III

Die Pferdekoppeln lagen westlich der Siedlung. Langsam bewegten sich die von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne rötlich überhauchten, leicht verschwommenen Silhouetten der Tiere über die Weide. Stechginsterhecken, die gerade erst ihre Blüten entfalteten, umrahmten die Koppel mit kleinen, grellgelben Farbtupfern, die sich hell vor dem Grau der heraufziehenden Nacht abhoben. Zu den Pferden gelangte man durch ein Gatter aus Weidengeflecht, das, befestigt an einem Eckpfeiler, die Umzäunung durchbrach. Neben dem Tor hing an einem Haken ein einzelnes Halfter mit einem langen Seil daran. Unmittelbar dahinter warteten drei langbeinige Fohlen, deren Atem in Form von weißen Dampfwölkchen in die kühle Abendluft entwich.
Breaca scheuchte die Tiere ein Stück zurück und streifte dann das Zaumzeug über den Kopf jenes kleinen, graubraunen, leicht gedrungen wirkenden Pferdes, das sie Graine im Herbst vor Tagos’ Tod zum Geschenk gemacht hatte. Sobald es einen Sattel auf seinem Rücken spürte, legte es sämtliche Ausgelassenheit ab und verwandelte sich in das ruhigste Tier, das Breaca jemals gesehen hatte. Das kräftige Pferd war also ein absolut zuverlässiges und berechenbares Reittier - selbst für ein kleines Mädchen, das eigentlich panische Angst vor Pferden hatte, weil einmal eines der Schlachtrösser seiner Familie mit ihm durchgegangen war. Geduldig blieb das Pferd neben dem Aufsitzstein stehen, während Breaca erst Graine hinaufhob und in die raue, schwarze Mähne griff und sich hinter ihrer Tochter auf den Rücken des Tieres schwang.
In zügigem Schritttempo ritten sie geradewegs nach Westen, mitten in die untergehende Sonne hinein. Einen Arm hielt Breaca fest um die Taille ihrer Tochter geschlungen, während sie im Stillen bedrückt darüber nachdachte, wie dünn, fast schon abgemagert das Kind doch war. Sicherlich, Graine war schon immer nur von sehr zarter Statur gewesen und hatte noch nie irgendein Anzeichen dafür erkennen lassen, dass sie einmal den Körper einer Kriegerin entwickeln würde. Aber immerhin war sie trotz ihres zarten Knochenbaus stets gesund gewesen. Entspannt ließ Graine ihren kleinen Kopf gegen das Brustbein ihrer Mutter zurücksinken.
Mittlerweile hatten sie die Koppeln hinter sich gelassen, als Graine plötzlich sagte: »Wir müssen schneller reiten und uns ein bisschen mehr in Richtung Norden wenden, sonst verirren wir uns noch in der Dunkelheit.«
»So, müssen wir das? Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich noch schneller reiten kann.«
Im Geiste vernahm Breaca wieder jenen kurzen Ausschnitt aus einem Gespräch, das sie vor einiger Zeit zufällig mit angehört hatte. Zu reiten ist nach einer Auspeitschung nicht ganz so schmerzhaft, als wenn man zu Fuß geht. Und beides ist besser, als im Bett zu liegen.
Breaca hatte mitbekommen, wie Valerius diese Worte zu Cunomar gesagt hatte, oder vielleicht waren sie auch an Ardacos gerichtet gewesen. In jedem Fall wusste Valerius, wovon er sprach, denn er selbst war bereits mehr als einmal ausgepeitscht worden. Und er hatte Auspeitschungen zur Bestrafung seiner eigenen Männer befohlen. Vor allem aber hatte er ihnen anschließend geholfen, wieder gesund zu werden.
Mit diesem ermutigenden Wissen im Hinterkopf drückte Breaca dem stämmigen Tier die Fersen in die Flanken, bis dieses in einen leichten Kanter fiel. Nur drei Schritte später zügelte sie das Pferd wieder. Ihr Bruder hatte nicht ganz unrecht gehabt, denn es war in der Tat leichter zu reiten, als sich zu Fuß fortzubewegen. Nur sollte man beim Reiten auf keinen Fall ein allzu großes Tempo vorlegen.
»Vielleicht reicht es ja auch, wenn wir langsam reiten«, sagte Graine taktvoll.
»Ich denke, das reicht durchaus. Vielleicht können wir später noch einmal eine etwas schnellere Gangart wagen.« Breaca ließ den Graubraunen ein wenig rascher ausschreiten und dirigierte ihn ein Stückchen weiter in nördliche Richtung. Kurz darauf erklärte sie: »Woher weißt du denn, in welche Richtung wir reiten müssen?«
»Ich hatte noch in deiner Hütte gelegen, als Valerius kam und dir erzählte, wie der Gott sich ihm zum ersten Mal gezeigt hatte. Der Gott wäre ihm in der Gestalt eines Stieres erschienen, und zwischen seinen Hörnern hätte er den Mond gehalten, um Valerius dann mit dem Licht des Mondes dorthin zu führen, wo dein Schwert versteckt lag. Aber Valerius hat auch erzählt, wie er selbst das Schwert danach noch einmal an einem anderen Ort versteckte. Das war, bevor er hierherkam. Und noch ehe er zu Ende erzählt hatte, warst du schon aufgestanden und fragtest Valerius, ob er dir sein Pferd leihen würde. Aber du bist von dem Pferd runtergefallen, und da haben sie dich zurück in die Hütte getragen. Und dann fing das Fieber an, und alle dachten, dass du stirbst.«
»Tatsächlich? Das wusste ich gar nicht mehr. Ich dachte, das Ganze hätte ich bloß im Fieberwahn geträumt.«
»Aber jetzt erinnerst du dich wieder?«
»Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Danke.«
Die Sonne war mittlerweile zu kaum mehr als einem roten Streifen geschrumpft, ganz ähnlich einem abgeschnittenen Fingernagel, der flach am Horizont zu liegen schien. Schmale Ströme von blutrotem Licht sickerten in das farblose Wesen der sich herabsenkenden Nacht hinein. Wie flüssiges Schwarz umrahmte Graines Haar ihr Gesicht, und mit jedem weiteren Schritt des Pferdes war der Weg, dem sie folgten, schwerer zu erkennen. Und doch verloren sie ihn nicht ganz.
 
Schließlich erreichten sie eine Lichtung, um die sich ein Dickicht aus Haselnusssträuchern und Rotdorn schloss. Die äußeren Ränder des Dickichts waren stark zurückgeschnitten worden, zur Mitte hin aber durften die Pflanzen ungehindert ihre wuchernden Zweige erstrecken, um damit die Götter der Ahnen zu ehren und alle, die diesen noch nachfolgen würden. Rotwild hatte sich hier und da enge Schneisen durch das Gebüsch und mitten ins Herz der Lichtung hineingebahnt, doch die Pfade waren so schmal, dass die Dornenhecken Breacas Tunika von dem zerschundenen Fleisch auf ihrem Rücken zerrten. Zu reiten war immer noch besser, als zu gehen. Aber allzu groß schien der Unterschied mittlerweile nicht mehr.
