»Gestern noch auf stolzen Rossen,

heute durch die Brust geschossen.

Morgen in das kühle Grab.«

Wilhelm Hauff, Reiters Morgengesang

Bender stand in seinem Garten und hielt eine große Flasche Baldriantropfen in der Hand. Eine Bekannte hatte behauptet, dass man damit Katzen anlocken konnte, und da er nichts unversucht lassen wollte, um Fred wiederzufinden, goss er die Tinktur jetzt über Büsche und Beete.

Fred war nun schon wie lange weg? Er zählte die Tage an seinen Fingern ab. Fünf. »Verflixt«, fluchte er. Mit jeder Stunde, die verging, schwand seine Hoffnung, den Liebling des Chefs heil wiederzufinden, und damit nicht genug: Er hatte zudem auch noch Probleme, einen von Morells potentiellen Zeugen aufzutreiben.

Normalerweise hätte er einfach die Kollegen in Innsbruck oder Wien angerufen und um Hilfe gebeten, aber da ja alles topsecret war, durfte niemand etwas von der ganzen Sache erfahren. Er war also völlig auf sich selbst gestellt – und somit total aufgeschmissen. Der Chef würde maßlos enttäuscht von ihm sein. Erst Fred, jetzt Harr. Was kam als Nächstes? Wahrscheinlich würden ihm alle Pflanzen eingehen, und dann würde er versehentlich auch noch Morells Haus abfackeln. Er wollte es sich gar nicht erst ausmalen.

»Alles wird gut«, zitierte er die Verkäuferin aus dem Esoterikladen. »Immer schön positiv denken.«

Als der letzte Tropfen Baldrian vergossen war, fuhr Bender zurück in die Inspektion und versuchte weiter, den ominösen Gustaf Harr aufzutreiben.