könnten deine Seele wieder zusammenfügen. Im Herzen dieser Kräfte steht das Große Versammlungshaus, und falls wir heute bei der Verteidigung unserer Insel versagen sollten, könnte es passieren, dass das Große Versammlungshaus morgen nicht mehr existiert. Und du willst dennoch nicht mit mir kommen und vielleicht noch ein letztes Mal die Gegenwart der Träumer in dich aufnehmen?«
Und so kam es, dass Graine Gunovar doch zu dem Treffen im Großen Versammlungshaus begleitete, obgleich dies im Grunde nur geschah, weil ihr kein vernünftiges Argument mehr eingefallen war, um nicht mitgehen zu müssen. Der Kessel lag umgekehrt am Ufer des Bachs, neben ihm ein Rest von dem Brennwurz und die auskühlenden Kohlen des Feuers aus Wermutkraut.
 
»Was siehst du?«
Es war Bellos, der Junge mit den Augen eines Gottes, der dies fragte. Doch andererseits war Bellos blind und hatte somit womöglich tatsächlich guten Grund, diese Frage zu stellen. Zumal er nur ganz leise sprach, um Luain mac Calma, den Sprecher und Vorsitzenden des Ältestenrats, nicht zu unterbrechen.
Ebenfalls flüsternd antwortete Graine: »Ich sehe ein Feuer aus Rotdornzweigen und Kiefernholz. Doch das Holz ist zu feucht, und es bildet sich zu viel Rauch. Das Feuer hat also kein Herz.«
Der Feuergraben durchmaß das halbe Rundhaus. Graine und Bellos saßen am nördlichen Ende der lang gezogenen Grube, dicht neben dem zusammengefalteten Fell einer schwarzen Stute, auf dem Luain mac Calma Platz genommen hatte. Der Vorsitzende des Ältestenrats hatte Graine zwar kurz zugenickt, als diese das Haus betrat, ihr ansonsten jedoch keine große Beachtung gezollt. Das Ende Monas stand kurz bevor, es blieb keine Zeit mehr, sich mit einem Kind zu unterhalten, ganz gleich, wie lebhaft dessen Visionen auch einst gewesen sein mochten.
»Aber ein bisschen Licht wird doch wohl von dem Feuer ausgehen, oder?«, hakte Bellos nach. »Ich kann doch die Hitze spüren.«
»Ja, es glimmt ein wenig. In der Mitte ist es rot glühend, aber dort, wo die Flammen zwischen den Holzscheiten hervorzüngeln, sind sie nur noch gelb, fast schon weiß.«
»Und was ist mit den Menschen? Was kannst du mir von den Menschen hier erzählen?«
»Nun ja, viel kann ich nicht sehen, es ist einfach zu dunkel. Ich sehe einige Gesichter, an die ich mich aber nur noch bruchstückhaft erinnern kann. Von einigen von ihnen weiß ich vielleicht noch die Namen, falls das für dich von Interesse sein sollte.«
Bellos hatte ein Ziel, wollte Graine mit seinen Fragen irgendwohin führen. Breacas Tochter aber ärgerte sich über die Manipulation, die er da gerade an ihr versuchte. Gunovar war nicht mehr an Graines Seite, denn irgendeiner der Männer, deren Namen ihr entfallen waren, hatte die alte Frau gleich nach ihrer Ankunft in die Mitte der dicht zusammengedrängt sitzenden Schar von Träumern gerufen. Bellos stützte die Ellenbogen auf die Knie und neigte den Kopf zu Graine hinüber. Im schwachen Schein des Feuers schienen seine strahlend blauen Augen fast weiß zu sein, wie Eis, durch das von hinten das Sonnenlicht brach. Immer eindringlicher bahnte Bellos’ Blick sich seinen Weg in Graines Innerstes, wobei seine blinden Augen eine Schärfe bewiesen, die weit über jegliches normale Sehvermögen hinausging. »Nun gut«, entgegnete er. »Dann rede du ruhig weiter von den Flammen. Erzähl mir von ihrer Farbe und was weiß ich nicht noch alles. Und lass dir ruhig Zeit, denn die Besprechung hier dauert sicherlich noch länger.«
Er sprach mit ihr wie mit einem Kind. Graine fühlte sich sehr ungerecht behandelt. Zumal sie sich dadurch erst recht nicht mehr darauf konzentrieren konnte, das Große Versammlungshaus wieder zu jenem Ort werden zu lassen, als den sie es sich gerne vorstellen wollte. Als einen Ort voller Geheimnisse und Träume und als einen Ort, an dem sie die Antwort darauf finden würde, wie sie das Ende Roms herbeiführen könnten. Stattdessen schien das Rundhaus nichts weiter zu sein als ein Hort erschöpfter und verängstigter Träumer, ein Haus, in dem Schweißgeruch die unangenehm feuchte Dunkelheit erfüllte und das Brennholz so ungeschickt aufgeschichtet worden war, dass es nicht richtig brannte, sondern nur rußte, ein Ort, an dem die Pferdefelle, auf denen sie saß, schon ganz steif waren vor Alter und darin getrocknetem Salzwasser.