Neben einer umgestürzten Eiche blieb der kräftige Graubraune stehen. Breaca glitt von seinem Rücken und stellte sich auf den Baumstamm. Ihre Füße sanken in das verrottende Holz ein, und dabei stieg ein angenehm milder Geruch um sie herum empor. Dann hob sie vorsichtig auch Graine herunter und ließ ihre Tochter vorausgehen, die sogleich einem kaum mehr erkennbaren Pfad folgte. Schließlich, nachdem Graine ein Stück vorausmarschiert und bis zu jener Stelle gelangt war, wo ein dichtes Gewirr aus Rotdorn selbst noch den letzten Rest von Mondlicht von der Lichtung zu verbannen schien, erklärte sie: »Hier ist ein kleiner Bach, ungefähr halb so breit, wie ein Speer lang ist. Können wir ans andere Ufer springen?«
Solch ein kleines Hindernis, und dennoch gab es sowohl Mutter als auch Tochter zu denken. Noch vor einem Monat wären sie darüber hinweggesprungen, ohne die kleine Hürde auch nur als solche wahrzunehmen. Nun aber stand Breaca am Rand des Bachs, lauschte dem gurgelnden Wasser und fragte sich im Geiste, ob Valerius sie wohl ganz bewusst in diese Richtung geschickt hatte. Sozusagen als kleine Prüfung. Auf seine ganz eigene Art war ihr Bruder nämlich nicht weniger unerbittlich als die Träumerin der Ahnen.
Mitten in diese Gedanken hinein meinte Graine, die dicht neben Breaca stand: »Airmid sagt immer, dass die Götter nur den Entschlossenen antworten, nicht den Furchtsamen.«
Breaca zwang sich zu einem verhaltenen Lächeln. »Na, hab ich denn etwa ängstlich ausgesehen? Dann tut es mir leid. Ich hatte nur gerade überlegt, ob du wohl mit mir zusammen springen möchtest, oder ob es dir lieber wäre, wenn ich dich hinübertrage. Am leichtesten aber wäre es, glaube ich, wenn wir einfach hindurchwaten.« Das zumindest traute sie sich noch zu, denn das Wasser schien nicht allzu tief zu sein.
»Nein. Ich möchte hinüberspringen, damit ich weiß, dass ich es noch kann.« Graine verlagerte bereits ihr Gewicht vom einen Fuß auf den anderen, ganz so, als ob die Entfernung zwischen den beiden Ufern mindestens dreimal so groß wäre wie in Wirklichkeit. »Ich schaff das ganz allein«, fügte sie noch hinzu, sprang und landete ziemlich unsanft bäuchlings auf der gegenüberliegenden Seite.
Breaca folgte ihr, denn ihr blieb gar keine andere Wahl. Mit mühsam beherrschten Atemzügen ging sie neben ihrer Tochter in die Hocke. Graine war blass, und sie hatte ihre kleinen Hände fest zu Fäusten zusammengeballt. »Tut dir irgendetwas weh?«, fragte ihre Mutter.
»Nein.« Das war eine klare Lüge, doch Breaca erwiderte nichts. Mit einem Stirnrunzeln hob Graine den Kopf und spähte zwischen den Baumwipfeln hinauf zu der Stelle am Himmel, wo sich die Äste der Bäume als scharf umrissene Silhouetten gegen den Mond abzeichneten. »Wir müssen uns beeilen. Bis Mitternacht werden die Wolken sich vor den Mond geschoben haben.«
»Dann solltest du jetzt besser vorangehen. Du hast noch besser im Gedächtnis als ich, was Valerius gesagt hat.«
Es war sehr still auf der Lichtung, ganz so, als ob Breacas und Graines Gegenwart etwas so Ungewöhnliches wäre, dass unsichtbare Augen es unbedingt beobachten mussten.
Eine Weile lang marschierten sie entlang des Wasserlaufs, dann schlugen sie sich ins Dickicht und folgten einem Pfad, der sie durch das immer dichter werdende Gestrüpp des Unterholzes führte, bis sie schließlich auf eine zweite und noch wesentlich ältere Lichtung hinaustraten. Um die Lichtung herum reihten sich uralte Bäume, die überzogen waren von einem dichten Netz aus vertrockneten Flechten. Hier ergoss sich der Bach in einen kleinen Teich, und von seinem Ufer aus reckte sich ein Haselnussbaum empor. Doch er war nicht allzu hoch gewachsen, sodass seine Äste bis in das Wasser hinabreichten und er mit seinen langfingrigen Zweigen über die spiegelnde Oberfläche spielte.
Breaca ergriff Graines Hand, wanderte um den Teich herum und blieb dann im Schatten des Haselnussbaums stehen. Nur sehr langsam strömte der schmale Bach in den Teich, gefiltert durch ein dichtes Geflecht aus Bleichmoos.
Die Oberfläche des Wassers erschien wie ein flüssiger Spiegel, der den Baum und den nächtlichen Himmel reflektierte. Der Mond bildete einen makellosen Kreis, und der Hase auf seinem fernen Gesicht stach so vollkommen und deutlich hervor, als ob es ein echter Hase wäre: der Bote
Nemains, der auf dem Wasser, das ihr Element und ihr Reich war, zu seinem nächtlichen Leben erweckt worden war.
Es war das erste Mal, dass Breaca diesen Ort betrat, ebenso wie ihre Tochter, sodass Breaca im Stillen wieder für Graine zu hoffen wagte. Ein Träumer konnte auf einem Teich wie diesem den Atem der Götter lesen. Und vielleicht vermochte dies ja auch ein geschändetes Kind, das glaubte, seinen Traum verloren zu haben.
Und weil Breaca ihre Tochter sehr gut kannte, erspürte sie genau jenen Augenblick, als auch Graine plötzlich dieser Gedanke kam. Breaca konnte fühlen, wie in Graine exakt die gleiche Hoffnung aufwallte, nur dass sie bei ihr noch klarer und weniger beherrscht hervorbrach. Doch dann spürte Breaca auch die verzweifelte und schmerzhafte Enttäuschung ihrer Tochter, als die Hoffnung sich als nichtig zu erweisen schien. Breaca öffnete den Mund, wollte etwas sagen und fand doch nicht die richtigen Worte. Dann blickte sie hinab in die leere Maske, die sich über das Gesicht ihres Kindes gelegt hatte, und war froh darum, dass sie geschwiegen hatte.
Denn Graine fand ihren eigenen Weg aus der trostlosen Niedergeschlagenheit. Die kleine, schweißfeuchte Hand schloss sich noch etwas fester um Breacas Finger und zog sie vom Wasser fort. Dann sagte Graine leise: »Der flache Stein, von dem Valerius erzählt hatte, liegt vom Götterbaum aus neun Schritte in Richtung Westen. Aber du musst die Schritte machen. Meine sind zu kurz.«
»Also gut, dann komm mit. Du kannst zählen, während ich gehe.«
Laut die einzelnen Schritte abzählend, marschierten sie vom Teich aus in Richtung der Bäume am entgegengesetzten Ende der kleinen Lichtung. Auf halber Strecke zwischen dem Wasser und dem Wald blieben sie stehen. Zu ihren Füßen lagen vom Wind zusammengewirbelte Haufen toter Blätter. Breaca kniete nieder und schob die Blätter beiseite. Unter ihnen kam eine flache Platte festen, graugrünen Mooses zum Vorschein. Das Moosgeflecht war länger als der Arm eines Mannes und halb so breit. Es zeigte deutlich an, wo eingebettet in den grasdurchwachsenen Untergrund ein Stein lag.
Der Schlamm eines ganzen Winters hatte die Kanten des Steins auf allen vier Seiten fest mit dem Erdreich verbunden. Valerius hatte gesagt, dass er seine Schwertklinge benutzt hätte, um den Stein anzuheben. Breaca, die kein Schwert bei sich trug, fuhr mit ihrem Gürtelmesser einmal rund um die Platte herum. Das Eisen kratzte über den Stein, doch die Lücke war noch immer nicht breit genug, als dass sie ihre Finger hätte hineinschieben können. Sie schaute sich um, suchte nach etwas, das sie als Hebel benutzen könnte.
Graine, die sich neben ihrer Mutter auf den Boden gehockt hatte, kratzte an einer Ecke der Moosdecke. »Auf der Oberfläche des Steins ist irgendetwas eingemeißelt«, sagte sie.
»Wirklich?« Ganz in der Nähe lag ein Rotdornast, den die Winterstürme herabgerissen hatten und der noch grün genug schien, um eine gewisse Festigkeit zu besitzen. Breaca stemmte ihn in die Höhe und nahm dann ihr Messer, um das breitere der beiden Astenden zu einer flachen Spatenform zurechtzuschnitzen. »Kannst du das Moos runterkratzen und nachsehen, was das für ein Muster ist?«
Angestrengt bearbeitete Breaca das Ende des provisorischen Pfahls, ehe das seltsam schwere Schweigen ihrer Tochter sie schließlich wieder aus ihren Gedanken riss und zurück in die Gegenwart zerrte. Breaca hob den Kopf und fragte: »Mein Augenstern, was hast du gefunden?«
»Das ist ein Altar, ein sehr alter. Noch aus der Zeit der Ahnen.«
Sie hätte es wissen müssen. Schließlich war sie umgeben von einem Wald, der groß genug war, um vor Leben nur so zu vibrieren, und doch schien alles wie tot. Auch die spiegelglatte Oberfläche des Teichs der Götter war bereits Warnung genug gewesen, denn flüsternd floss der Bach in den Teich hinein und strömte gurgelnd wieder aus ihm heraus, aber dennoch blieb der Wasserspiegel scheinbar unberührt. Schwarz wie das Auge eines Hasen, genauso reglos und klar, fing der Teich den Mond ein und hielt ihn fest in einem Ring aus Bäumen, die so alt waren, so unverkennbar vom Wesen der Götter erfüllt, dass sie selbst in einem Land, in dem die einstigen Urwälder schon lange ausgerottet worden waren, sich den Äxten der Römer noch hatten widersetzen können.
Langsam und behutsam legte Breaca ihren halb zugeschnitzten Rotdornast auf dem Gras ab. Die feinen Härchen auf ihren Armen richteten sich auf, eine Gänsehaut breitete sich aus.
»Sollen wir wieder gehen?«, fragte sie. »Ich glaube, ich weiß auch noch einen anderen, einen schnelleren Weg zurück zu der Stelle, wo wir dein Pony zurückgelassen haben. Einen Weg, der uns nicht an dem Teich entlangführt.«
Ihre Tochter schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir wieder gehen müssen. Komm und sieh dir das eingemeißelte Bild selbst mal an.«
Graines Fingernägel waren schwarz. Auf dem Gras lagen Klumpen von zerrupftem Moos, und der Stein, auf dem das Moos gehaftet hatte, war mit einem Schlammfilm und Erdkrümeln bedeckt. Sie waren zu großen Bögen verschmiert, verteilt von einer kleinen Hand, die versucht hatte, die steinerne Platte zu reinigen und stattdessen den lehmigen Boden nur noch tiefer in die eingemeißelten Linien und Rillen hineingetrieben hatte, sodass ihr Muster so deutlich hervortrat, als ob es frisch aufgemalt worden wäre.
Dort, mitten im Wald der Götter, prangte direkt vor Breacas Augen jenes Symbol, das ihr schon durch ihre gesamte Kindheit hindurch gefolgt war; das sie durch die grundverschiedenen Phasen ihres Erwachsenenlebens geführt hatte; das sie als Ranghöchste Kriegerin von Mona, als Bodicea, Mitanführerin der westlichen Stämme gemeinsam mit Caradoc, als Breaca von Mona und, später, als Breaca von den Eceni, als Breaca, Mutter ihrer Kinder, und als die Bodicea, die untätige Anführerin eines Kriegsheeres, stets begleitet hatte. Während all dieser Jahre war der Schlangenspeer ihr spezielles Zeichen gewesen. Und nun war das Symbol abermals vor ihre Augen getreten, auf einem von Moos bedeckten Stein und in einer gänzlich neuen Form, die Breaca noch nie gesehen hatte.
Während sie auf der Erde kniete, zeichnete sie langsam mit dem Finger die geschwungenen Linien nach. Eine doppelköpfige Schlange verschlang sich in sich selbst und blickte damit zugleich in die Zukunft wie auch in die Vergangenheit. Quer über der Schlange lag ein zerbrochener Speer und verband mit seinem Zeichen die Götter mit der Erde. Um diese beiden Symbole herum schloss sich ringförmig das älteste aller göttlichen Zeichen, eine im Zickzack verlaufende Linie, zu deren beiden Seiten eine gleichmäßige Reihe kleiner Punkte verlief. Die Punkte symbolisierten den Mond. Und genau diese Zickzacklinie mit den Mondpunkten war es, die das Zeichen der Bodicea einer höheren
Macht widmete, womit das Symbol plötzlich eine wesentlich tiefer gehende Bedeutung besaß, als wenn es weiterhin bloß das Erkennungszeichen einer, wenngleich auch von den Göttern begnadeten, Kriegerin gewesen wäre. Ja, diese eine Linie ließ die doppelköpfige Schlange und den Speer in der Hierarchie der Zeichen sogar eine noch gewichtigere Stellung einnehmen, als sie dem Traum einer Ahnin zugekommen wäre. Egal, wie alt und weise diese Ahnin auch sein mochte.
Mit vor Erregung heiserer Stimme sagte Breaca: »Die beiden hier sind Briga gewidmet. Sowohl das Zeichen als auch der Altar.«
Sie ließ sich auf ihre Fersen zurücksinken. Aller Schmerz und selbst die Mühen, die es sie gekostet hatte, den Bach zu durchwaten, waren vergessen. Der Rotdornpfahl lag unberührt an ihrer Seite. Die ganzen Jahre über hatte Breaca geglaubt, dass das Zeichen allein ihr gehörte, dass es ein Geschenk der Älteren Großmutter gewesen sei. Stets hatte sie es vor jeder Schlacht immer wieder aufs Neue auf ihr Pferd und ihren Schild gemalt, sodass es irgendwann eins geworden war mit dem Namen der Bodicea. Erst später, in dem Jahr, als Graine geboren wurde, hatte Breaca herausgefunden, dass es schon lange, bevor sie das Zeichen für sich entdeckt hatte, bereits einmal der Träumerin der Ahnen gehört hatte. Es hätte Breaca also im Grunde nicht sonderlich überraschen dürfen, dass das Symbol noch vor allen Menschen, die sich dieses Zeichen zu ihrem ganz speziellen Erkennungsmerkmal auserkoren hatten, ursprünglich und zuallererst Briga gewidmet worden war, der Mutter aller Götter und der Bewahrerin des Lebens und des Todes, der Göttin der Schlacht, der Gebärenden, des Schmiedehandwerks und der Poesie. Denn sie allein war jene Göttin, die genau das praktizierte, was der Schlangenspeer symbolisierte. Sie existierte auf der Scheidelinie zwischen Leben und Tod, jenem schmalen Grat, der die eine Seite des Daseins mit der anderen verband. Auf ganz ähnliche Weise definierte sich auch das Wesen des Speers in der Schlacht, dessen Spitze über Leben und Tod entschied. Und auch die Schlange, die Haut um Haut wechselte, die vom einen Leben ins andere zu gleiten schien und die die geisterhafte Hülle ihres alten Wesens stets aufs Neue einfach hinter sich ließ, entsprach diesem Sinnbild.