Noch mehr jedoch, als das alte Große Versammlungshaus noch ein letztes Mal wieder so zu erleben, wie sie es aus besseren Tagen kannte, wünschte Graine sich, dass mac Calma ihnen allen endlich wieder Kraft verleihen möge, dass er ihnen vernünftige Strategien dazu unterbreiten würde, wie sie die Tausende von Legionaren, die bald gegen sie in die Schlacht ziehen würden, irgendwie doch überwältigen könnten. Stattdessen hockte Breacas Tochter in der trügerischen Finsternis und musste mit anhören, wie mac Calma genau jenes Desaster, das ihnen unmittelbar bevorstand, mit Worten auch noch in aller Deutlichkeit vorwegnahm. Letztendlich gestand er ihnen allen ein, dass er persönlich nicht wüsste, wie das alles noch zu verhindern sei. Stattdessen forderte er die Träumer dazu auf, den Anwesenden zu erläutern, was die Götter ihnen in der Nacht womöglich an Eingebungen geschenkt hatten. Und sie kamen seiner Aufforderung nach. Wortgewaltig, dafür aber müder und weniger präzise als an den anderen Morgen und bei anderen Zusammenkünften beschrieben sie ihre Visionen. Die Zeit verstrich, ohne dass irgendetwas Bedeutsames passiert wäre, außer dass Sulla bis zum Festland hinübergeschwommen war und wieder zurück und dass Dubornos, der die Fährfrau dabei unterstützt hatte, leise ins Versammlungshaus geschlichen kam und Graine mit einem knappen Nicken zu verstehen gab, dass wenigstens einer der Bewohner Monas etwas Sinnvolles bewerkstelligt hatte.
Bis zu Dubornos’ Eintreten hatten bereits sechs Träumer, sowohl Männer als auch Frauen, ihre Visionen erläutert. Das Bewusstsein der unaufhaltsam näher rückenden Gefahr hatte sie heiser und unsicher werden lassen. Ihre Stimmen hatten stumpf und leblos geklungen, sodass es bereits eine gewisse Herausforderung darstellte, nicht einzuschlafen, während sie sprachen. Nach den ersten sechs sprachen noch sechs weitere, und diese klangen nicht weniger bedrückt und hatten auch keine besseren Vorschläge zu machen als ihre Vorgänger. Ihren zahlreichen Nachrednern erging es nicht anders.
Frustrierter, als sie jemals in Worte zu fassen vermochte, starrte Graine in die spärlichen Flammen und wünschte sich, sie wäre draußen bei Hawk geblieben. Der immerhin hatte ein paar durchaus praktische Ideen, die nicht auf so vagen Bildern beruhten wie etwa einem Bussard, den irgendjemand in seinem Traum über irgendeinen Bach hatte fliegen sehen. Genauso sinnleer war die Beschreibung der Flugbahn eines Speers, der angeblich drei Tage brauchte, ehe er in den Boden einschlug und dabei den römischen Gouverneur täglich aufs Neue tötete. Zumal dieser Speer den Gouverneur dann in den Nächten angeblich jedes Mal wieder zum Leben erweckte, um ihn am darauf folgenden Morgen mit einem noch geschickteren Stoß töten zu können.