Als Kriegerin, als Mutter und als Schmiedin hatte Breaca ihr Leben stets im Glauben an die schützende Macht Brigas gelebt. Und dennoch hätte sie nie für möglich gehalten, dass sie mit ihrer Schutzgöttin noch um so vieles enger verbunden war. Normalerweise besaßen doch nur die Träumer diese gewisse, kommunikative Verbindung mit den Göttern, aber nicht sie, Breaca.
Leise stieß sie den angehaltenen Atem zwischen den Zähnen aus. »Wir sollten besser gehen.«
»Nein.« Graine ging um die Platte herum, setzte sich neben ihre Mutter und ergriff deren Hand. »Valerius hat seine Intuition auf Mona unter der Anleitung von Luain mac Calma geschärft. Und er hat seine langen Nächte der Einsamkeit in den Traumkammern von Hibernia verbracht. Er wird also gewusst haben, was das hier ist. Und offenbar war er nicht der Ansicht, dass das hier der falsche Ort wäre, um dein Schwert zu verstecken. Ich glaube, du solltest den Stein anheben.«
Grünlich weiß schimmernd lag das zugespitzte Ende des Rotdornastes im Mondlicht. Breaca rammte es unter die Schmalseite der steinernen Platte und benutzte den Griff ihres Messers, das sie neben sich auf dem Boden platziert hatte, als Hebel. Zunächst schien der Altarstein Brigas sich seiner Entdeckerin noch verweigern zu wollen, dann aber ließ er sich zunehmend leichter aus dem Erdreich herausstemmen.
Gemeinsam schafften Mutter und Tochter es schließlich, die steinerne Platte vollends aus dem Untergrund zu lösen. Graine hatte sich mit beiden Füßen auf das zurechtgeschnitzte Endstück des Astes gestellt, während Breaca ans andere Ende der Altarplatte ging und versuchte, die Längsseite hochzustemmen. Mit müden Muskeln kämpfte sie gegen das tote Gewicht an, bis endlich jener Punkt erreicht war, an dem der feste Schlamm Brigas Altar freigab und dieser hochkant und gegen Breacas Hand gestützt neben seiner einstigen Ruhestätte stand.
Dort, wo eben noch die steinerne Platte gelegen hatte, gähnte plötzlich ein Hohlraum. Die Luft, die aus der Öffnung herausströmte, war feucht, roch nach Erde und hatte zugleich jene scharfe, fast schon salzige Nuance geschmiedeten Eisens an sich. Graine legte sich auf den Bauch und langte so tief in den Hohlraum hinein, wie sie es nur irgend wagte. Mit beiden Händen packte sie zu und zog dann einen dunklen Gegenstand heraus. Dann noch einen und noch einen. Stück für Stück beförderte sie insgesamt fünf lange, schmale Bündel zu Tage. Jedes von ihnen war mit ölgetränktem Leinen umwickelt, um das sich wiederum ein Stück zusammengerollte Birkenrinde schloss. Zusammengehalten wurde die sorgfältig fabrizierte Schutzhülle von einigen Schnüren roten Bullenleders. Graine legte die Bündel in einer Reihe nebeneinander auf das Gras. An der einen Schläfe hatte sie einen kleinen Schlammfleck. Man nannte dies den Kuss der Göttin.
Die Nähe des Eisens, der Geruch von Rost und Rohmetall, die Lieder des Schmiedens und der Schlacht, die in den Waffen mitschwangen, ließen sowohl Breaca als auch Graine leicht schwindelig werden. Den Altarstein gegen ihr Knie gestützt, griff Breaca hinab und löste die Schnüre aus Bullenleder von jenem der fünf Bündel, das augenscheinlich ihr gehörte. Die Zeit in der Erde hatte das Leinen noch nicht steif werden lassen, und auch der Schimmel hatte sich noch nicht in dem Gewebe einnisten können, sodass es sich unter Breacas behutsamen Fingern widerstandslos abwickeln ließ, und schließlich kam ein etwa faustbreites, hell im Mondlicht glänzendes Eisenstück zum Vorschein.
Doch Breaca brauchte beide Hände, weshalb sie den Altarstein langsam wieder auf den Boden zurücksinken ließ. Mit der gleichen Vorsicht, mit der sie Graine behandelt hatte, als diese noch ein kleines Kind gewesen war, schälte sie schließlich auch noch den Rest der leinenen Hülle von der Waffe. Jener Waffe, die einst ihr Vater für sie geschmiedet hatte. Es war sein Geschenk an seine zur Frau heranreifende Tochter gewesen.
Tagelang hatte Eburovic das Eisen geschmiedet und es immer wieder aufs Neue ausgehämmert, bis die Klinge genau das richtige Gewicht und die richtige Länge für jene Frau hatte, zu der Breaca einmal heranwachsen sollte. Etwas später hatte er dann als Schmuck für den Schwertknauf noch den Schlangenspeer in Bronze gegossen, obwohl Eburovic zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mehr über dieses Zeichen wusste, als dass Breaca es in ihrer Vision in den langen Nächten der Einsamkeit gesehen hatte und genau dieses Symbol folglich auch ihr Schwert zieren musste.
Das Schwert, das nun als Zierde das Zeichen Brigas trug, war älter als jedes der Kinder der Bodicea. Und es war auch älter als jeder Mann oder jede Frau, die sie je geliebt hatte. Mit Ausnahme von Airmid, die von Anfang an in vielem die erste Rolle für Breaca gespielt hatte. Fast zwanzig Jahre lang hatte Breaca dieses Schwert schon in die Schlacht getragen, ehe es endlich zu einem Teil ihrer selbst geworden war, den sie nun so wenig entbehren konnte wie ihre Muskeln oder ihre Sehnen oder die Knochen, die ihren Körper trugen.
Wie ein lebendiges Wesen und fast schon mit eigenem Willen schmiegte es sich in ihre Hand. Abermals begann die wulstige Narbe in Breacas Handinnenfläche zu stechen und zu brennen, doch sie hieß diesen Schmerz willkommen wie den sanften Biss eines Liebhabers. Es war ein unangenehm ziehendes und doch zugleich vertrautes Gefühl, das in sich das Versprechen von noch weitaus mehr barg - sofern Breaca die Kraft finden würde, diesem Gefühl zu begegnen und es zu erwidern.
Im Augenblick jedenfalls war sie sich noch nicht sicher, ob sie diese Anstrengung würde bewältigen können. Schließlich war sie nicht ganz geheilt. Es fehlte noch die Leidenschaft, das innere Feuer, genau jener Teil ihres Wesens, der sich einst regelrecht nach dem Kampf verzehrt hatte, der die Schlacht mehr liebte als alles andere. Und selbst jetzt, in dieser Nacht, fürchtete Breaca sich tief in ihrem Inneren davor, das genaue Ausmaß jenes Verlusts zu erkunden, den das Verlöschen des Feuers nach sich gezogen hatte.
Von ihrem Platz neben dem Altarstein flüsterte Graine: »Die Götter antworten nur den Entschlossenen, nicht den Furchtsamen.«
Breaca erhob sich wieder, ließ dabei jedoch den Arm mit dem Schwert schlaff herunterhängen, bis das Gewicht der Waffe ihr Achselgelenk auseinanderzuzerren drohte. Widerstrebend rollte sie mit den Schultern, um die Verspannung in ihrem Nacken zu lösen. Dann, im Angesicht von
Nemains Mond und neben dem Altar der Göttin Briga, die sowohl über den Kampf als auch über den Tod herrschte, und mit ihrer Tochter als einzigem menschlichem Zeugen, wagte Breaca von den Eceni, sie, die ihrem Volk den Sieg schenken wollte, sich endlich daran auszutesten, wie weit ihre körperlichen Fähigkeiten schon wieder reichten und wo ihre Grenzen lagen.
 
Später konnte sie nicht mehr sagen, wann genau ihr aufgefallen war, dass nicht bloß Graine sie beobachtete. Sie wusste nur, dass da so ein gewisses Gefühl der Leere gewesen war, jene ganz bestimmte Leere, wie sie meist mit dem scharfen Blick der Göttin einherging, und dass diese Leere irgendwann etwas von ihrer hohlen Qualität zu verlieren schien, sodass Breaca ihr Bestes gab, um ihren Geist und ihren Körper noch stärker zu fordern. Sie kämpfte darum, die Schwerthiebe mit noch saubereren Bewegungen auszuführen, versuchte, noch tiefer und kraftvoller einzuatmen und ihren zerschundenen Körper noch weiter über jenes Maß an Qualen hinauszuzwingen, die sie doch bereits erreicht hatte.
Doch selbst unter den wachsamen Augen der sichtbaren und unsichtbaren Zuschauer kam irgendwann der Punkt, an dem Breaca ganz einfach aufgeben musste. Sie nahm ein letztes Mal die Abwehrposition ein, vollführte einen letzten Hieb, dann noch einen Gegenhieb und ließ dann die Spitze des Schwerts kraftlos hinabsinken und sich in die lehmige Erde graben.
Breaca drehte sich zu jener Stelle um, an der die Leere etwas weniger hohl erschien. Dann wartete sie und fragte schließlich in die Dunkelheit hinein: »Falls ich nicht mehr die Kraft besitzen sollte, um das Kriegsheer anführen zu können... wirst du dann an meiner Stelle die Führung über das Heer übernehmen?«
Im Grunde war die Frage nicht mehr gewesen als eine vage Vermutung, die sie laut ausgesprochen hatte. Zudem hatte ein gewisses Risiko darin gelegen, diesen Gedanken womöglich vollkommen fremden Ohren anzuvertrauen. Anschließend, nachdem Breaca gesprochen hatte, herrschte zunächst einmal nur tiefe Stille. Eine so unendlich lange Stille, dass Breaca vor Anspannung der kalte Schweiß aus den Poren kroch. Dann aber erhielt sie den Beweis, dass sie recht gehabt hatte.
»Noch wissen wir nicht, wie weit deine Kraft reicht«, entgegnete ihr Bruder. »Also brauchen wir uns über die eventuellen Konsequenzen auch noch keine Gedanken zu machen.«
Er war also da, ihr Bruder, Valerius, Offizier der römischen Kavallerie und einst Bán von den Eceni. Beim letzten Mal, als Breaca ihn bewusst wahrgenommen hatte, hatte sie am Boden gelegen, während er auf jenem Pferd saß, das er Krähe nannte, und er hatte in scharfem Latein irgendetwas zu dem Prokurator des römischen Kaisers gesagt, der sich daraufhin zitternd zwischen den Hufen von Krähe zusammengekrümmt hatte. Nur wenige Augenblicke später hatte Valerius den Prokurator von seinem Pferd zu Tode trampeln lassen. Der tobende und unerbittliche Zorn, mit dem ihr Bruder ihren Peiniger vernichtet hatte, war Breaca eindringlich im Gedächtnis haften geblieben und hatte sich in mindestens der Hälfte ihrer Fieberträume stets aufs Neue manifestiert.
Nun stand ebenjener Bruder unmittelbar vor ihr auf der Lichtung, übergossen vom sanften Schein des Mondes. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte Breaca ihn wieder von Kopf bis Fuß betrachten. Er war größer, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte, und schlanker, aber immerhin nicht mehr so ausgemergelt, wie er ihr auf dem Schiff während der Überfahrt von Gallien aus erschienen war. Damals, als sie ihn hatte töten wollen. Für einen Römer war sein Haar recht lang, für einen Eceni hingegen war es noch sehr kurz, und obwohl er das Recht dazu gehabt hätte, hatte er sich an seiner Schläfe nicht jenen typischen Zopf geflochten, wie ein Krieger ihn für gewöhnlich trug. Über seiner nach Art der Römer gefertigten Tunika trug er einen Umhang, wie ihn die Eceni trugen. Das Schwert an seinem Gürtel hatte er selbst geschmiedet. Es war kürzer und schlanker als das Großschwert eines Eceni-Kriegers und zugleich länger als die Schwerter der Hilfstruppen der Kavallerie, jener Waffen also, mit denen er in der Vergangenheit gekämpft hatte, als er seinen Dienst als römischer Legionar verrichtete.
Noch immer wirkten seine Augen tiefschwarz, so wie sie es schon immer gewesen waren. Ihr Ausdruck aber war nun deutlich weniger gehetzt. Genau genommen sah Valerius sogar erstaunlich wohlbehalten aus, zumal, wenn man bedachte, dass er immerhin ein Mann war, den die Götter genau auf der Grenzlinie zwischen zwei vollkommen gegensätzlichen Welten platziert hatten. Breaca erinnerte sich, dass ihr Bruder sowohl Mithras, dem geheimen Gott der Legionen, als auch Nemain ergeben war.
Der Schmerz in ihrem Rücken hatte inzwischen wieder etwas nachgelassen. Sie hob ihr Schwert. »Wie wäre es mit einem kleinen Kampf gegen mich? Damit ich ungefähr weiß, mit welchen Tricks ich die nächste Schlacht vielleicht doch noch überleben könnte. Beziehungsweise, damit ich weiß, welche Fehler mich das Leben kosten werden.«
Breaca hatte Valerius eigentlich nur zum Spaß herausfordern wollen, hatte ihre Kampfansage nicht wirklich ernst gemeint. Valerius schenkte ihr lediglich ein knappes Grinsen. Ein Grinsen, in dem sich viel zu viele Emotionen widerspiegelten, als dass Breaca spontan die wahre Bedeutung dieser amüsierten Geste hätte deuten können. Fast unmittelbar darauf, noch ehe sie bereit war, gegen ihn anzutreten, hatte Valerius auch schon seine Waffe gezogen.
Breaca riss ihr Schwert hoch, versuchte, seinen Hieb zu parieren, und wappnete sich im Inneren bereits gegen den Schmerz, der sie angesichts der Wucht seines Schlages unweigerlich durchzucken würde.