Es geschah also nicht um Bellos’ willen, sondern ihrem eigenen mentalen Gleichgewicht zuliebe, dass Graine sich schließlich doch auf das Feuer konzentrierte und darauf, in seinen Flammen irgendetwas zu lesen. Als Erstes erschien ihr die Gestalt Hawks. Allerdings war der auch nicht allzu schwer aus der Form der Flammen herauszulesen, so viel Fantasie besaß Breacas Tochter immerhin noch. Sie versuchte, in dem feinen Flackern auch seinen scharfen Blick zu erkennen und die Art, wie er ritt oder lachte oder sich bemühte, ein ernstes Gesicht zu machen. Erst nachdem sie in ihren Gedanken eine Weile mit den Flammen gespielt hatte, fiel ihr auf, wie gehorsam ihre Vision von Hawk ihren Befehlen gefolgt war und ihr stets genau jenes Abbild seiner schmalen Gestalt lieferte, das sie sich gewünscht hatte. Als ihr dies endlich bewusst wurde, schickte sie ihn in ihrer Vorstellung probehalber aus, um am Strand gegen die Legionen zu kämpfen. Und Hawks Bild folgte ihrem Befehl voller Eifer, sprang so flink über die Felsen wie ein Hirsch, während sein schwarzes Haar wild hinter ihm herflatterte und seine Stammeszeichen - die Tätowierungen in Form von Eidechsen auf seinen Oberarmen - sich wanden, als wären auch sie in den Flammen plötzlich zum Leben erwacht.
Doch Hawk allein reichte Graine noch nicht aus. Sie stellte sich vor, dass auch Valerius dort am Ufer auftauchte. Denn egal, wie zwiespältig ihre eigenen Gefühle ihm gegenüber auch sein mochten, so war doch nicht zu bestreiten, dass zumindest er genau wusste, wie man die Römer zu bekämpfen hatte. Er hätte dieses Ausweichmanöver vor der Realität, das die Mitglieder des Ältestenrats da gerade praktizierten, niemals geduldet. Auch Graines Mutter hätte in einer solchen Situation darauf bestanden, dass die Träumer handeln müssten, statt immer nur zu reden. Umgeben von Flammen stellte Graine sich erst einen dunklen Haarschopf vor, dann einen kupferroten. Sie dachte an schwarz glühende Augen und leuchtend grüne, dachte an jenes flüchtige, doch stets so trocken-ironische Grinsen, das sowohl von dem einen als auch von dem anderen hätte stammen können, dachte an die Leichtigkeit, mit der sie selbst eigentlich mit Pferden und Waffen sollte umgehen können, weil beides ihr Geburtsrecht war, jenes Recht, das sie noch nicht ergreifen konnte.
Graine beneidete alle, die jene Kräfte besaßen, die ihr missgönnt waren. Und den Flammenbildern gegenüber konnte sie ihren Neid auch endlich offen eingestehen und sich dadurch zu jener kämpferischen Frau entwickeln, die sie so gerne werden wollte. Das Feuer zeigte ihr Fragmente der jungen Kriegerin, die in ihr zu schlummern schien. Sie kämpfte, wie auch Cunomar kämpfte, oder besser gesagt, wie Cygfa. Denn selbst in seiner Flammengestalt war Cunomar noch immer zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu beweisen, ein Zustand, den Cygfa schon lange hinter sich gelassen hatte, falls sie denn überhaupt jemals diese Phase durchgemacht hatte.
In Graines Vorstellung und somit auch im Tanz der Flammen kehrte Cygfa nach Mona zurück und wartete am Ufer, während die römische Kavallerie ihre Pferde über die Meerenge schwimmen ließ. Hoch aufgerichtet saß Cygfa auf dem Hengst mit den weißen Fesseln, der das Temperament seines Urahns besaß. Dann gesellte sich auch Valerius auf dem Krähenpferd zu Cygfa, und schließlich ritt sogar Breaca noch heran, unter sich jenes rotbraune Tier, das Cygfa ihr zum Geschenk gemacht hatte.