Dann, nur einen Wimpernschlag später, war ihr Bruder auch schon wieder mit einem Satz rückwärts in die Dunkelheit entschwunden. Nur einen kurzen Blick auf sein Schwert konnte Breaca noch erhaschen, das bläulich im matten Licht des Mondes aufblitzte, ganz ähnlich einem sich windenden Fisch, der neckend gegen Breacas träge Waffe stupste und dann mit einem flüchtigen Zucken wieder entschwand. Gleich im nächsten Moment aber war er wieder da, schlug erneut gegen ihr Schwert und verschwand erneut. Hieb gleich darauf abermals gegen das Eisen in ihren Händen und löste sich dann scheinbar wieder in Luft auf. So ging es immerfort, wieder und wieder, schnell und schneller und schließlich zu schnell, als dass Breaca den Bewegungen von Valerius’ Schwert noch hätte folgen können. Bis zu jenem Augenblick, als sie schließlich sich selbst und ihren Schmerz vergaß, stattdessen ihre Waffe fest mit beiden Händen packte, sie hoch über ihren Kopf riss und sie mit einem einzigen, die Luft zerteilenden Schlag direkt über Valerius’ Kopf niedersausen ließ. Dabei schrie sie aus Leibeskräften seinen Namen, ganz so, als ob sie sich in einer realen Schlacht gegenüberständen.
»Valerius!«
Blitzschnell rammte er sein Schwert mit einem harten Schlag von unten gegen das ihre und wehrte ihren Angriff so geschickt von sich ab. Die Wucht seines Hiebes fuhr wie ein Blitz durch ihre Handgelenke, schoss weiter durch Arme und Schultern und schließlich bis hinab in das zermarterte Fleisch auf ihrem Rücken. Abrupt hielt Breaca inne und stand dann stocksteif da, während sie heftig mit den Zähnen knirschte und einen herzhaften Fluch ausstieß. Sie schwitzte vor Anstrengung am ganzen Körper, war regelrecht gebadet in Schweiß, so wie sie es in ihren ärgsten Fieberträumen gewesen war, und das Rasseln ihres keuchenden Atems schien zwischen den Bäumen widerzuhallen.
»Ja, bitte, ich höre?«
Breaca hob den Kopf. Auch ihr Bruder atmete nun schneller als noch vor wenigen Augenblicken, doch nicht eine einzige Schweißperle zeigte sich auf seiner Haut. Er musterte sie aufmerksam, sagte jedoch nichts weiter, sondern hob nur mit sarkastischem Gesichtsausdruck eine Braue.
»Wenn du dir merken könntest, niemals wieder so dein Schwert zu heben, außer du kämpfst im Schutze zweier dich flankierender Krieger, dann, ja, dann sollte es dir wirklich keine besonderen Schwierigkeiten bereiten, dem Kriegsheer eine gute Anführerin zu sein. Solltest du diese Regel aber vergessen, dürfte dich wahrscheinlich gleich der erstbeste Rekrut mit seinem Speer durchbohren, und unser Befreiungskrieg wäre beendet, noch ehe er überhaupt richtig angefangen hat. Also, was meinst du, wirst du dir das merken können?«
»Vielleicht. Falls in dem Moment nicht gerade irgendetwas anderes passiert, das mich ablenkt. Was aber letztendlich nichts an der Tatsache ändert, dass ich einfach noch nicht wieder in der Verfassung bin, um eine Armee in die Schlacht zu führen. Ganz egal, um welche Art von Armee es sich dabei auch handeln mag. Du bist dafür viel besser geeignet als ich. Du kennst die Römer besser als irgendjemand sonst. Und du hast schon mehr Männer in den Sieg geführt als jeder andere. Ganz objektiv betrachtet bist du also die bessere Wahl für diese Aufgabe.«
»So, bin ich das?« Ganz unvermittelt ließ Valerius sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden sinken. Das Gesicht dem Teich der Götter zugewandt fragte er: »Graine? Wir haben knapp fünftausend noch nicht voll ausgebildete Krieger. Allein der Name der Bodicea hat sie dazu bewegen können, sich zusammenzufinden. Angenommen, deine Mutter wäre nicht mehr in der Lage, diese Krieger anzuführen. Sollte dann tatsächlich ich derjenige sein, der sie in die Schlacht führt? Und selbst, wenn ich mich dazu bereit erklären sollte... was würde wohl dein Bruder Cunomar dazu sagen?«
Breaca beobachtete, wie ihre Tochter zu ihnen trat und sich mit solch gelassener und vertrauensvoller Haltung neben ihren Onkel setzte, als ob sie in ihm bloß den auf Mona ausgebildeten Träumer Nemains sähe und nicht etwa den Römer, den einstigen Legionssoldaten, der doch immerhin die andere Hälfte von Valerius’ Wesen ausmachte.
»Cunomar kennt die Prophezeiung, die die Träumerin der Ahnen meiner Mutter damals machte. Finde den Krieger mit den Augen und dem Herzen eines Träumers. Lass ihn den Anführer des Heeres sein. Dann, vielleicht, werdet ihr siegen. Die Vision zeigte einen Krieger, keine Kriegerin. Ein Mann führt den letzten Feldzug gegen Rom. Und mein Bruder wäre liebend gerne dieser Krieger. Das ist schon immer sein innigster Wunsch gewesen. Aber dann bist du gekommen. Und du warst nicht nur der Mann, der den Vater seines Herzens in Gallien zurückgelassen hatte, sondern du bist außerdem auch noch zum Krieger und zum Träumer geworden. Und du bist der Bruder der Bodicea, der einst ihrem Sohn das Leben rettete. Cunomar schuldet dir also alles, und du verkörperst alles, was er je sein wollte. Dafür hasst er dich. Und wie sollte er auch anders? Vor allem, wie soll er mit all diesem Hass in seinem Inneren dich als seinen Anführer akzeptieren?«
Valerius hob den Kopf. Die Ironie und die Belustigung, die sich zuvor noch in seiner Miene widergespiegelt hatten, waren verschwunden. »Breaca?«
Einige Augenblicke lang konzentrierte sie sich allein darauf, sorgsam ihr Schwert wieder in dessen Schutzhülle zu verstauen und das schmale Paket erneut mit den Riemen aus Bullenleder zu verschnüren. »Das hatte ich natürlich vergessen. Es tut mir leid. Es scheint ganz so, als hätte ich eine ganze Menge Dinge vergessen, die eigentlich von größter Bedeutung sind.« Ihre Hände und der Schwertgriff glänzten nass vor Schweiß. Mit dem Ärmelsaum ihrer Tunika wischte Breaca über das Emblem des Schlangenspeers, das den Knauf ihrer Waffe zierte, sodass das Metall schließlich wieder jenen stumpfen Schimmer annahm, den ihr Vater ihm einst verliehen hatte.
Dann herrschte Schweigen, hartnäckige Stille, die niemand mit Worten zu verletzen wagte. Schließlich erhob Valerius sich, trat einige Schritte vor und kniete sich neben den Altarstein und das darunter gähnende Loch. Wie Graine es getan hatte, beugte nun auch er sich in den schmalen Abgrund hinab. Anders als seine Nichte jedoch traute er sich, noch ein Stückchen tiefer zu greifen, bis schließlich sein gesamter Oberkörper in dem Loch verschwunden zu sein schien und er eifrig mit den Fingern die Erde am Boden jenes Verstecks durchwühlte, das Graine entdeckt hatte.
Einige Zeit später tauchte er wieder auf und hockte dann still und mit gesenktem Kopf da, während er das mit dünner Birkenrinde und Bullenleder umwickelte schmale Paket betrachtete, das er heraufbefördert hatte. Nun war auch wieder der Hund an seiner Seite zu erkennen. Und auch während der folgenden Augenblicke blieb das Tier für alle deutlich sichtbar. Es war der Traumhund, der einst Hail gewesen war und noch immer Hail war, nur dass er nicht mehr lebte.
»Bitte rück mit mir ein bisschen näher an den Teich heran«, sagte Valerius. »Ich möchte, dass auch Nemain Zeugin dessen wird, was wir hier gleich entdecken werden.«
Breaca war noch immer ganz versunken in ihre Gedanken an Cunomar und dessen ehrgeiziges Ziel, ließ sich aber gehorsam dicht neben der Wasserstelle nieder. Valerius löste unterdessen die Verschnürung des Pakets, entknotete die Bänder aus Bullenleder, jenes Tiers, das Mithras heilig war, und wickelte die Umhüllung aus der Rinde der Birke ab, jenes Baums, der Nemain heilig war. Allein Breaca hatte noch immer nicht die leiseste Ahnung, was sich wohl in dem Bündel verbergen mochte.
Schließlich strich Valerius das leinene Tuch flach auseinander und ließ sich auf die Fersen zurücksinken. Silbrig schimmernd lag dort eine weitere Klinge im Mondlicht, eine Waffe, die jedoch so ganz anders war als Breacas Schwert. Es war jene Waffe, die einmal ihrem Vater gehört hatte. Und damit war es nicht das leichte und mühelos zu handhabende Kavallerieschwert, das er früher einmal für seine Tochter gefertigt hatte, sondern es war Eburovics eigene Waffe, jenes riesige Kampfschwert ihrer Ahnen, das Breacas Vater einst über eine lange Reihe von Kriegerinnen und Kriegern vererbt worden war. Ein Schwert, das stetig von einer Generation an die nächste weitergereicht worden war, vom Vater an die Tochter und von der Mutter an den Sohn, seit das Volk der Eceni existierte.
Es war um ungefähr eine Handbreit länger als Breacas eigenes Schwert und oben am Heft etwas breiter, und auch sein Gewicht war ganz anders austariert. Sicherlich bedurfte es einigen Geschicks, um diese Waffe richtig führen zu können. Gelangte sie jedoch in die richtigen Hände, so war sie von tödlicher Macht. Das Ornament, das den Knauf schmückte, stellte die ihre Jungen säugende Bärin dar, die einst Eburovics Traumsymbol gewesen war, und zwar lange bevor Ardacos von den Kaledoniern den Bärinnenkult aus dem kalten Norden in die östlichen Lande der Eceni getragen hatte.
Mit leerem Blick starrte Breaca auf das Schwert. Sie hätte nur zu gerne eine Regung in ihrem Inneren verspürt und fühlte doch nichts. Ihr einziger Gedanke war, dass sie keinerlei Warnung vernommen hatte, dass weder das Lied der Klinge ihres Vaters noch die Stimme Eburovics sie auf diese Entdeckung vorbereitet hatten. Und doch hätten beide zu ihr sprechen müssen.
»Valerius?«, fragte sie. »Wie bist du zu diesem Schwert gekommen? Wir hatten es doch versteckt, und zwar weit außerhalb der Reichweite jeglichen menschlichen Wesens.«
»Eburovic selbst hat mich zu seiner Waffe geführt. Das heißt, natürlich war nicht er es, sondern vielmehr sein Geist. Und ich hatte in dem Moment einfach keine Zeit, um noch irgendwelche Fragen zu stellen. Wann ist er gestorben, Breaca? In den Invasionskriegen? An Machas Seite?«
»Er wurde in jener Schlacht getötet, während der du uns damals geraubt wurdest.«
Breaca hatte ganz vergessen, dass ihr Bruder dies noch gar nicht wusste, dass so vieles, was zu seiner ganz persönlichen Geschichte dazugehörte, noch nicht seinen Platz in Valerius’ Leben gefunden hatte. Sie beobachtete ihn, während er das Wissen langsam in sich einsinken ließ und es in das grausame Gesamtbild, zu dem all seine Verluste sich verbunden hatten, mit einfügte.
Ein wenig mitfühlender fuhr sie fort: »War es wirklich Eburovic, der dich zu dem Kampfschwert der Ahnen geführt hat? Das würde in jedem Fall Sinn ergeben. Er hat dich als seinen Sohn aufgezogen und dich ebenso innig geliebt, als wärst du sein eigen Fleisch und Blut. Mit dieser Waffe in deinen Händen könntest du nun also tatsächlich das Kriegsheer führen und die für deine Tat gebührende Ehre einheimsen.«
»Danke. Aber... nein. Die Waffe und die Position des Anführers, die mit dieser Waffe einhergeht, sind, glaube ich, für jemand anderen bestimmt.«
Einen Moment lang starrte er auf die bleiche Scheibe, als die der Mond sich im Teich widerspiegelte, und presste den Knöchel seines Daumens fest gegen sein Brustbein. Ganz in der Nähe rief mit schrillem Schrei ein Eulenjunges nach seinen Eltern. Unmittelbar darauf erschallte die Antwort.
»Der Geist deines Vaters, der Geist unseres Vaters, hat das Schwert in meine Obhut übergeben«, begann Valerius.
»Ich sollte es aber nur so lange behalten, bis er mich darum bitten würde, es weiterzureichen. Noch hat er mich nicht wissen lassen, wer die Waffe als Nächstes führen soll, und dennoch bewegen wir uns mit immer schnelleren Schritten auf einen Krieg zu, der uns zwingen wird, die Länder der Eceni weit hinter uns zu lassen. Falls das Schwert also hierbleibt, eingegraben in seinem Versteck... Nun ja, vielleicht werden wir nie wieder hierher zurückkehren. Ich denke also, nun ist der richtige Augenblick gekommen, damit das Schwert seinem neuen Besitzer übereignet wird. Jemandem, der nicht nur weiß, wie er das Schwert zu führen hat, sondern der auch das Recht dazu besitzt. Ich will dein Kriegsheer nicht anführen. Wenn man hingegen Cunomar dieses Schwert zum Geschenk machte, könnte er vielleicht doch noch in seine Aufgabe hineinwachsen. Ich meine, er könnte immer noch der Anführer der...«
»Nein.«
Diese klare Erwiderung kam sowohl aus Graines als auch aus Breacas Mund; es war, als ob die beiden mit einer Stimme sprächen.
Und wie um diese Aussage mit seinem eigenen Laut zu unterstreichen, stieß auch das Eulenjunge noch einmal seinen scharfen Schrei aus.
Dann trat Stille ein. Schließlich war Valerius es, der als Erster wieder das Schweigen brach und argwöhnisch fragte: »Aber warum denn nicht?«
»Sollte mein Enkel jemals diese Waffe führen, dann sei gewiss, dass das den Tod aller Eceni zur Folge haben wird. Ich vertraue darauf, dass du Sorge dafür tragen wirst, dass das nicht geschieht.«
Es war gar nicht Breacas Absicht gewesen, in dem gleichen Tonfall zu sprechen wie ihr Vater, doch genauso kamen die Worte nun einmal aus ihr herausgesprudelt, um leise über dem Teich der Götter zu verhallen.