Die Pferde der Feinde kamen dem Strand immer näher. Ihre Mähnen waren weiß wie die mit Schaumkronen bedeckten Köpfe von Manannans Geschöpfen, jenen Wesen, die aus nichts anderem bestanden als aus Wasser und Wellen. Sie alle strebten auf jene Stelle zu, von der aus Graine am selben Morgen den Sonnenaufgang beobachtet hatte. Sie hatte sich also aus einem ganz bestimmten Grund an genau diesem Abschnitt des Ufers zwischen den Strandhafer gelegt, auch wenn ihr das zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen war. Im Flammentanz aber ergab dies alles plötzlich einen Sinn. Denn während der dreitägigen, sturmgepeitschten Überfahrt hatte Graine ihren Frieden geschlossen mit dem Gott des Meeres und hatte diese Übereinkunft in der Stille der Ebbe noch einmal besiegelt. Die schier unendliche Menge an Wasser kannte Graine nun ebenso gut, wie Graine das Wasser kannte.
Leise atmete sie einmal tief ein, tauchte in das Meer hinab, versuchte, ihr eigenes Wesen vom Wasser durchdringen zu lassen, bis sie selbst plötzlich der Ozean war. Sie spürte die Wellentäler, fühlte die Wogen, erahnte den wesentlich langsameren Rhythmus der Gezeiten. Sie war das Meer, und wie Hornissen schienen die Pferde der Feinde ihre Haut zu durchstechen. Sie wusste, dass die Pferde in diesem Augenblick in Panik gerieten, eine Panik, die sie, Graine, ganz bewusst auf die Tiere gehetzt hatte. Es tat ihr leid, die Tiere so zu ängstigen. Andererseits aber strampelten die Pferde dadurch umso hektischer, was letztendlich gut war, weil sie dadurch das Meer nur noch wilder aufwühlten.
Die Männer dagegen taten Graine nicht im Geringsten leid. Sie waren wie scharfkantiges Eisen, und ihre Seelen lauerten auf die Entweihung all dessen, was Graine liebte. Es war ein ungutes Gefühl, sie über jenes Meer schwimmen zu spüren, zu dem Graine nun geworden war. Sie schienen genau an jener Stelle zu kratzen, an der der Gezeitenwechsel sich vollzog, dort, wo die riesigen Wassermassen, zu denen Graines Seele gewachsen war, innehielten, um dann, dem Ruf Nemains folgend, ihre Richtung zu wechseln und wieder in die andere Richtung zu strömen. In der Meerenge gab es eine Unterströmung, das wusste Graine genau, hatte es seit dem Anbeginn aller Zeit in ihrem Unterbewusstsein gespürt. Diese Unterströmung ließ die Wogen beim Gezeitenwechsel einander überschlagen, jagte den Männern entgegen, gehorchte allein Graines Willen.
Ein zufriedenes Lächeln hatte sich über Graines Züge gebreitet. Das Meer, das sie war, wälzte sich wieder in die entgegengesetzte Richtung, aus der es ursprünglich auf die Insel zugeströmt war. Sie spürte, wie die Unterströmung in sich selbst zu vibrieren begann, sah, wie die Pferde immer verzweifelter mit ihren Hufen im Wasser strampelten, sah, wie sie mit der Strömung abgetrieben wurden und die Männer in ihren Rüstungen, die sich ohne die Unterstützung ihrer Tiere nicht an der Wasseroberfläche halten konnten, in blinder Panik um sich schlagend untergingen, in kleinen Spiralen immer tiefer sanken und dann reglos auf dem Grund des Meeres liegen blieben, eingebettet in den Sand, der zugleich sowohl Graines Ruhestätte war als auch die der Legionare.
Natürlich töteten die Wogen nicht sämtliche der Kavalleristen. Etwa einhundert von ihnen waren noch am Leben. Einhundert von jenen eintausend, die sich ursprünglich daran gemacht hatten, die Meerenge zu durchschwimmen. Doch solcherlei Unglück konnte sich in der Fantasiewelt eines Kindes eben nur allzu schnell ereignen... Diese wenigen Überlebenden jedenfalls schleppten sich so schnell sie nur irgend konnten aus dem Wasser heraus und erklommen den Strand an jener Stelle, an der Graine bereits auf sie wartete.
Langsam ließ sie ihre Seele wieder aus dem Meer zurückweichen und glitt so mühelos zurück in ihren menschlichen Körper, wie man vielleicht einen Arm durch einen Jackenärmel schob. Flach lag sie in den Kies gedrückt und benutzte die Klinge ihres Häutemessers, um die Sonnenstrahlen einzufangen und kleine Blitze auszusenden, ganz so, wie Ardacos es sie gelehrt hatte. Speere aus Sonnenlicht schossen über den Strand, verwirrten die Männer, sodass diese glaubten, dem Tod im Meer nur entronnen zu sein, um nun ein Land aus Rauch und Feuer zu betreten.
Der Rauch, der die Männer umwaberte, war in Wirklichkeit nichts anderes als Graines Werk. In einer anderen Zeit hatte sie den gesamten Strand entlang Kessel mit brennenden Pflanzenresten aufgereiht, hatte dann Asche und altes Holz und das schwächelnde Feuer aus dem Großen Versammlungshaus hinzugefügt und noch eine ganze Reihe anderer Dinge, die ihr eingefallen waren; hatte den Rauch von Pflanzen, die Airmid ihr früher einmal gezeigt hatte, in die Kessel geschickt und schließlich auch noch die Kräuter von Theophilus hinzugefügt, dem griechischen Arzt, der einst einen ganzen Winter in Airmids Gegenwart verbracht hatte. Das Wissen über den Brennwurz stammte von ihm, genauso wie ihre Kenntnisse von den anderen Pflanzen, deren Rauch sowohl Menschen als auch Pferde in tiefe Verwirrung stürzen konnte. All diese Zutaten hatte Graine eilends in Kesseln aus dem Großen Rundhaus herausgetragen, denn in ihrer Vision war sie sehr stark, sie war eine Kriegerin wie ihre Mutter, ein Krieger wie Valerius, und doch ganz anders.
Der Rauch war dicht, fast wie undurchdringlicher Nebel, und raubte jenen, die nicht wussten, wie sie sich dagegen zu schützen hatten, den Verstand. Selbst Graine, die das Rauchwerk angemischt hatte, spürte, wie ihr Gaumen sich immer stärker nach oben durchzubiegen schien, bis er ihr fast schon durch die Schädeldecke platzte. Doch der Rauch betäubte auch ihre Zweifel, erleichterte es ihr, ihre Gedanken über die Grenzen ihres Körpers hinauszutreiben und sie mit dem Land und dem Meer und dem Rauch zu verflechten.
Sie erinnerte sich wieder an Valerius’ Schilderungen, wie schwer es für die Männer doch sei, in voller Rüstung ein Gewässer zu durchschwimmen und dann auf der anderen Seite sofort zu ihren Waffen greifen zu müssen. Also schickte Graine in den Rauch auch noch das sichere Wissen, dass die Durchquerung der Meerenge den Legionaren bereits ihr Letztes abverlangt habe, sodass die Soldaten, die sich ans Ufer schleppten, der Überzeugung waren, viel zu ausgekühlt und erschöpft zu sein, um nun noch kämpfen zu können. Schwerfällig lösten sie sich aus den Fluten, wie betäubt und ohne jeglichen Orientierungssinn. Angeführt von Valerius traten die fünfhundert Krieger von Mona den feindlichen Soldaten gegenüber und metzelten diese noch am Strand nieder. Allein Corvus wurde verschont, denn der war ihnen allen ein Freund, und es gab keinen Grund, warum auch er hätte sterben sollen. Graine hatte zwar zuvor schon die Götter gebeten, Corvus’ Leben zu retten, war sich aber nicht sicher, ob diese sie erhört hätten.