Dann, wieder mit ihrer eigenen Stimme, fuhr sie fort: »Das war die Warnung, die Eburovics’ Geist uns hat zukommen lassen, als wir die Schwerter versteckten. Cunomar war auch dabei. Er hat die Worte unseres Vaters genauso deutlich gehört wie jeder andere von uns. Und es wird immer eine der Quellen seines Grams sein, dass er somit niemals die Waffe seines Großvaters wird führen dürfen. Er würde das Schwert also ohnehin von sich weisen, selbst wenn du nun versuchen würdest, es ihm zu überreichen.«
»Vielleicht. Aber sollte im Gegenzug dann tatsächlich ich der Anführer des Kriegsheeres werden, dann würde gerade dein Sohn mir ja doch bloß unterstellen, dass ich nicht weniger als den endgültigen Tod über das Volk der Eceni bringe. Und das wiederum würde sicherlich nicht dazu beitragen, dass er mir endlich doch ein wenig Vertrauen schenkt.
Das zumindest ist meine Sicht der Dinge.« Valerius legte seine langen, schmalgliedrigen Finger über die Augen. Einige Zeit später ergänzte er mit dumpfer Stimme: »Und überhaupt habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie wohl der Wunsch deines Vaters in dieser Angelegenheit ausgesehen hätte. Ich höre weder seine Stimme noch die Botschaft der Götter, außer, dass wir warten müssen, bis Eburovics Wille sich uns von ganz allein verdeutlicht. In der Zwischenzeit aber...«
Valerius ließ die Hände wieder sinken. In seinen Augen lag ein seltsamer, bernsteinfarbener Glanz. Mit beinahe schon verzerrt klingender Stimme erklärte er: »Und erst einmal dürfte es auch wirklich dringlichere Probleme geben, die wir lösen müssen. Zumal nicht sicher ist, wie lange wir überhaupt noch leben, um uns darum kümmern zu können. Im Osten wurden die Warnfeuer entzündet.«
Breaca drehte den Kopf in die gleiche Richtung, in die Valerius sich gewandt hatte. Sie ließ den Blick über jene Ebene schweifen, über der vor kurzem noch der Mond gestanden hatte und wo nun eigentlich finstere Nacht hätte herrschen müssen. Stattdessen aber schien der Himmel geradezu zu kochen, und blasse, flackernde Lichter hoben sich vor dunklen Wolken ab.
Viel zu früh war die Morgendämmerung wieder über sie hereingebrochen. Genau genommen sah es sogar so aus, als ob die Sonne gleich an mehreren Orten zugleich aufginge, denn hinter dem ersten und größten Feuer konnte Breaca noch vier weitere, etwas kleinere ausmachen, und mit ihnen vier Rauchsäulen, die in gleich bleibendem Rhythmus von weißen Schwaden zu schwarzem Qualm wechselten und wieder zurück.
»Cunomar«, murmelte Breaca leise in den heraufziehenden Morgen, denn ganz offensichtlich wagte kein anderer außer ihr, diesen Namen auszusprechen. Dann erklärte sie: »Er hat offenbar einen der Wachtürme angegriffen und damit eine Signalfeuerkette ausgelöst.«
»Aber es war ihm doch verboten worden. Er durfte weder die Neunte Legion im Norden herausfordern noch das Stadtgebiet von Camulodunum im Süden attackieren«, wandte Valerius ein. »Und wir alle haben darauf vertraut, dass er nicht so dumm sein würde, nun beide gleichzeitig gegen uns aufzubringen.«
Für einen flüchtigen Augenblick konnte Breaca einen deutlichen Einblick in die Gedanken ihres Bruders erhaschen: Auf puren Zorn folgte zunächst echte Frustration, bis beide schließlich jenem spöttischen, trockenen Humor weichen mussten, mit dem Valerius auf fast alle Ereignisse zu reagieren pflegte. Einzig, dass diesmal auch eine Spur von Erstaunen, fast schon Bewunderung in seinem matten Lächeln zu liegen schien.
Mit einem leisen Pfeifen stieß Valerius die Luft zwischen seinen Zähnen aus und fuhr sich dann mit der Zunge über die Lippen. An Breaca gewandt erklärte er schließlich nachdenklich: »Wir können es uns einfach nicht leisten, nun genau zwischen den Hammer der Neunten und den Amboss von Camulodunum zu geraten. Andererseits hat der in der Stadt befehlführende Zenturio gerade erst drei komplette Kohorten seiner Streitmacht an die Kriege im Westen verloren. Er wird seine Veteranen also nicht eher gegen uns aussenden, bis er genau weiß, womit er es eigentlich zu tun hat. Womit wir hingegen auf jeden Fall rechnen müssen, ist, dass er, sobald wieder Tageslicht herrscht, einige Melder aussenden wird. Und zwar mit dem Auftrag, so schnell sie nur irgend können nach Norden zu reiten und irgendwie lebend das Lager der Neunten Legion zu erreichen, um denen dann den Befehl zu überbringen, dass sie sich schleunigst auf den Weg nach Süden machen sollen, um uns mit aller Macht in den Rücken zu fallen. Sollten wir also das Glück haben, diese Kuriere abfangen zu können, bestände die Chance, dass wir Cunomars Fehler zumindest in einen Teilsieg umwandeln könnten.« Valerius musterte Breaca von Kopf bis Fuß. »Könntest du diese Aufgabe übernehmen?«
»Nein.« Noch immer stand ihr von den Anstrengungen ihres kleinen Gefechts der kalte Schweiß auf der Stirn. »Über dieses Thema haben wir uns schon einmal unterhalten. Schneller als im Schritt kann ich noch nicht wieder reiten. Und ich habe auch noch nicht wieder die Kraft, um so lange ein Schwert schwingen zu können, wie es nötig wäre, um eine komplette Schlacht durchzufechten. Ich bin einfach noch nicht dazu imstande, das Kriegsheer in einen Kampf zu führen.«
»Ich weiß. Aber ich habe da schon eine Idee. Und wenn die funktionieren sollte, wird es gar nicht zu einer regulären Schlacht kommen. Alles, was du tun musst, ist, vor den Augen des Kriegsheers einen der römischen Melder niederzustechen, damit deine Krieger wieder glauben können, dass sie dich haben kämpfen sehen. Ich werde ebenfalls da sein, ich werde den Kurier hereinrufen und ihn, falls nötig, sogar eigenhändig für dich festhalten. Vertraust du mir, dass ich das für dich, für unser Volk, tun würde? Vertraust du mir, dass ich schon dafür sorgen werde, dass du bei diesem Scheinkampf in jedem Fall in Sicherheit bist?«
Valerius stellte seine Frage wie nebenbei, er, der Bruder, den sie einst hatte töten wollen. Er dagegen hatte nichts dergleichen versucht, sondern ihr lediglich angeboten, bis an das Ende seiner Tage in ihren Diensten zu stehen. Zweifel blitzten in seinen Augen, nun, da er seine Schwester gebeten hatte, sie beschützen zu dürfen. Zweifel, die Breaca bislang noch nicht an ihm gekannt hatte.
Sie nahm seine Hände zwischen die ihren. Ganz in der Nähe gingen die Eulen auf die Jagd, und eine Spitzmaus starb mit schrillem Schrei. Ohne auch nur einen Hauch von Ironie in ihre Stimme zu legen, entgegnete Breaca: »Valerius von den Eceni, ich lege mein Leben in deine Hände.«
Die Kriegerin der Kelten
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