Dann folgte eine kurze Ruhepause, ehe eine weitere Schar von noch lebenden Legionaren auf die Insel zusteuerte. Wie eine lang gezogene Flutwelle kamen sie in ihren Leichtern über das Meer gepaddelt. Hunderte kleiner Boote, ein jedes gedrängt voll mit Männern, die sich vor lauter Angst und Entschlossenheit schon ganz verkrampft hatten und sich noch nicht so ganz schlüssig darüber waren, was sich dort auf der Insel gerade ereignet hatte.
Graine stieß einen schrillen Pfiff aus. Ihre Mutter war nicht mehr zu sehen, dafür aber ritten Valerius und Cygfa zum Strand hinab, flogen nur so über den Kies, als hätten die Götter persönlich sie als ihre Jagdgesellschaft ausgeschickt. Ihre Pferde waren riesig, trugen Rüstungen aus purem Licht, und unter ihren Hufen ertönte Donnergrollen. Graine, Cygfa und Valerius standen zu dritt etwa dreihundert Booten und wohl rund siebentausend Männern gegenüber, doch das Feuer war ihr Verbündeter ebenso wie der Rauch und die dreitausend Träumer, die in diesem Rauch lebten und die die Albträume der Männer, die Bellos ihnen geschickt hatte, nur allzu gut kannten. Die Träumer woben ein Netz zwischen sich, verflochten Rauch mit Seenebel und Angst und warfen dieses Netz dann mitten ins Wasser, auf dass die Legionssoldaten, noch ehe sie ihre Boote verlassen konnten, bereits gefangen waren in den Schlingen ihrer eigenen Ängste.
Die fünfhundert Krieger standen schon bereit, um jenen schmalen Streifen Land zwischen den Träumern und den Legionaren einzunehmen und um Letztere, kaum dass diese an den Strand taumelten, niederzustechen. Doch im Grunde wurden die Krieger kaum gebraucht. Das Traumnetz hatte die Soldaten bereits derart verwirrt, dass diese plötzlich Mann gegen Mann aufeinander losgingen und ganze Kohorten einander angriffen und die Soldaten sich gegenseitig mit einer Wildheit abschlachteten, wie sie nur echtem Zorn und Todesangst entspringen konnte.
Hinter den Legionaren warteten schweigend die fünfhundert Krieger Monas, bereit, die wenigen Überlebenden schließlich auch noch zu töten. Graine, die einzige leibliche Tochter der Bodicea, hob langsam den Arm und senkte ihn dann mit einer raschen Bewegung wieder, genauso, wie sie es sich von ihrer Mutter abgeschaut hatte, und gab damit das Signal, die Schlacht vollends ausbrechen zu lassen.
Eine tiefe, monotone Stimme trat aus dem Hintergrund hervor, eine Stimme, die Graines Feuertraum die ganze Zeit über begleitet hatte und nun wieder lauter wurde. Der Kontrast zwischen den leuchtenden Farben und der Hitze des Traumgefechts und nun dieser ruhigen, fast schon trägen Stimme war so erschreckend, dass Graine in helles Lachen auszubrechen drohte.
 
»Graine? Graine? Graine?...«
Aus weiter Ferne erklang ihr Name, schien von irgendwo außerhalb des Großen Versammlungshauses langsam zu ihr vorzudringen, vielleicht sogar von jenseits der Insel. Kühle Finger legten sich auf ihr Handgelenk. Blaue Augen von der Farbe des Himmels zur Mittagsstunde schwebten über ihr, gekrönt von Bellos’ Haar, das sich wie eine strahlende Aureole um seinen Kopf schmiegte.
»Graine? Das genügt jetzt fürs Erste. Du kannst aufhören. Aufhören. Es reicht.«
Ihre Kehle schmerzte, und sie krächzte wie ein Basstölpel. Mitten im Wort hielt sie inne. Schwere Stille erfüllte das Große Rundhaus.
Alle schwiegen. Das Stimmengewirr, die leiernden Reden der Träumer schienen bereits vor langer Zeit verstummt zu sein, und alle hatten nur noch Graine angeschaut und ihren Worten gelauscht.
Dicht neben ihr hockte Luain mac Calma. Er war kreidebleich von einer Anstrengung, deren Ursache Graine noch nicht wirklich verstand. Fast schien es, als ob er ganz allein das Traumnetz aus ihrer Vision gehalten habe, als ob er ganz allein die dreitausend Träumer, die dieses Netz webten, mit der Kraft seiner Gedanken genährt habe und als ob ihn diese Anstrengung nun bis in sein Innerstes erschöpft hätte.
»Es tut mir leid«, sagte er leise. »Wir konnten dich nicht geradeheraus darum bitten, wir konnten nur hoffen, dass es womöglich dennoch geschehen würde. Aber Bellos hatte recht, denn du hast uns bereits genug gesagt, mehr als genug. Alles, was wir jetzt noch tun müssen, ist, all das, was du uns erzählt hast, endlich in die Tat umzusetzen - zumindest soweit dies in unserer Macht steht. Das Einzige, was noch nicht ganz sicher ist, ist, welche Pflanzen du benutzt hast, welche Pflanzen diesen Rauch entwickeln, der den Pferden und ihren Reitern den Verstand rauben soll. Und woran erkennen wir Corvus? Worauf müssen wir achten, um ihn zu verschonen? Wenn du uns das vielleicht noch verraten könntest, kannst du weiterschlafen oder dich wieder zu Hawk gesellen, der mittlerweile sehr zornig darüber ist, dass wir dich auf diese Art und Weise benutzt haben. Und womöglich hat er recht mit seinem Zorn...«
Graine starrte Luain mac Calma an, unfähig, ihm auf seine Fragen zu antworten. Sie war hungrig, wollte etwas essen, egal, was, wollte es verschlingen. Und sie war müde.
Und dann, als sie begriff, was Luain gerade gesagt hatte, wallte eine blinde, wilde Panik in ihr auf, die ihr Löcher ins Herz zu reißen schien und sie zu ersticken drohte.
Jemand reichte ihr einen Trinkschlauch, und sie trank. Das Wasser lief ihr über die Tunika, bis sie, noch immer mit heiserer Stimme, entgegnete: »Das war keine Vision. Ich habe schon Visionen gehabt, aber das hier war keine davon.
Das hier war bloß ein Tagtraum, etwas, das auch jeder andere hätte heraufbeschwören können.«
»Jeder, dessen Mutter die Bodicea ist und dessen Onkel sich Valerius nennt, jeder, der eine Blutsverwandte Cygfas ist und der in einem Feuer aus Schafgarbe und Eichenzweigen eine Vision heraufbeschwören kann, während der Rest von uns so schwer husten muss, dass wir kaum noch einen Ton herausbekommen und die Tränen uns aus den Augen rinnen. Ja, jeder von denen, auf die all das zutrifft, kann, was du kannst. Nur leider gibt es von diesem speziellen Menschenschlag bloß sehr wenige auf Mona.« Luain mac Calma schenkte Graine ein trauriges Lächeln. »Es tut mir leid. Wir hätten dich nicht derart missbrauchen dürfen. Aber andererseits haben wir unserem Ziel schon so vieles unterordnen müssen, und nun ist einfach nicht der geeignete Zeitpunkt, um das Wohlergehen eines einzelnen Kindes über das von ganz Mona zu stellen. Und du hast recht, es war in der Tat keine Vision, die du da gehabt hast. Und du bist damit auch noch keineswegs genesen. Dein Heilungsprozess hat noch nicht einmal begonnen. Aber du hast uns gegeben, was wir brauchten. Dürfen wir dir dafür unseren Dank aussprechen und uns anschließend mit aller Kraft daran machen, deinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen? Und solltest du nun wütend sein, wozu du wahrlich allen Anlass hättest, möchte ich dich gerne bitten, dass du mir deinen Zorn trotzdem erst später erklärst. Ich will dann versuchen, dir deine Mühen so gut es nur irgend geht zu vergelten. Im Moment jedoch ist unsere Insel in Gefahr, und wir müssen erst einmal alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um sie zu retten.«
Die Kriegerin der Kelten
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